Mittellos
Hat jemand schon mal versucht, ohne einen Pfennig Geld in der Tasche, wegzufahren? Ich schon, natürlich nicht gewolltermaßen. Aber ich will von vorn beginnen.
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Es war wieder einmal ein Besuch bei Cousine Britta, die mit ihrem Ehegespons in der Nähe von Bernau wohnt, fällig.
Zum Ersten war ich neugierig auf ihren neuen Kater, einen reinrassigen blauen Kartäuser, zum Zweiten hatten wir uns ja schon längere Zeit nicht gesehen und mein lieber kleiner fahrbarer "Untersatz“ sehnte sich auch wieder
mal nach einer etwas weiteren Strecke, wie es Dieselmotoren nun mal so lieben. (Da ich seit kurzen das Rentendasein fristete, kam der ja nun nicht mehr allzuoft zum Einsatz.)
Und Drittens wollte ich natürlich mein neues Navi, ein Tom Tom XXL ausprobieren.
Da Autobahnen für mich Horrorstraßen sind und ich zudem alleine ohne meinen "Göttergatten", der ja noch arbeiten musste, unterwegs war, hatte ich das Navi so eingestellt, dass es Autobahnen vermied.
Also hatte ich eine kleine Reisetasche gepackt und fuhr eines Mittwochs so gegen zehn Uhr los.
Das Wetter spielte mit, der Planet strahlte nur so vom Himmel und so fuhr ich denn ganz gemütlich durch die Landschaft, an Dörfern, Wäldern und Feldern vorbei, bis ja bis nach zirka zweihundert Kilometern ein zutiefst menschliches Bedürfnis meinem Kopf mitteilte: „Ich muss mal...“
Doch als ich in einem kleinen Wäldchen mit lauter dünnstämmigen Bäumen zwecks Erfüllung dieses Bedürfnisses die Hosen runter lassen wollte, kam dummerweise ein Autos vorbei. Also Hose schnell wieder hoch und abgewartet, bis das Auto vorbei war. Ebenso geschah es beim zweiten und dritten Versuch, so dass ich dann unverrichteter Dinge und zähneknirschend wieder meinen
Ford Fiesta bestieg und weiter fuhr.
Plötzlich, wie ein Wink von Oben, am rechten Straßenrand ein Gasthaus mit einigen Lkw´s davor. Ein Seufzer der Erleichterung entrang sich meiner Kehle.
>Hier kann ich mich endlich erleichtern<, dachte ich, hielt an und betrat die Gastlichkeit.
Ausschließlich männliche Gäste, wohl alle die Fahrer der davor stehden Lkw`s, waren da, das Interieur schon leicht angealtert, aber das war mir in dem Falle egal.
Also setzte ich mich an einen freien Tisch, bestellte ein Schnitzel und verschwand erst mal Richtung Damentoilette.
Als ich zurück kam, stand bereits das
Schnitzel und ein Glas Wasser auf meinem Platz.
Na ja, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.
Das Einzige, was schmeckte, waren die Kartoffeln. Das Schnitzel war in der Soße schwimmen gegangen und ein Häuflein Gurkensalat kauerte traurig am Tellerrand. Anstandshalber vertilgte ich die Hälfte des Schnitzels und die Kartoffeln, trank wenigstens das Wasser aus und wollte mich ans Bezahlen machen.
Doch - ein Blick in meine Tasche sagte mir plötzlich, dass da kein Portemonnaie war. Lag es etwa im Auto?
Als der Wirt kam, sagte ich zu ihm:
„Entschuldigen Sie, mir ist meine Geldbörse wohl im Auto aus der Tasche geglitten. Ich geh mal nachsehen.“
Der Gastwirt reagierte wider Erwarten recht freundlich und meinte, ich solle ruhig mal nachschauen gehen.
Doch fand ich meine Geldbörse auch dort nicht und da fiel meinem angerosteten Denkapparat ein, ich muss sie wohl zu Hause liegen gelassen haben.
Oh weh, was nun. Ich muss es dem Gastwirt beichten. Also ging ich nochmals rein ins Haus, bat den Wirt in den Vorraum und gestand ihm meine Zahlungsunfähigkeit. Ich bat ihn, mir eine Rechnung zu schreiben, ich würde ihm von zu Hause den fälligen Betrag
überweisen.
Doch dieser winkte nur ab, lachte und sagte:
„Ach das kann doch jedem mal passieren, von den vier Euro fünfzig, werden wir nicht ärmer. Fahren sie nur ruhig weiter.“
Diese Reaktion hatte ich natürlich nicht erwartet und einigermaßen perplex fuhr ich dann weiter, immer noch mit mir hadernd ob der vergessenen Geldbörse.
Allerdings - umkehren kam nach dieser Strecke für mich natürlich auch nicht mehr infrage.
Zum Glück war wenigstens der Tank voll, so dass ich nicht noch in Versuchung geriet eine Tankstelle zu überfallen und hoffte mein Cousinchen würde mir bestimmt etwas für die
Heimfahrt leihen.
Da ich ja wegen der vielen Baustellen auf der A13 nicht die Autobahn benutzen wollte, leitete mich mein Navi quer durch Berlin.
Doch das war wohl eine noch dümmere Entscheidung.
Ich betete insgeheim, dass die Straßen, die ich nun entlang fahren, besser kriechen, musste, wenigstens polizeifrei sind, da ich ja nur den Führerschein bei mir hatte.
Alles andere hatte in meinem Potemonaie, das zu Hause geblieben war, auf die Mitreise verzichtet.
Nach gefühlt wochenlanger Durchfahrt durch die verstopften Straßen Berlins fand mein Navi nun doch noch die Route Richtung Bernau
und von dort war´s nicht mehr weit.
Cousinchen Britta war schon in heller Aufregung, wo ich denn so abgeblieben war, da ich erst spät abends bei ihr eintrudelte, aber als ich ihr mein Missgeschick erzählte, hatten wir dann doch noch was zu lachen.
Leider weiß ich nicht an welchen "berühmten"
Gebäuden ich so vorbeifuhr, ist ja für einen Nichtberliner auch sehr schwierig festzustellen, wenn man nicht anhalten und nachschauen kann.)
Und das war der edle Kater von noch edlerer Abstammung.......der heute auch schon im
Katzenhimmel weilt.