Ein Universum in der Vase
Da mein Zimmer im ersten Stock lag und ich ein sehr aktives Kind war, benutzte ich diese Treppe sehr häufig am Tag. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wann diese Vase dort erschien, ich glaube es war so, dass sie nach einem Weihnachtsfest, wo sie mit Tannenzweigen befüllt war, einfach als leere Dekovase dort stehen blieb.
Die Vase gefiel mir gut, sie war schön groß außen in grün, gold und schwarz bemalt, mit einem Farbverlauf, der sie schillern lies. Innen war sie schwarz glasiert. Diese Glasur verlieh dem Innenleben der Vase eine Tiefe die in meinen Augen bis ins Unendliche reichte. Für mich war der Blick in die Vase ein Blick in die schwarzen Weiten des Universums. Und da ich mir mit 9 Jahren noch nicht so viel darunter vorstellen konnte, außer das alles dort sehr ungewiss ist, entwickelte ich eine skeptische Einstellung zu dieser Vase mit ihrem fragwürdigem Inhalt.
Ich glaube ich muss in diesem Moment kurz ein paar Jahre zurückgehen, zu einem Erlebnis das aus heutiger Sicht vielleicht Schuld daran ist, das ich dieser Vase so misstraute.
Ich war sechs Jahre alt und mit meiner Mutter zu Besuch bei Jemandem an den ich mich allerdings nicht mehr erinnern kann. Relevant war, dass ich von dem Gespräch der beiden ausgeschlossen wurde, und so etwas verlassen im Flur rumstand. Im Wohnzimmer lief der Fernseher, und ich war natürlich neugierig, denn Fernsehen war für mich noch etwas besonderes. Es lief ein Film in dem es um Mumien ging, beziehungsweise um Sarkophage. Da war ein Raum mit antiken Vasen und 2 Sarkophagen. Ein Mann verschwand in einem Sarkophag und kam aus einem anderen wieder heraus. Er tat das gleiche noch mal, erschien aber nicht wieder in dem anderen Sarkophag. Das beunruhigte mich sehr, ich bekam Gänsehaut und drückte mich an die Wand im Flur. Diese Szene, so kurz sie war, sorgte dafür, das mich Ägypten fasziniert, und gleichzeitig mit einem Kribbeln im Bauch versorgt.
Mir scheint ich verband etwas mit der Vase meiner Großmutter und dieser Szene.
Ich stellte mir vor das mich etwas in die Vase zieht und verschwinden lässt.
Also entwickelte ich erstaunliche Sprinttechniken Treppauf. Denn Treppauf schien mir riskanter, weil ich langsamer war. Treppab ging ja schnell, dank Schwerkraft. Ich genoss die Oster -und Weihnachtszeit, denn dann war die Vase mit jeweiligen Sträußen belegt und somit machtlos. Natürlich protestierte ich auch lautstark wenn meine Großmutter die Sträuße wieder entfernen wollte. Aber nur wenige Tage später waren sie dann verschwunden, und die Leere starrte mich wieder an.
Ich hatte nach einiger Zeit so ein Tempo drauf, das ich das Monster in der Vase für zu lahm hielt um mich zu bekommen. Also entspannte ich mich langsam immer mehr und wurde auch langsamer. Es half mir ungemein die Vase im Auge zu behalten und ihr eindeutig zu sagen: „Du kriegst mich nicht!“ Nach einiger Zeit erschien mir das Ganze lächerlich, und ich ignorierte das Monster komplett. Damit war auch dieser Schrecken beendet.
Das Haus musste also noch weiter ausholen und beschloss den Ort des Schreckens in den Keller zu verlagern.