Beschreibung
Die intensive und verrückte Welt einer Frau, die ihr Leben lebt.
Das Zimmer neben den Gleisen
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Sie weiß es bevor sie es spürt. Und dann hört sie es. Erst ein fernes Rauschen, so zart und leise wie knisterndes Papier was aneinander gerieben wird, dann allmählich wird das Geräusch bewusster und drängender und kurz bevor es an ihrem Zimmer vorbei rast fühlt sie sich mächtig und klug, denn sie weiß, dass ist der Moment vor dem Sturm, wenn der Zug an ihrem Zimmer vorbei rast, nur ein paar Meter entfernt und eine Reihe von Eichen die sie trennen und dann, ja dann ist es so laut als würde sie sich gleichzeitig im Auge und doch außerhalb des Sturms befinden. Nur für einen kleinen Moment ist es so laut dass sie ihre eigenen Gedanken nicht hört, nicht das Pochen ihres Bluts in ihrer Halsschlagader spürt und nicht das Atmen ihres Geliebten wahr nimmt, der seelenruhig neben ihr schläft. Und dann ebbt das Rauschen wieder ab, sie hat immer das Gefühl dass es schneller verklingt, als der Anfang braucht sich aufzubauen. In ihrem inneren Ohr rauscht es weiter und sie glaubt noch Minuten danach den Zug wahrzunehmen. Dann stellt sie sich vor wie das Rauschen durch die Landschaft dringt, an Hauswänden abprallt und gen Himmel keine Grenzen sieht. Erschöpft und schwach lässt sie sich wieder in ihr Kissen fallen, sie atmet schnell. Ihr ist warm und als sie die Decke von ihrem Körper wegzerrt knistert es. Draußen wird es langsam hell, die aufgehende Sonne strahlt durch die Wolkendecke und die ersten Vögel stimmen ihr Lied an. Ihr Geliebter schläft tief und fest. Sie beobachtet ihn, seinen Brustkorb wie er auf und ab geht, die Haare, die ihm ins Gesicht fallen und die Kissenabdrücke an seinem Oberkörper. Manchmal wenn sie im Dämmerlich erwacht und alle diese Kissenfalten in seiner Haut sieht, dann ist sie noch nicht vollkommen da und erschrickt, denn so viele Narben überziehen seinen Körper, sie fragt sich woher dieser schöne Mann solch viele Verletzungen erlitten hat und dann, im nächsten Moment, weiß sie es wieder. Es ist morgen und es sind nur Kissenfalten. Sie streichelt seine Wange, die Bartstoppeln sind hart, aber sie mag das Gefühl. Leise muss sie lächeln und dreht sich wieder um, damit sie noch für ein paar Minuten traumlosen Schlaf findet, bevor der nächste Zug ihre kleine Welt streift.
Der weiße Planet
Madite ist glücklich, in einem Moment und dann bemerkt diese Frau, dass sie glücklich ist und erschrickt. So sehr, dass ihr die Tränen in die Auge schießen, das Herz kurz stehen bleibt, damit sich Panik breit machen kann, und dann atmet sie weiter. Sie mag es nicht, etwas perfekt zu nennen, denn nichts ist von Dauer und sie weiß genau, dass die nächste schlimme Katastrophe passiert. Sie kann den Moment nicht genießen, den Moment des absoluten Glückes, weil sie so sehr von der Angst des Lebens erfüllt ist. Menschen sterben, geliebte und ungeliebte. Menschen verlassen andere Menschen. Menschen tun den anderen weh. Und das macht Madite Mond traurig. Manchmal ist die Angst so groß, dass sie sich wünscht ganz allein auf der Welt zu sein. Ein weißer Planet, mit nichts, außer ihr selbst und dann ist auch nichts in ihrem Kopf und in ihrem Herzen, dann ist sie glücklich, weil nichts da ist. Dieser Zustand muss Glück sein. Wenn dort keiner ist, der einen verletzt oder den sie verlieren könnte. Doch sie ist gefangen in der Welt mit so vielen Millionen Menschen und ein paar von denen liegen ihr so sehr am Herzen. Madite Mond hat ein gutes Leben.