gewidmet W. F. Ein Telefonat unter Freunden nach einem tragischen Verkehrsunfall einer jungen Frau.
"Hallo mein Lieber, schön, deine Stimme zu hören."
„Hallo meine Liebe! Wie geht es deiner Tochter?“
„Ruhiger ist sie. Es beginnt nun wohl die Phase der Akzeptanz.“
„Und wie geht es dir?
„Gut.“
„Habt ihr reden können, euch austauschen können, du und deine Tochter?“
„Ja, sie auch sehr oft mit ihren Freundinnen geredet.“
„Gut.“
„Wir waren nochmals an der Unfallstelle. Sie fand dort einen zerbrochenen Spiegel, eine Dichtung, einen Glasscherben. Das hat sie alles mit nach hause genommen. Ich weiß nicht so recht, ob das gut ist für sie.“
„Für den Moment ist es sicher gut.“
„Ich habe mir überlegt, ob ich ihr zur rechten Zeit vorschlage, die Teile der Erde zu übergeben.“
„Diese Dinge werden ihr behilflich sein. Die Dinge, die deine Tochter mitnahm, haben und werden für sie eine Bedeutung haben, einen symbolischen Wert haben und sie werden ihr etwas mitteilen, damit sie in sich wachsen kann, sich weiter entwickeln wird. Es war die Entscheidung deiner Tochter die Dinge mitzunehmen. Sie folgte einer inneren Stimme.“
„ Es ist schon seltsam, dass Verena nicht angeschnallt war. Sie schnallte sich immer an. Heute an ihrem Todestag hatte sie es nicht getan.“
„Die Fragen nach dem Warum sind die Triebfedern für das Unverständnis. Es ist wichtig in der Jetztzeit zu bleiben.“
„Mein lieber Freund, was weißt du über das Sterben? Über den Übergang?“
„Sterben ist nur bedeutend für die Hinterbliebenen. Sie lernen, wie auch die, die gehen mussten. Dort wo sie ist, geht es ihr gut. Damit es deiner Tochter hier gut geht, sollte sie sich Zeit für die Trauer nehmen um dann wieder für sich leben zu können. Nimm deine Tochter einfach öfter in den Arm. Reden, viel und lange reden, das nimmt den Schmerz der endgültigen Trennung. Das ist ein Prozess der Zeit erfordert. Oft ist schweigen und da sein mehr als jedes weitere Handeln.“
„Manche Hinterbliebenen berichten, dass die Verstorbenen nochmals in Kontakt mit ihnen traten. Kannst du mir dazu etwas sagen.“
„Es wird so empfunden, aber dazu möchte ich mich nicht weiter äußern. Das was durch den Verlust eines Menschen in Hinterbliebenen ausgelöst wird, kommt alles von den Lebenden. Es ist das gezwungene, sich mit etwas Natürlichem zu beschäftigen. Geburt, Aufwachsen und Sterben, das gehört alles zum Leben. Nun erfährt der Mensch etwas Endgültiges. Es ist nie leicht sich zu trennen. Trennen soll der Mensch lernen, der bleibt, bleiben darf auf dieser Erde. Was er lernt, ist seine Zeit bewusster zu leben.Wie schnell ein Leben erlöschen kann ist die Erfahrung und was jeder damit für sich daraus macht. Redet miteinander und hört euch genau zu. Nehmt dabei wahr, was in euch dabei vorgeht. Tag für Tag sehe und begegne ich Menschen, die etwas verlieren und damit ihr ganzes Leben bestimmen. Der Tod ist endgültig und somit immer befreiend. Alles andere erhalten wir uns künstlich um zu leiden. Alle Rituale, die durch den Tod eines Menschen geschehen sind für die Lebenden. Sie verhindern die Lebensfreude.“
„Wofür lernen wir?“
„Um zu wachsen, um zu widerstehen, um zu lernen was wichtig ist zum Leben.“
„Wenn ich gelernt habe, was wichtig ist im Leben, dann sterbe ich?“
„Du hinterlässt es.“
„Als Erbe sozusagen? Als Gut? Als Geschenk?“
„Ja, so könnte es jeder betrachten. Wer es tut dankt für jeden Tag, den er erleben darf und nimmt den anderen Unmut und Selbstzweifel.“
„Das, was ich mir bewusst mache wird Teil des Gesamtbewusstseins?“
„Alles, was du dir erarbeitest wird weitergegeben. So wie sich dir eine Staubwolke in der Vollendung zeigt, so wird das Bewusstsein sich zeigen. Beobachte gerade jetzt deine Tochter genau. Du wirst etwas von ihr lernen und es nutzen können. Schaue nicht mit den Augen, sondern nutze deine Wahrnehmung dazu. Versuche dich in das Alter deiner Tochter zu versetzen und versuche dann dir noch einmal alles Gesagte unter diesem Aspekt zu betrachten. Kann es von deiner Tochter aufgenommen werden, so dass es ihr hilft zu verstehen? Bringt das ihr wirklich Trost? Zeigt es ihr das nötige Verständnis von dir als Mutter? Ob es die Tochter ist, die ihre Freundin verloren hat, oder es sich um andere handelt, jeder hat etwas in sich zu klären und jeder hat etwas anderes mit und in sich zu klären. Eines haben sie aber alle gemein. Sie spüren Furcht und Druck in sich. Es vermischt sich so vieles in einem, das schon ein Kreisen im Kopf auslöst.“
„Gibt es eine Seele?“
„Ja, es ist alles zu sehr komplex, als dass es zerlegt werden kann und sollte. Eine Seele allein kann in einem Körper nicht existieren. Die Qualität einer Seele bestimmt mit, wie wir leben, jede Seele ist formbar. Du gehörst zu einem Kreislauf. Ist ein Baum tot, nur weil er im Herbst seine Blätter verliert? Versuche in dir zu lesen, dort findest du mehr als in Büchern.“
"Danke für deinen Anruf, schön, dass es dich gibt!
"Ich freue mich ein Mensch zu sein, bis bald!"