Romane & Erzählungen
Fliegen [Kapitel 3]

Hold your memorys in your camera..

Als Stella am nächsten Morgen ihre Augen öffnete, zog ihr ein merkwürdiger Geruch in die Nase. Angewidert setzte sie sich auf. War etwa schon wieder Sonntag? Sie stieg aus dem Bett in ihre Pantoffeln und rannte mit schnellen Schritten in die Küche. Ihre Mutter stand vor dem Herd und versuchte verzweifelt, die Rühreier zu retten. Doch sie waren schon schwarz und verkohlt. Stella nahm ihr die Pfanne aus der Hand und hielt sie unter kaltes Wasser.

„Die kannst du vergessen! Ich mach schnell neue, back du schon mal ein paar Brötchen auf!“,meinte Stella und stieß ihre Mutter sacht vom Herd weg.

Bella versuchte jeden Sonntag , ihrer Tochter ein Frühstück zu kochen. Doch das hatte bisher noch nicht geklappt. Einmal hatte sie beinah das ganze Haus in Brand gesteckt. Meistens endeten ihre Versuche damit, dass sie die Brötchen aufbacken und den Tisch denken sollte, während Stella ein paar Rühreier und Pfannkuchen briet. Manchmal war Bella aber auch so beleidigt, dass sie gar nichts machte und Stella einfach nur zusah.

Heute tat Bella wieder, was Stella ihr sagte und als sie vor ihren vollen Tellern saßen, sagte Bella, wie sie es immer tat: „Nächsten Sonntag bekommst du Frühstück ans Bett!“

Stella lächelte. Sie beide wussten, dass das niemals passieren würde.

„Warst du gestern Abend wieder weg?“,fragte ihre Mutter beiläufig, als sie eine Weile schweigend gegessen hatten.

Stellas Alarmglocken läuteten. Ihre Mutter kannte Jeromé. Und sie hielt ihn für verrückt.
„Ja. Ich war draußen auf dem Feld und habe die Sterne beobachtet.“,erwiderte Stella. Sie würde ihr nicht von Jeromé erzählen, diesen Fehler hatte sie schon zu oft begangen.

„Alleine?“

„Nur ich und die Sterne.“

Bella nickte. An ihrem Gesichtsausdruck bemerkte Stella, dass sie ihr nicht glaubte.
Ein typischer Sonntag Morgen im Hause Shine.
Als Stella fertig gefrühstückt hatte, stand sie auf.
„Lass schon stehen, ich räume ab.“,sagte Bella und sah ihrer Tochter hinterher, die zurück in ihr Zimmer lief.

Nachdem Stella sich geduscht und fertig gemacht hatte, schnappte sie sich ihre Kamera und ging spazieren. Sie ging genau den selben Weg, den sie gestern mit Jeromé gelaufen war und wieder blieb sie vor dem Eingang des Parks stehen. Es war ein eiserner Bogen und in der Mittagssonne hätte man meinen können, er leuchte silbern. Früher hatte Susi behauptet, dass er aus echten Diamanten gemacht sei. Stella hatte ihr geglaubt.
Nachdenklich schloss sie ein Foto. Während sie es begutachtete, hörte sie den spielenden Kindern auf dem Spielplatz zu.
„Hast du nicht!“,plärrte das eine. Es war ein kleines Mädchen. Stella schätzte es auf zirka neun.

Ein etwas älterer Junge saß neben ihr. Er bewarf sie mit Sand. „Natürlich hab ich Superkräfte! Und das hier ist mein Feenstaub!“

Stella war sich nicht sicher, ob sich der Junge über das Mädchen lustig machte oder es ernst meinte.
„Red keinen Unsinn, Mark! Und jetzt hör auf damit!“,kreischte die Kleine. Sie begann ebenfalls mit Sand um sich zu werfen. Ein Kindergartenkrieg brach aus, der aber schnell von einer jungen Frau mit Pferdeschwanz unterbrochen wurde. Sie nahm die Kleine bei der Hand und zog sie mit sich.
„Was soll das Jacqueline? Zuerst wolltest du unbedingt in den Park um mit Mark zu spielen und dann bewirfst du ihn mit Sand!“,schimpfte die Frau.

„Mama! ER hat angefangen!“

„Komm jetzt, wir gehen nach Hause!“

Stella schmunzelte. Sie machte ein Bild von dem sich sträubenden Mädchen und ihrer schimpfenden Mutter.

So hatte sie wohl ausgesehen, als ihre Mutter sie nach dem ersten Tag mit Susi weg gezerrt hatte. Bella und Susis Mutter hatten fürchterlich gestritten. Stella konnte sich nicht mehr erinnern, über was genau, aber dass ihre Mutter sie nach Hause schleifen musste, wusste Stella noch ganz genau.

„Halte alles fest, was dir wichtig ist. Denn irgendwann ist es fort.“ Ein Zitat aus Stellas Lieblingsbuch. Sie lebte seid Susis Tod nach diesem Satz. Doch außer Jeromé und ihre Mutter gab es niemanden, den sie auf keinen Fall verlieren wollte. Sie hatte zwar einige Freundinnen in der Schule, aber wenn sie mal nicht die Schulbank drückten, hörte Stella nichts von ihnen.
Bis zur Dämmerung lief Stella planlos im Park herum. Sie lauschte einigen Gesprächen und knipste noch viele Fotos. Als es endlich dämmerte, machte sie sich eilig auf den Weg zum Feld, um sich wieder auf ihren Stein zu setzen und zu warten. Ob Jeromé heute kam, wusste sie nicht. Sie hoffte es einfach.
Während sie den Mond betrachtete, erinnerte sie sich an ihr erstes Treffen mit Jeromé. Er hatte sie über ihre Halskette gerufen und wieder auf den Platz geführt. Zuerst hatten sie sich nur angesehen, dann hatte Stella begonnen, ihn auszufragen. Wer war er? Wo kam er her? Konnte er seine Herkunft beweisen?

Die Nacht war lang und Stella wusste nicht, wie spät sie ins Bett ging. Sie konnte sich nur noch an Jeromés liebevolle Umarmung erinnern, als sie sich verabschiedeten.