Die Stadt Galor ragt als letzte Festung aus dem Trümmerfeld auf, in das die Invasion der Orks den Kontinent Fiondral verwandelt hat. Flüchtlinge aus allen Ecken und Enden des Landes suchen Zuflucht hinter den dicken Mauern. Doch während sich die feindlichen Heerscharen unter den hohen Zinnen sammeln, zerfressen Zwietracht und Hass die Reihen der Verteidiger, bis es schließlich an wenigen wackeren Streitern liegt, das Schicksal aller zu bestimmen. (Weitere Kapitel folgen in Kürze) Titelbild: "Einsturzgefahr" by "Paulo Claro" Some rights reserved. Quelle: www.piqs.de
Das gesuchte Haus in der engen Gasse war, wie alle nebenstehenden Gebäude auch, dreistöckig und besaß ein Flachdach sowie die überall gleiche sandfarbene Fassade. Zwei steinerne Blumenkübel, aus denen irgendein verdorrtes Gestrüpp sprießte, das wohl schon lange kein Wasser mehr gesehen hatte, flankierten die dunkle, massivhölzerne Eingangstür.
Ferren blieb kurz davor stehen und überlegte, was er, ausgehend von seinen Hypothesen, über den Kreis der Nekromanten wusste.
Da war zunächst die Tatsache, dass der sich dem Ende zuneigende Tag allzu schlecht für die Thanatoiker verlaufen war. Faktisch waren sie nicht nur in Gefahr gelaufen, enttarnt zu werden, sondern hatten beim Versuch, ihr Auffliegen zu verhindern, mehrere Leute und sogar einen Tarnanzug verloren.
Als er sich dessen bewusst wurde, trat er an die Tür heran, griff mit Mittel- und Zeigefinger der rechten Hand in die vertrocknete Erde der Blumenkübel und begann, sich damit das Sanduhrsymbol auf den Unterarm zu malen.
„Ich werde morgen eher zum Hauptmann befördert, als dass das hält“, murmelte er mit einem Blick auf sein wenig beeindruckendes Werk.
Dennoch klopfte er einen Augenblick später mehrere Male kräftig gegen die Tür.
Von Innen ertönte das Fluchen einer hohen Stimme:
„Wenn das wieder eine von Ysils Nutten ist, dann schlitz ich ihr die Kehle auf und diesem Hurenbock danach auch!“
Sekunden später wurde die Tür geöffnet und Ferren hatte den alten, hageren Mann dahinter kaum erblicken können, als dieser bereits blaffte:
„Verpiss dich, du Hure, dein Adonis ist nicht hier…oh, Verzeihung.“
„Ähm…keine Ursache“, gab der Leutnant nicht weniger erstaunt zurück, während sein Blick von der überdimensionalen Hakennase seines Gegenüber gebannt wurde.
„Entschuldigt, ich hatte jemand anderes erwartet“, sagte der Alte, der plötzlich in einer unverschämt höflichen Stimmlage sprach.
„Offensichtlich“, lachte Ferren.
„Würdet Ihr, mein Herr, mir mitteilen, was Ihr hier wollt?“
„Ich bin der Neue“, antwortete er, während er zugleich seinen Unterarm mit dem ärmlichen Sanduhrsymbol entblößte.
„Der Neue?“, sein Gegenüber stutzte.
„Ja, Ysil hat mich geschickt. Es gab heute eine Menge Chaos. Er dachte wohl, ihr könntet Unterstützung brauchen“, erklärte Ferren, wobei er in hoher Frequenz mit seinen Fingern gegen seinen Oberschenkel tippte.
„Wenn Ysil Euch geschickt hat, dann hat er Euch doch sicherlich auch meinen Namen verraten.“
„Namen?“
„Ja, wie ich heiße, verdammt!“, knurrte der Alte.
„Warum kann er mir nicht einfach glauben?“, dachte der Leutnant, bevor er die Mundwinkel zu einem übellaunigen Lächeln verzog, blitzschnell den Kopf seines Gegenübers packte und diesen derart hart gegen den Türrahmen schlug, dass der alte Mann sofort ohnmächtig wurde.
„Was tue ich hier eigentlich?“, fragte er sich, während sein Körper damit beschäftigt war, den Ohnmächtigen aus dem Eingang zu räumen, einzutreten und die Tür hinter sich zu schließen. Vor ihm lag ein langer, schmaler Flur, der mit dunklen Holzbohlen ausgelegt war und in den sich kaum ein Licht verirrte. Die wenigen Sonnenstrahlen, die dennoch einfielen, beleuchteten etliche Staubkörner, die wie ein Schwarm träger Insekten langsam durch die Luft taumelten. Nur schwerlich konnte er erkennen, dass es zwei gegenüberliegende Ausgänge gab, während der Flur selbst in einen Raum mündete, den er nicht einsehen konnte.
Langsam ging er vorwärts, bis zu der Stelle, an der die beiden Ausgänge lagen. Davor hielt er ein, da er fürchtete, entdeckt zu werden.
„Sevagus“, rief plötzlich jemand aus dem linken Eingang, „Wer war das?“
Ferren stockte, unwissend, was er nun tun sollte. Seine Kehle war trocken, sein Geist geradezu leer.
„Wie konnte ich mich nur in diese Situation begeben?“
„Sevagus?“, die Stimme ertönte erneut, besaß jedoch einen bedrohlichen, geradezu unheilvollen Tonfall, der ihn dazu zwang, seine Gedanken schneller zu ordnen.
„Irgendwas muss es doch geben…irgendwas…“, rann es durch seinen Kopf, bevor ihm schließlich ein jäher Einfall erfasste wie eine Sturmflut.
„Ja...ja, eine von Ysils Nutten, wie ich sagte. Hab sie rausgeworfen“, gab er zurück, wobei er versuchte, die Stimme des Alten, so gut wie möglich, zu imitieren.
„Ah, gut. Putz dir mal die Ohren!“, blaffte sein verborgener Gesprächspartner, bevor er seine Stimme senkte, um sich mit einer anderen Person zu unterhalten, wobei er allerdings immer noch gut hörbar war.
„Ysil soll gar nicht erst wieder kommen. Dieser elende Versager ist doch erst Schuld an der Scheiße, die hier heute abgelaufen ist“, die spöttischen Worte drangen mit leichtem Widerhall in den verstaubten Flur.
„Wohl wahr“, gab der Gesprächspartner zurück, welcher die raue Stimme eines Hedonisten besaß, der Tabak und Alkohol bevorzugte.
„Kelrayass wird uns umbringen, wenn er davon erfährt.“
„Nein.“
„Klar.“
„Er wird uns erst foltern und dann umbringen und danach macht er uns wahrscheinlich zu seinen untoten Lakaien.“
„Scheiße!“
„Genau.“
„Ich weiß echt nicht, warum ich bei diesem Dreck hier mitgemacht hab.“
„Hoffnung wahrscheinlich. Hattest Angst vor dem Tod, wie jeder hier.“
„Kelrayass versprach uns einen Ausweg, aber ich meine, hast du Calderons Leiche gesehen? Der Schwarzsaft hat fast nichts von ihm übergelassen und der Tarnanzug hat ihm kein bisschen geholfen. Mit diesen Kräften will ich gar nichts zu tun haben.“
„Hast du aber schon.“
„Ja, Scheiße, Mann! Und raus kommt man da auch nicht. Wenn wir auffliegen, erledigt uns die Stadtwache, und wenn wir versagen, macht Kelrayass uns kalt.“
„Aber wenn wir es schaffen, kommen wir hier lebend raus und werden belohnt.“
„Daran glaubst du wirklich?“
„Klar.“
„Ich wünschte, ich könnte das. Ich wünschte, ich hätte keine Zweifel.“
„Dunkelkraut?“
„Hä, was?“
„Ob du eine von den Zigaretten willst.“
„Von dem Dunkelkrautzeug? Das benebelt doch total.“
„Eben.“
„Ach das ist doch…ja, immer her damit!“
Das kurze Zischen von Flammen ertönte und es dauerte kaum eine halbe Minute, bis der ganze Flur von dem beißenden Qualm des Halluzinogens erfüllt wurde.
Eine weitere Minute später war Ferren sich sicher, dass er gefahrlos an den beiden Rauchenden vorbeischleichen konnte. Er warf einen kurzen Blick in den mittlerweile ziemlich verqualmten Küchenraum, wo zwei Männer, die im Rauch nur Silhouetten waren, gemeinsam an einem großen Tisch in Mitten des Zimmers saßen. Auf der rechten Seite des Flurs befand sich eine schmale, hölzerne Treppe, die sowohl nach oben als auch in den Keller führte.
„Hey! Was zum Henker soll!“, blaffte eine Stimme aus dem Raum am Ende des Flurs, worauf laute Schritte schnell näher kamen.
Instinktiv sprang Ferren in das Treppenhaus, nur Sekunden bevor ein hochgewachsener Mann an ihm vorbeizog, der den Wappenrock Xendoras‘ trug, welcher eine goldene Sonne auf schwarzem Grund zeigte. Der Leutnant war ein wenig verwundert, da man Xendor eher selten im delionischen Viertel antraf und der Mann sehr nach einem Soldaten aussah.
„Ah, hätte ich mir doch denken können, dass ihr verdammten Thanatoiker für diesen Unfug verantwortlich seid!“, blaffte dieser, nachdem er die Küche betreten hatte.
„Nur mit der Ruhe, Mann.“
„Schnauze! Wie kommt ihr eigentlich dazu, an einem Tag wie dem heutigen, wo von jedem die volle Aufmerksamkeit gefordert wird, dieses Dreckszeug zu rauchen, hä? Undiszipliniertes Pack!“
„Ich…wir dachten.“
„Das Denken solltet ihr anderen überlassen. Und jetzt geht in den Keller und überprüft den Fortschritt!“
„Ich werde ganz sicher gar nichts tun. Und außerdem: Seit wann gibst du hier Befehle?“
„Seitdem Calderon weg ist, muss ja irgendwer diesen Laden zusammenhalten. Und nun tut, was ich sage, oder ich werde euch dazu zwingen und glaubt mir, das wollt ihr nicht.“
Mit diesen Worten drehte sich der Soldat auf dem Absatz um und ging unter dem Scheppern seiner schweren Kettenstiefel zurück in den Raum am Ende des Flurs.
Ferren hechte darauf die Treppe hinauf, da er erwartete, dass die beiden Todesanbeter bald in seine Richtung kommen würden. Ein wenig verwirrt darüber, dass er scheinbar eine Operation aufgedeckt hatte, an der nicht nur die Thanatoiker beteiligt waren, stieg er die Treppe hinauf. Es war ihm allerdings klar, dass er, um aufzudecken, was wirklich dahinter steckte, den Keller des Hauses untersuchen musste. Da das jedoch im Moment offensichtlich zu gefährlich war, beschloss er, sich zunächst im Obergeschoss umzusehen.
Die Größe der Raume und die Höhe der Decken verliehen dem Gebäude ein durchaus edles Aussehen, das allerdings dadurch beschmutzt wurde, dass eine Menge Leute sich offensichtlich nicht darum gekümmert hatten, ihren Dreck zu beseitigen. So lagen einige Schlammklumpen sowie Steinbrocken auf dem zerkratzten Parkett, während die Kerzen, die wohl einst aus ihren irdenen Wandleuchtern heraus eine wohlige Atmosphäre verbreitet hatten, bis auf die Stummel heruntergebrannt waren. Oberhalb der Treppe lag ein weiterer schmaler Flur, aus dem eine Tür weiter geradeaus und eine andere nach rechts führte.
Nachdem er die gewaltige Dreckspur betrachtet hatte, die vom Flur aus zum linken Eingang führte, beschloss er der Sicherheit wegen, weiter geradeaus zu gehen. Hinter der Tür erstreckte ein abgedunkelter Lagerraum, der eine ganze Menge wild durcheinander gewürfelter Gegenstände beherbergte. Da waren zerbrochene Schaufeln und Spitzhacken, Schlachtermesser, einige recht gut gepflegte Waffen, Regale mit kleinen, verstaubten Glasflaschen, die allesamt von feiner Handschrift etikettiert waren.
Alchemistische Reagenzien, wie Ferren vermutete.
Weiter hinten erhoben sich noch mehr Regale, in denen meist angebrochenen Weinflaschen lagen. Auch ein paar Fässer mit Bier sowie Ständer mit Pökelfleisch waren vorhanden, die im Gegensatz zu den vielen bereits benutzten Grabungswerkzeugen jedoch weniger Ferrens Aufmerksamkeit forderten. Das Lager mündete in einen kleineren Raum, der aufgrund der etlichen Glaskolben, die auf Holztischen zu seltsamen Apparaturen zusammengezimmert waren, wie ein alchemistisches Labor wirkte. Aus dem beißenden Verwesungsgeruch, welcher einer jeden Öffnung der Apparatur entstieg, folgerte Ferren, dass die Nekromanten hier den Schwarzsaft gebraut hatten. Während einige geleerte Weinflaschen im hinteren Teil des Raumes zur Abfüllung bereit standen, suchte man das nekromantische Elixier vergebens. Scheinbar hatten die Thanatoiker dafür gesorgt, dass bei der Durchsuchung dieser Räumlichkeiten nichts Belastendes zu finden sein würde.
Vorsichtig schlich der Leutnant sich ins nächste Zimmer, bei dem es sich um einen Schlafsaal handelte, in dem man zwölf Betten in drei parallelen Reihen angeordnet hatte. Diese waren jedoch allesamt leer, weshalb nur die verdreckten Kleider, welche an offenen Garderoben in der Nähe der Betten hingen davon zeugten, dass dieser Raum bewohnt war.
„Wie bei der skatrischen Minengesellschaft“, murmelte Ferren, wobei er sich an einen eher unschönen Arbeitsaufenthalt im Nordreich erinnern musste.
Über den zweiten Ausgang des Schlafsaals gelangte er wieder ins Treppenhaus, wo er aus dem Erdgeschoss das Fluchen der beiden Thanatoiker hörte, die sich gerade wieder in die Küche zurückzogen. Achtsam schlich er hinab und stahl sich in einem passenden Augenblick in den Keller. Dort passierte er zunächst unter vorsichtigen Seitenblicken ein großes Gewölbe, das mit Kisten zugestellt war und von wenigen Fackeln nur spärlich beleuchtet wurde. Dennoch gähnte ein schwarzes Loch in der steinernen Wand, die das Gewölbe nach hinten begrenzte. Das Klingen von Metall auf Stein schallte begleitet von einem latenten Verwesungsgeruch heraus.
Nach einem bangen Blick über die Schulter ging er vorsichtig und mit gezogenem Schwert weiter, bis er den Rand der Bresche erreichte, welche in die Wand geschlagen war. Dort angekommen, musste er feststellen, dass der Verwesungsgeruch merklich stärker wurde, so stark, dass er sich gezwungen sah, sein Hemd über Mund und Nase zu ziehen.
Langsam schlich er weiter in den dunklen Gang hinein, in dem nur ein paar spärlich gestreute Fackeln gegen die eindringliche Finsternis fochten und an wenigen Stellen die rohen Felswände beleuchteten. Leicht abschüssig führte der schmale Tunnel weiter in den Fels hinein, auf dem Galor gebaut war. Schließlich glaubte Ferren sich beinahe an seinem Ende zu befinden, wofür sprach, dass sich der Verwesungsgeruch trotz seiner improvisierten Atemmaske ins Unerträgliche gesteigert hatte.
Er glitt um eine letzte Biegung und sah sich am Ende des Stollens, wo auf engstem Raum vier finstere Gestalten damit beschäftigt waren, ihre Spitzhacken unaufhörlich im Stein zu versenken, um den Tunnel weiter zu vergrößern. Zwar sahen die Arbeiter auf den ersten Blick aus wie Menschen, doch musste der Leutnant alsbald feststellen, dass ihre Haut bereits verwest war und tiefe Fleischwunden in ihren Körpern klafften.
Entgegen der weitläufigen Meinung, Untote besäßen das Bestreben, allem Lebenden den Garaus zu machen, schienen sich diese vier Zombies reichlich wenig für den Eindringling zu interessieren.
Generell ließ sich zwischen zwei Arten von Untoten unterscheiden: Den niederen, welche keinen eigenen Willen besaßen und somit gänzlich ihrem Schöpfer unterworfen waren, und den hohen, die immer noch über einen freien Geist verfügten, sehr mächtig, aber auch selten waren.
Ferren vermutete, dass der Nekromant, der für die Schöpfung dieser Zombies verantwortlich war, ihnen lediglich den Befehl gegeben hatte, den Tunnel zu graben und sich ansonsten friedlich zu verhalten. Doch als er die untoten Kreaturen betrachtete, musste er erkennen, was in diesem Haus eigentlich vor sich ging. Hatte er hinter allem, was geschehenen war, noch die Planung eines nekromantischen Anschlags vermutet, fand er nun etwas Anderes, Größeres, Schlimmeres.
„Dieser Tunnel führt aus Galor hinaus, unter dem Hauptwall hindurch. Die Todesanbeter arbeiten mit den Orks zusammen!“, die Erkenntnis strömte durch seine Gedanken wie eine Sturmflut, „Sie könnten durch diesen Tunnel hinein und an allen Verteidigungen vorbei und die Todesanbeter…das ist gar nicht allein ihr Werk. Dieser Kerl vorhin hatte mit Thanatos gar nichts am Hut. Er war…da stecken noch andere dahinter!“
Sein Herz pochte durch seine Rippen und er war sich sicher, seine Beine würden explodieren, wenn er jetzt nicht losrannte, und genau das tat er. Den Stollen, war er auch recht lang, hatte er binnen Sekunden hinter sich gelassen. Während die Zombies gemächlich weiter auf den Stein eindroschen, hechtete er die Treppe hinauf, stürzte fast in den Flur, entsann sich der Wachen zu spät und hörte schon ihre Rufe in seinen Ohren.
„Wer ist da?
Ohne zu antworten, zog er sein Schwert, was die beiden Thanatoiker aus der Küche dazu verleitete, sich mit einem hölzernen Schlagstock und einem Brotmesser zu bewaffnen.
„Eindringling!“, kreischte der mit dem Messer, wohingegen sein Kumpan sofort auf Ferren losstürmte.
Dieser wehrte den ersten Abwärtshieb mit einer hohen Parade ab, bevor er seine Faust in der Magengegend seines Gegenübers versenkte. Der Todesanbeter taumelte darauf benommen zurück, während sich der nächste auf den Leutnant stürzte, der jedoch den Reichweitenvorteil seiner Waffe ausnutzte und die Klinge im rechten Lungenflügel seines Feindes versenkte. Heftig prallte der schlaffe, blutüberströmte Körper des Thanatoikers gegen ihn und schmetterte ihn so rücklings gegen die Wand.
„Was soll das?“, brüllte eine dritte Person.
Nachdem er den Leichnam des Todesanbeters von sich gstoßen hatte, konnte er die letzte Person erkennen, die sich im Flur befand. Es handelte sich um den xendorischen Soldaten, der bereits sein Breitschwert gezogen hatte.
Bevor dieser ihn jedoch erreichen konnte, setzte Ferren den zweiten Todesanbeter, der sich gerade wieder erheben wollte mit einem heftigen Tritt ins Gesicht, bei dem der Hinterkopf seines Gegenübers gegen die Wand schmetterte, außer Gefecht.
„Dieser Kerl war sowieso wertlos“, spottete der letzte.
Einen kurzen Moment lang standen er und Ferren sich einfach nur gegenüber, um sich zu beäugen. Ein ausgebildeter Kämpfer der Xendor, das wusste er, würde eine größere Herausforderung werden, als die Thanatoiker es gewesen waren, eine tödliche, wenn er Pech haben sollte.
Unvermittelt sprang der Soldat auf ihn zu, wobei er zugleich einen Abwärtshieb mit seinem Breitschwert ausführte, dem er jedoch entging, indem er einen Satz zurück machte. Die Klinge fuhr in den Boden, wo sie eine der Bohlen zerschmetterte.
Blitzschnell setzte der Leutnant einen Ausfall nach vorne, um die offene Deckung seines Feindes zu nutzen. Dieser sah, dass er keine Zeit mehr hatte, sein Schwert wieder aus dem Parkett zu ziehen, weshalb er es losließ und zurückwisch.
Ferren verfehlte ihn zwar, legte aber ein überlegenes Lächeln auf, als er sah, dass er seinen Gegner auf taktische Art entwaffnet hatte.
„Ergibt dich! Leg dich auf den Boden und du überlebst“, rief Ferren dem Xendor zu, welcher sich hastig zu allen Seiten umsah, wobei er langsam zurückwich.
„Du änderst nichts!“, zischte er plötzlich, riss einen Dolch hinter seinem Rücken hervor und schleuderte ihn.
Er sah nicht viel mehr als einen silbernen Strahl, dem auszuweichen unmöglich war, bevor ein immenser Schmerz in seine Schulter stach und ihn in die Knie zwang.
Dann erkannte er nur noch, dass der Xendor ebenso schnell wie das Wurfgeschoss auf ihn zu kam, mit dem Kopf voran. Er wurde von der Wucht mitgerissen und gegen die hinter ihm liegende Wand geschmettert. Sein Schwert glitt ihm aus der Hand.
Sekunden später steckte er einen rechten Haken gegen die Schläfe ein, welcher ihn fast in die Ohnmacht trieb.
Doch bevor sein Gegner ein weiteres Mal zuschlagen konnte, versenkte er seine Faust in dessen Unterleib. Kreischend wich der Soldat zurück, worauf Ferren ihm sofort gegen sein Standbein trat und ihn so zu Fall brachte. Mit einem markerschütternden Schmerzensschrei riss er den Dolch aus seiner Schulter, wobei das Blut in einer Welle auf den Boden spritzte.
Sein Gegner versuchte derweil, zu seinem Schwert zurück zu robben, doch er hechtete hinterher, schmetterte ihn zu Boden, erhob sich über seinen Kopf und führte den Dolch an die Kehle des Xendor. Dieser krallte sich in seinen Unterarm, zerfetzte die Haut mit seinen gelblichen Fingernägeln, biss sogar zu, als sich die Klinge ihm bedrohlich näherte.
Der Schmerz war so stark, dass Ferren die Waffe fallen lassen musste, doch nutze er seine freie Hand, um seinem Feind einen Schlag auf den Hinterkopf zu verpassen, der ihn mit dem Gesicht in die Bohlen schmetterte.
Erneut ergriff der Leutnant den Dolch und stach ihn in den Hals des Xendor, der sich noch einmal erhob, um dann mit einem letzten Ächzten auf den Boden zurückzusacken.
Ferren rollte sich wieder vom Rücken des Gefallenen herunter und blieb schweratmend auf den Dielen liegen, während das Blut immer noch aus Schulter und Unterarm rann. Alles drehte sich um ihn her, sodass es beinahe so wirkte, als vollzogen die Staubkörner im fahlen Licht über ihm einen makabren Walzer, bei dem sie im Takt seines schwachen Herzschlags auf und ab tanzten.
„Ich kann hier nicht bleiben, nicht hier bleiben und verbluten“, keuchte er, nachdem er schon einige Zeit auf dem Boden gelegen hatte, „Steh auf!“
Langsam erhob er sich, wobei er feststellte, dass er sich in aufrechter Position besser fühlte, als erwartet. Gemächlich schleppte er sich, das Schwert des Gefallenen hinter sich her schleifend, auf die Tür zu. Als er näher kam, konnte er Stimmen hören, die durch das Holz der Pforte zu ihm drangen. Schnell hob er die Klinge, um sich in Angriffsposition zu bringen, auch wenn ihn das in einen tückischen Schwindelzustand versetzte.
Das Schloss klickte leise, die Tür wurde geöffnet, das Licht blendete ihn und er sah nur die Silhouetten zweier Männer.
„Das ist Ferren.“
„Ferren?“, es war die Stimme des Hauptmanns.
„Blaek?“, fragte er, wobei er sich schützend die Hand vor seine Augen hielt.
„Blaek…“, ein neuer Gedanke rann durch seinen Kopf, „Er hat die Tür nicht aufgebrochen. Er hat sie aufgeschlossen!“
„Du…“, keuchte er.
„Ferren!“, rief Blaek, in dessen Stimmfall plötzlich eine Note der Überraschung lag, bevor er zu ihm herübereilte, um ihn zu stützten, „Wie bist du hier hergekommen?“
„Spar die die Heuchelei!“, blaffte der Leutnant, nachdem er den zweiten Mann mit einem kurzen Blick als Novizen der Stadtwache identifiziert hatte.
Während Blaek noch verwundert das Maul aufriss, schmetterte Ferren seine Faust auf den bandagierten Oberschenkel seines Vorgesetzten, worauf dieser sofort aufschrie und zu Boden sackte.
„Dieser Bastard wird doch noch zu einem Problem“, zischte der Novize, während er ihm einen Feuerball auf den Hals hetzte. Er wich ihm jedoch aus, sodass der Flammenblitz statt seines Kopfs die Wand neben ihm verkohlte.
Das Adrenalin hatte allen Schwindel von seinen Augen gefegt, allen Schmerz ertränkt, und statt des schwachen Herzschlags schmetterte sein Blut wie ein Trommelwirbel in seinen Venen. Er selbst bestimmte nichts mehr, stattdessen griff alles wie automatisiert ineinander. Seine Beine trugen ihn, so schnell sie konnten ins Treppenhaus und eilten von dort aus bis aufs Dach hinauf, während der Novize ihm hinterher rannte.
„Du durchkreuzt unsere Pläne nicht, Ferren!“, hörte er Blaek noch hinter sich schreien.
Da er nicht glaubte, in seinem angeschlagenen Zustand eine Chance gegen den Novizen zu haben, sprintete er über die angrenzenden Dächer bis an den Rand und sprang. Etwa einen Meter fiel er, bevor er unsanft auf einem niedrigeren Gebäude aufkam.
Zwei Blitzbolzen zerschmetterten die Ziegel hinter ihm.
Von seinen Fehlschlägen erzürnt, verzichtete der Novize auf elementare Magie und gebrauchte die direkte. Sein unfehlbarer Zauber traf Ferren, worauf die Zeit für einen Moment stillzustehen schien, in der unglaubliche Kräfte an jeder Faser seines Körpers zerrten.
Er versucht, sich dagegen zu stemmen, doch er war zu schwach, und dann ging alles rasend schnell.
Die Kräfte wurden so stark, dass sie ihn von den Füßen rissen und vom Dach fegten wie ein einzelnes Blatt im Wind eines Orkans.
Er segelte über die Brüstung, sah den Boden etwa vier Meter unter sich und dachte, dass nicht einmal mehr Zeit für ein letztes Gebet sein würde.
Dann jedoch prallte er mit dem Oberkörper voran in die Krone eines Zierbaums, stürzte durch das Geäst und landete langsam, aber unsanft auf der gepflasterten Straße.
Ein letztes Mal rappelte er sich auf, sodass es ihm gelang, in eine der angrenzenden Gassen zu fliehen, bevor der Novize die Kante des Daches erreichen konnte. Erschöpft aber sicher stützte er sich gegen die sandbraune Fassade eines Hauses.
Während sein Herz bis zum Hals pochte, sickerte immer noch Blut aus seinen Wunden.
„Ich muss das verbinden und dann…Ariona! Ich muss sie aus dem Gefängnis holen. Narr, wie willst du das anstellen? Ich muss das verbinden, sonst verblute ich“, seine Gedanken überschlugen sich, bevor er sich wieder aufraffte und dem blutroten Sonnenuntergang entgegenhinkte.