Die Stadt Galor ragt als letzte Festung aus dem Trümmerfeld auf, in das die Invasion der Orks den Kontinent Fiondral verwandelt hat. Flüchtlinge aus allen Ecken und Enden des Landes suchen Zuflucht hinter den dicken Mauern. Doch während sich die feindlichen Heerscharen unter den hohen Zinnen sammeln, zerfressen Zwietracht und Hass die Reihen der Verteidiger, bis es schließlich an wenigen wackeren Streitern liegt, das Schicksal aller zu bestimmen. (Weitere Kapitel folgen in Kürze) Titelbild: "Einsturzgefahr" by "Paulo Claro" Some rights reserved. Quelle: www.piqs.de
44. Grünwalden. 52 n.V.
Ferren hastete schon beinahe zehn Minuten durch irgendwelche Straßen, als er schließlich außer Atem mitten in einer unbelebten Gasse an einem kleinen, sandsteinernen Brunnen anhielt, um seinen Durst zu stillen.
„Wie bin ich hier hin gekommen?“, fragte er sich, während er sein verschwommenes Spiegelbild im Wasser des Brunnens betrachtete, „Wo will ich eigentlich hin? Oh verdammt, sollte Raham am Ende doch Recht haben? Was tue ich hier eigentlich? Helfe jemandem, der vielleicht schuldig ist, tue alles um ihr zu helfen“, plötzlich sah im klaren Wasser nicht mehr seine verzerrte Fratze, sondern Arionas bernsteinfarbene Augen, scharf und tief, „Nein, sie ist unschuldig. Ich glaube; ich weiß, dass sie es ist. Was mache ich also? Ysil finden? Einen Mann, der sicher nicht gefunden werden will, in dieser Stadt, unmöglich. Ich muss, ich muss die anderen finden. Wenn er wirklich der Nekromant ist, wird er versuchen, sie an ihren Aussagen zu hindern, sie vielleicht sogar umbringen. Ich muss sie finden! Umbro…Schmuggler…Unterstadt.“
Mit diesen Gedanken riss er das delionische Wappen vom Kragen seines Hemds, den er damit ziemlich verunstaltete, schleuderte es in das Wasser des Brunnens, sprang auf und eilte los durch die vielen Gassen, bis er schließlich einen kleinen Park im delionischen Viertel erreichte, der fast an das iskatische grenzte. Auf der Ostseite befand sich ein mehrstöckiges Gebäude mit bröckliger Fassade, vor dessen Eingang eine zerlumpte Markise aufgespannt war. Oberhalb davon verkündete ein hölzernes Schild: "Blut und Bier". Zwar stand die dunkle, hölzerne Tür offen, sodass man in das dahinterliegende Halbdunkel blicken konnte, doch hielt davor ein raubeiniger Mann Wache, der aufgrund seiner Kleidung wie ein Pirat auf dem Trockenen wirkte.
Als Ferren sich ihm näherte, fuhr er aus seinem Korksessel hoch und nahm ihn aus dem einen Auge, das er noch hatte, ins Visier.
„Halt, Junge!“, knurrte er, als der Leutnant den schattigen Bereich unter der Markise erreicht hatte, „Was willst du im Blut und Bier?"
„Verkaufen“, entgegnete Ferren schroff.
„So“, murmelte der Alte, nachdem er sein Gegenüber erneut gemustert hatte, „Was denn?“
„Das hier“, gab der Leutnant zurück und zog kurz sein Kurzschwert aus der ledernen Scheide an seinem Gürtel.
„Ah, tjo, die Preise für Waffen sind gut…sagt man. Aber ich hab so das Gefühl, dich schon mal bei der Stadtwache gesehen zu haben, Jungchen. War da vielleicht mal ein Wappen auf deinem Kragen, das du, sagen wir mal, abgerissen hast, bevor du her kamst?“
„Ich nicht. Das haben die mir abgerissen. Bin suspendiert. Hab ‘nem Schmuggler geholfen“, log Ferren.
„Wieso hilft ein Soldat ‘nem Schmuggler?“
„Die Bezahlung hat gestimmt.“
„Verstehe“, lachte der Alte, „Nun, für einen ehemaligen Wachmann haben wir hier Verwendung. Informationen werden gut gehandelt, weißt du. Immer rein in die gute Stube.“
„Äh ja, danke“, stotterte Ferren etwas überrascht, bevor er das "Blut und Bier" betrat.
In dem Laden war es angenehm kühl und unangenehm dunkel, sodass man kaum erkennen konnte, wer dort in tiefen Sesseln an den runden Korbtischen saß, die durch halbdurchsichtige Wände aus Bastgeflecht voneinander getrennt waren. Dem Geräuschpegel zufolge war das Lokal trotz der vergleichsweise frühen Stunde gut besucht. Überall vernahm Ferren das Klirren von Bierkrügen oder Rumgläsern beim Zuprosten, polierte Dolche blitzten im Halbdunkeln, Zahlen und Trinksprüche hallten durch den Raum, sinistere Stimmen handelten mit dem Tod.
Ferren bahnte sich seinen Weg durch das Labyrinth der Bastwände bis zur Bar, die, von zwei Pechfackeln erleuchtet, der hellste Ort des Lokals war, allerdings nicht so hell, als dass man die Getränke hätte erkennen können, welche die hübsche, junge, rothaarige Barfrau ausschenkte.
„Pia!“, grunzte ein schmierig wirkender, einarmiger Kerl, „Das hier ist kein Rum sondern irgendein skatrisches Mistzeug!“
„Ich fürchte, das interessiert weder mich noch dich“, entgegnete die Bardame, bevor sie einem weiteren Gast sein Getränk überreichte und sich dann Ferren zuwandte, „Neu hier?“
Er nickte.
„Was darf’s sein?“, fragte sie.
„Ich suche einen gewissen Umbro.“
„Hier gibt’s nur Getränke“, erwiderte Pia.
„Gut, dann nehme ich ein Bier“, gab der Leutnant in der Hoffnung, danach mehr zu erfahren, zurück. Sekunden später wurde ein Zinnbecher mit einer undefinierbaren, braunen Brühe direkt vor seiner Nase auf den Tresen geknallt.
„Lasst mich raten: Die Leute kommen nicht zum Trinken her?“, grummelte er.
„Was soll das denn schon wieder heißen?“, zischte Pia.
„Ha, der Junge hat verdammt Recht!“, stimmte der Einarmige zu, „Die Stadtwache hat diesen Laden doch nur noch nicht auseinander genommen, weil das Gesöff hier selbst zum Konfiszieren zu schal ist.“
„Schnauze, Yarbart!“, blaffte die Bardame.
„Du suchst also Umbro?“, erkundigte sich der Einarmige bei Ferren.
„Korrekt“, gab dieser zurück.
„Komisch, bist schon der zweite, der heute nach ihm fragt. Der andere war so ein Muskelbrocken. Ekliger Typ.“
„Ich fand ihn heiß“, kommentierte Pia.
„Du findest auch, dass das hier“, Yarbart hielt sein Rumglas in den Schein der Fackel, um dessen grünlichen Inhalt zu offenbaren, „was zu trinken ist“, er machte eine kurze Pause, bevor er sich wieder Ferren zuwandte, „Umbro ist normalerweise unten im Keller. Gleich da vorne die Treppe runter.“
„Danke“, verabschiedete sich der Leutnant, um anschließend der Wegbeschreibung Yarbarts zu folgen.
Der Keller war im Vergleich zum Schankraum, durchaus gut beleuchtet, zumindest, wenn man von den Sitznischen im Randbereich absah, die sich um einen zentralen Kampfring gruppierten, der im Wesentlichen aus einer von Holzbarrikaden eingeschlossenen Sandfläche bestand. Eine mit Kreide beschriebene Schiefertafel am Eingang verkündete den Zeitpunkt der nächsten Faust-, Hunde- und Hahnenkämpfe.
Während ein schmächtiger, blonder Bursche die Überreste des letzten Hahnenkampfes mit einer Kelle aus der Arena entfernte, wurde in den Sitznischen angeregt getuschelt. Aus den wenigen Wortfetzen, die er verstand, schloss Ferren, dass es hauptsächlich um den Handel mit verbotenen Waren ging.
Neben dem Eingang saß an einem hölzernen Tisch ein fettleibiger Mann, der mit einem bekritzelten Pergamentstück, einem Geldbeutel und einem Abakus hantierte.
„Entschuldigt“, sagte Ferren, „Ich suche einen Kerl namens Umbro.“
„Nische drei, linke Seite“, brummte der Mann, bevor er sich wieder dem Rechenschieber widmete.
„Ach“, rief er dem Leutnant hinterher, „Wenn Ihr ihn findet, sagt ihm, er soll seinen Gewinn abholen. Sonst behalte ich ihn.“
„Geht klar“, gab er zurück, bevor er weiter ging.
In Nische drei lag der dunkelhäutige Umbro sehr lässig in seinem Korbsessel, etwas zu lässig, um noch am Leben zu sein, wie Ferren sehr bald feststellen musste. Auf dem Tisch vor im qualmten einige Stummel von Dunkelkrautzigaretten direkt neben zwei leeren Rumgläsern. Der Tote wies jedoch keinerlei Verletzungen auf, was Ferren stutzig machte, da er Ysil, sollte dieser wirklich dafür verantwortlich sein, nicht für jemanden hielt, der derart subtil mordete.
Nachdem er ihn kurz betrachtet hatte, wandte Ferren sich wieder ab und kehrte zu dem Mann mit dem Abakus zurück.
„Sagt, wer serviert hier unten die Getränke.“
„Pia kommt normalerweise vor und nach jedem Kampf einmal hier vorbei. Ansonsten bringen sich die Leute ihren Schnaps selbst von oben mit“, erklärte sein Gegenüber.
„Danke“, gab Ferren zurück und wandte sich erneut zum Gehen.
„Hey, was ist jetzt mit Umbro? Holt der seinen Gewinn noch ab?“
„Nein, der ist tot.“
„Was? Genial! Und wieder ein paar Taler mehr in der Tasche!“, jauchzte der Mann, bevor er dem blonden Burschen im Ring etwas zurief, das sich sehr nach „Philipp, Leiche in Nische drei“ anhörte und Routine nicht vermissen ließ. Zwar schmerzte es Ferren, mögliche Spuren zurückzulassen, doch wollte er in diesem Lokal nicht allzu gerne als Angehöriger der Stadtwache auffallen.
So kehrte er an den Tresen im Erdgeschoss zurück, wo sich Yarbart immer noch mit Pia stritt.
„Und, habt Ihr Umbro gefunden?“, erkundigte sich ersterer.
„Ja, er war allerdings tot“, gab er zurück.
„Das wundert mich nicht“, lachte sein Gegenüber hämisch, „Der hat wahrscheinlich auch seinen Rum bei unserer bezaubernden Pia bestellt.“
„Quatsch nicht!“, schnauzte die Bardame, „Umbro kann sich den Rum gar nicht leisten. Der haut sein ganzes Geld für Hundewetten raus.“
„Das heißt, Ihr habt ihm nichts serviert?“, wollte Ferren wissen.
„Nein. Hab ich nicht“, zischelte Pia.
„Und dieser…gutaussehende Kerl, von dem Yarbart eben sprach, hat der was bestellt?“
„Was geht dich das eigentlich an, hä?“, blaffte sie.
„Klar hat er“, mischte sich Yarbart ein, „Zwei Rum. Pia ließ einen aufs Haus gehen. Hätte ich auch gerne mal.“
„Vergiss es, Yarbart!“
„Immer schön höflich bleiben, Madam“, lachte der Einarmige, der sich anschließend wieder zu Ferren drehte, „Umbro war ein Freund, was?“
„Ja, ja das war er.“
„Hm, Pia, sagte dieser Kerl dir nicht, du könntest, wenn du Feierabend hast, gerne mal bei ihm vorbei schauen?“
„Hat er nicht!“
„Oh doch, das hat er. Maurergasse Fünfunddreißig, delionisches Viertel, wenn ich mich recht erinnere. Er wollte gegen Abend da sein“, murmelte Yarbart, während Ferren zur Kenntnis nahm, dass es sich dabei keinesfalls um die Adresse des Wohnkellers handelte, in dem Ariona, Pegry und die anderen hausten.
„Danke, du hast was gut bei mir“, gab er zurück, wobei er Yarbart auf die Schulter klopfte.
„Nichts zu danken. Aber komm bloß nicht auf die Idee, mir hier ‘nen Rum auszugeben.“
„Keine Sorge, hab ich nicht vor“, lachte der Leutnant.
„Ihr Volltrottel habt mir gerade den Abend versaut!“, kreischte Pia.
„Ich hab dich nur davor bewahrt, mit ‘nem Mörder in die Kiste zu steigen“, rechtfertigte sich Yarbart.
„Schwachkopf!“
„Ich gehe dann mal“, sagte Ferren leise, bevor er die beiden Streithähne allein zurückließ.
Da es noch nicht Abend, sondern erst später Nachmittag war, machte er sich zunächst auf den Weg zu Raham, der, wie er vermutete, immer noch im Wohnkeller wartete.
Ariona saß derweil wieder in der Verhörzelle der delionischen Wache. Zwar hatte man sie kurzzeitig in eine andere Zelle verlegt, wo sie sich einige Zeit lang hatte ausruhen können, doch war sie vor wenigen Minuten wieder in diese zurückgeschleift worden. Nun saß sie, mit stählernen Schellen fixiert, in einem massiven Holzstuhl und wartete wenig sehnsüchtig darauf, dass ihr Befrager eintraf.
Dies geschah wenig später, als Blaek gefolgt von einem Novizen der Wache die Zelle betrat, was Ariona nicht weiter wunderte, da der Hauptmann, nun da sie wieder halbwegs bei Kräften war, sicherlich ihre magischen Fähigkeiten fürchtete.
„Novizin Ariona“, sagte er mit einem hämischen Lächeln, während er ihr gegenüber an dem kleinen, zerfurchten und obendrein noch morschen Holztisch Platz nahm, wohingegen sich sein Begleiter in einer Ecke nahe des Eingangs aufhielt.
„Gibt es irgendetwas Neues, oder wollt Ihr Euch zum achten Mal meine Geschichte anhören?“, fragte sie.
„Auf Eure Lügen kann ich verzichten“, entgegnete Blaek, „Im Übrigen gibt es etwas Neues.“
„Ihr habt also Pegry befragt?“
„Nein“, lachte ihr Gegenüber, „Euer Freund Pegry hat diesen Kerl, den ihr verdächtigt habt, wie hieß er noch gleich…Ysil genau. Jedenfalls hat Euer Freund ihn angegriffen und eine Zimmergenossin, eine gewisse Zoe, umgebracht und ist danach geflohen.“
„Pegry? Das ist doch Schwachsinn!“, donnerte Ariona.
„Das glaube ich kaum. In seinem Schrank fanden wir eine untote Natter. Euer Freund war eindeutig ein Nekromant. Genau wie Ihr es seid, nicht wahr?“
„Das ist doch…das war nicht Pegrys sondern Ysils Schrank!“, schrie die Novizin.
„Ja, natürlich. Wisst Ihr, wir haben einige Leute befragt und alle sagten, Pegry habe sich hauptsächlich in seinem Keller aufgehalten. Wahrscheinlich, um an seinen schwarzmagischen Experimenten zu arbeiten.“
„Quatsch! Pegry war paranoid. Er glaubte, die Stadt könne jeden Augenblick angegriffen werden. Deshalb hat er sich in dem Keller versteckt.“
„Wirklich eine rührende Geschichte“, sagte Blaek, dem die Falschheit seines Mitleids ins Gesicht geschrieben stand.
„Aber Ysil glaubt Ihr? Was für ein Spiel wird hier eigentlich gespielt? Fragt doch einfach Ilar oder Umbro. Die werden Euch versichern, dass es sich bei dem Schrank, in dem die Schlange war, um Ysils handelt“, fluchte sie.
„Ysil behauptete genau das Gegenteil.“
„Dann sucht die beiden doch und fragt sie!“, blaffte Ariona.
„Nun, leider sind all unsere Truppen mit der Suche nach dem Flüchtigen Pegry beschäftigt. Er gilt als äußerst gefährlich.“
„Der würde keiner Fliege was zu Leide tun!“
Der Hauptmann lächelte erneut.
„Nun, Novizin, es wäre an der Zeit zu gestehen. Damit könntet Ihr Euch einige Strapazen ersparen.“
„Gestehen? Das soll wohl ein Witz sein!“, zischte sie.
„Wenn da so ist“, murmelte Blaek, wobei er grinste, aufstand und seine Hand zu einer Faust ballte.
„Moment mal, was soll das…weg von mir!“, kreischte Ariona, während er sich ihr weiter näherte.
Bevor er sie erreichte, wirkte sie jedoch einen Stoßzauber auf ihn, den der Novize im Hintergrund allerdings schon erwartet hatte, weshalb es ihm gelang, Blaek mit einem Schild aus blassviolettem Licht zu schützen, der ihren Zauber absorbierte.
„Angriff auf einen Hauptmann der Wache. Ihr macht Euch wahrlich nicht gut“, spottete Blaek, während der Schild um ihn langsam verblasste. Dann schlug er zu. Direkt ins Gesicht und so hart, dass Arionas Hinterkopf gegen die Stuhllehne knallte. Heiß fühlte sie das Blut ihren Nacken hinab fließen.
„Ihr verdammter Bastard!“, heulte sie.
„Beleidigung eines vereidigten Dieners Delions“, lachte er und schmetterte seine Faust in ihren Magen, wobei ihn der Novize mit belustigtem Gesichtsausdruck beobachtete.
„Seht: Ihr müsst nur gestehen und alles ist vorbei“, sagte er, nachdem sie sich halbwegs gefangen hatte.
„Leck mich!“, blaffte sie, was ihr einen Schlag in die Nierengegend einbrachte. Dieser war derart hart, dass ihr kurzzeitig schwarz vor Augen wurde. Mit Tränen auf den Lidern rappelte sie an den stählernen Schellen, die sich jedoch keinen Zentimeter bewegten, was dem Novizen ein erneutes Lachen abverlangte.
„Es gibt keinen Weg hier raus“, kommentierte Blaek, „Und wir fangen gerade erst an.“
„Na mach doch!“, forderte sie ihn auf, worauf er zu einem weiteren Schlag ausholte. Diesmal konterte sie jedoch und feuerte ihm einen Schnittzauber direkt in den Oberschenkel, auf den der Novize nicht gewesen vorbereitet war. Der Hauptmann heulte laut auf, Blut spritzte über ihre Robe und sein Schlag verfehlte. Seiner Standkraft beraubt kippte er seitwärts auf den Tisch, den Ariona jedoch mit einem Zauber wegstieß, sodass er vor ihr auf den Boden klatschte, wo sie ihm genau ins Gesicht trat.
Endlich griff der Novize ein, indem er den Stuhl mit samt Ariona umwarf, sodass sie auf dem Rücken lag und vom sonstigen Geschehen nichts mehr mitbekam.
„Diese Schlampe!“, schrie Blaek, „Na warte, dir zeig ich’s!“
Mit diesen Worten beugte er sich über sie und schmetterte seine Faust in ihr Gesicht. Einmal, zweimal, dreimal. Sie fühlte, wie ihre Nase brach, ihre Lippen aufplatzten und Blut über ihr ganzes Gesicht rann.
Dann prügelte er auf ihren Unterleib ein, bis sie sich übergeben musste, doch da ihr Kopf am Stuhl fixiert war, floss alles in ihre Luftröhre zurück. Hustend rang sie nach Atem, doch es gab keine Erlösung und Blaek trieb seine Faust erneut in ihren Bauch, bis der Novize plötzlich rief:
„Sir, sie erstickt. Tot nützt sie uns nichts!“
„Schön!“, brüllte der Hauptmann, wobei er ihr noch einen letzten, heftigen Schlag in die Rippen versetzte.
Dann richtete er den Stuhl wieder auf und löste die Scharniere an Hals sowie Handgelenken, um sie anschließend vorwärts auf den kalten Steinboden zu schleudern, wo sie, sich krümmend, das Erbrochene aushustete.
„Erbärmlich“, zischte er, bevor er an ihr vorbei aus der Zelle heraus humpelte.
„Bring sie in ihre Zelle zurück!“, befahl er dem Novizen noch.
Als Ferren den Wohnkeller betrat fand er Raham immer noch auf der steinernen Mauer sitzend vor, wo er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf rieb.
„Was ist denn mit dir passiert?“, fragte Ferren.
„Dieser Ilar ist hier aufgetaucht“, murmelte sein Gegenüber.
„Ja, und?“
„Er war zuerst sogar noch ganz kooperativ. Etwas unhöflich vielleicht. Er gab an, dass diese Nische mit der toten Natter Ysils sei und er hat mir seine Version der Geschichte um Pegry erzählt.“
„Immer raus damit!“
„Also laut ihm kam Ysil mit drei anderen Typen hier an, als er sich gerade mit Zoe gestritten hat. Ysil suchte wohl Pegry, der aber laut Ilar nicht da war, was merkwürdig war, weil der wohl so gut wie nie den Keller verlässt. Ysil muss wohl ziemlich sauer gewesen sein, weil jemand seine Schlafnische durchwühlt hat. Er muss wohl drauf gekommen sein, dass es Pegry war und hat den drei Kerlen befohlen, den Keller nach ihm zu durchsuchen. Ilar ist dann wohl abgehauen“, berichtete Raham.
„Und was ist mit deinem Kopf passiert?“, erkundigte sich Ferren.
„Nun, als ich Ilar dann sagte, er solle mich wegen seiner Aussage mit auf die Wache begleiten, sagte er mir, meine Mutter gehe dem ältesten Gewerbe der Welt nach, verpasste mir einen Stoßzauber und verschwand.“
„Komische Leute“, kommentiere Ferren.
„Da sagst du was“, stimmte sein Kamerad zu, wobei er sich erneut den Hinterkopf rieb.
„Aber immerhin wissen wir jetzt, dass die Schlange Ysils Werk war.“
„Ganz ehrlich“, entgegnete Raham, „Diesem Ilar würde ich auch nicht trauen. Außerdem ist er abgehauen. Hast du noch irgendwas herausgefunden?“
„Ich habe Umbro gefunden. Dummerweise wurde er ermordet. Alles deutet auf Ysil hin.“
„Deutet wirklich alles auf Ysil hin, oder willst du nur, dass alles auf ihn hindeutet?“
„Ich bin objektiv!“, zischte Ferren.
„Wie du meinst.“
„Am besten gehst du zur Wache zurück und erstattest Blaek Bericht“, schlug der Leutnant vor, „Ich gehe noch einer Spur nach.“
„Schön“, murrte Raham, „Aber sag mir wenigstens, wohin du gehst.“
„Maurergasse Fünfunddreißig.“