Science Fiction
Project Albagan [2x09] Containment

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"Project Albagan [2x09] Containment"
Veröffentlicht am 31. Juli 2012, 34 Seiten
Kategorie Science Fiction
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Project Albagan [2x09] Containment

Project Albagan [2x09] Containment

Beschreibung

Neue Folgen, News und weitere Stories auch auf http://s-hilgert.blogspot.com || In Washington, D.C. herrscht Aufruhr: Ein Außenstehender will von der geheimen Stadt Inistra erfahren haben und droht nun mit diesen Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen. Jan und Abby reisen zur Erde, um den Unbekannten aufzuhalten...

Inistra // Eine Woche nach dem Besuch General Eaglesons

Jan hatte schon beim Aufstehen ein schlechtes Gefühl gehabt. Er hatte noch nicht gewusst was, aber sein Bauchgefühl hatte ihm eindeutig verraten, dass etwas nicht stimmte. Jetzt hatte er den Beweis dafür. Während er die kurze Strecke von seiner Wohnung zum Konferenzraum zurücklegte, ging er im Kopf immer wieder die Erklärung durch, die Major Hedgefield ihm für das kurzfristige Treffen gegeben hatte. Sie war genauso kurz wie erschreckend: Ein Außenstehender auf der Erde wollte an Informationen gelangt sein, die die streng geheime Existenz des Albagan-Projektes öffentlich machen könnten.

Als Jan in den Konferenzraum trat, saßen dort schon Major Hedgefield und Jack Springer, sowie, zu Jans Überraschung, Abby, die er am wenigsten hier erwartet hätte.

„Kommen wir gleich zur Sache,“ hob Springer an, nachdem sie sich die Hände geschüttelt und Jan Platz genommen hatte.

„Gestern Nachmittag um 1600 bekam unser Sekretariat einen Anruf von einem Physiker, der ziemlich eindringlich darauf hinwies, er habe Kenntnis von einer geheimen Operation erlangt, die Subspace-Reisen betreffen soll. Nun bekommen wir zwar laufend Anrufe von Leuten, die meinen unsere ‚geheimen Pläne‘ zu kennen, aber im Gegensatz dazu war dieser Anruf sehr beunruhigend. Nicht nur, weil der Anrufer anscheinend genau wusste, welche Abteilung zuständig ist, diese auf einer streng geheimen Nummer angerufen hat und uns eine ziemlich detaillierte Beschreibung über die grundlegende Funktionsweise des Albagans geben konnte.“

Jan runzelte die Stirn.

„Das klingt irgendwie nicht sonderlich beruhigend.“

„Er sagt wir hätten 24 Stunden Zeit um die Öffentlichkeit von unseren Experimenten in Kenntnis zu setzen, sonst würde er das übernehmen.“

„Vier Stunden sind davon bereits vergangen“, hakte Hedgefield ein, „Dr. Ferden, auf Sie und Abby wartet bei Earth Command eine Maschine nach Deutschland.“

„Deutschland?“, versetzte Jan überrascht. Springer nickte.

„Wir haben das Telefonsignal zurückverfolgt. Der Typ ist clever, aber wir waren besser. Sie werden sich freuen, er sitzt in Aachen. Sie haben doch da studiert, oder?“

Jan nickte.

„Gut. Dann haben Sie ja vielleicht noch den einen oder anderen Kontakt, den sie spielen lassen können. Eine Zusammenstellung aller wichtigen Informationen wird Ihnen bei Ihrem Abflug übergeben. Noch Fragen?“

Jan fühlte sich, als sei er von einer Dampfwalze überfahren worden.

„Äh… eine Menge, aber ich nehme an das steht alles in ihrem Info-Paket. Trotzdem, und ohne herablassend klingen zu wollen, warum soll Abby mitkommen?“

„Weil gewisse Leute der Meinung sind,“ kam es aus Abby wie aus der Pistole geschossen, „deine Überzeugungskraft würde steigen, wenn du eine - wie war das noch gleich? Ach ja, petite 18-Jährige dabei hast.“

„So habe ich das nicht formuliert!“, wehrte sich Springer mit einem unsicheren Seitenblick zu Major Hedgefield. Bevor der aber etwas sagen konnte, winkte Abby auch schon wieder grinsend ab.

„Mir soll’s egal sein“, grinste sie abenteuerlustig, „so sehe ich wenigstens was von der Welt!“

 

Kaum mehr als eine halbe Stunde später saßen sie bereits in einer Militärmaschine auf dem Weg zum NATO-Flugplatz Geilenkirchen.

„Warum wollte dein Vater eigentlich nicht mitkommen?“, fragte Jan über den Rand seines Papierstapels hinweg. Major Hedgefield hatte nur gesagt, dass er kommen wollte, ihn aber etwas davon abgehalten habe.

„Stress auf dem Amazonenplaneten“, antwortete Abby, „anscheinend läuft da noch eine Untersuchung über den Verlust von Kommandantin Lavinas Truppen.“

„Immer noch?“ Jan hob die Augenbrauen.

Abby nickte.

„Naja ist ja auch egal“, meinte sie, „erzähl mir lieber, was wir für einen Typen suchen.“

Jan drehte sich in seinem Sitz, sodass Abby ebenfalls auf die Papier gucken konnte, die er in der Hand hielt.

„Michael Vogel…“, murmelte sie. Jan nickte.

„Physikstudent an der RWTH Aachen, 23 Jahre, gilt als hochbegabt. Das würde zumindest erklären, warum er unsere Energiesignatur gefunden haben will.“

Abby legte die Stirn kraus und zog ein zweites Foto aus dem Stapel.

„Und der hier?“, fragte sie, da es sich offensichtlich um eine andere Person handelte. Während Vogel eine gepflegte Erscheinung machte, und mit seiner mittelgroßen, schmächtigen Statur ziemlich unscheinbar wirkte, sah der andere Typ aus wie der Comicbuchverkäufer aus den Simpsons: Grobschlächtig, ungepflegt und mit lange überfälligem Friseurtermin und noch länger überfälligem Termin mit einem Bartschneider.

„Klischeeinformatiker“, kommentierte Jan, „lass dich von seinem Äußeren nicht täuschen. Ich kenne ein paar von den Jungs, allesamt mit ihrem Computer verheiratet, aber wer denen bei der Arbeit zusieht glaubt irgendwann sie könnten zaubern. Jens Maren, 24, möglicherweise Verbindung zu Anonymus und Wikileaks, letzteres auch bei unserem Herrn Vogel.“

„Das würde jedenfalls erklären, warum sie das Projekt offenlegen wollen.“

Jan nickte.

„Und wie sie an die richtigen Telefonnummern gekommen sind.“

Abby legte den Kopf schief.

„Wäre es denn überhaupt so schlimm, wenn die Welt von unserer Stadt erfahren würde?“

Jan seufzte.

„Im Prinzip nein. Ich denke auch, dass wir auf lange Sicht die Öffentlichkeit informieren müssen. Aber nicht so kurzfristig alles auf einmal. Denk mal nach, als du das erste Mal von all dem erfahren hast, wie hast du dich gefühlt?“

Abby dachte einen Moment nach, erinnerte sich daran, wie die großen Hangartore bei Earth Command aufgefahren waren und sie zum ersten Mal das Albagan gesehen hatte.

„Überwältigt, würde ich sagen trifft es am besten.“

„Und jetzt überleg dir mal, wie es gewesen wäre, wenn du nicht wenigstens eine daran beteiligte Person gekannt und daher gewusst hättest, dass sie das händeln kann.“

Abby grinste.

„Um ehrlich zu sein bin ich mir immer noch nicht sicher ob Dad das ganze händeln kann…“

Die beiden lachten amüsiert.

„Nein aber im Ernst“, meinte Jan, „du hattest das Glück direkt aus erster Hand zu erfahren und zu sehen, nicht nur was die Bedrohung ist, sondern auch, dass wir uns dagegen zur Wehr setzen können. Und jetzt stell dir vor, wir würden all das mit einem Schlag auf die Öffentlichkeit loslassen. Und dann überleg dir, was die Bild, Sun, USA Today und so weiter daraus machen würden.“

Abby dachte einen Moment nach. Schlagzeilen tauchten vor ihrem inneren Auge auf, von denen Erde dem Untergang geweiht noch die harmloseste war.

„Versteh mich nicht falsch“, meinte Jan, „ich finde das auch nicht gut, das alles geheim zu halten. Aber für den Moment ist es fürchte ich die einzige Option, die wir haben.“

Geilenkirchen Air Base // 1100 Lokaler Zeit // 14 Stunden bis Ultimatum

Als das Duo in Deutschland landete, wartete bereits eine Abordnung der Bundeswehr in der strahlenden Vormittagssonne. Jan war erstaunt, was für einen Apparat General Eagleson wohl in Bewegung gesetzt hatte, doch gerade, als er freudigen Schrittes auf die Abordnung zuschreiten wollte, erstarrte er: Das Gesicht, welches ihm da in der Position des zuständigen Offiziers entgegenblickte war ihm nur zu gut bekannt.

„Herr Ferden,“ begrüßte ihn der hochgewachsene Offizier spitz, „was für eine Freude Sie wiederzusehen.“

Jans Gesicht verwandelte sich in eine steinerne Maske, als er zurückgrüßte.

„Für Sie immer noch Doktor Ferden, Oberstleutnant.“

Sein Gegenüber lächelte eisig.

„Oberst, Herr Doktor. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich mich auf der Karriereleiter weiter nach oben gearbeitet.“

„Ich würde Sie ja gerne darauf hinweisen, dass ich in der Nahrungskette über Ihnen stehe, Oberst, aber davon abgesehen, dass Sie es sowieso nicht verstehen würden sind wir eng in der Zeit. Wenn Sie also so freundlich wären ihren Befehlen zu folgen und uns von hier wegzubringen?“

Der Oberst drehte sich ohne ein weiteres Wort weg, erteilte seinen Untergebenen einige barsche Befehle und fünfzehn Minuten später befanden sie sich in einem Bundeswehr-Jeep auf dem Weg nach Aachen.

Als sie den Ortsausgang Geilenkirchen passierten, sprach Abby Jan auf die eisige Konversation an.

„Ihr scheint euch ja zu kennen“, brüllte sie über den Lärm des ratternden Diesels hinweg. Jan nickte.

„Vor vielen Jahren wurde meine Schwester Opfer einer Vergewaltigung durch eine Horde betrunkener Bundeswehrsoldaten. Die physischen wie psychischen Wunden und Folgeschäden waren so groß, dass sie das Leben nicht mehr ertrug und sich wenige Tage nach der Vergewaltigung das Leben nahm. Die Soldaten standen unter dem Kommando von Oberstleutnant Gerd Anders, jenem Herrn dort vorn, der nun Oberst und anscheinend für uns zuständig ist. Er hat damals die Ermittlungen blockiert wo er nur konnte, um seine Truppe zu schützen, und weil er allgemein der Auffassung war, dass Soldaten die besseren Menschen seien und sich daher sowieso alles herausnehmen könnten.“

Abby schwieg berührt.

„Ist das der Grund, warum du dem Militär so… skeptisch gegenüberstehst?“, fragte sie vorsichtig.

Jan nickte.

„Wir standen uns sehr nahe musst du wissen, meine Schwester und ich. Ich bin damals für zwei Semester in die USA gegangen um über all das hinwegzukommen, aber anscheinend gibt es doch zwei ultimative Regeln: Erstens hat die eigene Geschichte die Eigenart einen immer wieder heimzusuchen. Und zweitens gibt es Wunden, die auch die Zeit nicht heilen kann.“

Sie schwiegen für den Rest der Fahrt, Jan in Gedanken schwelgend, Abby eine Möglichkeit suchend Jan mit seiner Trauer zu helfen.

 

Gegen Mittag erreichten sie die Aachener Innenstadt, und Jans Miene hellte sich auf, während er sich damit ablenkte Abby verschiedene Anekdoten über die Geschichte der Stadt zu erzählen. Sie ließen sich von dem Jeep in der Nähe des Aachener Bushofs absetzen, der nur wenige Minuten von Jans Appartement am Hansemannplatz entfernt lag.

„Das Letzte, was ich brauche, ist das einer dieser Typen weiß wo ich wohne“, kommentierte Jan Abbys Frage, warum sie so früh ausgestiegen seien. Fünf Minuten später erreichten sie die kleine Innenstadtwohnung, die aus drei Zimmern bestand und ziemlich spärlich eingerichtet war.

„Ich bin doch fast nie hier“, verteidigte Jan die spartanische Ausstattung. Sie legten schnell ihre Taschen ab und Jan packte ein wenig Geld ein, dann machten sie sich auf den Weg zur Uni.

Mit dem Bus fuhren sie zum Templergraben, an dem die Hauptgebäude der RWTH situiert sind, obgleich ihr Ziel – das Physikzentrum – ein Stück davon entfernt war. Flotten Schrittes liefen sie die Straße entlang, vorbei an dem beeindruckenden Schlossähnlichen Bau des Hauptgebäudes, welches ins 19. Jahrhundert zurückdatiert. Erinnerungen an seine Studienzeit kamen in Jan hoch, Erinnerungen an eine Zeit, die beinahe sorgenfrei erschien, wenn man bedachte was bei seinem aktuellen Job zuweilen auf dem Spiel stand. Zwei Studenten kamen ihnen entgegen, der eine hochgewachsen und mit skeptisch gerunzelter Stirn zuhörend, während der andere, der mindestens einen halben Kopf kleiner war, so heftig gestikulierte, dass der Stift in der Tasche seines Karohemdes gefährlich zitterte. Jan grinste. Jedenfalls der letztere war unter Garantie Maschinenbauer, ein seltsames Volk, welches einen Großteil der Studenten hier ausmachte.

Kurze Zeit später erreichten sie den Bau des Physikzentrums, ein Backsteingebäude im Stil der 90er mit einer gelb-metallisch schimmernden Halbkugel über dem Treppenhaus.

„Na dann wollen wir mal…“, meinte Jan, mehr zu sich selbst, als sie das Gebäude betraten. An einem kleinen Schreibtisch saß eine gelangweilt wirkende Studentische Hilfskraft, die sie fragte, ob man ihnen behilflich sein könne.

„Wir suchen nach Michael Vogel, es geht um seine Forschung.“

Die Hilfskraft zog ihre fein gezupften Augenbrauen zusammen.

„Darf ich fragen, wer Sie sind?“

Jan lächelte und zückte seinen alten Studentenausweis.

„Dr. Jan Ferden, ich habe selbst hier studiert. Es handelt sich um ein dringendes Forschungsprojekt.“

Die Hilfskraft studierte den etwas mitgenommenen alten Ausweis, zeigte sich dann aber zufrieden.

„Zweiter Stock links, im Büro von Professor Hochstrat.“

Jan bedankte sich, und die beiden machten sich wieder auf den Weg und standen einen Augenblick später vor dem Büro. Jan klopfte. Keine Reaktion. Er runzelte die Stirn und klopfte erneut. Wieder keine Reaktion. Vorsichtig drückte er die Klinke herunter. Es war offen. Langsam öffnete er die Tür, während sich ein dicker Klumpen in seinem Magen bildete. Das war alles nicht gut.

Als die Tür offen war, mussten sie feststellen, dass das Büro leer war. Jan seufzte verärgert, Abby hingegen kniff die Augen zu.

„Hier war bis gerade eben noch jemand“, meinte sie. Jan runzelte die Stirn.

„Meinst du?“

Abby nickte und deutete auf den Schreibtisch.

„Der Computer läuft ohne Bildschirmschoner und die Papiere hier sind völlig durcheinander. Und ich wette…“

Mitten im Satz pausierend ging sie zwei Schritte um den Tisch herum und legte ihre Fingerspitzen auf die Sitzfläche des Bürostuhls.

„Wusste ich’s doch: Der Stuhl ist noch warm.“

Jan lächelte.

„Nicht schlecht. Wenn du mir jetzt auch noch sagen kannst wo der Typ hin ist spendiere ich dir nach dieser Aktion ein Bier in meiner Lieblingsbar.“

Abby grinste.

Challenge accepted. Kennst du dich in diesem Gebäude aus?“

Jan legte die Stirn in Falten.

„Ein bisschen, wieso?“

„Hat der Gang hinter uns einen weiteren Ausgang?“

„Soweit ich weiß nicht.“

Abby lächelte siegessicher.

„Vogel hatte kaum Zeit sich zu verstecken. Er konnte das Stockwerk nicht verlassen, weil er uns entgegengekommen wäre, und ich glaube nicht, dass er den Raum verlassen hat bevor wir nach ihm gefragt haben. Da niemand an uns vorbeigekommen ist, seit wir den Raum betreten haben, ist er mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit noch auf diesem Stockwerk.“

Jan lächelte. Er war zu dem selben Schluss gekommen.

„Und was schlägst du vor, dass wir tun?“

Abby schmunzelte und ging quer durch den Raum und öffnete mit einem Ruck den großen Aktenschrank.

Er war leer.

„Wär ja auch zu einfach gewesen“, kommentierte sie mit einem Flunsch.

Vogel hatte sich zwar in einem Schrank versteckt, allerdings war es der im Nachbarbüro, wie sie wenige Minuten später feststellten. Der nervös hin und her blickende Physiker setzte sich auf den Bürostuhl, Jan holte zwei weitere Sitzgelegenheiten, während Abby den Physiker nicht aus den Augen ließ.

„Wollen Sie uns erklären, was Sie in dem Schrank gemacht haben?“, fragte Abby nachdem sie sich überzeugt hatten, dass es sich tatsächlich um Vogel handelte.

„Das Militär… ich dachte… ich dachte die würden einen… einen Killer oder so was senden!“, stammelte Vogel.

Abby und Jan warfen sich einen vielsagenden Blick zu.

„Ich versichere Ihnen, wir sind nicht hier um Sie um die Ecke zu bringen“, stellte Jan fest, „Sie haben allerdings schon recht damit wer uns schickt: Wir sind hier um zu erfahren wie Sie an streng geheime Informationen des Militärs gelangt sind und warum Sie diese an die Öffentlichkeit bringen wollen.“

Vogel zögerte einen Moment, dann brach sein Widerstand endgültig zusammen.

„Ich hab eigentlich nur die Energiesignatur gefunden, alles andere war Jens’ Idee! Ich forsche auf dem Gebiet des Multiversums, unter Berücksichtigung der String-Theorie. Dabei sind mir bei meinen Experimenten immer wieder große Energiemengenaufgefallen, die plötzlich im Subraum auftauchten und wieder verschwanden. Ich habe Jens bei einem Bier davon erzählt, und wir kamen auf die idiotische Idee, es könnte sich um ein geheimes Projekt der Amerikaner handeln. Das Ganze erschien uns ziemlich abwegig, aber ich konnte auf Deiwel komm raus nichts finden, was meine Messungen erklärt hätte. Also hat sich Jens ein bisschen in der Datenbank NASA umgeschaut.“

Vogel blickte einen Moment sinnierend aus dem Fenster.

„Ein komplettes System von Zivilisationen… Erstaunlich, wenn man sich die Implikationen überlegt…“, sagte er leise.

„Das ist ja alles schön und gut“, schnappte Abby, „aber wieso soll das ein Grund sein das Militär der Vereinigten Staaten zu erpressen?“

Jan musste innerlich grinsen. Ohne vorherige Absprache hatte sich die altgediente Konstellation des good-cop / bad-cop zwischen Abby und ihm gebildet. Während er selbst eher ruhig sprach und wirkte, ließ Abby die Funken sprühen. Wahrscheinlich hatte sie zuhause eher selten die Gelegenheit dazu, und genoss es in vollen Zügen die Kontrolle innezuhaben. Und es schien zu funktionieren, also ließ Jan sie gewähren.

„Das… das war alles Jens‘ beschissene Idee!“, brach es aus Vogel heraus, „Er war das, er hat immer den Moralapostel gemimt, von wegen Information für alle, keine Geheimnisse des Staats vor seinen Bürgern! Er meinte es sei unsere Bürgerpflicht etwas gegen diese Geheimniskrämerei zu tun!“

Vogel sackte in seinem Stuhl zusammen. Sowohl Abby als auch Jan fühlten in diesem Moment Mitleid mit ihm, schließlich hatte er ja nur tun wollen, was richtig ist. Und ihrer Mission zum Trotz waren die Ansichten der drei in diesem Hinblick ja gar nicht so verschieden. Jan seufzte leise, sie hatten keine andere Möglichkeit, als ihren Auftrag auszuführen, oder das reinste Chaos wäre das Ergebnis. Jan legte den Physiker die Hand auf die Schulter.

„Wir verstehen ja Ihre Motive, aber gleich mit der Brechstange auf uns loszugehen war vielleicht nicht gerade die intelligenteste Methode.“

Vogel sah zu ihm hoch.

„Was werden Sie nun mit mir machen?“

Schmerz lag in seiner Stimme, Reue darüber, dass ihn seine wissenschaftliche Neugierde angestachelt hatte mit einem Freund in den Zentralrechner der NASA einzubrechen und vereinzelte Missionsreporte als Nachtlektüre zu verwenden.

„Ich schlage vor, wir suchen als allererstes ihren Kollegen auf, noch ist es nicht zu spät das Ruder herumzureißen.“

Vogel nickte vorsichtig, und Jan konnte in seinen Augen die Angst sehen, dass er jeden Moment doch noch von einem Killer überfallen würde.

„Haben Sie irgendwem von ihrer Entdeckung erzählt?“, fragte Jan unterwegs. Vogel schüttelte den Kopf, während sie den kurzen Weg zu Jens Marens Wohnung in der Halifaxstraße zurücklegten. Doch als sie in Sichtweite des kleinen Mehrfamilienhauses kamen, beschlich Jan eine ganz böse Vorahnung: Der Bereich um das Haus wurde in diesem Moment durch Polizeibeamte abgesperrt, deren blaulichternder Passat quer auf der Straße stand.

„Tut mir Leid, kein Zutritt!“, wies sie einer der Polizeibeamten harsch ab, als das Trio versuchte die Absperrung zu überqueren.

Jan zog die Brauen zusammen.

„Wir müssen mit einem der Bewohner dieses Hauses sprechen, dringend. Es handelt sich um eine Untersuchung einer internationalen Regierungsorganisation – das Innenministerium hat uns volle Unterstützung zugesichert.“

Mit diesen Worten holte Jan seinen Basisausweis des amerikanischen Militärs, das entsprechende Schreiben des Department of Defense und die besagte Erklärung des Innenministeriums hervor. Sofort wurde das Gebaren des Polizisten freundlicher, und er ließ sie passieren.

Nur um Jans ungutes Gefühl zu bestätigen. Vor ihnen lag, halb verdeckt, die Leiche Jens Marens. Sie war übel zugerichtet, ein Teil des Schädels fehlte, vermutlich durch einen Schuss, einige Knochen- und Gehirnreste waren in einer Blutlache auf dem Asphalt hinter Maren verteilt. Vogel stieß einen unmenschlichen Schrei aus, als er seinen Freund tot auf dem Asphalt liegen sah und sank weinend neben dem Körper auf die Knie. Jan legte Abby sanft die Hand auf die Schulter und zog sie ein Stück von der Leiche weg, während sie sich zitternd darauf konzentrierte ihren Mageninhalt bei sich zu behalten.

„Was ist hier passiert?“, fragte Jan leise einen der Polizeibeamten.

„Das Opfer wurde hier vor etwa zwanzig Minuten beim Verlassen des Hauses erschossen. Wir vermuten einen Drogenmord, wir haben in seiner Wohnung mehrere tausend Gramm Kokain gefunden. War das der Mann, den Sie für ihre Untersuchung befragen wollten?“

Der Polizist deutete auf die Papiere in Jans Händen. Der nickte, sich durch die Wendung der Ereignisse benebelt fühlend, und entschuldigte sich einen Moment. Kaum, dass er die nächste Straßenecke erreicht hatte, zückte er sein Handy und rief Springer auf seinem Handy in Washington an.

„Springer?“, meldete der sich nach dem zweiten Klingeln.

„Waren Sie das?“, fragte Jan, ohne Begrüßung.

„War ich was?“, fragte Springer verwirrt.

„Jens Maren, waren Sie das?“

„Was ist mit Maren?“

Springers Nichtwissen klang echt, und Jan bemerkte wie seinem Gegenüber dämmerte, was passiert war.

„Ist er etwa… tot?“

„Ja“, antwortete Jan, „die Polizei vermutet einen Drogenmord, aber ich muss von Ihnen wissen, ob das nicht nur gestellt ist.“

Springer klang leicht indigniert ob Jans Unterstellung, das DoD hätte Maren ermordet.

„Ich versichere Ihnen, wir haben damit nichts zu tun. Es ist auch nicht unsere Art solche Leute einfach… auszuschalten, wie es im Fernsehen immer so schön heißt.“

Es klang ehrlich, und Jan war erleichtert.

„Gut,“, sagte er also, „es gibt da noch etwas.“

„Ah ja?“ Springer klang skeptisch.

„Ja. Michael Vogel. Ich will ihm anbieten für uns zu arbeiten.“

Springer war überrascht.

„Wieso denn das?“

„Zum einen weiß er sowieso schon viel zu viel für einen Externen, er ist fachlich meines Erachtens ziemlich gut, und außerdem kann man Fliegen besser mit Honig als mit Essig fangen. Wenn wir ihn ins Boot holen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass er noch einmal gegen uns vorgehen möchte.“

Springer zögerte einen Moment.

„Machen Sie ihm das Angebot, ich regle alles weitere.“

Jan lächelte.

„Danke“, sagte er und legte auf. Er drehte um und ging wieder auf die Absperrung zu. Doch da wartete bereits das nächste Problem: Neben dem Polizeiwagen machte sich in diesem Moment mit einem halsbrecherischen Einparkmanöver ein blau-weißer Ford Transit mit der Aufschrift N24 breit.

„Na super…“, murmelte Jan, auf den bereits eine junge Reporterin, forschen Schrittes, zulief. In der Hand hielt sie, angriffsbereit, ein Mikrofon von der Größe einer Zucchini, während ein Kameramann eilends hinter ihr her ging, bereit jeden Wimpernschlag der Anwesenden aufzuzeichnen. Jan hatte erwartet, dass die Journalistin sich auf die Polizisten stürzen würde, doch die Mittzwanzigerin stürzte sich sofort auf ihn. Jan fluchte innerlich.

„Effi Berger, N24 Nachrichten, was ist hier vorgefallen?“

Jan musterte die kunstvoll geflochtene Frisur seines Gegenübers einen Moment, dann sagte er um einen neutralen Ton bemüht,

„Das müssen Sie die Polizei fragen.“

„Ich frage aber Sie“, schoss es sofort zurück.

„Und was macht Sie glauben, dass ich irgendetwas interessantes zu sagen hätte?“

Die Journalistin deutete auf die Papiere, die Jan noch immer in der Hand hielt.

„Dokumente des amerikanischen Verteidigungsministeriums und des deutschen Innenministeriums. Handelt es sich hier um eine Vertuschungsaktion der Amerikaner?“

Jan wurde innerlich heiß. Er verfluchte sich dafür, dass er vergessen hatte die Dokumente wegzustecken, und widerwillig musste er der Reporterin für ihre Scharfsinnigkeit Respekt zollen.

„Selbst wenn es eine Vertuschung wäre,“ sagte er also, nach wie vor um einen möglichst unverbindlichen Ton bemüht, „würde ich Ihnen das wohl kaum in die Kamera sagen, oder?“

Die Journalistin lächelte. Clever: Natürlich wusste auch sie, dass die Frage an sich idiotisch war. Es kam einzig und allein auf Jans Reaktion an.

„Wenn Sie wirklich etwas wissen wollen,“ erklärte er weiter, „wenden Sie sich lieber an die Polizei, die ist besser informiert als ich.“

Jan deutete auf einen Polizisten, der nun langsam zu ihnen herüberkam. Berger sah ihm in die Augen.

„Wenn Sie hier etwas verheimlich wollen, wird es an die Öffentlichkeit kommen, irgendwie, irgendwann. Die Öffentlichkeit verdient die Wahrheit.“

Jan hielt ihrem Blick stand.

„Das tut sie,“ sagte er leise, „und deshalb sollten Sie mit jemandem sprechen, der Ahnung hat.“

Sie bohrte ihre Blicke noch einen Moment in seine Augen, dann, fast übergangslos, lächelte sie wieder und zog mit dem Kameramann im Schlepptau weiter zu dem Polizisten.

„Das war knapp“, meinte Abby, als sich Jan wieder zu ihr gesellt hatte. Er nickte, dann drehte er sich zu Vogel um, der sich mittlerweile wieder etwas beruhigt hatte.

„Ich möchte Ihnen ein Angebot machen“, sagte er leise.

„Was für ein Angebot? Eins das ich nicht ablehnen kann? Und wenn ich mich nicht daran halte ergeht es mir so wie dem armen Jens?“

Vogel schüttelte sich, als sei ihm kalt.

Jan schüttelte den Kopf.

„Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, unsere Organisation hat damit nichts zu tun. Ich habe gerade mit unseren Leuten gesprochen, zu solchen Methoden greift man bei uns nicht. Nein, ich möchte Ihnen anbieten für uns zu arbeiten. Wir können immer gute Wissenschaftler gebrauchen, und ihre Forschung könnte sich bei unseren Expeditionen als nützlich erweisen.“

Vogels Gesicht hellte sich auf.

„Ist das ihr Ernst?“

Jan nickte.

„Nehmen Sie das Angebot an?“

Vogel blickte kurz auf einen seinen toten Freund und zögerte einen Moment. Dann atmete er ein und sagte,

„Ich wüsste keinen, der ein solches Angebot ablehnen würde.“

Jan lächelte und streckte ihm die Hand hin.

„Willkommen an Bord.“

 

Kurze Zeit später verließen Jan und Abby den Tatort. Immerhin, ihre Mission war erfüllt, trotzdem wollte sich bei Jan kein Erfolgsgefühl einstellen. Auch Abby war eher schweigsam, als sie zu Jans Appartement zurückkehrten.

„Bist du okay?“, fragte er, als sie durch die Tür traten.

Abby zuckte mit den Schultern.

„Ich kannte ihn ja nicht. Trotzdem, trotz allem, was wir erlebt und durchgemacht haben, Tote schlagen mir immer noch auf den Magen.“

Jan nickte.

„Ich glaube das ist auch gut so. Der Moral wegen. Naja. Wir haben ja noch etwas Zeit, bis wir nach Inistra zurückkehren müssen – hast du Lust darauf ein bisschen was von Aachen zu sehen, wenn du schon mal hier bist?“

Abbys Gesicht hellte sich auf, nicht nur weil sie die Ablenkung gut gebrauchen konnte, sondern weil es sie auch wirklich interessierte. Immerhin ist die Stadt älter als die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus.

„Wenn ich mich recht entsinne,“ meinte sie, „schuldest du mir auch noch ein Bier.“

Jan legte den Kopf schief.

„Du weißt aber, dass dein Vater mir den Kopf abreißt, wenn er erfahren sollte, dass ich dich hab trinken lassen bevor du volljährig bist.“

Abby schnaubte.

„Der soll sich mal nicht so anstellen, eure Jugend lebt schließlich auch noch. Außerdem, was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.“

Die beiden lachten, und machten sich auf in die Aachener Innenstadt.

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