Kurzgeschichte
Mit Willi im Park - ***

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"Mit Willi im Park - ***"
Veröffentlicht am 29. Juli 2012, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Je älter ich werde, umso weniger gibt es über mich zu sagen :-)
Mit Willi im Park - ***

Mit Willi im Park - ***

Beschreibung

gewidmet W. F.

Sie war auf dem Weg zum Park. Beim Teich mit den wunderschönen rosa und weiß blühenden Seerosen wird sie  ihn finden. Er war immer dort, wenn das Wetter trocken war und die Temperaturen es zuließen. Willi lernte sie zufällig kennen, so nennt man das, wenn man die Gründe, die zu einem Zusammentreffen von Menschen führen nicht benennen kann, nicht um sie weiß. Der Zufall also war es, der sie Willi vorstellte. Willi war Ende Fünfzig und hatte unendlich viel Wissen über das Leben, über die Menschen und ihre vielen Probleme und Problemchen. Er hatte das Menschsein an sich selbst studiert und hatte wahrlich reichlich Gelegenheit dazu. Viele Lebenssituationen, an denen Menschen zerbrechen oder die Lust zu leben durch sie verlieren nutzte er um zu Weisheit zu gelangen. Lory hatte schon sehr viel erkannt, einfach dadurch, dass sie Willi zuhörte.  Sie freute sich schon auf das heutige Gespräch mit ihm. Von hier aus konnte sie ihn schon sehen. Er parkte seinen Rollstuhl immer neben der gleichen Parkbank, so auch heute. Lächelnd trat sie nun fester in die Pedalen und war nach wenigen Augenblicken bei ihm.
"Hi, Willi, grüß Dich! "

"Hallo Lorena, hallo, schön, dich zu sehen." Er sprach ihren Namen immer vollständig aus. Lory nahm er niemals in den Mund. Er sprach sie mit Lorena an, dies taten nur wenige Menschen. Ihre Mutter und er.
Lory lehnte ihr Vehikel an einen großen Kirschlorbeerbusch und setzte sich neben Willi auf die Bank.
Lächelnd schaute er sie an. Sie lächelte ein wenig verlegen zurück. Diese Verlegenheit war zu Anfang der Begegnungen mit Willi immer da, legte sich jedoch im Laufe des Zusammenseins.
"Na, Lorena, hast du heute alles weggebügelt, wie du es vor hattest?"
"Ja, das meiste, ein paar Wäschestücke liegen noch rum, das erledige ich nachher, wenn ich wieder zuhause bin."
"Ich war auch fleißig heute", Willi zwinkerte. "Ich habe heute meine ganze Wäsche gewaschen.
Das ist recht anstrengend für mich und ich bin jedes mal heil froh, dass es erledigt ist."
"Schön, dass du es hinter dir hast, ich freue mich für dich Willi."
"Danach hat mich eine Freundin besucht. Ich habe mich sehr über ihren Besuch gefreut. Wir hatten immer wieder mal telefonisch Kontakt. Es ist jedoch etwas anderes wenn jemand real da ist.  Sie wollte bei mir Druck ablassen, bekam dann aber erst richtig Druck. Druck, den sie sich selbst machte. Vermutlich wird sie nun gefestigt sein, neu auf dem Erkannten aufbauen können."
Sie blieb stumm, antwortete nichts. Was hätte sie auch dazu sagen sollen.
"Beim Bügeln habe ich eine DVD über die Funktion des Gehirns laufen lassen", bemerkte Lory nach geraumer Zeit.
"Bist du nun wissender?"
"Ich schaue mir gerne Vorträge an. Sie bringen mich zum Staunen."
"Aha."
"Wusstest du, dass der Mensch ohne Kleinhirn leben kann? Er spricht nur etwas undeutlicher und die Bewegungen sind grober."
"Warum sollte er das nicht können? Wir brauchen keine so große Lunge, keine zwei Nieren usw."
"Mich hat das sehr überrascht", sagte Lory nachdenklich.
Willi schaute sie an und fragte:
"Demenz, ist das auch etwas das dich überrascht?"
"Das sehe ich anders."
"Wie siehst du es Lorena?"
"Mit Demenz kann der Mensch zwar leben, aber nicht sehr bewusst."
"Das stimmt so nicht", korrigierte Willi.
Lory nutze seine kurze Sprechpause:
"Es findet doch ein ständiges Vergessen statt, soweit ich weiß."
"Das ist in der Tat so", bestätigte Willi ihre Aussage.
"Lorena, unsere gesamte Motorik z.B., wie wird sie funktional gesteuert?"
"Über Nervenimpulse, soweit ich das kapiert habe vom Zentralhirn ausgehend."
"Wer oder was gibt den Befehl an das Gehirn", fragte Willi weiter.
"Diesen Impuls weiter zu geben?"
Lory meinte es wäre von Geburt an in uns fest gelegt.
"Nein", widersprach Willi. "Es ist antrainiert worden."
Lory wandte ein: "Es gibt Bereiche, die sind da von Geburt an. Siehe die Reflexe."
Er zog an seiner Zigarette, die er gerade angezündet hatte.
"Urinstinkte, also Urhinterlegenschaften verenden schnell. Ein Reflex ist etwas, das kaum steuerbar ist. Diese Kontrolle entzieht sich dem Gehirn", antwortete Willi.
Lory meinte, sie hätte einmal etwas über den Reflexbogen im Rückenmark gelesen, der diese Reflexe steuern würde.
Z.B. beim Stolpern würden die Reaktionen über den Reflexbogen gesteuert.
"Ja", meinte Wille, "nur zu einem kleinen Teil. Das ist kein Wissen, das ist nur eine Vermutung von mir."
"Dass es nur zum Teil so ist?"
"Ja."
Lory sprach weiter: "Soweit ich gelesen habe ist das schon so, sozusagen als erste dringend notwendige Reaktion, weil sofort reagiert werden muss."
"…..Überlebensmechanismus "
Lory fügte hinzu: "Wobei ich beim Gummihämmerchentest diese Notwendigkeit nicht erkenne."
"Reflex und Reflex sind unterschiedlich Lorena. In der Darstellung und der Erklärungen. Wenn Grundlagenforschung betrieben wird und diese dann zu weiteren Versuchen angewandt werden, dann kippt alles erarbeitete.
Lorena, lasse dich nie täuschen durch gut formulierte Sätze. Nutze dein eigenes Wissen und den Verstand dazu, wirklich etwas zu erfahren. Dieses Wissen kann dir dann niemand mehr nehmen und es wird dich dann zu mehr Wissen öffnen. Die Wissbegierde ist sehr groß bei den Wissenschaftlern, vor allem ist ihnen daran gelegen ihr Wissen weiter zu geben, es zu verstreuen. Konkurrenz und Fehlinformation kommen so unter das Volk. Wissenschaft ist ein Spielplatz für Erwachsene mit dem Ziel beim Spielen Gewinne und Ansehen zu erwirken. Niemand braucht mehr Wissen, als das was er in sich trägt. Er sollte nur darum bemüht sein es frei zu legen."
Willi lächelte im Rauch seiner Zigarette.
"Klar, freilegen lassen ist doch viel einfacher. Und wenn nicht, dann machen wir den Menschen klar, dass es so besser ist."
"Weißt du Willi, ich habe schon mit verschiedenen Menschen gesprochen die Wissen in sich freilegen."
"Schön Lorena, Kommunikation ist wichtig."
"Na ja, ich empfand es als weniger schön. Denn jeder legte ein anderes Wissen frei. Jeder meinte seines ist das, was richtig ist. Verwirrend kann das sein."
"Oh ja, das wissen wir doch alle, das der Schein immer besser und erträglicher ist als das Sein. Sein ist Wahrheit. Nicht meine, nicht deine, sondern die Wahrheit."
Beide schwiegen eine kurze Weile.
Lory brach die Stille. "Ich kenne einen Mann, der glaubt eine besondere Aufgabe in diesem Leben zu haben, andere sprechen mit Engeln. Es gibt so vieles was Menschen glauben. Ich weiß nicht was ich glauben soll."
Willi nickte und rauchte.
"Wenn sich selbst Kirchen oder andere religiöse Richtungen hinter einer Lüge verstecken, dann ist doch klar zu sehen, zu was der Mensch tendiert Lorena. Jeder hat in der Tat eine Aufgabe hier in seinem Leben. Selten werden diese Aufgaben erfüllt."
Lory fragte nach: "Wer vergibt diese Aufgaben Willi? Oder haben alle die gleichen Aufgaben?"
"Alle haben die gleiche Aufgabe, nur fungieren sie unterschiedlich."
Lory fragte weiter: "Sich selbst erkennen?"
Willi nickte."Ja, das ist der Weganfang und das Ziel ist bei allen gleich.
Es ist so einfach und doch so schwer zu sehen. Der Glaube Lorena, er ist wichtiger Bestandteil und hilft uns, diesen Weg zu finden und ihn zu begehen. Wir begehen diesen Weg im Wechsel. Immer zwischen Innen und Außen. Wir können unsere Suppe aus dem Teller zu uns nehmen oder vom Tisch der wegen überfülltem Tellerinhalt ebenfalls voller Nahrung ist. Beobachte mal dein Haustier, auch bei ihm wird vieles aus dem Teller ins Leere fallen. Wird er es missachten? Er schenkt selbst dem kleinsten Teil seine Aufmerksamkeit, obwohl sein Teller noch gefüllt vor ihm steht."
Lory sagte nachdenklich: "Ich verstehe, alles was ist kann helfen zu erkennen."
"Ja", Willi drückte seine Zigarette aus und war sie in den Mülleimer und sprach weiter:
"Greifbar und erfassbar zu machen kann es helfen. Wer ins Außen greift, greift tief in sich hinein. Erkennt es aber je einer?"
"Dazu bedarf es wohl eines weiten Bewusstseins", bemerkte Lory.
"Nein Lorena, nur eines Öffnens seiner selbst."
"Geschieht dieses Öffnen durch Meditation, durch in sich gehen", fragte sie nach.
"Teils, es gibt vieles was nutzbar ist.
Durch sich selbst gehen….unkluge Äußerung….wer kann das?
In sich gehen, wie du es sagtest, ist der direkte Weg. Er lässt keine Kompromisse zu. Es ist allein deine Entscheidung und das zu jeder Zeit….niemand kann sich dort einbringen…dort bist du allein und fühlst dich irgendwann geborgen im Selbst."
Sie hatte aufmerksam seinen Worten gelauscht. Lange Zeit waren beide still.
"Bist du eingeschlafen Lorena", fragte Willi lachend.
Sie lachte ebenfalls. "Viele Menschen möchten gerne alleine sein, doch können tun sie es nie. Ein Mensch, der allein sein kann, ist sich näher als sonst wer. Eine gute Grundlage für eine ungestörte Weiterentwicklung. Ich glaube ich habe mir diese Grundlage erarbeitet."
Willi lächelte nur, löste die Bremsen seines Rollstuhls und sagte:"Bis bald Lorena."
Lory: "Bis bald Willi."

Sie blieb noch eine Weile sitzen und sah ihm nach.
Was für ein außergewöhnlicher Mensch, sagte sie vor sich hin, begleitet von einem tiefen Atemzug.

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Mitmensch
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Mitmensch DANKE -
Liebe Bärbel,
lieben Dank für Deinen Kommentar und die hilfreichen Tipps!
Lieben Gruß
Johanna
Vor langer Zeit - Antworten
baesta ***** - Du schreibst sehr tiefgehend. Gefällt mir gut, Deine Geschichte über den menschlichen Verstand.
Jedoch wäre es besser, die direkte Rede abzugrenzen, entweder durch Anführungszeichen, oder auch Beistriche.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
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