\"Wir sind vom selben Stern\" und der platte Reifen
Sie sitzt im Garten ihrer Pension, trinkt einen Hugo und im hiesigen Sender spielen sie „Ich und Ich“, …Wir sind vom selben Stern. Unser Lied, denkt Alice. Puh…der nächste Song von Unheilig. Meine Güte, denkt Alice. Jetzt meinen es die Engel aber gut mit mir, oder helfen sie mir endlich abzuschließen? An allen Ecken und Enden nur Erinnerungen! Positive und auch viele Negative, die man oder Alice, in solchen Situationen verdrängt. Nein, auch an diese musst du denken, scheinen die Engel zu ermahnen. Denk daran. Das dich dein Partner in der Vergangenheit immer verleugnet hat. Das er deinen Wert nur in der Zweisamkeit geschätzt hat. So, Schluss jetzt, genug gegrübelt. Es ist wie es ist. Also nimmt sie wieder ihr Buch, und vertieft sich lieber in erotische Gedanken. Nebenbei ergötzt sich Alice an dem Duft von Lavendel im Garten.
Der vorletzte Tag beginnt mit viel Sonne und einem gesunden Frühstück. Das hat sich Alice auch redlich verdient, da sie am Morgen schon 1 ½ Stunden gelaufen ist. Sie ist sehr stolz auf sich. An einem Jesuskreuz mitten in den Weinbergen steht der Spruch „ Mein Freund wo gehst du hin, vergiss nicht dass ich dein Erlöser bin. Dass ich so viel gelitten hab für dich, drum bleib stehn und grüße mich. Mein Jesus Barmherzigkeit!“ Seit dem ersten Tag als Alice diesen Spruch las, bleibt sie stehen und grüßt ihn. Sie betet und führt einen Monolog mit dem Jesuskreuz. Verschämt sieht Alice umher, und hofft von niemandem belauscht zu werden. Alice muss über sich selber lachen und hat ihr grinsen wieder beim Frühstück aufgelegt.
Mittlerweile wird sie auch von den anderen Urlauberinnen gegrüßt. Diese haben wohl endlich gemerkt dass sie keine Gefahr für ihre Männer ist, sondern hier einfach nur Ruhe und Sonne sucht. Alice bekommt auch tatsächlich ein Kompliment der anderen Frauen, das sie sehr attraktiv sei, immer lacht, und so eine tolle Ausstrahlung hat, es sei sehr schön und steckt an. Wenn diese Frauen wüsten, das mir sehr oft im meinem Leben nicht wirklich zum Lachen war, denkt Alice. Freudig fährt sie mit ihrem Cabrio ins Dorf. Es ist heiß, doch es stehen ein paar Besorgungen an.
Auf der Fahrt bergab, bemerkt sie im Rückspiegel einen „Huper“ und „Blinker“. Er deutet und fuchtelt mit den Armen. „ Was will der blöde Kerl da hinter mir nur…“ der Song der 80er Jahre geht ihr durch den Kopf. Sie fährt dann doch mal rechts ran, vielleicht kennt der mich, oder will mich kennen lernen, Grinst Alice. Aber Nein! Der nette Mann weißt sie daraufhin, dass sie einen Platten am Auto hat. „Na so ein Mist, gönnt mir hier irgendjemand die verlängerten Tage nicht?“ sagt sie zu dem attraktiven braungebrannten Südtiroler, als die beiden den langen Nagel im Reifen entdecken. Dein Ausflug nach Kaltern, kannst jetzt knicken liebe Alice. Also bleibt nur Ruhe bewahren, Hugo trinken, schwimmen gehen und die letzten 75 Seiten deines Buches lesen. Gesagt getan!
Kaltern und der Abschied
Abends kann sie ihr Auto wieder holen und fährt auf dem direkten Wege auf das Stadtfest in Kaltern. Sie wählt ein tolles Lokal am Marktplatz, bestellt Muschel Spagetti und einen Weißwein. Das sieht mal wieder sensationell aus, denkt Alice. Es ist immer noch 30 Grad warm. Belustigend betrachtet sie das Spektakel in der Stadt. Feuerwehrmänner in alter Tracht bei einer Vorführung. Die Bergrettung seilt einen vermeintlich Verletzten vom Kirchturm ab. Eine Band spielt, mit einer Sängerin die eine Sagenhafte Stimme hat. Alice lauscht mit feuchten Augen der Musik. Die Vergangenheit ist wieder da. Um Sie herum, nur Happy Familys und Paare. Sie denkt nur an Walter und das ewige Warum. Nach ihrem vierten Gläserl Weißwein beschießt sie dann doch endlich nachhause bzw. in Ihre Pension zu fahren, da sie ja schließlich mit dem Autounterwegs ist, und nicht so viel Trinken sollte.
….Deutsche Autobahn erreicht. Alice ist Müde vom Fahren, ist ein wenig genervt von den vielen Holländer mit ihren Campingwagen im Schlepptau. Da kann ja nichts vorwärts gehen, denkt sie. Stellt die Musik lauter, macht einem Porsche die linke Spur frei, der bestimmt schon länger mit Lichthupe hinter ihr hergefahren ist, was sie allerdings vor lauter Grübeln nicht bemerkt hatte. Oh je denkt sie, der motzt jetzt sicher gleich wenn er dich überholt. Aber nein, ein junger Mann zwinkert sie freundlich an, bevor er mit Vollgas an ihr vorbei braust. Alice schaut immer auf ihr Handy, keine Nachricht von Walter. Sie hatte es sich so sehr gewünscht, sie hatte so sehr gewartet, schließlich wird morgen die ehemals gemeinsame Wohnung aufgelöst. Insgeheim hat sie gehofft dass er ein paar liebe Worte des Abschieds findet. Schließlich hat er mit ihr dort 7 Jahre lang eine intensive Zeit erlebt. Alice, dass hättest du dir denken können, das Walter, obwohl er genau weiß das an diesem Samstag der Umzug ist, sich nicht bei dir meldet. Er lebt sein Leben, nach ihm die Sintflut. Vergiss es Alice, Schade, denkt sie, hat er sich doch nicht geändert….
In Gedanken fährt sie im Cabrio die Route nochmal vorbei am Kalterersee, der Türkisfarben im Tal liegt. Es Ist unglaublich schön hier. Eine warme Brise weht um ihre Nase. Als sie in der Pension ist beschließt sie, gleich für die nächsten Wochen wieder zu buchen. Sie nimmt nochmal das mittlerweile obligatorische Gläserl Lagrain mit dem Wirt ein und geniest den jetzt wirklich letzten Abend. Ihr Buch hat sie fertig gelesen. Wahnsinn denkt Alice. 600 Seiten in 5 Tagen. Viel, sehr viel an Erinnerungen und sehr viel zwischen den Zeilen hat sie raus gelesen. Außerdem ist das Paar in der Geschichte auch nicht zusammen geblieben. Sie haben sich nach einen intensiven erotischen Zeit ebenfalls getrennt. Schade, denkt Alice. Die beiden im Buch haben doch auch so gut zusammen gepasst wie sie und ihr Walter.
Aber selavie….so ist das Leben und die Geschichte.
Helen Uebler 28.07.2012