Mein Lagrain und Familie \"Flodder\"
Wieder sitzt sie Abends in dem gleichen hübschen Garten des Lokals diesmal unter einem Limonen Baum. Wie liebevoll doch dieser Garten hergerichtet ist, bewundert sie bei der Wirtin Carmen, deren Namen sie inzwischen weiß. Alice erkundigt sich bei Carmen nach dem Babybäuchlein, und null komma nichts erzählt sie von Ihren Kindern und Ihrer Enkelin. Heute hat sie sich eine Lasagne mit Tomatensalat und Zwiebeln ausgesucht. Der werdende Vater Oskar bringt ihr Lagrain und eine Flasche Wasser ohne dass sie es bestellt hatte, denn er kannte bereits ihre Vorlieben. Ein Tolles Paar denkt Alice. Fleißig, erfolgreich, gehen liebevoll miteinander um, beide auch noch überaus Attraktiv und führen hier diesen Familienbetrieb. Alice schwelgt schon wieder in Gedanken. „Das“ hätte sie auch immer gerne gehabt.
„Mmm ..das war wieder sehr lecker“, entgegnet sie Oscar auf die Frage wie es gemundet hat. Er bringt den besten Grappa und einen Espresso. Ach ja, da war es wieder das Dauergrinsen. Alice fühlte sich sichtlich wohl. Sie schaut auf, da kamen sie wieder, der „karierteshort Mann“ mit Happyfamilie. Heute Abend sind 2 Kinder, eigentlich mehr Jugendliche dabei. Der Sohn sieht dem Vater sehr ähnlich. Die beiden haben auch den gleichen Klammotten Geschmack. Beide tragen Partnerlook und optisch auch das gleiche Körpergewicht. Wie kann der Papi nach zwei Tagen immer noch die gleichen Sachen tragen? Alice schüttelt sich kurz, sie will sich den Geruch der Kleidung gar nicht vorstellen.
Sie wird von Carmen beobachtet, die sie Gedankenlesend an schmunzelt. „Ich bin wie ein offenes Buch“, lacht Alice mit Ihr. „Walter sagte das auch immer“. Jetzt kommt die Mutti der Familie Flodder um die Ecke. Am liebsten würde ich laut los prustern. Kontenance Alice. Das hat dein Exfreund an dir schon nicht leiden können, wenn du im Lokal einen Lachflash hattest, geht ihr durch den Kopf. Mutti hat sich auch in Ihre guten Sachen geschmissen. Einen viel zu engen und zu kurzen Minirock man könnte auch breiter Gürtel sagen, der für das Gewicht und Alter völlig unpassend ist, ziert ihre ausladenden Hüften. Die eigentlich weißen, heute Sonnenverbrannt roten dicken Schenkel kommen zum Vorschein. Ein viel zu weites altes verwaschenes T-Shirt, Rückenfrei. Puh…Hinten ist der viel zu enge BH zu sehen. Ja unmöglich, denkt Alice. Die Tochter vielleicht 13 Jahre alt, auch sie trägt Mini. Doch auch bei ihren Beinen hätte sie lieber eine lange Hose gewählt. Familie Flodder sitzt in Blickrichtung von Alice. Frau Flodder belfert auf Ihren Mann ein, als er die Frechheit besitzt Alice zu grüßen und ihr einen schönen Abend zu wünschen. Die Statistiken die man in der Presse über deutsche Urlauber liest, entsprechen sehr wohl der Wahrheit, denkt Alice und wieder setzt sie ihr Dauergrinsen ein. Das war für sie das Zeichen zum Aufbruch. Rauf auf den Berg ab ins Bett. Morgen wartet wieder Sonne und Pool.
\"Catwomen\" und Erinnerungen
Wie immer läuft Alice morgens eine Stunde Berg auf Berg ab. Es tut ihr wahnsinnig gut. Sie läuft fast wie ein junges Reh, aber halt nur fast. Anschließend Frühstück Früchte und Joghurt dann natürlich Pool. Noch immer wird sie von den Miturlauberinnen regelrecht gehasst. Die Frauen schauen immer finster sobald Alice den Raum oder den Rasen betritt. Die lieben Ehemänner grüßen nur noch wenn ihre Frauen nicht anwesend sind. Meine Güte denkt Alice „Gerne kann einer der lieben Ehefrauen mir ihr tauschen“. Sie meistert Ihre Krankheit bravurös, und will nur hier ein paar Tage Ruhe und Sonne tanken. Als dann auch noch einer der Urlaubspapis, die meines Erachtens viel zu übertrieben, zu laut und zu übereifrig mir seinen Kindern im Pool tobt, zu einem anderen Papi sagt: „Schau hin, Catwomen“, als Alice aus dem Pool steigt, ist die Spannung zum zerreißen. Alice wartete nur noch darauf dass einer der Ehemänner im Pool ertränkt wird.
Langsam reicht’s, denkt Alice und vergräbt sich wieder hinter ihrem Buch. Stunden über Stunden, Erotik und Sex pur…. die Wahnsinns Geschichte im Buch. Alice träumt während des Lesens vor sich hin. Eine warme Brise weht um ihre Nase. Mittlerweile ist Alice knackig braun. Kein Wunder sie liegt ja nur in der Sonne. Sie ist aufgeregt wenn nicht gar erregt. Viele Passagen in diesem Buch hätte Alice schreiben können. Die Erinnerungen an Ihre vergangene große Liebe sind wieder präsent. Die Gedanken an ihr vergangenes Sexleben sind auch wieder in ihrem Kopf. Komisch? Nein, man könnte meinen den Text den sie liest stammte aus ihrer eigenen Handschrift…..
…Stopp Stopp sie ist auf der Autostrada Richtung nachhause. Alice wird komplett aus ihren Gedanken gerissen. Was bremst den der BMW so blöd. Da ist doch gar nichts. Fahr zu, ruft und schimpft Sie aus ihrem Wagen. Beim Betrachten im Rückspiegel blickt sie auf die Alpen zurück. Sie sieht ihre Müden Augen, ihre Fältchen, es war eine kurze Nacht. Zuviel nachgedacht, zu viel getrunken, zu viel geweint. Tränen laufen…oh nein denkt sie. Sie atmet tief durch, damit sie nicht wieder weinen muss.
Einen kleinen Hunger hätt ich auch, denkt Alice. Und schon ist sie wieder in Gedanken bei Ihrem Trüffelrissotto mit Kalbsfiletstreifen was sie abends bei Oscar und Carmen gegessen hatte. Oh da knurrt ihr doch gleich wieder der Magen. Alice erinnert sich, dass sie am liebsten auch diesen Teller fotografiert hätte. Es hat einfach nur sensationell ausgesehen. Doch um Hassblicke zu vermeiden, tat sie es nicht. Stattdessen hat sie es mit Liebe verschlungen. Mittlerweile wird sie von Oscar schon mit den Worten „kumm mit Oma“ empfangen und zum Tischgeleitet. Es ist einfach nur nett hier. Es ist einfach nur schön. Alice fühlt sich in den Film von Julia Roberts hineinversetzt. „Eat, Love and Pray“. Ja, genau so fühle ich mich, denkt Alice….Dolce Farniente….und in ihr Dauergrinsen wird zu einem strahlenden Lachen.
Alice würde am liebsten hier bleiben. All die vielen Erinnerungen an ihre Kindheit, an ihre vergangene Beziehung, an den anstehenden Umzug der sie erwartet wenn sie zuhause ist, an den neuen Lebensabschnitt, an all die Veränderung in ihrem Leben, an das Chaos zuhause, an das Enkelkind bereiten ihr feuchte Augen. Nein….Alice, jetzt bloß nicht heulen. Es gibt nicht den geringsten Grund der Trauer. Tief durchatmen, in die Berge schauen und an nichts denken. Und da steht Carmen vor ihr, mit einem Grappa und Espresso, und es gibt keine Tränen. WOW Alice, gut gemacht. Eine warme Brise des Abendsommerlüftchens weht erneut um ihre Nase.
Zur Überraschung des Abends trifft sie zufällig einen Musiker aus ihrer Stadt ausgerechnet hier in diesem kleinen schnuckeligen Lokal in Tramin. Ja witzig, rufen beide freudig. Und wieder erinnert mich alles an meinen Walter….“Nein ich will das nicht mehr, Gedanken hinweg“… schreit die Seele von Alice. Aber sie war doch mit ihm auf diesem Konzert. Aber es war doch alles so toll, aber es war doch alles so schön. Aber….Nichts aber. Aus und Vorbei das ewige Aber. Wenn alles so toll gewesen wäre, dann würde sie hier nicht mit dem Musiker sitzen, sondern mit der Liebe ihres Lebens. Die ewigen Lügen von Walter, die Versprechungen all die Jahre, die andere Frau , die Streitereien und Bosheiten die gewesen sind, soll das jetzt auf einmal vergessen sein, nur weil hier die Gegend so schön ist? Alice wach endlich auf! Hör endlich auf zu Denken und genieße den Abend, Alice. Heute ist der letzte Abend. Oh nein, morgen geht’s wieder heim. Alice möchte gar nicht nachhause. So gerne würde sie noch bleiben. Die Wirtsleut setzen sich nochmal zu ihr auf ein Glaserl, um sich zu verabschieden.
Wie klein doch die Welt ist...
Auf auf, sie muss den Berg noch hinauf laufen. Sie will unbedingt noch weiterlesen, sie will wissen ob die beiden Hauptpersonen in dem Buch zusammenbleiben und was die beiden weiter so anstellen. Oben angekommen trinkt Alice noch ein Glaserl im Garten in ihrem Hotel mit dem Hotelbesitzer. Es ist eine laue nein eigentlich sehr warme Nacht. Um 22.00 Uhr noch immer 29 Grad. Genau ihr Wetter und ihr Klima. Da war sie wieder, die warme Brise die um ihre Nase weht.
Die beiden unterhalten sich noch sehr lange. Wie klein doch die Welt ist, weiß Alice ja eigentlich. Aber so klein? Im Gespräch stellt e es sich heraus, dass der Hotelbesitzer ein Arbeitskollege meines Expartners war. „Unglaublich, ich tappe immer wieder in solche Geschichten rein“, sagt Alice und irgendwie dreht sich ihr der Magen um. Liegt es an dem vielen Wein oder an der Geschichte des Hotelbesitzers? Sie weiß es nicht, sie weiß nur dass all ihre Gefühle wieder hoch kommen. Es ist an der Zeit ins Bett zu gehen, sagt Alice. Das Buch bleibt für heute geschlossen auf dem Nachttisch liegen. Morgen Früh muss sie packen, und die Heimreise antreten.
…Während der Fahrt isst Alice ihr Brötchen mit Speck und Käse, was sie sich heimlich beim Frühstücksbuffet gemacht hat. Sie hatte sich vorgenommen nirgends zu halten. Stau, oh je….war klar. An den Mautstellen staut es sich immer. Noch ca. zwei Stunden, dann bin ich daheim, denkt sie. Alice genießt ihren Speck und denkt an den vergangenen Mittwoch.
Die nachfolgenden Gäste von Alices Zimmer, haben ihre Reise nicht angetreten.“ Juhu….ich kann noch bleiben“, sagt Alice zu den Hotelbesitzern. Das Wetter ist zu schön, es ist zu verlockend zu verlängern. Noch zwei Tage, Ja, sagt sich Alice. Die gönn ich mir noch. Zuhause wartet eh nur das Umzugs-Chaos auf mich. Sie löst jetzt die ehemals gemeinsame Wohnung von Walter und Ihr auf.
Heute ist der heißeste Tag. Das Thermometer steigt auf 38 Grad. Puh….“mein Platz“, „mein Liegestuhl“ am Pool wartet auf mich, weiß Alice. Also los. Da sie bereits 400 Seiten der dicken schwarte gelesen hatte, kommen ihr die zwei Tage genau recht. Da schafft Alice noch die letzten 200 Seiten. Sie freut sich auf ihre 2 geschenkten Urlaubstage.
Da sind sie wieder die Erinnerungen, die Gedanken, die Sehnsüchte, die Gier nach ihrer verlorenen Liebe. Liegt es an der Geschichte des Buches? Liegt es an der Gegend? Liegt es an den vielen Paaren hier? Liegt es daran dass man nach ein paar Monaten verzeihen kann? Liegt es an den Gesprächen mit dritten und man auf einmal alles versteht? Liegt es an der Hitze? Alice weiß es nicht. Sie geht ein paar Runden schwimmen um den Kopf frei zu kriegen. Die Abkühlung tut ihr gut.
Beim Weg zurück zu „Ihrem Liegestuhl“ testet Alice ob die Kiwis schon reif sind. Ein Riesenbusch, auch Schattenspender wächst hier im Garten. Wahnsinn, sowas hat Alice noch nie gesehen. Massen an Kiwis, doch leider sind sie noch nicht reif. Diese werden erst im November geerntet, wie man ihr erklärt. Hier im Garten am Pool gibt es auch einen Kakibaum, Zwetschgen, Pflaumen, Zitronen, Limetten, Pfirsich, Mandeln, Kiwi wie schon erwähnt. Wein braucht sie hier wohl nicht aufzuzählen, das liegt auf der Hand. Riesen Büsche an Rosmarin, Minze, Tomaten, Zucchini….Alice wird gar nicht mehr fertig mit staunen, riechen und kosten. Unglaublich schön ist es hier.
Ein paar Stunden denkt sie mal nicht an ihre Vergangenheit sondern atmet den Duft des Grases, geniest die Glut der Sonne, doch sie sehnt sich nach dem Duft der Liebe. Oh Gott, was hat dieses Buch bloß in Ihr ausgelöst? Sie liest auch sehr viel zwischen den Zeilen. Das ist sehr wichtig, es geht hier nicht nur um Sex und Erotik sondern um sehr viel mehr!
Helen Uebler 28.7.2012