Beschreibung
Eine kurze Geschichte, die uns aufzeigt, dass wir uns kaum noch auf deutsch unterhalten...
Die gute alte Zeit
Neulich war ich bei meiner Freundin Katja zu Besuch. Katja und ich kennen uns seit mittlerweile 3 Jahren. Sie fing in der gleichen Firma an, in der ich als Buchhalterin tätig war. Katja dagegen unterstütze von da an das Verkaufsteam, sodass wir nicht ständig miteinander zu tun hatten. Dennoch waren wir und von Anfang an durchaus sympathisch und beim ersten Meeting saßen wir durch Zufall nebeneinander. Ich würde sagen, das war der Beginn unserer Freundschaft, weil wir sofort einer Meinung waren und beide das Gefühl hatten, wir würden uns schon ewig kennen. Wir trafen uns seitdem regelmäßig nach der Arbeit, gingen zusammen zum Sport, machten DVD – Abende oder fuhren in die Stadt, um ausgiebige Shoppingtouren zu machen. Nur eines unterscheidet uns: Sie ist verheiratet – ich nicht. Katja lebt zusammen mit ihrem Mann Simon und ihrer 16-jährigen Tochter Alissa in einem schicken Häuschen am Stadtrand. Ich dagegen wohne in einer gemütlichen 2-Zimmer-Wohnung mitten in der City. Bisher hat mein Traummann mich leider immer verfehlt und Kinder habe ich auch keine. Aber das kann ja noch kommen.
Na jedenfalls hatten Katja und ich uns für den Samstag Morgen verabredet. Wir wollten erst bei ihr zusammen frühstücken und anschließend in die Stadt fahren, um nach ein paar neuen sommerlichen Oberteilen Ausschau zu halten. Kaum angekommen stürmte Katja auf mich zu, umarmte mich herzlich und bot mir einen frisch gepressten Orangensaft an. Welch ein Service, dachte ich. Simon ging an mir vorbei und murmelte ein freundliches, aber kaum hörbares „Guten Morgen“. Der Tisch war für 5 Personen gedeckt, doch bisher waren wir nur zu dritt. Alissa würde sicher gleich die Treppe herunterkommen und wäre somit Nummer 4, aber wer war Nummer 5?
Etwa 10 Minuten später stapften zwei Teenager geräuschvoll die Treppe herunter. Alissa ging voran und ein junger Mann folgte ihr. Katja stellte ihn mir als Alissas neuen Freund Chris vor und ich staunte nicht schlecht. Zu meiner Zeit war das alles noch ein wenig anders. Man lernte sich erst einmal kennen, verbrachte jeden Nachmittag miteinander und bis ich meinen Freund meinen Eltern vorgestellt hatte, vergingen grundsätzlich mehrere Monate – nur um sicher zu sein, dass ER auch wirklich der Richtige war. Geschweige denn, dass mein Freund mit 16 bei mir hätte schlafen dürfen. Aber Alissa war ja auch nicht meine Tochter und somit waren meine Gedanken schnell wieder bei Katja und unserer Shoppingtour. Wir quatschten ein wenig darüber, wer in welche Geschäfte gehen wollte, als Alissa ihre Mutter fragte, „Mom, kann ich Dads Laptop kurz nehmen, um meine Mails zu checken und Maja über Facebook kurz nen Link rüberzuschicken?“ „Klar“, gab Katja zurück, „aber pass bitte auf, dass du dich wieder ausloggst, damit sich niemanden unerlaubt darauf schalten kann. Er hat schließlich alle seine Meetingpläne darauf gespeichert. Ach und wunder' dich nicht, die Mouse zickt ab und zu, hat wohl nen Wackelkontakt.“ Ohne zu antworten stopfte Alissa sich ihr Brötchen in den Mund und kurz darauf verschwanden sie und Chris wieder aus der Küche. Ich muss geguckt haben wie ein Auto, denn Katja fragte mich erstaunt, was los sei. „Nichts“, grinste ich, „ich muss nur kurz noch mal über euer Gespräch nachdenken, damit ich verstehe, was Alissa mit all den englischen Wörtern meint.“ Natürlich hatte ich verstanden, was Alissa meinte, aber schon wieder erinnerte ich mich daran, wie ich damals mit meiner Mutter gesprochen hatte. Klar hatten wir auch einzelne Wörter, die man wohl als Jugendsprache bezeichnet, aber diese Anglizismen verwendeten wir definitiv nicht, so viel steht fest. „Um zickende Mäuse musste ich mich früher nicht kümmern und zu meiner Zeit schrieb man sich mit seinen Freundinnen keine Mails, sondern ging einfach hinüber“, stellte ich fest. „Tja, gab Katja zurück, „das ist aber schon einige Zeit her, meine liebe Johanna. Heutzutage bist du out, wenn du technisch nicht up-to-date bist!“
„Ich jedenfalls“, sagte ich, „ ich freue mich jetzt, dass wir ganz altmodisch in die Stadt fahren und uns nicht online irgendwelche Sachen ordern!“ Katja sah mich an und wir beide mussten lachen. Und dann ging es los zu unserer Shoppingtour, oh pardon, zu unserem Einkaufsbummel!