1.
Miranda war auf dem Weg zu einem Städtischen Gymnasium, wo man sie gebeten hatte einen Vortrag zu halten. Sie betrat die Klasse und erzählte den Schülern etwas über Familienverhältnisse und der Gleichen. Bis auf einige Ausnahmen, wurde ihr aufmerksam zugehört. Ihr fiel ein Mädchen in dem Blick, sie musste etwa siebzehn gewesen sein, so wie der Rest der Klasse, sie war schwarz gekleidet und hatte ihre Haare locker hoch gestreckt. Miranda hatte nicht einmal gesehen, dass das Mädchen sie angesehen hatte, stattdessen zeichnete sie Bilder in ihr Heft. Am Ende ihres Vortags war sie die Erste, die das Klassenzimmer verließ. Miranda sah ihr nach. „Sie war mal eine unserer besten Schülerinnen.“, erklärte ihr Lehrer. Er musste bemerkt haben, wie Miranda sie angesehen hatte. Sie nickte und verließ ebenfalls den Raum um über den Schulhof zu ihrem Auto zu gelangen. Zu Hause angekommen, wurde sie von Ihrem Mann begrüßt, der sie in den Arm nahm. Sie und Tom hatten vor kurzem geheiratet und lebten in einen kleinen Haus in der Innenstadt. „Wie war der Vortag?“, fragte er ruhig, während er ihr den hellbraunen Mantel abnahm. „Nicht interessanter, als all die anderen auch.“, antwortete sie und ließ sich gestresst auf einen Stuhl nieder. Sie war froh, dass Tom da war, um sich um sie zu kümmern. Er setzte sich neben sie und hielt ihre Hand. In den letzten Tagen hatte sie viele Vorträge geben müssen, denn sie brauchten Geld um ein Zimmer für ihre Oma herrichten zu können. Miranda liebte sie über alles, weshalb sie ihr auch angeboten hatte bei ihnen einziehen zu dürfen. „Hey, Miranda. Mach dir keinen Kopf, wir schaffen das schon.“, sagte er tröstend. „Ich gebe schon so viele Vorträge und doch haben wir das Geld noch nicht zusammen. Was sollen wir denn noch tun?“, fragte sie, erwartete jedoch keine Antwort. „Geh doch Babysitten. Sieh wie viele Anfragen hier in der Zeitung stehen.“, schlug er vor. Es war jedoch nicht ernst gemeint. Miranda nahm sich die Zeitung und las einige der Anzeigen durch. „Sieh mal, dass hört sich doch gut an. Damit könnten wir es vielleicht noch schaffen.“ Tom sah sie eindringlich an: „Miranda, das war nicht ernst gemeint. Dir wachst das doch jetzt schon alles über den Kopf. Das kannst du dir doch nicht auch noch zu muten.“ „Ich lege mich kurz hin. Heute Nachmittag habe ich noch einen Vortrag.“, sagte sie und zog sich ins Schlafzimmer zurück. Am nächsten Tag fuhr sie zu der in der Zeitung genannten Adresse und wurde prompt eingestellt. Es war ein großes, schönes Haus in einer ruhigen Gegend, wo wahrscheinlich jeder jeden kannte. Nachdem die Mutter ihr erklärt hatte worauf sie bei ihrer fünf jährigen Tochter zu achten hatte, ließ sie sie alleine. Nach einigen Stunden öffnete sich die Eingangstür und ein Mädchen mit einem Rucksack auf den Schultern trat ein. Ihr Blick fiel auf Miranda und sie betrachtete sie misstrauisch. „Was suchen Sie denn hier.“, fragte sie. Es war das Mädchen aus der Schule in der sie gestern den Vortrag gehalten hatte. „Hallo, deine Mutter hat mich als Babysitterin für deine kleine Schwester eingestellt.“, erklärte sie ihr. Das Mädchen betrachtete sie noch eine Weile, bis sie sich umdrehte und über die Treppe verschwand. Im selben Moment öffnete sich die Tür ein zweites Mal und die Mutter betrat den Raum. „Oh hallo. Ich hoffe die Kleine hat keine Schwierigkeiten gemacht.“, begrüßte sie sie, die Arme mit Einkaufstaschen bepackt. Mirandas Blick war immer noch zur Treppe gerichtet, was ihr nicht zu entgehen schien. „Oh das war wohl meine Tochter Zoey.“, erklärte sie und sie sah sie an. „Hallo Miss Backthorth. Es war schön auf die Kleine aufzupassen.“, antwortete sie schnell.
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 Sie war unentschlossen, was sie anziehen sollte und legte alle Kleider raus, die in Frage kamen. Am Ende entschied sie sich doch für das enge, schwarze Kleid, was sie von Tom geschenkt bekommen hatte. „Du siehst wunderschön aus, wie immer.“, haute er ihr ins Ohr, als sie die Treppe runter kam und er sie zum Auto begleitete, um dann zusammen essen zu gehen. Miranda hatte ihre langen, braunen, lockigen Haare zu einem Dutt zusammen gebunden. Sie gingen in ein Restaurant und verbrachten dort einen gemütlichen Abend. Am nächsten Morgen hatte Miranda keine Vorträge, also verbrachte sie ihre Zeit mit Babysitten bei den Backthorth. Sie ging mit der Kleinen in den Garten, wo sie Zoey auf einem Liegestuhl vorfand. „Hallo Zoey. Hast du denn keine Schule?“, fragte sie mit ruhiger Stimme. Als Zoey nicht antwortete fügte sie hinzu: „Du willst doch deinen Abschluss schaffen, also musste du auch in die Schule gehen.“ „Sie haben mir gar nichts zu sagen. Was sind sie Psychologin?“, entgegnete sie mit genervtem Gesichtsausdruck. Sie stand auf, packte ihre Sachen und lief ins Haus. Ihre Mutter stand in der Terrassentür und hatte das Geschehen beobachtet. Mit besorgtem Blick ging sie auf Miranda zu. „Es tut mir leid, Zoey war nicht immer so. Erst seit...“, sie brach ab. „Seit wann?“, hakte Miranda nach, denn sie machte sich gewissermaßen Sorgen um Zoey. Ihr Verhalten musste doch etwas zu bedeuten haben. „Na ja, ihre Schwester ist vor ein paar Monaten nach Spanien abgehauen und die beiden standen sich sehr nahe.“, erklärte sie, „Sie lebt jetzt dort bei ihrer Tante und das verkraftet Zoey nicht so ganz.“ „Aha.“, murmelte Miranda nachdenklich, denn auch sie hatte so etwas durch machen müssen. „Jetzt muss ich aber wirklich zur Arbeit. Sie entschuldigen mich.“, sagte die Mutter und verließ den Garten. Als die Kleine am Schlafen war, entschied Miranda zu Zoey hoch zu gehen. Sie klopfte an der Tür, doch nichts regte sich. Sie klopfte ein zweites Mal und entschloss sich danach rein zu gehen. Zoey saß zusammengekauert auf ihrem Bett und war am Musik hören. „Zoey?“, fragte sie und sah wie Zoey aufschreckte. „Was machen Sie denn hier?“, fragte sie mit Empörung in der Stimme. „Ich wollte nur sehen wie es dir geht.“ Zoey sah sie verständnislos an und widmete sich dann wieder ihrer Musik. „Und ich wollte mich entschuldigen.“, teilte Miranda ihr mit und endlich sah sie wieder auf. „Vielleicht bin ich etwas zu weit gegangen, schließlich sollte ich mich nicht in dein Leben einmischen.“, erklärte sie und war auf ihre Reaktion gespannt. „Ja, da haben sie Recht. Es geht Sie nichts an.“, erwiderte Zoey. In der Erwartung, dass das Gespräch beendet sei, stopfte sie sich ihrer Kopfhörer erneut in die Ohren, zog sich dabei aber noch etwas weiter zurück. Miranda sah zu Boden und dachte nach, wie sie etwas aus Zoey herausbekommen würde. „Ist noch was?“, unterbrach Zoey sie mit genervtem Gesichtsausdruck. Miranda schüttelte den Kopf und wollte grade das Zimmer verlassen, als ihr klar wurde, dass sie dem Mädchen helfen musste. „Ich weiß doch wie du dich fühlst.“ Das Mädchen sah ihr direkt in die Augen: „Was meinen Sie damit?“ „Na, wie es ist, wenn man seine Schwester verliert.“, sagte sie leise und sah den Schmerz in Zoeys Augen aufblitzen. Gleich darauf verwandelte er sich aber in Zorn und sie schrie Miranda an: „Woher wissen Sie davon?“ „Deine Mutter hat es mir erzählt.“, erklärte sie ruhig und trat einen Schritt auf das Mädchen zu. „Ja, dass konnte ich mir ja fast denken.“, sagte sie leise, so als ob es nur an sie selbst gerichtet war und verdrehte dabei die Augen. „Zoey, ich…“, doch das Läuten der Klingel unterbrach sie. Mirandas Blick verharrte noch einen Moment auf Zoey, bis sie sich umdrehte, die Zimmertür schloss und die Treppe hinunterstieg, um die Tür zu öffnen. Vor ihr stand Miss Backthorth. „Hallo, Miranda. Es tut mir leid, der Schlüssel steckt noch im Auto.“, erklärte die Frau schnell. „Kein Problem.“, entgegnete Miranda. Daraufhin hastete sie in die Küche und kam mit einem Umschlag zurück, den sie ihr gab: „Das ist für das Aufpassen.“ „Danke.“ Während ich meine Tasche holte, stieg sie die Treppen hoch und holte ihre kleine Tochter. „Bitte entschuldigen Sie, aber ich muss mich beeilen. Die Kleine hat einen Zahnarzttermin.“, verkündete sie, während sie die Haustür hinter uns schloss. „Das macht gar nichts. Bis Freitag.“ Miranda stieg in ihr Auto und fuhr nach Hause, wo sie auf Tom traf. „Hey, Miranda. Komm setz dich, ich muss dir was sagen.“, Tom küsste sie. Sie ließ sich auf den Stuhl nieder und sah Tom an. „Miranda, es ist etwas dazwischen gekommen. Ich muss mich mit einem Geschäftspartner treffen, in Valencia.“ „Wann fährst du denn?“, fragte sie etwas überrumpelt. „Das ist es ja. Der Flug geht morgen Mittag.“, erklärte er. „Oh. Morgen schon?!“ „Ja, es tut mir leid. Aber du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du Hilfe brauchst.“ Sie stand auf und ging auf ihn zu, der an dem Tisch lehnte, und umarmte ihn. „Okay.“, haute sie, „Wie lange wirst du bleiben?“ „Ich weiß es noch nicht. Es kommt ganz darauf an, ob der Interessent zusagt oder nicht.“ Sie nickte. „Länger als zehn Tage wird es nicht dauern.“ „Das ist gut. Denn“, gab sie zu, „da gibt es etwas, was mein Interesse geweckt hat.“ „Erzähl mir mehr.“, sagte Tom belustigt. „Da ist so ein Mädchen, Zoey Backthorth. Ihre Schwester ist nach Spanien abgehauen und ich denke sie standen sich sehr nahe, aber ich habe das Gefühl, da steckt mehr dahinter.“ „Und jetzt bist du der Meinung du musst ihr helfen?“, fragte er, hatte jedoch Verständnis. „Ja, weil…“ „…weil du weißt, wie sich das anfühlt.“, beendete er für seine Frau den Satz. „Genau.“, gab sie zurück. Miranda war froh in Tom so einen verständnisvollen Mann gefunden zu haben, der ihr immer vertraute und auf den sie sich zu jeder Zeit verlassen konnte. „Ich gehe kurz duschen und mich frisch machen. In einer Stunde muss ich nämlich schon wieder los. Ein neuer Vortrag steht an.“, erklärte sie und Tom lächelte ihr zu. Sie verschloss das Bad und sah in den Spiegel, froh über ein paar Minuten alleine. Du musst ihr helfen. Aber lass ihr Zeit, wenn sie reden will, wird sie schon kommen. Sie beschloss erst einmal nicht weiter zu tun, als zu duschen. Nach ein paar Minuten zog sie sich ein sommerliches Kleid an und machte sich anschließend auf den Weg zur Schule.
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Miranda wurde vom klingeln ihres Telefons Wach: „Miranda, hier ist Miss Backthorth. Könnten Sie für ein paar Stunden auf die Kleine aufpassen? Meine Mutter ist im Krankenhaus und ich will sie besuchen.“ „Guten Morgen. Natürlich, bin gleich da.“, erwiderte sie und legte den Hörer auf. Sie legte die Bettdecke beiseite und zog sich etwas an. „Tom? Tom, wo steckst du?“, rief sie. „Guten Morgen, Schatz. Ich war auf dem Dachboden, um den Koffer zu holen.“ „Ich muss Babysitten, aber ich bin noch vor Mittag wieder da um dich zu verabschieden. Versprochen.“, versprach sie und verließ das Haus, nachdem sie fertig war. Auf dem Parkplatz des großen Hauses angekommen, kam ihr auch schon Miss Bachthorth entgegen: „Danke, dass Sie so schnell einspringen konnten. Ich werde in etwa zwei Stunden zurück sein.“, erklärte sie. „Alles klar.“, entgegnete ich. Nachdem ich ihr Frühstück gemacht hatte, setzte ich mich mit ihr an den großen, runden Tisch. Ich hörte ein Geräusch und sah mich um. Zoey kam die Treppe runter. „Guten Morgen, soll ich dir vielleicht auch Frühstück machen?“, fragte Miranda freundlich. „Nein!“, gab sie sofort, und in einen barschen Ton, zurück. Etwas beschämt schaute sie gleich darauf zu Boden. „Ich mache mir selbst etwas.“, sagte sie etwas leiser und beherrschter. Während die Kleine ihr Marmeladenbrot aß, und sich dabei bekleckerte, schaute Miranda sich im Raum um. Er war groß und wirkte durch die vielen Fenster sehr hell und freundlich. An den Wänden gingen einige tolle Bilder, das eine davon schien echt teuer gewesen zu sein, was sie an dem Rahmen festmachte. Zoey hatte eine Schüssel mit Cornflakes vor sich und setzte sich zu uns an den Tisch. „Miranda. Richtig?“, fragte sie in einem beiläufigen Tonfall. „Ja.“, antwortete sie und war überrascht gewesen, dass Zoey sie angesprochen hatte. Das hatte sie nicht erwartet, nachdem, was gestern geschehen war. „Sie haben also auch eine Schwester?“, fragte Zoey, während ihr Blick jedoch weiterhin starr auf den Tisch gerichtet war. „Nein.“, entgegnete Miranda. „Sie haben davon gesprochen, dass Sie wissen wie man sich fühlt.“ „Ja, das ist richtig. Ich hatte eine Freundin, sie war wie eine Schwester für mich.“ Als Zoey nicht antwortete, erzählte Miranda ihr die ganze Geschichte: „Wir lebten in derselben Straße und haben den Sommer damit verbracht, auf der Wiese herum zu liegen, an den See zu fahren oder zusammen Urlaub zu machen. Doch eines Tages war sie verschwunden und ich konnte sie auch auf ihrem Handy nicht erreichen.“ Miranda bemerkte, wie Zoey den Blick hob und ihr zuhörte. „Noch am selben Tag habe ich dann erfahren, dass sie einen Autounfall hatte und nicht überleben würde. Damals war ich fünfzehn.“ Stille breitete sich aus. Doch nach einigen Minuten des Schweigens sagte Zoey dann: „Ich weiß, dass sie nicht wieder kommt.“ „Wer? Deine Schwester?“ „Ja. Seid sie klein war hat sie nur davon geredet, dass sie weg will, wenn sie achtzehn ist.“ „Wie lange ist es her?“, fragte sie um mehr heraus zu finden. „Acht Monate.“, gab sie kurz, mit leiser Stimme, zurück. „Zoey, du und deine Schwester, ihr standet euch sehr nahe, oder?“, fragte Miranda mit ruhiger Stimme. „Ja.“, mehr brachte das Mädchen nicht hervor und Miranda berührte mit ihrer Hand Zoeys Arm. Einige Minuten sagte niemand etwas, doch dann durchbrach Zoey, mit deutlich kräftiger Stimme als eben, die Stille: „Ich muss jetzt nur Schule.“ Sie stand auf, nahm ihre Tasche und verschwand durch die Tür. Ich nahm die Kleine mit in den Garten und sie spielte dort, bis ihre Mutter zurück aus dem Krankenhaus kam. Sie kam die Stufen bis in den Garten hinunter und setzte sich zu ihrer Tochter. „Mami, schau, was ich gemalt habe. Ich werde es Zoey schenken.“, sagte die Kleine und deutete auf das Blatt Papier vor ihr. „Sehr schön. Du wirst einmal eine tolle Künstlerin sein.“, sagte Miss Backthorth und lachte. „Das sind du, Papa und Zoey, Elena und ich.“, klärte sie uns stolz auf. „Miss Backthorth, dürfte ich Ihnen eine Frage stellen?“, fragte Miranda höfflich, weil sie mehr über Zoeys Schwester in Erfahrung bringen wollte. „Natürlich. Was beschäftigt Sie?“ „Sie haben letztens die Tante ihrer Tochter erwähnt. Sie sagten sie wohne in Spanien und Elena sei dorthin gegangen. Was macht ihre Tante für sie so besonders und warum musste es ausgerechnet Spanien sein?“ „Meine Schwester hat in La Gineta eine kleine Farm, die wir früher öfters besuchten. Elena war immer ein sehr aufgewecktes Kind gewesen, aber doch faszinierte sie sich für die Stille und die Ruhe, die dort herrschte. Sie sagte immer sie wünsche sich auch auf dem Land zu wohnen in einem kleinen Haus mit vielen Tieren und, dass sie zu ihrer Tante ziehen wolle.“ „Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Schwester?“ „Nein.“, sagte sie entschlossen: „Schon lange nicht mehr.“ Miranda bedankte und verabschiedete sich und versprach Miss Backthorth, morgen gegen Abend noch einmal vorbei zu schauen. Sie schloss die Haustür, legte ihre Tasche auf die Kommode und ging ins Schlafzimmer, wo sie Tom sah, der seinen Koffer zu zog. „Grade rechtzeitig fertig.“, grinste Tom. „Ich hab dir doch von dem Mädchen erzählt, Zoey Backthorth.“ „Ja, ich erinnere mich. Was ist mit ihr?“ „Ich habe irgendwie das Gefühl ich muss ihr helfen, aber ich weiß nicht wie. Außerdem habe ich Angst ihrer Familie damit zu nahe zu treten, schließlich sollte es mich nichts angehen.“ „Denkst du denn, dass sie Hilfe braucht?“ „Ja. Sie hat mir erzählt, dass sie sich sehr nahe standen und, dass sie denkt, sie hätte ihre Schwester für immer verloren, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass da noch etwas mehr dahinter steckt. Also möchte ich herausfinden was es ist.“ „Du wirst einen Weg finden, da bin ich mir sicher. Aber bedenke, dass junge Mädchen Phasen haben, in denen ihnen alles viel schlimmer erscheint, als es dann tatsächlich ist.“ „Ja.“, erwiderte Miranda nachdenklich. „Du schaffst das schon und wenn dann rufst du mich einfach an.“ „Okay. Und danke.“ Sie umarmten sich und Tom hielt ihre Hände. „Da ist mein Taxi, ich muss los. Ich werde dir Bescheid geben, wann ich zurück bin.“ „Ciao.“, rief sie ihm nach, als er seinen Koffer nahm und in das Taxi stieg. Gegen dreizehn Uhr hatte sie einen Termin für einen Vortrag, also nahm sie ihre Tasche und stieg ins Auto. Für ihre Vorträge brauchte sie keine Unterlagen, sie beherrschte den Stoff gut, schließlich musste sie ihn immer und immer wieder vortragen. Damit verdiente sie ihr Geld. Es waren meist Vorträge über Familie und Soziales, die den Kindern den Umgang mit anderen Leuten vermitteln sollten. Heute bestellte man sie erneut in dasselbe städtische Gymnasium, wie vor nicht allzu langer Zeit. Nachdem sie fertig war und über die Gänge zum Ausgang schlenderte, begegnete ihr der Lehrer der Klasse vom letzten Besuch. „Ach, guten Tag.“, begrüßte er sie verlegen. „Guten Tag.“ „Ich habe gehört, sie betreuen die Kinder der Backthorth.“, sagte er, es klang jedoch nicht, wie eine Frage. „Das erzählt man sich also?“, wollte Miranda wissen und ihn damit auch ein bisschen herausfordern. „Nun ja, die Familie hat schon für etwas Aufsehen gesorgt und da wird man schnell hellhörig, wenn das Thema angesprochen wird.“, versuchte er sich rauszureden. „Was meinen Sie damit?“, fragte Miranda, denn jetzt nahm die Unterhaltung eine Richtung an, die sie aufhorchen ließ. „Na, dass Elena, die älteste, gegangen ist und dann noch die Sache mit diesem Daniel.“ „Welcher Daniel?“, fragte sie überrascht. „Ah, die Pause ist zu ende. Vielleicht sieht man sich noch einmal. Auf Wiedersehen.“ Die Schulglocke klingelte und der Lehrer verschwand schnell in einem Klassenzimmer. Miranda beobachtete, wie alle Schüler in ihren Klassenraum stürmten. Als auch der letzte Schüler den Flur verlassen hatte, machte sie sich auf den Weg zu ihrem Auto und begab sich auf den Weg nach Hause. Dort ging sie rechtzeitig Schlafen.
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Das Wochenende hatte sie im Park oder bei Freunden verbracht und am Montag wurde sie von dem Klingeln ihres Telefons wach. Sie ging in den Flur und nahm den Hörer ab. Es war ihre Oma: „Hallo Miranda Liebling.“ „Hey Oma. Was ist los?“ „Der Eigentümer hat einen Käufer für die Wohnung gefunden, das heißt ich muss raus hier. Und ins Altersheim möchte ich nicht.“ „Ich weiß.“, gab sie zurück und sie hatte Verständnis dafür. Daraufhin folgte Schweigen und Miranda überlegte: „Das Zimmer ist zwar noch nicht fertig, aber du kannst trotzdem schon zu uns kommen. Das Haus ist so wie so grade ziemlich leer, denn Tom ist nicht da.“ „Danke.“, ertönte es aus dem Hörer. „Soll ich dich später abholen?“ „Ja, das wär nett.“, sagte sie mit viel Dankbarkeit in der Stimme. „Gut, dann bis später.“, verabschiedete sie sich und legte den Hörer weg. Anschließend fuhr sie erneut zu den Backthorth, denn sie hatte beschlossen noch einmal mit Zoey zu reden. Sie klingelte und wartete, bis ihr jemand die Tür öffnete. Es war Zoey, die zum Vorschein kam. „Meine Mutter ist nicht da.“, ertönte es in einem eintönigen Tonfall. „Hallo Zoey. Ich wollte auch eigentlich zu dir.“, erklärte sie und erntete einen fragenden und teilweise genervten Gesichtsausdruck. „Warum das denn?“, fragte sie und sah Miranda dabei prüfend an. „Darf ich rein kommen?“ Zoey starrte sie einige Sekunden weiter an, doch dann öffnete sie die Tür, ohne dabei ein Wort zu sagen, so weit, das Miranda eintreten konnte. Sie setzten sich an den Tisch. „Hast du eigentlich einen Freund?“ Zugegeben, die Frage kam ein bisschen prompt, aber Miranda wollte es wissen. „Was soll denn das jetzt?“, kam es darauf sofort zurück. „Du hast einen Freund, richtig? Wie heißt er? Daniel?“, fragte sie ernst. „Wie kommen Sie auf Daniel?“ fragte Zoey misstrauisch. „Dein Lehrer hat mir davon erzählt.“ Empörung stieg in Zoey auf: „Mein Lehrer? Die sollen sich doch alle da raus halten.“ „Wo raus? Was hat dein Freund getan?“, hakte sie nach. „Er ist nicht mein Freund.“, erwiderte sie nach einer Weile des Schweigens. „Was dann? Zoey, du kannst es mir sagen.“, sagte sie beruhigend und hoffte darauf, dass Zoey verstand, dass sie nichts Böses wollte. „Wir waren drei Jahre zusammen und dann hat er mich verlassen, er ist einfach abgehauen.“ „Wo ist er jetzt?“, wollte Miranda wissen. „Ich weiß es nicht. Irgendwo.“, sagte sie leise und wurde dabei nachdenklich. „Ich würde es so gerne wissen. Mich noch einmal mit ihm treffen, um zu verstehen, warum er gegangen ist.“ „Was ist passiert Zoey?“ Zoeys Blick, der die ganze Zeit über auf den Tisch gerichtet war, hob sich und sie sah Miranda direkt in die Augen. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen und sie wirkte misstrauisch: „Warum sollte ich Ihnen das erzählen. Sie sagten ich könne Ihnen vertrauen, aber woher weiß ich das? Und warum interessiert Sie das alles überhaupt?“ „Ich möchte dir helfen. Ich sehe, dass es dir schlecht geht und ich möchte wissen warum. Deine Mutter sagte mir, du hättest dich verändert und zurückgezogen, seit einigen Monaten. Ich würde dir dabei helfen, deinen Freund zu finden, wenn es dir hilft.“, erklärte Miranda, verstand jedoch auch Zoeys Sorge. Schließlich war sie ihr fast fremd. „Okay, also erzähle ich Ihnen die Geschichte.“, setzte sie an und richtete sich auf, „ Es war an dem Tag vor Elenas Abreise. Sie hatte eine Abschiedsfeier, bei uns zu Hause, organisiert. Sie hatte einige Freunde eingeladen und wir saßen alle im Garten. Es war eine fröhliche und ausgelassene Runde, aber mir war nicht sehr nach feiern. Dass ich meine Schwester danach vielleicht nie wieder sehen würde, hat meine Stimmung getrübt und ich zog mich ins Haus zurück. Alex hatte wohl bemerkt, dass es mir nicht sehr gut ging und folgte mir in mein Zimmer.“ „Warte, wer ist Alex?“, fragte Miranda irritiert. „ Alex ist nichts weiter, als ein guter Freund. Wir kennen uns seit vier Jahren und er wusste, wie schwer es mir viel, Abschied von Elena nehmen zu müssen.“, klärte sie Miranda auf und erzählte dann weiter, „Meine Eltern hatten für diesen Abend das Haus verlassen, sodass es ganz ruhig war. Ich lag auf meinem Bett, als er rein kam und sich neben mich setzte. Er legte seinen Arm auf meine Schulter und versuchte mich zu trösten: `Psst. Hör schon auf zu weinen. Sie wird wieder kommen. ´ Doch ich wusste, dass es nicht so sein wird. Ich drehte mich zu ihm um und richtete mich etwas auf. Er nahm meine Hand und schaute mir direkt in die Augen, während er mir eine Strähne aus dem Gesichte strich: `Ich werde immer da sein, wenn du mich brauchst.´ Da bemerkte ich, dass Daniel an der Tür stand. Er sah mit an, wie Alex mich in den Armen hielt. Schon immer hatte Daniel gesagt, dass er Alex nicht leiden könne, und, was ich denn überhaupt mit ihm wolle. Er verstand nicht, dass er nur ein guter Freund ist und verließ mit einem Türenknallen das Zimmer. Ich habe alles kaputt gemacht. Meinetwegen ist er abgehauen. Ich lief ihm nach, doch ich konnte ihn nirgendswo finden. Am nächsten Morgen fand ich einen Zettel von Elena auf meinem Nachttisch. Darauf stand, dass sie ein Taxi früher genommen hätte und es ihr Leid tat. Am Ende stand: `In Liebe deine Schwester´. Das war das letzte, was ich von ihr gehört habe. Meine Eltern sagten mir, dass Elena mich schlafen lassen wollte und dass sie schon früher los gemusst hätte. Ich rief bei Daniel an, doch niemand hob ab. Einige Nachbarn sagten mir, dass sie ihn seit dem nicht mehr gesehen haben.“, setzte sie ab und blickte traurig zu Boden. Ihre Stimmung schlug in Verzweiflung um: „Es ist allein meine Schuld, dass er gegangen ist. Hätte ich Alex einfach gesagt, ich wolle alleine sein, wär das alles nicht passiert. Daniel wäre noch bei mir und wir wären glücklich.“ Eine Träne rollte über Zoeys Wange und sie wischte sie schnell weg. Einige Minuten verstrichen. „Du hast ihn wirklich geliebt, oder?“, fragte Miranda und verstand, wie sie sich fühlen musste. Zoey antwortete nicht. Ein Nicken genügte. Miranda dachte nach, ob es irgendeine Möglichkeit gab, um dem Mädchen zu helfen. „Nach einigen Tagen wusste es die ganze Schule und alle schauten mich an, als wäre ich eine Verbrecherin, dabei hatte ich gar nichts getan.“ „Hey. Es gab bestimmt einen anderen Grund dafür, warum Daniel weg gegangen ist.“, versuchte sie Zoey zu trösten und musste an Tom denken. Wenn er sie verlassen würde, wäre Miranda am Ende. Sie könnte nicht mehr, eine Welt würde für sie zusammen brechen. Einige Stunden waren vergangen und sie befand sich auf dem Weg zu der Wohnung ihrer Oma. Sie half ihr ins Auto und verstaute ihr Gepäck in Kofferraum. Ihre restlichen Sachen würden sie später abholen. Sie fuhren nach Hause und Miranda zeigte ihr wo sie schlafen könnte: „So, da sind wir. Hier kannst du schlafen und einen Teil deiner Sachen in den Schrank räumen. Kommst du ohne mich zurecht? Ich muss noch kurz telefonieren.“ „Na klar. Danke Miranda.“, sagte sie und schenkte ihrer Enkelin ein Lächeln. Miranda verließ das Zimmer und nahm das Telefon mit in die Küche, wo sie ihren Mann anrief. Es tutete einige Male, bis er abnahm: „Hallo, Liebling.“ „Hey, wie war dein Flug?“, erkundigte sie sich. „Lang.“, kam zurück und sie hörte ein erschöpftes Lachen aus der Leitung. „Ich habe meine Oma hier einquartiert, ich hoffe es macht dir nichts aus. Bis das Zimmer fertig ist, müssen wir uns eine Lösung einfallen lassen.“ „Kein Problem.“, entgegnete er mit einem Lächeln, „Hauptsache dir geht es gut.“ „Ja.“, antwortete sie, mehr oder weniger überzeugend. „Das hört sich aber nicht sehr eindeutig an. Was ist los? Bist du mit dem Mädchen weiter gekommen?“, fragte er besorgt. „Ja, das bin ich und das ist auch ein Grund warum ich anrufe. Könntest du mir eventuell einen Gefallen tun?“ „Was kann ich tun?“ „Ich habe hier die Adresse, wo ihre Schwester Elena sich aufhalten soll. Könntest du dich da mal bitte schlau machen, wenn du etwas Zeit hast?“ „Ich werde sehen, was sich machen lässt.“ Miranda wusste, dass sie sich immer auf ihn verlassen konnte. Sie gab ihm noch die Daten durch, welche er sich aufschrieb und legte dann auf. Einige Tage später erhielt Miranda dann einen Anruf von Tom, indem er ihr mitteilte, dass er die Tante ausfindig machen konnte: „Ich habe ihr erklärt, dass es um Zoeys Schwester geht und, dass ich gerne selbst mit Zoey sprechen wolle. Zuerst erklärte die Frau mir, dass sie nicht zu Hause sei, also wartete ich, bis Zoey zurück von der Arbeit kam. Zunächst war sie misstrauisch und wollte nichts von zu Hause wissen, doch dann habe ich ihr erklärt, dass es ihrer Schwester schlecht geht, was sie dann denke ich umgestimmt hat.“ „Was hat sie gesagt? Und was weiß sie über Daniel?“, erkundigte sie sich neugierig und in der Hoffnung endlich etwas herauszufinden. „Ich denke, du solltest selber mit ihr sprechen.“, erklärte ihr Mann. „Holst du sie ans Telefon?“ „Nein, sie will dich übers Internet sehen. Also sei heute Abend um zwanzig Uhr online.“ „Okay. Aber jetzt sag erst mal, wie es dir geht.“ „Mir geht es gut, schließlich bin ich in Spanien.“, sagte er belustigt. „Ist wirklich alles okay? Denn es tut mir leid, dass du dich darum kümmern solltest.“, fragte sie schuldbewusst. „Ja, wirklich. Das ist gar kein Problem, du musst dir keine Sorgen machen.“, beruhigte er sie. „Danke.“ Doch bevor ich mit Elena reden wollte, musste ich Zoey Bescheid sagen. Deshalb machte ich mich auf den Weg zu den Backthorth. Dort öffnete mir die Mutter verwundert die Tür: „Hallo, Miranda. Aber Sie brauchten doch gar nicht auf die Kleine aufpassen.“ „Guten Tag. Ja ich weiß. Ich möchte auch gerne mit Zoey sprechen. Es geht um Elena.“, erklärte sie ihr. „Was ist mit Elena?“, fragte sie geschockt nach. „Ich habe Zoey angeboten, Daniel ausfindig zu machen und der Weg führte an Elena nicht vorbei. Wenn ich mich damit zu sehr in Ihre Familie eingemischt habe, tut es mir sehr leid, aber ich denke es wäre das Beste für Zoey. Sie sagten sie hätte sich seit dem sehr verändert und ich hoffe, dies rückgängig machen zu können.“ Ein langes Schweigen breitete sich aus, bis Miss Backthorth langsam auf sah und sich ihre Augen mit Tränen füllten. „Ja, das wäre wirklich schön.“ Sie öffnete die Tür und verschloss dann die Küchentür hinter sich. Miranda ließ sie alleine im Flur zurück, die sich auf den Weg zu Zoey Zimmer machte. Die Tür stand offen und Miranda trat ein. „Ich habe gehört, wie Sie mit meiner Mutter gesprochen haben. Also was ist mit Elena?“, fragte Zoey neugierig und gleichzeitig beängstigt. „Ich habe Tom gefragt, ob er sich auf die Suche nach deiner Schwester machen könnte, und…“ „Wer ist Tom?“, unterbrach Zoey sie. „Äh, Tom ist mein Mann. Er ist grade auf Geschäftsreise in Spanien und er hat mit deiner Schwester gesprochen.“, erklärte sie. „Es war nicht das Ziel Elena zu finden, sondern Daniel.“, sagte sie nüchtern. „Ja ich weiß. Aber ich dachte mir, Elena weiß vielleicht etwas über Daniels Verschwinden.“ „Was hat sie gesagt?“, fragte sie schnell. „Ich,.. Ich weiß es nicht. Ich habe selbst noch nicht mit ihr gesprochen, aber wir wollen heute Abend mit einander reden.“ „Dann komme ich mit!“, kam es prompt. „Zoey, ich denke nicht, dass das eine so gute Idee ist. Ich werde erst einmal alleine mit ihr sprechen und sie außerdem fragen, ob sie sich mit dir unterhalten will.“ „Okay.“, sagte sie und ihre Stimme versagte, bei dem Gedanken, dass Elena sie wieder einmal abweisen würde. „Ich sage dir sofort Bescheid, wenn ich mehr erfahren habe.“, fügte Miranda schnell hinzu, um sie zu beruhigen. Sie stand auf und kehrte zurück nach Hause, wo sie von ihrer Oma empfangen wurde. „Hallo Miranda. Wie war dein Tag?“, begrüßte sie sie. „Hallo.“, sagte sie sanft, „Mein Tag war sehr, hm, interessant.“ Ihre Oma lachte: „Okay, okay. Ich werde dich mal in Ruhe lassen.“ Miranda legte sich aufs Sofa und stellte sich einen Wecker für 19:30 Uhr. Als dieser klingelte schreckte sie auf und machte sich erst einmal Kaffee. Dann begab sie sich an ihren Laptop und wartete, dass sich jemand meldete. „Hallo?“, fragte eine unsicher klingende Stimme. „Hallo, Elena.“, gab Miranda zurück. Sie war klein, hatte lange braune Haare und trug ein rotes Top mit einer Weste darüber. „Sie sind also Miranda?!“, sagte sie bestimmt. „Ja, das bin ich. Deine Schwester sorgt sich über Daniel.“ „Meine Schwester“, unterbrach sie Miranda, „Wie geht es ihr?“ „Zoey, geht es nicht sehr gut. Sie macht sich unglaubliche Vorwürfe, wegen dem, was in der Nacht geschehen ist. Außerdem vermisst sie dich.“, erklärte sie. Elena sah schweigend zu Boden. Man konnte ihr ansehen, dass auch sie ihre Schwester vermisste, aber aus irgendeinem Grund wirkte sie auch schuldbewusst. „Elena, weißt du, wo Daniel sich aufhält? Sie möchte endlich erfahren, was mit ihm ist.“ „Ich, ich bin mir nicht sicher.“, stotterte sie. „Wenn du was weißt, dann sag es mir bitte!“, brachte sie Elena nahe. „Daniel kam für einige Zeit bei Bekannten in Deutschland unter. Ich kann Ihnen die Adresse geben, aber ich kann Ihnen nicht versprechen, dass er immer noch dort ist.“, stellte sie klar. „Okay, danke. Das ist wenigstens ein Anfang. Aber nun sag mir, weißt du, was in der Nacht noch passiert ist?“, fragte sie. „Elena?!“ Miranda sah, wie sich eine Tür öffnete und Elena sich zu dieser umdrehte. Eine alt aussehende Frau blickte durch die Tür. „Elena, bitte komm jetzt. Du hast noch einiges zu tun!“, rief sie. „Ja, ich komme sofort.“, antwortete sie. Die Frau warf noch einen Blick auf den Bildschirm von Elenas Laptop und sah mich. Sie starrte Elena streng an und verschwand. „Ich muss los!“, sagte sie ernst. „Elena warte! Können wir wann anders noch einmal sprechen? Wir wär es mit morgen Mittag?“ „Ja, ich kann es Ihnen allerdings nicht versprechen.“, sagte sie und klappte den Laptop zu. Miranda ließ sich zurück fallen, klappte den Laptop ebenfalls zu und nahm das Telefon in die Hand. Zuerst überlegte sie, ob es eine gute Idee war, wählte dann jedoch die Nummer. Sie hatte es Zoey versprochen. „Zoey? Hier ist Miranda.“ „Was hat sie gesagt?“, kam es sofort auf der Leitung zurück. „Nicht viel, wir wurden unterbrochen. Aber sie sagte Daniel würde sich eventuell an einer Adresse in Deutschland aufhalten.“, klärte sie Zoey auf, „Warte, ich gebe sie dir durch.“ „Vielen Dank.“, ertönte es und Zoey legte den Hörer auf. Miranda grübelte noch, was Elena ihre hätte verschwiegen haben können, legte sich danach jedoch schlafen. Durch den Job als Babysitter und mit Hilfe ihrer Vorträge hatte Miranda einen Großteil des Geldes zusammen, doch ganz reichte es noch nicht, um den Umbau zu finanzieren. „Miranda. Wach auf.“, riss sie eine vertraute Stimme aus dem Schlaf, „Ich habe Frühstück gemacht und es ist auch schon spät.“ Miranda tapste in die Küche, wo sie den Tisch schön gedeckt vorfand. „Guten Morgen.“, sagte sie fröhlich. Nach einem ausgiebigen Frühstück setzte sie sich um kurz vor zwölf an den Laptop und wartete. Als sich nach zwanzig weiteren Minuten immer noch niemand bei ihr gemeldet hatte, gab sie die Hoffnung auf. „Ich hatte wirklich gedacht, dass sie kommt.“, sagte sie zu sich selbst. „Hast du was gesagt, Miranda?“, kam es aus der Küche. „Nein.“, gab sie zurück. Sie wollte grade den Laptop zuklappen, als Elena auftauchte. „Entschuldigen Sie.“ Elena sprach leise. „Kein Problem. Ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben, dass du dich noch meldest.“ Erwiderte sie. „Ich hatte zu tun.“, Elena sah sich um, „Also, was wollen Sie jetzt noch wissen?“ „Ich möchte Zoey helfen, zu verstehen, was in der Nacht passiert ist. Kannst du mir irgendetwas dazu sagen?“, fragte sie Elena eindringlich, doch sie blockte wieder ab: „Ich weiß nichts. Tut mir leid.“ Miranda blickte weg und fragte sich, wie sie Elena dazu bringen konnte, ihr etwas zu erzählen. Sie hatte da so ein Gefühl, dass da noch etwas war. „Elena, ich weiß nicht was passiert ist, aber was ich weiß ist, dass du mir etwas darüber berichten kannst. Und ich bitte dich, mach es nicht noch schwieriger und erzähl es. Wenigstens deiner Schwester zur Liebe.“, bat Miranda sie und hoffte so ihr Schweigen brechen zu können. „Okay, also erzähle ich Ihnen die Geschichte…“
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Miranda musste sofort zu Zoey und ihr alles erzählen. Sie stieg in ihr Auto und begab sich sofort auf den Weg. „Hallo, Miss Backthorth. Ich muss sofort mit Zoey sprechen, ist sie zu Hause?“ „Ja, sie ist in ihrem Zimmer. Gehen Sie nur hoch.“, sagte sie. Miranda ging die Treppe hoch und klopfte an der Tür: „Zoey, darf ich rein kommen?“ „Die Tür ist offen.“, kam es zurück. Miranda ließ sich auf ihrem Bett nieder und wollte grade anfangen Zoey die Geschichte zu erzählen, als sie ihr zuvor kam: „Ich dachte mir ich schreibe Daniel einen Brief. Da ich ja jetzt seine Adresse hab.“ „Zoey?!“, Miranda unterbrach sie. „Ich will ihm sagen, wie leid es mir tut und, dass er zurückkommen soll.“, erzählte Zoey einfach weiter. „Hör mir bitte zu.“, forderte Miranda sie auf. „Ich hoffe, dass er es sich anders überlegt. Ich liebe ihn doch.“ „Zoey, das geht nicht.“ Erst jetzt hörte sie ihr zu. „Warum das denn nicht?“ „Es liegt nicht direkt an dir, dass er gegangen ist.“, versuchte sie ihr zu erklären. Zoey, sah sie nachdenklich an: „Das verstehe ich nicht.“ Miranda überlegte, wie sie es Zoey nahe bringen sollte, ohne sie zu verletzen. Sie suchte nach den richtigen Worten, doch sie fand sie nicht, also erzählte sie die Geschichte einfach von vorne: „Als du gegangen bist, hat deine Schwester Alex gebeten nach dir zu sehen, also ging er in dein Zimmer und tröstete dich. Doch auch Daniel machte sich Sorgen um dich, weil er gesehen hatte, wie schlecht es dir ging. Also folgte er Alex und sah, wie ihr beide zusammen auf dem Bett lagt. Daniel ging nicht rein, sondern setzte sich aus Verzweiflung in den Flur, so dass du ihn nicht finden konntest. Als ihr nach über einer halben Stunde immer noch nicht wieder unten aufgetaucht wart, machte sich Elena Sorgen und ging ins Haus. Sie fand Daniel im Flur und setzte sich zu ihm. Und dann…“, brach Miranda ab. „Und dann was?“, fragte Zoey und man konnte ihr ansehen, dass sie Angst vor dem hatte, was Miranda ihr jetzt erzählen würde. „Zoey, er hat mit deiner Schwester geschlafen.“, sagte sie leise und blickte Zoey an. Sie sah, wie sich Zoeys Augen mit Tränen füllten und sie nahm sie in den Arm. „Mit meiner Schwester?“, fragte sie traurig nach, doch man konnte auch die Empörung in ihrer Stimme wahrnehmen. Eine Träne floss über Zoey Wange und Miranda wischte sie mit ihren Fingern weg. Miranda war von Zoeys Trauer berührt, sodass auch ihre Augen sich mit Tränen füllten. „Es tut mir leid.“, haute sie dem Mädchen ins Ohr, „Es tut mir so leid.“ Zoey war froh, dass Miranda da war. Endlich jemand, der sie in den Arm nahm und sie tröstete. „Miranda, ich möchte mit ihr sprechen. Verstehen, warum sie das getan hat.“ Zoey Stimme bebte und Miranda nahm ihre Hand. „Okay.“, flüsterte sie.
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„Hey, Tom.“ „Hallo, Liebling, wie geht es dir?“, fragte Tom, den Miranda grade angerufen hatte. „Dafür ist jetzt keine Zeit. Kannst du mir noch einem Gefallen tun?“, fragte sie. „Warum geht es?“ „Könntest du Elena anrufen und ihr mitteilen, dass ihre Schwester gerne mit ihr reden würde?“ „Ich bezweifle, dass Elena dazu bereit ist. Sie wollte den Kontakt zu ihrer Familie abbrechen, aber ich werde es auf jeden Fall versuchen.“, gab er zurück. „Bitte warte kurz. Ich drücke dich eben weg.“ Nach einigen Minuten meldete sich Tom dann wieder. „Ich habe ihr mitgeteilt, dass ihre Schwester sie kontaktieren will und sie sagte, sie müsse noch darüber nachdenken Aber wenn würde sie sich um sechzehn Uhr bei dir melden.“, erklärte er Miranda, während Zoey ungeduldig wartete. „Sie überlegt es sich.“, flüsterte sie Zoey zu. „Danke, Tom. Weißt du wann du wieder kommen wirst?“ „Ja, mein Flieger geht morgen, dann bin ich Freitagmorgen wieder da.“, klärte er seine Frau freudig auf. „Freitag schon?! Ich werde am Flughafen auf dich warten.“, erwiderte sie, glücklich, dass er bald wieder da sein wird. „Versprochen?“, scherzte er. „Versprochen!“, gab sie bestimmt zurück. „Gut, dann bis Freitag.“, verabschiedete er sich. „Ja, bis Freitag“, wiederholte sie und legte auf. „Elena hat bisher den Kontakt zu uns total abgebrochen. Sie hat nie auf unsere Briefe geantwortet und die Telefonnummer hatten wir nicht, da wir generell nie sehr viel mit unserer Tante zu tun hatten.“, klärte sie Miranda auf und zusammen warteten sie, dass es sechzehn Uhr wurde und hofften, dass Elena sich melden würde. Gespannt saß Zoey vor dem Laptop, bis Elena auf dem Bildschirm auftauchte. Zoey stellte fest, dass Elena sich nicht wesentlich verändert hatte. Es waren ja auch nur neun Monate her, dass sie sie zum letzten Mal gesehen hatte. „Hallo, Zoey.“, sagte sie und war sich dabei ihrer Schuld bewusst. „Hey.“, gab Zoey zurück. Einige Sekunden sagte niemand etwas, doch für Zoey fühlte es sich wesentlich länger an. „Elena, ich habe Zoey erzählt, was du mir gesagt hast.“, brach Miranda das Schweigen, zog sich dann aber aus dem Gespräch zurück und beobachtete sie nur noch. „Du hast also mit Daniel geschlafen?“, fragte Zoey und hoffte innerlich, dass das alles nur ein Missverständnis war. Ihre dünne Stimme zitterte. „Es tut mir so leid, Zoey. Ich wollte das nicht.“ „Warum hast du es dann getan?“, schrie sie ihre Schwester an. „Daniel tat mir so leid und dann zerrte er mich in mein Zimmer. Und…“, Elena brach ab. „Was und?“, hakte Zoey nach. „Er sagte, na ja…“ „Elena, sag es mir!“, bat sie sie eindringlich. „Er sagte, ihm wäre klar geworden, dass er dich nicht mehr lieben würde.“ Elena konnte Zoey nicht in die Augen sehen. Zoey wusste nicht, was sie sagen sollte und ihr Blick verharrte auf Elena: „Ist das dein Ernst?“ Zoey sah traurig aus. „Ja, es tut mir leid.“, bestätigte sie. Zoey sah zu Miranda rüber. „Und Zoey, da ist noch etwas. Ich wusste nicht, dass ich dir so wichtig bin, ich wollte einfach nur weg von da und all das tun, was ich schon immer einmal tun wollte. Außerdem wollte ich erst nicht, dass du das mit Daniel erfährst, darum bin ich auch am Morgen einfach gefahren, ohne mich von dir zu verabschieden. Ich habe mich so geschämt. Aber erst jetzt weiß ich, dass das falsch war und ich dir somit nur unnötig wehgetan hab, Schwesterherz.“ Zoey sah ihrer Schwester in die blauen Augen: „Danke!“ Sie wollte schon fast gehen, als Elena ihr etwas nachrief: „Bitte sag Mom, dass ich diese Woche mal anrufe.“ Zoey nickte und beendete das Gespräch. Miranda stand auf und ging auf Zoey zu: „Du musst dich jetzt bestimmt schrecklich fühlen.“ „Nein.“, gab sie entschlossen zurück, „Ich bin froh, dass ich jetzt endlich weiß, warum er nicht geblieben ist. Ich weiß, dass ich nicht die ganze Schuld trage. Und ich danke Ihnen vielmals  für Ihre Hilfe. Sie haben unsere Familie wieder ein Stück zusammen gebracht.“
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Am Freitag wartete Miranda ungeduldig am Flughafen darauf, dass Tom endlich aus dem Flieger stieg. Als er sie sah, stellte er seinen Koffer ab und nahm sie in seine starken Arme. Er war glücklich sie wieder zu haben und sie war froh, dass sie sich nicht mehr alleine um alles kümmern musste. Das Geld für den Umbau hatten sie jetzt danke Tom endlich zusammen, aber was das wichtigste war, dass Miranda Zoey geholfen hatte, ihre Schwester wieder zu finden.Â