In Rays Zimmer beendete dieser sein Lachen abrupt. „Ihr seid abscheulich!”
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„Wie bitte?”, kam es aus zwei Mündern gleichzeitig.
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„Ihr nehmt das also als völlig normal hin, als übliches Privileg reicher Männer, mit einer Untergebenen machen zu können, was man will, hm? Sie auszunutzen, wenn einem danach ist und sie hinterher einfach wieder weg zu schmeißen!?”
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Seine Eltern starrten ihn sprachlos an. So alt waren sie doch noch gar nicht, dass sie sich aufführten wie frühere Kolonialherren mit ebensolchen Ansichten. Blieb nur noch die Frage, warum er, Ray, so dermaßen aus der Art geschlagen war.
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„Wisst ihr”, fuhr er fort, „Miss Zanzini -” Er stockte, überlegte, denn das Wort 'schämen' war hier nicht das richtige. „Sie ist sich durchaus dessen bewusst, dass ihre Herkunft aus einer Familie von Zirkusartisten von Leuten wie euch kritisch beäugt wird. Aber ich denke, dass in ihrer Familie wesentlich mehr Ehrgefühl herrscht als in unserer. Mehr Zusammenhalt. Liebe.”
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Er seufzte leise. Doch seltsamerweise schienen seine Worte den Mann und die Frau vor ihm endlich einmal zu erreichen.
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„Schatz, aber du kannst doch nicht behaupten, wir würden dich nicht lieben!”
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„Manchmal weiß ich nicht, Mutter, ob das Liebe ist oder Besitzanspruch. Ihr zeigt es jedenfalls auf seltsame Art und Weise, lasst mich nicht MEIN Leben leben, schickt mir falsche Notrufe... Cassie dagegen darf sich selbst verwirklichen, im Gegenzug ist sie aber auch für ihre Leute da, wenn wirklich Not am Mann ist...”
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Mag sein, er klang im Moment wie ein eifersüchtiges Kind. Aber die Art, wie Cassie zu ihrer Familie und diese zu ihr stand, hatte ihn beeindruckt.
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„Ray”, brachte seine Mutter erstickt hervor, „aber ich liebe dich doch wirklich...”
Und plötzlich spürte er, sie sagte die Wahrheit. Hinter all ihrem überkandidelten Getue steckten wahrhaftige Gefühle für ihre Kinder, für ihn, allerdings fehlgeleitet durch Ideale, welche in ihrer Familie schon lange, viel zu lange tradiert wurden.
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„Das weiß ich, Mutter. Mom”, fügte er lächelnd hinzu und entdeckte eine kleine Träne in ihrem Augenwinkel.
Zum ersten Mal seit langem fiel ihm auf, wie hübsch seine Mutter eigentlich war, – wenn sie mal nicht diesen verkniffen aristokratischen Gesichtsausdruck aufsetzte.
„Aber wenn du mich wirklich liebst, dann solltest du mich auch so sein lassen, wie ich nun einmal bin. Etwas aus der Art geschlagen... Und was die Sache mit Cassie betrifft-”
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Nun atmete Ray einmal kurz durch und stellte sich dann mit dem Rücken zu seinen Eltern ans Fenster. „Um ehrlich zu sein, ich kann euch ja verstehen. Ihr habt Angst, dass sich jemand nur wegen meines Geldes oder wegen meines Namens an mich ran macht. Ihr sorgt euch, Cassie hätte sich nur aus Berechnung mit mir eingelassen.”
Ihr Nicken konnte er förmlich hören.
„Aber so ist sie nicht. Im Gegenteil. Es hat sich langsam entwickelt. Das zwischen uns … war wahrscheinlich mehr, als nur ein heißer Kuss, nur hatten wir keine Gelegenheit, das auszuloten...”
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Mit einem Ruck drehte Ray sich um. „Kurz nach diesem Kuss folgte sie einem Hilferuf ihrer Eltern, so wie ja auch ich vor wenigen Monaten.”
Nur das das im Gegensatz zum kaputten Zelt kein echter Notruf gewesen war. Damals aber hatte alles angefangen.
„Nur durch einen dummen Zufall wusste ich überhaupt, wo Cassie hin gefahren war. Als ich sie besucht habe, hat sie mich in die Wüste geschickt. Ihr seht also, Geldgier kann nicht ihr Motiv sein, sonst wäre sie mir spätestens da in die Arme gesprungen.”
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„Hm”, kam es von seinem Vater, „aber warum ist sie dann jetzt hier? Wenn ich fragen darf...”
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„Ich habe sie unter einem Vorwand hierher gelockt. Und dann-”
Er musste jetzt selber kurz die heutigen Ereignisse überdenken.
„Nun, ich glaube, Kendras Besuch und die Art, wie sie und die anderen sich gegeben haben, müssen sie ziemlich geschockt haben. Und wahrscheinlich, auch wegen früherer Erfahrungen, ist sie nun wohl der Meinung, dass es nicht sinnvoll wäre, sich mit mir einzulassen.”
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Ein kleines sarkastisches Lachen entrang sich ihm. „Ihr seht also, ihr und sie haben sogar etwas gemeinsam!”
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„Ach Ray, du bist einfach unmöglich!”, insistierte seine Mutter, konnte aber ihr Schmunzeln nicht unterdrücken. Dann holte sie tief Luft. „Was würdest du denn nun gerne, was wir tun sollen? Was würdest du von uns erwarten?”
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Wow! Dieser Wandel schoss Ray wie heißes Blei durch die Adern. Denn er erkannte, dass sie es wirklich ernst meinte. Sicher würde sie sich nie komplett ändern, aber seine kleine Predigt hatte ganz offensichtlich doch etwas bewirkt.
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„Mom, Dad, es wäre wichtig für mich, dass ihr mich das machen lasst, was ich möchte. Versteht bitte, ich bin für die Firma nicht geschaffen und auch nicht dafür, mich mit einer Schönheitskönigin an meiner Seite als Privatier zurück zu ziehen und nur noch auf Charity-Events zu gehen. Bitte versprecht mir, euch nicht mehr einzumischen, ja?! Weder in mein Geschäft, noch in mein Privatleben. Ob das mit Cassie und mir etwas wird, kann ich ja selber nicht sagen, aber lasst mir die Chance, es selber heraus zu finden.”
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Mit brennendem Blick sah er seine Erzeuger an, die sich zunächst gegenseitig anschauten, dann zögernd nickten. Doch das war noch zu wenig, fand er, und fragte „Also?”
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„Ja”, machten Beide und für einen Moment schloss Ray die Augen. Endlich! Sollte er jetzt tatsächlich endlich in Ruhe sein Leben leben können?! Zeit für ein kleines Zugeständnis.
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„Ich danke euch. Und im Gegenzug verspreche ich euch, dass ich euch öfter besuchen werde. Und dass ich zu einer Veranstaltung jährlich eurer Wahl als Repräsentant erscheinen werde.” Auch er hatte schließlich ein Ehr- und Pflichtgefühl seiner Familie gegenüber!
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