Kurzgeschichte
Schafe können sicher weiden

Einleitung

Musik: Johann Sebastian Bach (Schafe können sicher weiden) http://www.youtube.com/watch?v=rg9Uv0wUZdM Bild: Claude Monet (Frau mit Sonnenschirm) http://entertainment.howstuffworks.com/arts/artwork/claude-monet-giverny-paintings3.htm

Barfuss wandle ich über eine Wiese, die am frühen Morgen noch im Schatten der hohen Berge liegt. Morgentau küsst meine Füsse. Frische Sommerluft belebt die Sinne. Ausser ein paar Vögeln, die trillernd den jungen Tag begrüssen, liegt die Welt noch im Schlaf.

Erste vorwitzige Sonnenstrahlen lugen über die Bergspitzen und wagen sich zu mir ins Tal. Ich schlendere ihnen entgegen, richte meinen Blick nach oben und breite die Hände aus.
Plötzlich spüre ich deine Nähe!
Gedankenversunken schliesse ich meine Augen, drehe mich langsam im Kreis und lasse das ganze Universum auf mich

wirken. Harmoniewellen pulsieren durch meinen Körper. Sanft berührt wärmendes Licht meine Lider. Blinzelnd sehe ich wieder auf und bin völlig überrascht. Nur ein paar Schritte von mir entfernt, sitzt ein Maler vor einer Staffelei. Die Baskenmütze verrät mir seine Herkunft. Markant quillt ihm ein graumelierter Vollbart  aus dem Gesicht. Die lange gerade Nase und die Fältchen unter den Augen unterstreichen seine freundlichen Gesichtszüge. Schmunzelnd schaut er auf die Leinwand und scheint mich nicht wahrzunehmen.
Ich will ihn nicht stören, leise platziere ich mich hinter ihn. Tief beeindruckt schaue ich ihm über die Schulter in die

fantastische Landschaft, welche auf der Leinwand nach und nach entsteht. Wundersam lebendig fliessen Farben ineinander. Was für eine göttliche Gabe dieser Künstler hat. Sein Malstil ist unverkennbar – so malt nur Claude Monet!
Ich bin verwirrt, wie kann das sein?
Und dann geschieht das Unglaubliche. Mitten aus dem Bild heraus trifft mich ein Energiestrahl und durchflutet mich abermals wie eine Welle. Zuerst war dein Gesicht nur schemenhaft zu erkennen und jetzt zeigt es sich immer deutlicher, Pinselstrich für Pinselstrich. Deine Haare, deine Nase, dein Mund … ganz real nimmst du Gestalt an. Mit einem

Herzlächeln reichst du mir die Hand und schon im nächsten Augenblick spüre ich sie in meiner. Schweigend führst du mich ins Zentrum des Geschehens, einem sprudelnden Bächlein entlang den Hang hinauf, der Quelle des Seins entgegen. Hier, wo das Wasser dem Boden entspringt, setzen wir uns auf einen Stein. Obwohl du immer noch nicht sprichst, kann ich Wort für Wort verstehen. Du öffnest mich, die Wunder der kleinen Dinge auf meiner Weide zu erkennen – für die es sich lohnt zu leben.
Erfreut will ich dich umarmen, doch auf einmal bist du wieder verschwunden. Aufgewühlt beobachte

ich das Wasser, das sich ins Bachbett schmiegt, etwas weiter unten an Fahrt gewinnt und schäumend über die Steine schiesst.
„Komm, erfrisch dich!“ höre ich deine Stimme.
Traumwandelnd halte ich meine Hände zusammen und schöpfe den kostbaren Trank. Zum dritten Mal blitzt ein Energiestrom durch mich. Während ich kurz dein Antlitz noch einmal erkenne, prägt sich dein Lächeln tief in mein Herz. Es gibt mir die Gewissheit, dass du für immer bei mir bist und ich hier sicher weiden kann.

Deine Liebe begegnet mir im Licht – im

frischen Wasser stillt sie meinen Durst!