Beschreibung
Erstes Kapitel, mehr wird folgen, hoffe ich ;)
Ich gehe die Strasse entlang, oberhalb ziehen die Wolken am hellblauen Himmel langsam ihre Bahnen. Ein paar Vögel zwitschern und ich stelle mir vor, wie ich selbst über mir fliege, die Welt aus der Vogelperspektive betrachte und dieser winzigen Person, die unter mir die verlassene Landstrasse entlang geht, zuschaue. Gleich einer Ameise, jedoch immer linear, dem vorgegebenen Weg entlang geht der kleine Punkt. Ich schwebe noch etwas höher, lasse die Wolken und die Atmosphäre hinter mir, schaue auf die Welt hinunter. Ein Sattelit kreuzt meinen Weg und plötzlich werde ich durch ein unatürliches Geräusch wieder in die Gegenwart gerissen. Ein Landrover rollt mir langsam entgegen, ich laufe an den Rand des engen Weges, will ihm Platz machen, doch der Fahrer hält an und das Auto bleibt neben mir stehen. Die Scheiben werden mit einem metallischen Surren heruntergefahren und ein Gesicht, die Augen hinter einer schwarzen Sonnenbrille versteckt, die blonden Haare triefend vor zuviel aufgetragenem Gel, beugt sich zu mir.
Er lässt ein mürrisch klingendes „Morgen" ertönen, ich grüsse freundlich zurück, obwohl ich mich insgeheim darüber ärgere, dass man nicht einmal mehr in der freien Natur vor Störenfrieden seine Ruhe hat.
„Ihnen ist nicht etwa eine blonde Frau in einem schwarzen Top entgegen gekommen?" Ich verneine und ohne ein Wort der weiteren Erklärung oder des Dankes, startet der junge Mann, seinen teuren Wagen und lässt mich kopfschüttelnd hinter sich zurück. Ich laufe weiter und meine Gedanken verlieren sich wieder in Zeit und Raum. Im einen Moment nehme ich kaum wahr, dass ich gerade einen kleinen Hain durchlaufe, im nächsten betrachte ich voller Staunen den Bach der neben mir unaufhörlich plätschert. Seit ich den Wald und den staubigen Landweg hinter mir gelassen habe, ist mir keine Menschenseele mehr begegnet. Neben dem undankbaren Menschen im Sportwagen, ist mir nur noch ein weiterer einsamer Wanderer über den Weg gelaufen, ein Wanderer, der wie ich den Berg der Zuflucht, vor dem grauen Alltag suchen wird.
*
Mittag, ich beschliesse eine kleine Rast zu machen, setzte mich auf den erdigen, noch mit Laub vom letzten Herbst überdeckten Waldboden. Bald würde ich die endlosscheinenden Wälder hinter mir lassen und die Alpen betreten. Mein Tagesziel war eine kleine Berghütte, die in meinem Wanderführer als Tipp angegeben war. Doch bis ich dort ankomme, würden noch einige Stunden ins Lande ziehen. Ich lehne mich zurück und atme genüsslich die frische Luft ein. Kein Lärm, kein Gestank, keine Verpflichtungen, keine Kompromisse, herrlich.
Ich höre Schritte, fühle mich so als ob ich geschlafen habe, kann im Nachhinein aber nicht unterscheiden ob ich nur gedöst oder tatsächlich geträumt habe. Ich habe ein Deja-Vu, meine mir imaginiert zu haben, dass ich Schritte gehört habe und drehe mich reflexartig um, nachdem ich den Mantel von Schlaf vollends niedergelegt habe. Doch da war niemand, dennoch überkommt mich das unangenehme Gefühl, dass ich beobachtet werde. Ich räume rasch den Müll zusammen und breche meinen Rastplatz ab. Doch auch nach mehrmaligem zurückschauen, kann ich niemandem ausmachen, der jetzt, da ich weg bin, aus dem Wald gekrochen kommt.
Eine kühle Brise weht mir entgegen, getragen von dem Gletschter der sich vor mir auftut, je näher ich meinem Ziel komme und je höher ich steige. Ich laufe die ganze Strecke bis zur Hütte durch, ohne noch einmal eine Rast einzulegen, schlussendlich bin ich froh, als ich sie endlich erblicke. Die Dämmerung hat schon eingesetzt und bis Sonnenuntergang würde es auch nicht mehr allzulange dauern. Die Hütte war in einem maroden Zustand und entsprach nicht so ganz den Beschreibungen meines Führers. Mit einem schweren knarren geht die Tür auf und fällt mit ebensolchem wieder automatisch ins Schloss. Ich sehe mich um, auch wenn die Unterkunft von aussen nicht viel hergibt, die Infrastruktur scheint mir ganz passabel. Ein Kajütenbett an der gegenüberliegenden Wand, einen Kamin in der linken Ecke und ein Tisch in der Mitte. Für eine Nacht könnten hier gut zwei Personen leben.
*
Es stürmt und die beiden rudimentären Storen, die vor dem winzigen und einzigen Fenster der Hütte angebracht waren, schlagen gegen das Fenster. Ich schlottere als ich mein Bett verlasse um die Storen fest zuzuziehen, es ist kalt und es ist unheimlich und als sei dieser Umstand nicht schon genug, pochte es jetzt auch noch gegen die Tür. Ich überlege mir kurz ob es vielleicht der Wind war, der irgend einen Gegenstand gegen die Tür schlug, aber es erklang in regelmässigen Abständen wie es Menschen tuen, wenn sie irgendwo Einlass erhalten wollten. Als winziges Klopfen, das mich vielleicht aus dem Schlaf geschreckt hatte, begonnen, weitete es sich jetzt in ein lautes Hämmern aus. So schnell wie es begonnen hat, ist es auch vorbei und ich frage mich, ob das vielleicht nur meinen Gedanken entsprungen war. Doch dann nehme ich aus den Augenwinkeln einen dunklen Umriss am Fenster war und mein Herz bleibt mir fast stehen, da ist irgendwas, irgendwer. Ein Gesicht wird gegen die Scheibe gepresst und eine Person späht hinein. Sie scheint mich zu sehen und bedeutet mir wild gestikulierend die Tür endlich aufzumachen, die ich gewohnheitsmässig zugeschlossen hatte. Ich sehe auf die digitale Armbanduhr die ich von meinen Sohn geschenkt bekommen habe, drücke die Taste mit der man das integrierte Licht einschalten konnte und erkenne, dass es kurz nach 2 Uhr ist. Schweremütig watschtle ich zur Tür, irgendwie erscheint mir meine jetzige Situation schon etwas suspekt, ich schlucke die Angst so gut es geht herunter, obwohl es mehr ein mühsam erzwungenes Schlucken ist und öffne die Tür. Eine Person huscht ohne ein Wort zu sagen, neben mir vorbei in die Dunkelheit. Draussen scheint der Mond, jedoch hat er sich hinter die dicken Gewitterwolken verzogen. Ein Scheppern hinter mir und sofort werde ich mir meiner Lage wieder bewusst. Mittlerweile wurde eine Kerze angezündet und ich erkenne das durch Schatten gekenzeichnete Gesicht einer jungen Frau. Sie lächelt mich an und ich kann nicht anders als zurücklächeln, vorbei ist der Argwohn den ich noch vorher gehegt habe. Sie setzt sich an den kleinen runden Tisch und bedeutet mir es ihr gleichzutun, dabei platziert sie die Kerze in die Mitte.
"Kann ich dir eine Geschichte erzählen?" Ihre Stimme klingt sanft und verführerisch, so dass ich mich gar nicht über die seltsame Art der Gesprächsführung frage, sondern einfach nur benommen nicke.