Fantasy & Horror
Licht, Blut und Schatten Teil 2 - Teil 2

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"Licht, Blut und Schatten Teil 2 - Teil 2"
Veröffentlicht am 07. Juli 2012, 258 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
© Umschlag Bildmaterial: diavolessa - Fotolia.com
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Über den Autor:

Was soll man über sich selbst erzählen? Ich schreibe sehr gerne und sehr viel. Meist Texte und Kurzgeschichten aus dem Horror, Fantasy oder Thriller-Bereich.
Licht, Blut und Schatten Teil 2 - Teil 2

Licht, Blut und Schatten Teil 2 - Teil 2

Zweiter Teil

 

10. Die Stadt Zollern galt als führendes Handelszentrum im gesamten Fürstentum Grenzlande. Beinahe alle bedeutenden Geschäfte der Umgegend wurden von hier aus abgewickelt. Karawanen, Kaufmannszüge, Handwerker und Landwirte trafen an diesem Ort zusammen, boten ihre Güter, Dienste und Waren feil oder versandten sie von hier aus weiter in die nördlichen Provinzen. Vor einigen Wochen jedoch, war der

gesamte Handel zum Erliegen gekommen. Die unzähligen Angriffe der scheinbar überall herumstreunenden Orkhorden hatten dafür gesorgt, dass sich kaum noch jemand hinaus auf die Straßen wagte. Wer es dennoch tat, floh mit dem wenigen seiner Habe, das er bei sich tragen konnte, in den sicheren Norden. Crane hatte gehofft sich in der Stadt neu ausrüsten zu können, musste jedoch schnell feststellen, dass es nicht mehr viel gab, dass er legal erwerben konnte. Selbst die einfachsten Lebensmittel wurden nur noch in kleinen Mengen und zu horrenden Preisen angeboten. Vieles war gar nicht mehr zu bekommen. Sein

persönliches, und recht überschaubares, Vermögen konnte den Forderungen der Händler nicht im Mindesten standhalten. Selbst wenn er den Erlös für den Verkauf von Evelynas Sachen und die Panzerung des Schlachtrosses hinzurechnete, was er tat, reichte es gerade, um sich mit dem Nötigsten einzudecken. Schließlich blieb ihm nichts weiter übrig, als sich von seiner geliebten Prunkrüstung zu trennen. Es schmerzte Barlowe bis tief in seine Seele, sich von diesem äußerst kostbaren Stück zu trennen, aber da es ihm fortan sowieso verboten war sich Paladin oder Gotteskrieger zu nennen, gab es keinen Grund mehr sie weiter zu

behalten. So schwer ihm die Entscheidung auch fiel, sie lohnte sich. Der Verkauf des seltenen Harnischs brachte Crane genügend Gold ein, um sich umfassend auszustatten, ein Zimmer in einer halbwegs gemütlichen Karawanserei anzumieten und sogar eine durchaus beachtliche Menge Kronen für Notfälle an die Seite zu legen. Es war nicht so, als wäre er erschöpft, aber Crane musste sich in Ruhe darüber klar werden, was er als nächstes tun wollte. Solange er sich innerhalb der Stadt aufhielt, würden ihn die Templer in Frieden lassen. Was aber sollte werden, wenn er sich wieder auf den Weg

machte? Wohin konnte er überhaupt noch gehen? Er hatte behauptet, dass er versuchen wollte nach Beweisen für seine Unschuld zu suchen. Doch wie konnte er diese großen Worte in die Tat umsetzen? Nichts hielt er in Händen. Keine konkrete Spur keinerlei Verdachtsmomente. Nichts weiter, als eine Ahnung und ein seltsames Gefühl in der Magengegend. War es am Ende vielleicht sogar so, dass er tatsächlich falsch gehandelt hatte? Konnte das sein? Ja, er hatte einen Unschuldigen gerichtet, daran ließ sich nichts leugnen! Wen kümmerte es da noch, dass ihn möglicherweise jemand absichtlich

auf die falsche Spur geführt haben könnte? Vielleicht war er das Opfer einer Verschwörung geworden, dessen Ursachen und Ausmaße sich vollständig seiner Kenntnis entzogen? Es musste so sein, er war doch ein gottesfürchtiger Paladin. Unfehlbar in seinem Handeln! Die Drei würden nie zulassen, dass er einen derart schrecklichen Fehler beging. Tage vergingen. Schleppend. Getragen von Selbstzweifeln und Unsicherheit. Irgendwann erkannte Barlowe, dass er so nicht weiter machen konnte. Er fasste einen Entschluss. In Zollern erzählten die Menschen voller Angst, dass die Festung Wehranger von einem gigantischen Orkheer belagert wurde.

Vielleicht war dies ja genau der richtige Ort, um für seine Sünden zu bezahlen? Seine Häscher würden ihn sicher nicht bis zur Front verfolgen und er konnte im Kampf gegen die Grünhäute Buße tun. Mit etwas Glück wies ihm die göttliche Trinität sogar einen neuen Weg? Am nächsten Morgen, noch vor dem ersten Hahnenschrei, ritt Barlowe in südlicher Richtung aus der Stadt hinaus. Etwa zweieinhalb Meilen hatte er zurückgelegt, als sich ihm plötzlich jemand in den Weg stellte. Eben erst erhob sich die Sonne über den Horizont. Trotz des fahlen Lichtes der ersten Sonnenstrahlen war die Person kaum zu erkennen. Überrascht zügelte der Krieger

sein Pferd. »Ho! Wer da?« »Eine alte Freundin!« »Evelyna?« »Erraten!« »Wie…? Was machst du hier? Wie ist es dir gelungen mich zu finden?« Crane war hörbar überrascht, wenn nicht sogar für einen kurzen Augenblick vollkommen fassungslos. »Ich habe mit der Straße gesprochen und mich im Staub umgehört. Du bist ein Paladin und benimmst dich wie einer. Nur bunten Hunden und zweiköpfigen Kälbern kommt man noch leichter auf die Spur.« »Was du nicht sagst. Und was führt dich

zu mir? Hatte ich dir nicht geraten zu fliehen?« Die Schwarzelfe lachte bitter. »Fliehen? In den sicheren Tod hast du mich geschickt, du Scheißkerl. Aber ich habe überlebt und nun bin ich gekommen, um mich in angemessener Weise bei dir zu revanchieren.« Barlowe ritt ein wenig näher an die Frau heran. Sie trug neben ihrem geliebten Staubmantel nur einfache Kleidung am Leib und war vollkommen unbewaffnet. Der Krieger schüttelte mitleidig den Kopf. Sie konnte sich doch nicht ernsthaft mit ihm messen wollen? »Es muss das Sumpffieber sein, das durch dich spricht. Du bist allein und

ohne Waffen. Verschwinde verrücktes Weib, bevor ich dieser Scharade ein blutiges Ende setze.« Die Elfe setzte ein enttäuschtes Gesicht auf. Traurig schürzte sie die Unterlippe. »Gehen? Schon? Aber Crane, wir haben uns doch gerade erst wiedergetroffen. Ich dachte wir nehmen zuerst noch etwas Tee und Gebäck! Eine gepflegte Unterhaltung zwischen zwei alten Freunden, du weißt schon.« Ein kurzes, humorloses Lachen unterbrach ihren sarkastischen Monolog. »Weiß du, es gibt derart viel zu erzählen. Du glaubst ja nicht was mir inzwischen so alles passiert ist! Die Sümpfe, ich sag dir…« Sie wurde schlagartig todernst. Ihr

Lächeln gefror derart schnell, dass man es förmlich in der Luft knistern hören konnte. »Nichts da! Niemand geht! Nicht bevor wir die Sache hier zu Ende gebracht haben. Du und ich! Jetzt und hier! Ein für alle Mal!« Barlowe sprang von seinem Pferd und ging auf die Schwarzelfe zu. »Ich kenne dich Lynn! Nicht einmal du bist so dumm, dich mir ohne jede Waffe in den Weg zu stellen. Du hast etwas vor, dass spüre ich. Also, was ist es? Ein kleiner bösartiger Elfentrick? Eine versteckte Waffe? Egal welchem Plan du auch nachgehen magst, ich bin und bleibe dir überlegen. Und nun verzieh dich, Göre! Du machst dich

lächerlich!« »Nein!« Die Schwarzelfe trat dem gefallenen Paladin nun ihrerseits einen Schritt entgegen. »Ich werde mich dir ohne Waffe stellen. So wie ich hier stehe. Ich prügel’ dich windelweich, Gottesmann. Danach ziehe ich dich an deinen Haaren hinter mir her, bis wir zwei erneut die Glutsümpfe erreichen. Dort angekommen werde ich dabei zusehen wie du langsam zu Grunde gehst!« Surrend zog der Krieger seinen Zweihänder aus der Scheide. »Du bist vollkommen irre, verrücktes Elfenweib! Aber gut, du hast es so gewollt! Wisse, dass es mich mit tiefem Kummer erfüllen

wird, dich auf derart bemitleidenswerte Weise niedergestreckt zu haben.« Ein kaltes Lächeln überflog die Lippen der Elfe. Sie hob die Hand. »Nichts dergleichen wirst du tun. Darf ich dir ein paar Freunde von mir vorstellen? Ich traf sie unterwegs und dachte du hättest vielleicht Freude an ihrer Bekanntschaft!? Sie alle sind gesuchte Verbrecher, so wie ich!« Ein halbes Dutzend schwarzhäutiger Schützen trat aus ebenso vielen Verstecken hervor. Jeder von ihnen hielt einen Pfeil auf seinem Langbogen gespannt und auf den Kopf des vollkommen überrumpelten Mannes gerichtet. Nie hätte Barlowe gedacht,

dass es Evelyna in derart kurzer Zeit gelingen könnte sich in einer derart bewaffneten Gruppe zu organisieren. Sie hätte in den Sümpfen sterben sollen, verdammt! Niemand fand dort lebend wieder heraus und schon gar nicht fand man dort neue Freunde! »Schwarzelfen? Ihr solltet… ihr dürft nicht hier sein. Man hat euch in die Rauchara-Wälder verbannt! Der Rest des Reiches ist tabu. Ohne Sondergenehmigung verboten für Euresgleichen! Wie also…?« Verstehend hob Crane die Augenbrauen. »Oh! Ihr seid Deserteure! Natürlich! Allesamt Verräter an Land und Krone…!« »Halts Maul!« Evelyna trat noch einen

Schritt nach vorne. Sie befand sich jetzt in Reichweite der gegnerischen Klinge, ignorierte die Gefahr jedoch völlig. Stattdessen schäumte sie vor Wut. »Ich schwöre bei allem was dir heilig ist! Wenn du jetzt anfängst mir eine von deinen typisch menschlich verlogenen Moralpredigten zu halten, nagele ich deinen Kopf höchstpersönlich an den nächsten Baum!« Barlowe gab nach. Er sah ein, dass er einen Schritt zu weit gegangen war und nickte stumm. »Fein! So und nun leg zuerst deine Waffe ab und dann zieh dich aus. Komplett! Oder nein, warte. Ich will nicht so sein. Deine Hose darfst du

anbehalten!« »Was?« Ärgerlich zog die Elfe die Stirn kraus, dann hieb sie dem Krieger mit der Faust ins Gesicht. Der Schlag war so heftig, das es den Mann zu Boden warf. Scheppernd glitt sein Schwert über den steinigen Weg. »Mach was ich dir sage, oder du wirst es bereuen! Du hast mich sehr gut verstanden, denn ich war bereits so höflich meine Bitte in menschlicher Sprache an dich zu richten.« Evelyna nahm einen Schritt Anlauf und trat Barlowe mit aller Kraft in die Seite. »Und nun fang endlich an, ich habe nicht den ganzen Tag

Zeit.« Keuchend erhob sich der Paladin. Noch immer konnte er nicht fassen, dass sich das Schicksal so schnell gewandelt und gegen ihn gestellt hatte. Warum nur, hatten die Götter ihn verlassen? Mit zittrigen Händen begann er sich zu entkleiden. »Während du beschäftigt bist, erzähle ich dir eine kleine Geschichte. In Ordnung? Sie handelt von einer Elfe, die unschuldig und ohne es herausgefordert zu haben, dazu gezwungen wurde, sich durch einen schrecklichen Sumpf zu schlagen. Wusstest du, dass ich Rattenfleisch essen musste? Widerlich! Ich hatte mehr Blutegel an meinem

Körper, als Liebhaber und glaub mir Schatz, davon gab es nicht wenige. Oh, und jetzt kommt das Beste! Ich habe mir aus der von dir versorgten Wunde dutzende fette Maden gepult…« Die Elfe erschauerte in einer Welle aus Ekel und Wut. »Einige von ihnen hatten sich derart tief in mich, in meinen Körper, hineingefressen, dass ich sie mit den Fingern kaum noch zu fassen kriegte.« Tränen der Wut stiegen der Elfe in die schneeweißen Augen. »Und warum das alles? Weil du dir angemaßt hast, über mich richten zu dürfen.« Barlowe war inzwischen nur noch mit seiner Leinenhose bekleidet. Mühsam erhob er sich zur vollen Größe, noch

immer war sein Blick von Stolz erfüllt. Evelyna ließ weitere harte Schläge auf den Mann niedergehen. »Weißt du was? Wo wir gerade so gemütlich beisammen sind. Ich erzähle dir einfach mal, wie ich zu dem Titel Panthra gekommen bin und warum mit einem Mal die ganze Welt hinter mit her war. Du hast mich mal danach gefragt. Du erinnerst dich… Freund?« Wieder folgte ein Schlag. Dieses Mal in die Magengrube. Derart heftig, dass es Crane hörbar den Atem raubte. »Wie viele meiner Schwestern wurde ich direkt nach unserer Ankunft im Gotland von den Menschen aus unserem Lager geholt. Anfangs um auf einem größeren

Gutshof zu dienen. Die Arbeit dort war hart, die Lebensumstände entwürdigend und… schlicht… um es gelinde auszudrücken! Oft litten wir Hunger oder bekamen kein sauberes Wasser. Trotzdem versuchte ich mein Bestes, mich irgendwie mit der neuen Situation zu arrangieren.« Noch immer liefen unzählige Tränen die Wangen der schwarzhäutigen Schönheit hinab. »Ich fand einen Mann und verliebte mich. Jorgan hieß er. Jorgan Argondyr. Seine Nähe ließ alles um mich herum erträglich erscheinen. Etwa zwei Jahre vergingen und ich war fast so etwas wie glücklich. Dann starb der Besitzer des Gutshofes. Sein Sohn war der

Hasspropaganda der Sonnenelfen erlegen und fürchtete uns. So sehr, dass er eine verhängnisvolle Entscheidung traf. Ihm war es egal, dass wir noch immer frei waren und eigentlich nur in seinen Diensten standen. Ihm und offensichtlich auch allen anderen! Keine zwei Tage später fanden wir uns auf dem Sklavenmarkt der Stadt Frybergen wieder.« Evelyna unterbrach ihren Wutausbruch für einen kurzen Moment und funkelte Crane aus hasserfüllten Augen an. Sie schwammen in bitteren Tränen. »Hast du gewusst, dass Sklaven dort nur nackt verkauft werden? Vollkommen unbekleidet, die Hände weit über dem

Kopf an einen hölzernen Pfahl gefesselt! Kannst du dir auch nur im Ansatz vorstellen, wie erniedrigend es ist, wenn jedes dahergelaufene Dreckschwein dich überall begrabschen darf? Wirklich überall? So oft und so lange es ihm gefällt? Schlimm? Hah! Warte, es kommt noch besser!« Einem humorloses Lachen folgten weitere harte Schläge. Crane brach einmal mehr unter den Hieben zusammen. »Als der eigentliche Verkauf begann, traten plötzlich einige Sonnenelfen aus der Menge hervor. In kostbare Rüstungen waren sie gehüllt. Das Metall glänzte prachtvoll und gülden in der

Sonne. Sie wirkten, als hätten die Götter selbst sie gesandt. Es dauerte keinen Wimpernschlag und die Menge um uns herum war ihnen verfallen. Trotzdem ließen die strahlenden Ritter Unmengen Gold auf die Menschen niederregnen. Erst als wirklich auch der letzte Zweifler in hellem Jubel ausgebrochen war, kauften sie einen der Unseren. Es geschah fast nebenbei! Als der so erworbene Sklave… -Er hieß übrigens Calyndor falls es dich interessiert. Ein sehr friedfertiger Mann mit einem beeindruckenden Talent für Musik.- Als er also hinabgeführt und übergeben war, schnitten ihm die bejubelten Helden in aller Öffentlichkeit die Kehle durch.

Einfach so! Niemanden der umstehenden Menschen kümmerte es. Im Gegenteil. Seine Mörder propagierten lauthals, dass wir bösartige Monster, Dämonen der Dunkelheit, seien, die nichts anderes verdienten als einen schnellen Tod.« Evelyna musste eine Pause einlegen um einen aufsteigenden Weinkrampf niederzuringen. Es dauerte eine ganze Zeit bis sie wieder zu sprechen begann. »Sorgsam gestreuter Hass, gepaart mit Blendwerk, Angst und jeder Menge Gold, ist ein erschreckend wirksames Werkzeug. Die Sonnenelfen genossen ihr Treiben und ließen sich alle Zeit der Welt. Sie kauften uns einzeln, der Reihe nach. Einen nach dem anderen. Geduldig

warteten sie, bis ihr neues Opfer zu ihnen nach unten geführt wurde. Dann töten sie ihren neuen ‚Besitz’ unter dem frenetischen Beifall der umstehenden Menge. Sie zelebrierten ihren Massenmord regelrecht, während wir anderen nichts anderes tun konnten, als hilflos alles mit anzusehen. Niemand hörte auf unser Flehen, nicht einer hatte ein Auge für unser Leid. Kein Mensch sah unsere Tränen und unsere Verzweiflung! Weißt du was, glorreicher Paladin? An diesem Tag brach mir das Herz! Unheilbar und für alle Zeit!« Evelyna hockte sich vor den geschundenen Ritter, der noch immer am Boden lag. Unsanft griff sie ihm ins Haar

und hob seinen Kopf damit er sie ansehen konnte. »Dann war plötzlich Jorgan an der Reihe. Ich kann nicht beschreiben was in dieser Sekunde in mir vorging. Ich schrie und heulte wie nie zuvor in meinem Leben. Wie von Sinnen zerrte ich an meinen Fesseln. Und tatsächlich, wie durch ein Wunder rissen plötzlich die Stricke, mit denen meine Hände gebunden waren. Es mag die Gnade der Götter gewesen sein die mich befreit hat, vielleicht auch einfach nur meine grenzenlose Verzweiflung.« Mittlerweile waren auch die Gesichter der anderen Elfen von tiefer Trauer erfüllt. Evelyna erinnerte sich des

Grundes ihrer Anwesenheit und schlug ein weiteres Mal zu. Knackend brach die Nase des Gottesmannes. »Auf jeden Fall war ich plötzlich frei. Wie eine Furie stürzte ich mich auf die Mörder meiner Freunde. Zwei oder drei von ihnen tötete ich mit bloßen Händen. Dann bekam ich ein Schwert zu fassen. Frag mich nicht woher es kam, ich weiß es nicht. Von da an aber, hielt ich blutige Ernte unter den Mördern meiner Freunde. Ich fand erst wieder zur Ruhe, als sich niemand mehr in meiner Nähe befand, den ich hätte bekämpfen können. Nur langsam kam ich wieder zu Verstand. Es zerriss mir fast das Herz, als ich erkennen musste, dass all mein

Wüten nichts genutzt hatte. Jorgan war tot. Feige gerichtet wie so viele andere…!« Die Panthra schüttelte ihre Schlaghand. Die vielen Hiebe hatten auch an ihr ihre Spuren hinterlassen. An der Motivation der Elfe aber, änderte das nichts. »Auf dem Marktplatz herrschte inzwischen ein heilloses Durcheinander. Überall rannten Menschen in wilder Panik umher. Ich befreite diejenigen meiner Art die das fürchterliche Grauen überstanden hatten und floh mit ihnen aus der Stadt. Wir verteilten uns in allen Himmelsrichtungen. Wenige Tage später machte mein Vorbild Schule. Überall in den Grenzlanden erhoben sich

Schwarzelfen gegen ihre Unterdrücker. Ich hatte eine Rebellion ausgelöst. Den Rest kennst du, der Aufstand wurde brutal niedergeschlagen und man verbannte diejenigen von uns, die den Menschen nicht länger derart zu Diensten sein wollten, in die Rauchara-Wälder. Viele Schwarzelfen ließen bei dieser Revolte ihr Leben. Aber sie waren wenigstens in Freiheit, als dies geschah! Dir mag dies vielleicht nichts bedeuten, für mein Volk aber bedeutet es alles!« Cranes Gesicht war geschwollen und blutete aus zahllosen Platzwunden. Er schwankte, trotzdem gelang es ihm, sich ein letztes Mal aufzurichten. Evelyna

sprang hoch und versetzte ihm einen letzten harten Tritt gegen den Kopf. Barlowe sackte wie ein nasser Sack in sich zusammen und blieb reglos liegen. »Und nun, mein glorreicher Paladin… Bist du bereit mit mir in die Glutsümpfe zu reiten? Wir haben Pferde mitgebracht, im Gegensatz zu mir musst du den ganzen Weg also nicht zu Fuß hinter dich bringen. Du wirst sehen, wir sind im Nu am Ziel. Und wenn wir es erreicht haben, werde ich dir in aller Seelenruhe dabei zusehen, wie dieser wundervolle Ort dir ganz langsam das Leben aussaugt. So wie er es, dank deiner grenzenlosen Güte, fast bei mir getan hätte.«

11. Es war knapp zwei Stunden nach Sonnenuntergang. Tosender Kampfeslärm durchdrang die Stille der frühen Nacht. Der von Süden her geführte Angriff der Grünhäute hatte endlich begonnen und brandete nun mit unbeschreiblicher Macht gegen die hohen Mauern Wehrangers. Orks gegen Menschen, Menschen gegen Orks. Ewig schon tobte der Krieg zwischen den beiden Völkern, nie zuvor jedoch, hatte er eine Schlacht von derartiger brachialer Gewalt hervorgebracht. Nördlich dieses gnadenlos geführten Gemetzels landete eine riesige

grauenerregende Gestalt auf der Brüstung der Festung. Das Wesen schien eine Mischung aus Fledermaus und etwas entfernt Humanoidem zu sein, überragte einen normal sterblichen Menschen jedoch um mehr als das Doppelte. Die monströse Gestalt hielt ihre riesigen Flügel aus gräulich schimmernder Lederhaut weit ausgestreckt. Eine zweifellos einschüchternde Geste, die kombiniert mit seiner immensen Größe und seinem fürchterlich anzuschauenden Äußeren, nicht ohne Wirkung blieb. Frigore hatte leichtes Spiel mit den wenigen vollkommen verängstigten Wachen, die Kommandant Langdorn, Befehlshaber der

hier postierten Streitkräfte, zur Bewachung des Abschnitts abgestellt hatte. Knapp ein Dutzend Soldaten starb unter dem Wüten der Bestie, ohne dass jemand von ihnen in der Lage gewesen wäre sich zu wehren oder gar Alarm zu schlagen. Als er sich endlich alleine wähnte, verwandelte sich der Vampir in seine eigentliche Gestalt zurück. Mürrisch blickte Frigore umher. Ihm gefiel dieser ganze übereilte Kampf überhaupt nicht. Im Gegensatz zu seiner Fürstin hielt er die in der Festung stationierten Streitkräfte der Menschen für noch lange nicht am Ende. Frigore hatte Herzog Alderan d’Auvergne recht gut

gekannt und er wusste, dass dieser Mann neben seinen vielen Schwächen auch ein paar nicht zu unterschätzende Stärken besessen hatte. Einer seiner größten Vorzüge war sein militärisch umsichtiges Denken. Gut möglich das der Herzog nicht erkannt hatte, das die marodierenden Orkbanden heimlich einem größeren Zweck gedient hatten. Aber ihm war sicher trotzdem absolut bewusst gewesen, wie wichtig es war die Stadt Wehranger unter allen Umständen halten zu müssen. So stand zu befürchten, dass der Herzog vor seinem Tod nicht nur seine besten Krieger hierher entsandt hatte, sondern auch genügend Vorräte für eine eventuelle

Belagerung. Wenn Frigore nicht energisch eingriff, würde Fürstin Taninas übereilte Attacke ihr trotz aller Mühen letztlich den Sieg kosten. Und genau da lag das Problem! Je länger diese Schlacht geführt wurde und je erbitterter beide Seiten auf sich einschlugen, desto geringer fiel die Chance aus, dass Ragnar Schädelspalte dieses blutige Chaos überlebte. Er war so schon nicht zu finden… Aber der Vampir hatte einen Plan. Er war äußerst gewagt und barg ein hohes Risiko. Trotzdem, wenn er funktionierte, könnte der ganze Unfug hier in kürzester Zeit beendet werden. Höchstwahrscheinlich würde es

hunderten kämpfenden Menschen einen gewaltsamen Tod bescheren, aber auch die beste Idee hatte eben manchmal so seine Ecken und Kanten. Sei’s drum! Frigore verschmolz mit den Schatten und schlich unbemerkt durch die leeren Gassen der belagerten Stadt. »Oberst Heimtal?« Ein abgekämpfter Krieger erschien in der Tür der Kommandantur und salutierte gehorsam. Dann wartete er stramm dastehend darauf, dass man das Wort an ihn richtete. »Was gibt es?« »Lieutenant Schneider lässt ausrichten,

dass er seinen Bereich wie befohlen noch eine zeitlang ohne Verstärkung halten kann. Ihm ist es gelungen, einen der schweren gegnerischen Belagerungstürme in Brand zu stecken und zu Fall zu bringen. Die Orks befinden sich in seinem kompletten Befehlsbereich seither in der Defensive.« »Sehr gut!« Heimtal nickte zufrieden. Genüsslich entfernte er einen grünen Stein von der Karte auf der die Umrisse der Festung aufgezeichnet waren. Dann sah er zu dem Melder hinüber. »Richten Sie Schneider meine Anerkennung aus. Ich werde ihn bei der nächsten Beförderung wohlwollend berücksichtigen! Wegtreten

Soldat!« Der Mann tat wie ihm geheißen. »Guter Mann dieser Schneider!«, der Oberst richtete seinen Blick auf die anderen zwei hohen Offiziere in dem Raum. »Ein paar Männer seines Kalibers mehr und wir bräuchten uns um den Ausgang dieser Schlacht keine Gedanken mehr machen.« Ein muskulöser Mann mit Glatze und langem schwarzen Rauschbart kratzte sich nachdenklich das haarige Kinn. Es war Brunwald der Seneschall der Festung. »Ich mache mir weniger Sorgen um die Qualität unserer Männer, als um die gewaltige Zahl unserer Feinde.« Heimtal nickte nachdenklich. »Ich würde

gerne wissen was das alles zu bedeuten hat? Erst zerstreuen sich diese Grünlinge in alle Winde und gebärden sich wie tollwütige Hunde und dann, urplötzlich, rotten sie sich in einer Zahl zusammen, dass es einem die Sprache verschlägt. Da steckt doch mehr dahinter!?« »Mit Sicherheit! Wenn wir nur wüssten was!?« »Eine höhere Macht, was sonst!« Der Oberst warf einen sorgenvollen Blick auf die strategische Karte. Bisher schien alles auf einen Sieg hinauszulaufen. Allerdings nur unter erdrückenden Verlusten. »Gerüchte besagen, dass Herzog Alderan

von einem Vampir ermordet wurde. Vielleicht haben ja die Untoten ihre Finger im Spiel?« Seneschall Brunwald lachte auf. »Scheißhausparolen! Die untoten Blutsauger haben nie zuvor Interesse am Gotland gezeigt. Es ist viel zu weit von ihren eigenen Gefilden entfernt. Nein, nein! Diese seltsamen Ereignisse haben eine andere Ursache!« »Meine Herren! Das ist ja alles ganz schön und gut! Aber könnten wir uns bitte auf das vor uns liegende Problem konzentrieren?« Endlich ergriff Kommandant Langdorn das Wort. »Der Falknerturm steckt in arger Bedrängnis. Die dorthin ausgesandte Verstärkung

scheint keinerlei Besserung gebracht zu haben. Teile der Außenmauer brechen bereits! Wir müssen schnellstens überlegen, ob wir das Risiko eingehen wollen, auch noch die Pikeniere dorthin zu entsenden?« »Ich bin dagegen!« Heimtal schüttelte den Kopf. »Das ist unsere letzte Reserve! Ohne die Pikeniere haben wir niemanden mehr, der im Falle eines Durchbruches den Torbereich sichert.« »Was nutzt uns ein sicheres Tor, wenn die Orks an anderer Stelle in die Burg einfallen?« Der Kommandant zeigte auf die Stelle der Karte, die den Falknerturm zeigte. Viele grüne Steine sammelten sich an dieser Stelle. Sie

standen für schweres Kriegsgerät. »Trotzdem pflichte ich Euch bei, mein Freund! Wir sollten mit unseren Kräften haushalten. Wie wäre folgender Vorschlag? Wir bluffen! Dazu verstärken wir Lieutenant Schneiders Mauerstück einfach mit den Freiwilligen aus der Bürgermiliz. Die sind zwar allesamt schlecht bewaffnet und nur oberflächlich ausgebildet, aber sie simulieren eine starke Besetzung. Schneider soll im Gegenzug sofort drei Züge seiner besten Axtkämpfer zum Falknerturm schicken. Schneiders Entschlossenheit wird den Orks deutlich bewiesen haben, dass sie sich an dieser Stelle die Zähne ausbeißen. Den Verlust

ihres Belagerungsturmes dort haben sie mit Sicherheit noch nicht verwunden. Ich bin überzeugt, dass sie sich anderen Zielen zuwenden und Schneider eine Atempause gönnen werden. Warum sollten sie ihre Mühen an der vermeintlich härtesten Stelle verbrauchen, wenn unsere Verteidigung an anderen bereits bröckelt?« Zustimmendes Nicken begleitete die Ausführungen Langdorns. »Wenn ich Recht habe, kann es uns gelingen die Orks zurückzuwerfen und den gesamten Bereich wieder zu sichern. Irre ich, können wir die Pikeniere immer noch ins Getümmel werfen!« Irgendjemand klatschte einige Male in

die Hände. Sporadisch, aufreizend langsam und unverschämt laut. Eine Stimme erklang. »Welch mutiges Vorgehen! Wohl durchdacht und sogar mit einer Ausweichmöglichkeit für Notfälle versehen. Taktisch klug und der vorherrschenden Lage ausgezeichnet angepasst.« Brunwald der Seneschall blickte erschrocken zu Tür. Wie konnte es jemand wagen? »Wer seid Ihr? Was macht Ihr hier?« Wesentlich lauter fügte er hinzu, »Wachen, zu mir!« Der Fremde lächelte abfällig. »Eure Wachen sind tot! Zumindest jene die sich in Rufweite zur Kommandantur aufgehalten haben. Wir haben ein paar

Augenblicke…« »Vampir!«, stieß Heimtal atemlos hervor. »Also doch!« Frigore nickte beipflichtend. »Richtig! Ich fürchte nur, die Erkenntnis kommt ein klein wenig zu spät.« Wieder schrien die drei hohen Offiziere nach ihren Wachen. Zu ihrem Entsetzen ohne jeden Erfolg. »Was habt Ihr vor?« »Nichts weiter! Ich habe einer alten Freundin versprochen, ihr einen kleinen Gefallen zu erweisen.« Den Worten folgte ein bösartiges Grinsen das alle verbliebenen Fragen mit grausamer Deutlichkeit beantwortete. »Monstrum! So leicht wirst du uns nicht

kriegen! Zu den Waffen, meine Brüder.« Die drei Offiziere zogen ihre Schwerter und stürzten sich todesverachtend dem mächtigen Blutsauger entgegen. Trotz ihrer ausgezeichneten Ausbildung hatten sie nicht den Hauch einer Chance.

Fortsetzung

12. »Die Glutsümpfe! Sieh her Crane, dort sind sie. Wirken von hier aus eigentlich ganz friedlich, findest du nicht?« Evelyna, ihr Gefangener und die sie begleitenden sechs Schwarzelfen hatten soeben die Kuppe eines niedrigen Hügels erreicht und nun erstmals eine gute Sicht auf das vor ihnen liegende Gelände. Die Panthra zügelte ihr Pferd und tätschelte liebevoll den Hals des Tieres. Lächelnd sah sie zu ihrem Gefangenen hinüber. »Bereit dein letztes

großes Abenteuer zu wagen, Mensch?« Crane rang sich mühsam ein paar Worte ab. Jede Silbe durch sein geschwollenes Gesicht hindurch verursachte ihm höllische Schmerzen. »Versuch was du willst, die Drei werden nicht zulassen, dass ich hier sterbe. Nicht durch dich und schon gar nicht auf diese erniedrigende Art und Weise! Davon bin ich überzeugt…. Du wirst es sehen.« »Weißt du Crane, irgendwie mag ich deine Götter!« Evelyna umfasst den Knauf ihres Sattels mit beiden Händen und lehnte sich leicht nach vorne. Fast konnte man das Lächeln im Gesicht der Elfe als liebevoll bezeichnen. Wenn es nicht diesen kleinen, aber

unüberhörbar ironischen Unterton besessen hätte. »Sie haben eine ganz besondere Art von Humor. Jeder hier in der Gegend, der Sumpf eingeschlossen, möchte dich tot sehen.« Sie lehnte sich wieder nach hinten und streckte genüsslich den Rücken durch. »Trotzdem bringen sie dich nach wie vor dazu, fest an ihre Hilfe zu glauben. Mal im Ernst. Findest du wirklich, sie hätten sich für dich bisher besonders ins Zeug gelegt? Also ich nicht. An deiner Stelle würde ich langsam damit anfangen, mir ernsthaft Sorgen zu machen.« »Ich bin ihr treuer Diener, sie werden über mich wachen!« »Wirklich? So wie ich das sehe, bist du

ihnen mittlerweile vollkommen gleichgültig.« Der gefallene Paladin wollte etwas erwidern, stockte jedoch. Ihm waren ähnliche Gedanken auch schon durch den Kopf gegangen. Er hatte sich vor seinen Göttern versündigt. Wie es schien, nun sogar schon zum zweiten Mal. Evelyna schien Opfer, nicht Täter zu sein. Und er hatte es nicht bemerkt. War er denn wirklich so blind geworden? Es war Evelyna nicht anzusehen, aber jetzt wo sie sich den Ausläufern des Sumpflandes näherten, überlief sie ein seltsamer Schauer. Sie hatte viel

mitmachen müssen in ihrem bisherigen Leben und war eigentlich abgehärtet, dachte sie, doch die Erlebnisse die ihr in dieser Gegend widerfahren waren, saßen ihr noch frisch und plastisch im Gedächtnis. Die Erinnerungen die vor ihrem inneren Auge abliefen, zeigten Bilder von sadistischen Irrlichtern, widerlichen Riesenratten und einem gierigen Sumpfloch das schmatzend an ihrem Körper sog und beinahe lüstern versuchte, sie hinab zu sich in die Tiefe zu ziehen. Sie spürte dutzende, fettgefressene Maden die sich träge in ihrer Wunde wanden und sich hungrig an ihrem Fleisch labten. Ein verzweifeltes Keuchen entrang sich ihren Lippen. Sehr

leise nur, zu leise als das einer ihrer Gefährten es hätte mitbekommen können. Ein Schauer aus Grauen und Ekel gesellte sich hinzu und lief ihr in eisigen Wellen den Rücken hinab. Nicht! Es kostete Evelyna unglaublich viel Willenskraft nicht entsetzt aufzuschreien und sich das Hemd vom Körper zu reißen um nachzusehen ob auch wirklich alles in Ordnung war. Irgendwann erreichte die Gruppe die ersten Ausläufer des riesigen Sumpflandes und saß ab. Von hier an konnten die Pferde nicht weiter. Damit war die Zeit des Abschieds

gekommen. »Halar il nyhid! Ich kann euch gar nicht genug danken.« Die sechs Schwarzelfen lächelten und umarmten ihre neue Freundin voll Herzlichkeit. »Es war uns eine große Freude! Du bist etwas ganz besonderes. Vergiss das nie, Panthra. Bleib deinem Weg treu und halte unsere Geschenke an dich in Ehren.« Evelyna sah an sich herab, fasste an den Griff ihres neuen, reichverzierten Dolches und lächelte stolz. »Ihr habt soviel für mich getan. Kleidung, Ausrüstung, Waffen, Geld, Nahrung, all eure Hilfe. Ich kann euch das alles niemals

vergelten.« »Aber das hast du doch längst. Du hast uns daran erinnert wer wir sind! Uns wachgerüttelt, damals, als es am nötigsten war. Mach dir bitte keine Gedanken. Alles ist gut! Leb wohl, vergiss uns nicht und gib dem Menschen was er verdient hat! Und wenn du uns wirklich danken willst, dann kommst du uns eines Tages wieder besuchen.« »Das werde ich, versprochen. Nahib cuamar! Lebt wohl!« Evelyna wartete geduldig, bis ihre Freunde verschwunden waren, dann atmete sie tief durch und machte sich daran die Sümpfe zu betreten. Aller verstörenden Erinnerungen zum Trotz,

war sie fest entschlossen ihren Plan in die Tat umzusetzen. Crane sollte spüren was es hieß, sich vollkommen hilflos durch einen Ort wie die Glutsümpfe schlagen zu müssen. Er sollte am eigenen Leib erfahren, was sie dank seines Hochmutes alles hatte ertragen müssen. Davon würde sie nicht abweichen, ganz egal was auch immer geschehen würde. Doch wie so oft kam alles ganz anders. Schnell musste die Schwarzelfe erkennen, dass die offensichtliche Unfähigkeit der Menschen eine drohende Gefahr rechtzeitig zu erkennen, ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen drohte. Hinzu kam die schlechte

körperliche Verfassung in der sich der Krieger befand. Noch immer war sein Gesicht stark geschwollen, er war schwach und einige gebrochene Rippen ließen ihm jeden Atemzug unüberhörbar zur Qual werden. So stolperte Crane desorientiert und unbeholfen durch das nebelverhangene Grün der weiten Sumpflandschaft. Er war wie ein Kind! Nur mit sich selbst und seinem Leiden beschäftigt, blind für alles was um ihn herum geschah. Wenn sie nicht energisch eingriff, starb dieser Dummkopf schon in den ersten Minuten und nahm ihr somit die Freude ihn langsam zu Grunde gehen zu sehen. Mehrmals musste sie Crane heimlich in

eine andere Richtung manövrieren, damit er einer deutlich zu hörenden, riechenden, ja sogar sichtlichen Gefahr, nicht blindlings in die Arme wankte. Als endlich der Abend des ersten Tages in den Sümpfen hereinbrach, verließen Crane die Kräfte. Erschöpft ging er auf einem trockenen Landstück in die Knie und ließ den Kopf hängen. »Du hast gewonnen, Elfenhexe! Ich kann und ich will nicht mehr. Es wird dunkel und ich habe nicht die leiseste Ahnung wo ich bin oder wie es weiter gehen soll. Nimm den Dolch und beende dein blutiges Werk. Bitte! Meinetwegen lass mich auch einfach sterbend hier zurück. Mach was du willst, aber ich gehe keinen

Schritt weiter.« Gleichgültig zuckte Evelyna mit den Schultern. »Wie du meinst, Crane. Ich sagte bereits, nicht ich werde dich töten, sondern der Sumpf. Wenn du nicht mehr weiter kannst, bleiben wir hier und rasten. Ich habe es nicht eilig.« Der Krieger nickte erschöpft. Er war zu schwach zum Streiten. »Gut!« »Es dämmert bereits, du solltest dich auf die Nacht vorbereiten. Besonders in der Dunkelheit ist es hier sehr gefährlich!« »Ach? Und wie bitte schön soll ich das machen? Ich besitze nichts außer meiner Hose!« Gespielt überrascht hob die Schwarzelfe

die Augenbrauen. Aufgrund ihrer tiefschwarzen Haut war es im schwächer werdenden Licht der Dämmerung kaum noch zu erkennen. »Also das trifft mich jetzt! Bei der Selbstverständlichkeit mit der du mich damals hier herein gejagt hast, hätte ich schwören können du kennst dutzende Tricks mit denen man hier bequem überleben kann!?« »Du machst dich über mich lustig, Weib! Niemand kann das…« »Oh, ich habe es getan! Sogar für mehrere Tage. Unglaublich, oder?« Evelyna lächelte lieblich, ja beinahe zuckersüß. »Du bist doch ein gläubiger Paladin? Pass auf, ich habe eine Idee. Sieh mein Überleben doch einfach als

Willen deiner Götter. Sagen wir, um dich für deine Ignoranz und deinen Hochmut zu bestrafen!« Crane nickte stumm, Tränen der Verzweiflung standen in seinen Augen. »Ich fürchte du hast Recht! Ich habe den Pfad der Tugendhaftigkeit verlassen und bin abgekommen vom Weg der Rechtschaffenheit! Die Drei zürnen mir!« Die Elfe reagierte auf die Worte des Mannes indem sie genervt die Augen verdrehte. Diese Gottesmänner schienen bei ihrer Erziehung neben der für sie so typischen Blasiertheit auch eine gehörige Portion Selbstmitleid mitbekommen zu haben. Typisch Mensch!

Nein, …typisch Mann! »Erspar mir dein Selbstmitleid, Mensch! Du hast dich versündigt und nun wirst du zur Rechenschaft gezogen! So einfach ist das.« Sie schnaubte verächtlich. »Ich dachte, wenn jemand dieses Vorgehen kennt, dann du? Als Kettenhund der Götter war dir die Schuldfrage doch immer vollkommen gleichgültig. Du hast sogar selbst gerichtet. Ohne Urteil, ohne Schuldbeweis. So wie bei mir zum Beispiel!« »Ja natürlich! Aber verdient ihr das denn nicht auch? Solche wie dich zu richten ist meine Pflicht. Dafür wurde

ich ausgebildet! Mörder, Diebe, Betrüger, Strauchdiebe! Egal! Jede Sünde, …jeder Sünder verlangt danach, bestraft zu werden. So steht es geschrieben!« »Wie kann ein einzelner Mann nur mit derart viel Blindheit geschlagen sein?« Evelyna schüttelte entnervt den Kopf. Die Verstocktheit dieses Mannes kannte wirklich kaum Grenzen. »Nie hat es dich auch nur für einen Moment interessiert, welche Beweggründe die Opfer deiner blindwütigen Hetze hatten. Sicher gibt es viel Schlechtes in der Welt! Aber weißt du auch, dass viele Diebe nur deshalb stehlen, weil sie schrecklichen

Hunger haben? Andere morden aus einer Not oder einer tiefen Verzweiflung heraus, oder einfach weil sie sich nicht anders zu helfen wissen. Nicht jeder der gegen die Regeln deiner Götter verstößt, ist gleichzeitig böse!« »Verharmlose diese Taten nicht. Selbst Stehlen ist unrecht!« »So etwas sagt nur jemand, der nie wirklich Hunger leiden musste! Aber das lernst du ja gerade, nicht wahr? Du hast seit wie lange? Drei Tagen nicht gegessen? Wetten, dass dir bereits mehrfach durch den Kopf gegangen ist, wie es wohl wäre mich zu töten? Nicht etwa aus Hass, Rache oder Zorn, sondern einfach nur deshalb, weil du auf

die Vorräte in meinem Rucksack scharf bist. Aus Hunger!« Crane schüttelte energisch den Kopf, aber seine Augen straften die Geste lügen. Evelyna erkannte es und ließ nicht mehr locker. Sie wollte, dass dieser tumbe Narr endlich verstand, was sein blinder Fanatismus alles anrichtete. »Mord ist ebenfalls unrecht! Trotzdem hast du versucht mich umzubringen. Selbstgerecht und ohne zu wissen ob ich wirklich schuldig bin. Ohne Verhandlung, ohne Urteil!«, sagte sie mit deutlichem Vorwurf in der Stimme. Crane schüttelte langsam den Kopf. »Nein! Die Götter sorgten dafür, dass du mir in die Hände gefallen bist. Sie

wollten, dass ich dich einer gerechten Strafe zuführe!« »Ach ja? Und was, wenn sie es getan haben, um dich zu prüfen?« »Ich bin ein Paladin, Elfe! Als solcher bin ich der verlängerte Arm der Götter. Ihr Werkzeug! Paladine werden nicht geprüft! Sie sind unfehlbar!« Cranes Stimme überschlug sich fast. Er war derart erregt, dass er die Schmerzen und Behinderungen seiner Verletzungen kaum noch zu spüren schien. Evelyna nahm es gelassen. »Wie wir beide wissen, bist du aber kein Paladin mehr. Du hast dich vor deinen Göttern versündigt und sie haben dich fallen lassen. Für mich klingt das durchaus

nach jemandem der geprüft werden muss.« Trotz der Schwellungen zeichnete sich deutlich die nackte Wut in dem Gesicht des Kriegers ab. Fast hätte er sich mit bloßen Händen auf die verhasste Schwarzelfe gestürzt. Dann aber erkannte er mit dem geübten Auge des Kriegers, dass sie nur auf eine derart dumme Aktion wartete. Crane öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber dann brachte er kein Wort heraus. »Ja, das habe ich mir gedacht!« Schweigen folgte. Zeit

verging. »Feuer!« »Was?«, Evelyna war irritiert. »Wovon redest du?« »Ein Feuer!«, Der Mann wies mit dem Finger in die Gegend die sich im Rücken der Elfe befand. »Dort hinten, ganz schwach nur! Sieht fast wie ein Lagerfeuer aus.« Bevor Evelynas Augen der Richtung folgten, zog sie ihren neuen Dolch. Sie hielt Crane die Spitze entgegen um ihm zu verdeutlichen, dass sie nicht vorhatte, sich übertölpeln zu lassen. Dann erst folgten ihre Blicke dem Finger. Tatsächlich konnte man einen

schwachen Schein entdecken. Evelyna fühlte sich sofort an die Irrlichter erinnert und suchte nach Anzeichen die auf die fiesen kleinen Wichte hinwiesen. Es ließen sich jedoch keine entdecken. Das Feuer blieb vollkommen unbeweglich. Außerdem schien es das Einzige zu sein. »Ein Lager, tatsächlich! Wie seltsam!?« »Echsenmenschen!« Crane sprach das Wort mit Ehrfrucht. Jeder wusste, dass die riesigen Mischwesen schreckliche Kämpfer waren. Gewaltig, brutal und äußerst jähzornig. »Blödsinn!«, die Elfe schüttelte den Kopf. »Echsenmenschen haben keine Verwendung für Feuer. Außerdem hätte

ich sie längst gerochen.« Sie verzog das Gesicht und sah ihren geschundenen Begleiter mit beinahe resignierter Miene an. »Sie stinken nach ranzigem Öl, Fisch und faulendem Wasser. Selbst jemand wie du müsste sie auf eine Meile gegen den Wind riechen.« »Wer ist es dann?« Sie zuckte die Schultern und hob die Nase in den Wind. »Ich kann rein gar nichts hören, …was seltsam ist. Aber ich rieche etwas. Schwach nur…« »Was ist es?« Crane war sich seiner Hilflosigkeit bewusst und klang zu seinem Ärger ein wenig verängstigt. »Tod!« Evelyna schnüffelte weiter. »Hier im Moor eigentlich nichts

Ungewöhnliches. Alles hier riecht irgendwie nach Vergänglichkeit und Verwesung. Jetzt wo ich aber weiß dass etwas nicht stimmt, würde ich sagen dass auch der Geruch nach kaltem Blut in der Luft liegt. Schwarzem Blut!« »Orks!« Evelyna nickte stumm. »Hier? Unmöglich! Bist du sicher?« »Ja!« »Und nun?« »Nun gehe ich nachsehen, was sonst?« Die Elfe erhob sich, nahm ihre Sachen auf und verschwand lautlos in der Dunkelheit. Einige Zeit später erreichte sie eine flache Insel. Sie war größer als die

anderen um sie herum, stärker bewachsen und von seichtem Gewässer und torfigem Morast umgeben. Auffällig waren die vielen erstaunlich gesunden Bäume und Sträucher die eng aneinander gereiht auf ihr wuchsen. Anscheinend schien der Boden an dieser Stelle, im Gegensatz zum übrigen Sumpfgebiet, noch immer sehr fruchtbar zu sein. Vorsichtig schlich sich Evelyna in den seltsamen Hain. Es roch nach Harz und gesundem starken Holz. Eine lebendige Oase inmitten einer sonst eher faulig toten und deprimierenden Gegend. Der Ort hatte etwas bewegend Surreales. Dies aber auf eine ansprechend angenehme Weise. Nach wenigen Metern

erreichte die Schwarzelfe eine kleine Lichtung. Das vermeintliche Feuer das Crane und sie entdeckt hatten, befand sich in der Mitte dieser Freifläche. Nur seiner beachtlichen Größe war es zu verdanken, dass es noch nicht vollständig niedergebrannt war. Einige wenige Scheite brannten sogar noch, der größte Teil der Feuerstelle aber bestand nur noch aus Asche und schwach glimmender Kohle. Evelyna schätzte die Zeit zu der dort jemand zum letzten Mal frisches Holz nachgelegt hatte, auf etwa fünf bis sechs Stunden. Sie sah sich weiter um. Sofort fiel ihr Blick auf die Überreste eines besonders großen Kadavers. Irgendein Tier. Es war

fast vollständig zerlegt und schien an einigen Stellen sogar direkt angenagt worden zu sein. So sehr, dass sich kaum noch sagen ließ, um was für ein Wesen es sich mal gehandelt haben konnte. Ein Ochse vielleicht, möglicherweise ein Pferd? Evelyna befand sich noch immer am Rand des Lagers, zwischen mehreren zum Teil eingefallenen Zelten und einigen Fellen, die straff zwischen zwei Pfählen gespannt darauf warteten zu Leder gegerbt zu werden. Überall lagen stinkende Fäkalien und anderer Unrat. Dazwischen etliche bewegungslose Körper. Geduckt und möglichst in den Schatten verborgen schlich sich Evelyna

ins Zentrum des Geschehens. Es war wie sie vermutet hatte. Der Platz war übersäht mit sterblichen Überresten. Ausnahmslos Orks. Wenn sie keinen übersehen hatte, waren es vierzehn Leichen. Ein jeder von ihnen mit schweren Hiebwaffen erschlagen. Der Größe der Wunden nach zu urteilen, handelte es sich bei den Mördern tatsächlich um Echsenmenschen. Also hatte Crane richtig geraten. Nichts worauf er sich etwas einbilden sollte. Wahrscheinlich waren die zweibeinigen Reptilien die einzigen Wesen, die er überhaupt mit den Sümpfen in Verbindung bringen konnte? Aus einer alten Gewohnheit heraus

begann Evelyna damit, die toten Körper zu durchsuchen. Leider war nicht viel zu holen. Gold besaßen die Ork offensichtlich nicht, ihre Nahrung war ungenießbar und die überall herumliegenden Waffen waren alt, schwer und schartig. Plötzlich hörte sie ein leises Stöhnen. Sehr schwach nur. Es schien von einem der Orks zu kommen. Lebte also doch noch einer von ihnen? Suchend drehte die Elfe den Kopf und ließ ihr scharfes Gehör den Rest der Arbeit machen. Schnell war der Ursprung ausgemacht. Es handelte sich um einen riesenhaften Krieger. Muskeln wie Berge hatte er und eine Visage die an Hässlichkeit kaum noch zu überbieten

war. Dem Kopf der Grünhaut schien vor einer halben Ewigkeit ein gutes Drittel entfernt worden zu sein. Gewaltsam! Ein vertikaler Schnitt, mitten durch den Schädel, der aus irgendeinem Grund nicht tödlich gewesen war. Im Gegenteil, die Wunde war trotz ihrer Größe erstaunlich gut verheilt. Nicht wenige Teile der großflächigen Narbe waren zwar mit unansehnlichem Schorf bedeckt und nässten noch, aber sonst schien die Wunde gut verheilt. Es glich einem Wunder das dem Kerl nicht schlicht das Gehirn herausgefallen war. Die rechte Seite, inklusive Auge, Ohr, Kiefergelenk und anderer wichtig erscheinender Stellen, fehlte völlig. Es

war der Elfe vollkommen unverständlich, wie man Derartiges überleben konnte, aber es ließ sich nicht leugnen, dieser Ork besaß nur wenig mehr als einen halben Kopf! Ungläubig stupste sie den Krieger mit dem Knauf ihres Dolches in die Seite. »Hey!« Ein Stöhnen erklang. Evelyna untersuchte den riesigen Ork nach Verletzungen. Sie fand etliche, nicht wenige tief und eigentlich tödlich. Trotzdem lebte der Kerl. Ein verflucht zäher Hund war das! »Hey du!« Nicht die beste Wortwahl, das war ihr klar. Aber was sollte sie angesichts der

Lage schon anderes sagen? Sie selbst sprach kein orkisch, also hatte sie die Worte in der Sprache der Menschen gesprochen. Es war gut möglich, dass die sterbende Grünhaut sie letztlich gar nicht verstand, aber wenigstens nahm er sie jetzt wahr. Er öffnete sein verbliebenes Auge und blickte der Elfe furchtsam ins Gesicht »Wie ist dein Name, Ork?« »Ragnar…« Eine Panikwelle ließ ihn entsetzt aufschrecken. »Bei Groll! Die Echsenmenschen! Sie haben uns angegriffen…« Seine ebenfalls in menschlicher Sprache formulierten aber stark akzenthaltigen Worte verloren sich in einem Hustenanfall. Er spuckte

schäumendes schwarzes Blut. Ein sicheres Anzeichen für schwere innere Verletzungen. So wie Evelyna es sah, lag dieser Mann im Sterben. Beruhigend sprach sie auf ihn ein. Vorsichtig nahm sie seinen geschundenen Körper in die Arme und stütze den Rücken des Verletzten mit ihrem Knie. Niemand, nicht einmal ein Ork, sollte alleine sterben müssen. »Beruhige dich! Deine Feinde sind verschwunden. Du bist in Sicherheit! Nur ich bin noch hier und ich will dir nichts böses.« »Hilf mir, bitte!« »Das würde ich gerne, aber ich will ehrlich sein. Du bist sehr schwer verletzt. Ich wüsste nicht, was ich noch

für dich tun kann?« »Bitte! Ich bin reich und kann dich bezahlen! Rette meine Leben und ich überschütte dich mit Gold und Juwelen…« Ein erneuter Hustenanfall schüttelte den Körper der riesigen Grünhaut. »Gold sagst du? Erzähl keinen Blödsinn! Wie will ein einfacher Ork wie du an Gold gekommen sein?« »Du bist eine Elfe. Ihr Elfen habt doch heilende Zauberkräfte. Hilf mir bitte. Bitte, ich mache dich reich!« Die Sache mit der Elfenmagie war ein weit verbreiteter Irrglaube. Ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Mit dem Fall des Alten Reichs hatte der Großteil

der Elfen nicht nur seine Unsterblichkeit, sondern auch jegliche magische Begabung verloren. Die wenigen, die sich diese Kunst bewahrt hatten, gehörten, wie bei allen anderen Völkern auch, einer kleinen Minderheit an. »Gut! Ich werde sehen, was ich machen kann. Aber zuerst reden wir über dein angebliches Vermögen. Wie viel ist es und woher hast du es? Komm schon, beweis mir das ich dir vertrauen kann.« »Der Hort eines Jungdrachen. Ich stieß zusammen mit meiner Meute auf das Monster. Wir kämpften und siegten. Alle starben. Alle außer mir und Barragh. Ich…, wir… nahmen alles was wir tragen

konnten mit nach Hause. Es war so unglaublich viel! Berge aus Gold, Schmuck und Diamanten. Viel mehr als wir hätten tragen könnten. Ich versteckte was wir zurückließen. Tage hat es gedauert…« Der Ork atmete einige Male tief ein und aus. Röchelte. Dann verstummte er und sein Kopf glitt zur Seite. Erschrocken griff ihm Evelyna ans Kinn und drehte den Kopf so, dass er sie erneut ansehen musste. Obwohl sie sich vor der Berührung mit seinem entstellten Gesicht ekelte, ohrfeigte die Schwarzelfe den Mann mit einigen kraftvollen Schlägen. »Stirb mir jetzt nicht, verdammt! Rede!« »Hilf mir…«, stöhnte Ragnar

nur. »Ja doch! Aber zuerst will ich wissen, dass du mich nicht übers Ohr gehauen hast. Wo ist dieser Schatz?« »In Nekroponte…« »Was?« Evelyna starrte den Ork mit offenem Mund an. Zornig schlug sie ihm auf die riesige Brust. Zu spät ging ihr auf, dass es vielleicht keine gute Idee war. »Die Totenstadt? Du hässliche orkische Missgeburt! Willst du dich über mich lustig machen? Der Ort ist eine Legende, nichts weiter. Niemand kennt ihn! Niemand, hörst du? Und weißt du auch warum? Weil er mitten in den Verlorenen Landen liegt.« »Ich habe die Stadt gefunden! Zufällig.

Und ich habe meinen Schatz dort versteckt. Ein Vermögen, …wirklich!« »Und wenn schon. Nekroponte muss riesig sein! Den alten Geschichten nach, sind dort Hunderttausende zur letzten Ruhe gebettet. Da finde ich nie etwas! Du musst mir schon sagen wo genau du den Drachenhort verborgen hast.« »Ich…! Ich…!«, zähflüssiger Sabber lief dem Ork aus dem Mundwinkel. Erschlafft sank er in den Armen der Elfe zusammen. »Kratz mir jetzt bloß nicht ab, du fetter Dreckskerl! Ich hole meine Tasche ja sofort. Sprich mit mir.« Crane Barlowe erreichte in diesem Augenblick ebenfalls das Lager.

Wankend näherte er sich den beiden. Evelyna ignorierte ihn. Stattdessen fixierte sie sich auf den Ork. Nur zu gerne hätte sie ihm geholfen, ihn gerettet, nur um sich ein wenig mehr Zeit zu erkaufen. Doch es war hoffnungslos. Es war nur noch eine Frage der Zeit bis der Körper der gewaltigen Grünhaut aufgab und starb. »Bleib bei mir! Wo?« »Tempel…!«, ein weiterer Hustenanfall unterbrach den Satz. »K… Kato…« Es war sein letztes Wort. Ein leiser Seufzer folgte und ein kurzes Erbeben des Körpers. Dann erschlafften die Muskeln. Ragnar war tot. »Was hat er gesagt?«, fragte Crane

leise. »Nichts!« Evelyna schenkte ihrem unfreiwilligen Begleiter einen zornigen Blick. Dann begann sie damit, den Leichnam zu durchsuchen. »Unsinn hat er geredet! Angeblich hat er einen Drachenhort geplündert und seine gewaltige Beute in einer Stadt namens Nekroponte versteckt. Das lächerliche Gerede eines Mannes in Todesangst.« »Ich kenne diesen Ort! Er ist berühmt! Es geht um den Untergang der Goldenen Stadt. Richtig? Die Katastrophe, aus der die Verlorenen Lande entstanden. Das Ende der elfischen Unsterblichkeit…« »Und ihrer magischen Begabung. Natürlich, diese Geschichte kennst du

jetzt wieder! Dann hast du sicher auch gehört, dass die Legenden meinem Volk die Schuld an allem geben!?« »Den alten Geschichten nach, hat Großmagistrat Garbor Yl Jaargal –wie du schon sagtest, ein mächtiger Schwarzelfenmagier- versucht den Geist der Elfen von allen negativen Einflüssen zu befreien. Die Seelenreinigung! Alles Böse und Schlechte in ihnen sollte ausgemerzt werden. Ein gewaltiges Unterfangen! Der komplizierte Zauber missglückte jedoch und anstelle der wundersamen Läuterung zog eine große Depression durch die Gassen der Stadt. Hunderttausende begingen in einer

einzigen Nacht Selbstmord.« »Ja, ja! Das Reich zerbrach und war von da an verflucht! Das plötzliche Ende so vieler Leben lockte Dämonen, Drachen und allerlei untotes Geschmeiß aus den Tiefen der Unterwelt empor. Sie vernichteten was sich ihnen in den Weg stellte. Von diesem Tag an, war das gesamte Land für alles Lebende verloren. Nur wenigen gelang es zu fliehen. Die Spaltung des Elfengeschlechts in Schwarz und Gold begann.« Evelyna seufzte leise. »Gemeine Lügengeschichten die nur dazu dienen, den Genozid an meinem Volk zu legitimieren!« »Mag sein!« Crane zuckte mit den

Schultern. »Aber die Stadt existiert dennoch!« »Und wenn schon! Keiner von uns beiden weiß, wo sie sich befindet. Und selbst wenn, es gibt keinen direkten Weg in die Verlorenen Lande. Zumindest keinen, der nicht gleichzeitig auch ein sehr unangenehmes Ende für uns bereithalten würde.« »Doch, natürlich gibt es den!« »Unfug!« Evelyna schüttelte unwillig den Kopf. »Alle Straßen die einst durch das Nebelzinnengebirge in die Verlorenen Lande führten, wurden verschüttet oder auf andere Weise unpassierbar gemacht. Und das aus gutem Grund!«

»Ja ich weiß! Aber…«, stimmte ihr Crane zu. Er wollte noch mehr sagen, wurde aber rüde unterbrochen. »Meines Wissens existieren nur noch drei Wege. Einer liegt in Barkovia dem düsteren Reich der Vampire. Der andere schlängelt sich einmal quer durch die Eiswüsten im Norden. Und zu guter letzt könnten wir ja noch den reißenden Bregh stromaufwärts fahren. Da ich aber nicht schwimmen kann, fällt auch die Möglichkeit ins Wasser. Im wahrsten Sinne…« »Alles was du sagst ist richtig, Evelyna, Aber es gibt noch eine vierte Möglichkeit! Eine vergessene

Handelsroute der Zwerge. Bestehend aus natürlichen Höhlen, künstlichen Gängen und einigen verschlungenen Bergpfaden. Während meiner Zeit als Templer von Ambassador haben wir mal einen Mörder dort hindurch gejagt.« »Seit Jahrhunderten hat sich kaum noch ein Zwerg an der Oberfläche sehen lassen. Der Weg ist mittlerweile sicher baufällig oder ebenfalls verschüttet.« »Als ich dort war, sah er noch recht gut aus?« »Wie lange ist es her, dass du ein Templer warst? Acht Jahre? Zehn? Seit dem kann alles mögliche geschehen sein!« »Sicher! Aber wir könnten es doch

trotzdem versuchen…« Evelyna lachte hell auf. »Wir? Wieso wir? Wie kommst du darauf, dass es ein wir in unserer Beziehung gibt?« »Weil ich hier der Einzige bin, der diesen Weg kennt. »Wen kümmert das?« »Stell dir vor wie unermesslich Reich du werden könntest!« »Reichtum reizt mich nicht! Ich bin eine Diebin, ich nehme mir was ich brauche. Es ist allein die Freiheit an der mein Herz hängt.« »Du könntest das Gold auch anderweitig verwenden! Für deine Leute! Überleg, was alles möglich wäre! Du könntest die Zukunft deines Volkes nachhaltig zu

etwas Besserem verändern!« Evelyna antwortete nicht auf die Worte des Mannes und senkte stattdessen den Blick. Crane hatte eine äußerst empfindliche Stelle getroffen. Trotzig wandte sie sich von ihm ab. Sie brauchte Zeit sich die ganze Sache in Ruhe durch den Kopf gehen zu lassen. Was, wenn der Schatz tatsächlich so groß war, wie der Ork angedeutet hatte? Nachdenklich durchsuchte sie den leblosen Körper Ragnars. Dabei stieß sie auf einen seltsam gefärbten Dolch. Die Klinge schimmerte mattschwarz und schien äußerst scharf zu sein. Crane riss die Augen weit auf und pfiff respektvoll durch die Zähne. In seinem Gesicht

spiegelte sich eine Mischung aus Erregung und Ehrfurcht. »Unglaublich!« »Wie bitte?« »Das ist Adamantit! Tiefenerz.« Crane deutete auf die Klinge. »Weißt du eigentlich was du dort in Händen hältst, Lynn?« Die Schwarzelfe schüttelte den Kopf. »Nein? Was denn?« »Der Dolch ist ein halbes Vermögen wert! Das Metall aus dem er besteht ist selten, unzerbrechlich und beinahe unmöglich zu schmieden! Nur die Besten können das. Alte Legenden sprechen davon dass nur die kunstfertigsten aller Zwergenhandwerker

in der Lage sind, es überhaupt nach ihrem Willen zu formen.« »Meinst du er hat ihn aus dem Drachenhort?« Evelyna deutete auf den toten Ork. »Darauf wette ich sogar! Woher sonst?« »Hmm!« Die Elfe steckte die kostbare Waffe ein und fuhr sich mit beiden Händen durchs volle Haar. Eine für sie typische Geste der Ratlosigkeit. Es widerstrebte ihr zutiefst ausgerechnet mit dem Mann ein Bündnis einzugehen, der sie erst kürzlich in den sicheren Tod geschickt hatte. Doch Cranes Worte hatten sich unauslöschlich in ihren Verstand gebrannt. Die eigenen Leute retten,

bessere Zeiten herbeiführen. Alles wieder gut werden lassen. Sie hätte ihr Leben dafür gegeben. »Nun gut! Ich bin mir zwar sicher, dass ich es bitter bereuen werde, aber ich bin einverstanden. Arbeiten wir zusammen. Du führst mich in die Verlorenen Lande und ich werde zusehen, dass ich den Standort der Stadt Nekroponte herausfinde.« »Du wirst es nicht bereuen, Lynn!« »Da bin ich mir noch nicht so sicher! Sei also gewarnt! Wenn ich irgendwann das Gefühl habe, dass du mich erneut hintergehen willst, wirst du es bereuen.« »Das hast du nicht zu befürchten. Ich gebe dir mein Wort als Edelmann!«

»Menschenschwüre! Davon hat’s ne Menge gegeben in meinem Leben. Nicht einer war den Atem wert, den er verbraucht hat.« »Ich bin anders, glaube mir!« »Wir werden sehen.« »Ich strebe ich nicht nach dem Schatz, dass weißt du.« »Du folgst nur dem Weg den dir deine drei Götter gewiesen haben, schon klar.« Crane nickte. »Genauso ist es! Nun aber sollten wir uns überlegen, wie wir den Standort dieser verfluchten Stadt in Erfahrung bringen.« »Ich habe mich nie wirklich dafür interessiert.«, erwiderte Evelyna und

nickte zustimmend. »Aber ich weiß wo wir mit unserer Suche beginnen können. Wie du weißt habe ich Freunde in der Nähe« »Sehr gut, dann los! Ähm, Evelyna?« »Ja?« »Mir ist klar, dass ich mich dir gegenüber falsch verhalten habe und es tut mir aufrichtig leid.« Crane sah betreten zur Seite. »Entschuldige!« »Wir werden sehen! Ich traue dir trotzdem nicht, Mensch.« »Das kann ich verstehen! Aber erinnerst du dich an meine Worte? Ich wusste, dass ich hier nicht sterben werde. Der Wille der Götter hat mich hierher geführt und nun wissen wir auch

warum.« »Du meinst, dass alles hier geschieht nur aufgrund göttlicher Vorsehungen?« »Selbstverständlich!« »Das ist lächerlich! Jedes Wesen ist für sein Schicksal ganz allein verantwortlich.« »Auch damit hast du Recht! Allerdings gilt das nicht für einen Paladin. Wir Gotteskrieger legen Unseres allein in die Hände der Drei und lassen uns fortan nur noch durch ihren Willen leiten.« »Du bist nur kein Paladin mehr, Crane!« Die Worte schmerzten den Krieger, das sah man ihm an. »Nicht nach außen und vielleicht auch nicht mehr offiziell. Trotzdem spüre ich, dass ich noch immer

geführt werde.« »Die Götter haben das alles hier also nur geschehen lassen, damit du dich in die Verbotenen Lande begibst? Was für ein Unsinn!« Evelyna schmunzelte amüsiert. Die harte Schule des Lebens hatte sie gelehrt, dass nur vorankam, wer den Verlauf der Dinge entschlossen in die eigenen Hände nahm. »Die Wege der Götter sind oft rätselhaft und verschlungen. Ich bin zum Beispiel fest davon überzeugt, dass ich nicht dorthin geführt werde um das Gold zu bergen. Meine Aufgabe ist eine andere, größere, da bin ich sicher…« Evelyna seufzte entnervt. Gegen religiösen Fanatismus war kein Kraut

gewachsen. »Lass gut sein! Ich kann mit deiner seltsamen Philosophie nichts anfangen. Lass es uns einfach versuchen. Wir werden schon sehen, ob wir auch dann miteinander auskommen, wenn mal nicht einer von uns beiden in Ketten liegt.« Der Krieger nickte zustimmend. »Einverstanden! Eine Frage aber, habe ich noch! Jetzt wo wir nicht mehr versuchen uns gegenseitig umzubringen, hättest du da vielleicht irgendetwas zu essen für mich?«

Fortsetzung...

Ihr erstes gemeinsames Ziel als Verbündete, war das im Sumpf versteckte Lager der Schwarzelfendeserteure. Es lag in relativer Nähe, die beiden konnten sich dort ein wenig ausruhen, ihre Ausrüstung an das geänderte Vorhaben anpassen und neue Kräfte sammeln. Während Crane sich allein auf seine Genesung konzentrieren konnte, würde Evelyna die Gelegenheit nutzen und mit den Ältesten der Siedlung über die verschollene Stadt Nekroponte sprechen. Obwohl es zahllose überlieferte Geschichten zu diesem Thema gab, waren

sie bei den Schwarzelfen nicht sonderlich beliebt. Beinahe alle Legenden gaben dem Magier Garbor Jaargal die alleinige Schuld an der Katastrophe und beschäftigten sich ansonsten fast ausschließlich mit dem heldenhaften Kampf der elfischen Sonnenritter. (*Der, obwohl in dieser Richtung weitestgehend ignoriert, einen äußerst tragischen Verlauf nahm.) Es würde schwer werden, durch die in Jahrhunderten angewachsene Propaganda hindurch so viel brauchbare Wahrheit herauszufiltern, dass am Ende eine halbwegs brauchbare Ortsbeschreibung übrig blieb. Da Evelyna nicht wusste an wen sie sich sonst wenden sollte,

entschloss sie sich ihr Anliegen direkt dem Patrone des Lagers vorzutragen. Schon bei ihrem ersten Treffen hatte er sich als höflicher und hilfsbereiter Mann erwiesen. Wenn ihr jemand bei der Suche helfen konnte, dann er. Das ungleiche Duo erreichte das Lager ohne nennenswerte Probleme. Als man sie entdeckte, reagierten die Bewohner der kleinen Ortschaft mit Überraschung aber auch großer Freude. Niemand hatte damit gerechnet, dass es ein derart frühes Wiedersehen geben würde. Die anfängliche Verwunderung wechselte jedoch schnell in Begeisterung. Es dauerte nicht lange und die beiden waren

vollständig in die herzliche Dorfgemeinschaft integriert. Tage vergingen in denen es Evelyna ungemein genoss, sich frei und unbefangen bewegen zu können. Jetzt wo sie sich endlich wieder richtig gesund fühlte, sie nicht von Angst, Zorn und Rachegelüsten getrieben war und überall mit Freundlichkeit und Respekt behandelt wurde, blühte sie sichtlich auf. Endlich, nach all den Wochen des verbissenen Überlebenskampfes kam sie auch innerlich zur Ruhe. Sie genoss es, sich unbekümmert unter den eigenen Leuten bewegen zu können, jegliches Misstrauen fahren zu lassen und einem geregelten, wenn auch einfachen,

Tagesablauf nachzugehen. Sogar ihre unfreiwillige Partnerschaft mit dem Menschen kam ihr plötzlich nicht mehr so abwegig vor. Evelyna stellte überrascht fest, wie sehr sie das Leben an diesem Ort mit einer tiefen Befriedigung erfüllte. Am späten Nachmittag des sechsten Tages lud der Patron Alwin Doraňyr seine beiden Gäste zu einer wichtigen Unterredung ein. Den Traditionen entsprechend, traf man sich zu solchen Gelegenheiten am großen Feuer des Hauptplatzes. Beinahe das gesamte Dorf hatte sich eingefunden, um dem Gespräch zu lauschen. Auch das war Tradition. Schwarzelfen sahen in einer

engen Gemeinschaft eines ihrer größten Güter. Als sich Crane und Evelyna zum verabredeten Zeitpunkt auf dem Platz einfanden, erhob sich der Patron und begrüßte sie. »Ah, da seid ihr ja. Willkommen! Kommt bitte näher und setzt euch zu mir.« Doraňyr sprach die Worte in menschlicher Sprache. Crane rechnete es dem Dorfvorsteher hoch an. Die Menschheit hatte den Schwarzelfen übel mitgespielt. Trotzdem schienen sie keinen Groll gegen ihn zu hegen. Jeder einzelne Dorfbewohner begegnete ihm höflich, unvoreingenommen und mit

erstaunlicher Offenheit. Wesenzüge, die in den Städten die er normalerweise besuchte nur äußerst selten anzutreffen waren. Inzwischen sprach der alte Elf weiter. »Panthra! Du hast uns darum gebeten dir bei der Suche nach der Totenstadt Nekroponte zu helfen. Dazu muss ich dir leider sagen, dass wir dir nur eingeschränkt helfen können. Ihr seid einfach am falschen Ort. Beinahe jeder von uns ist ein Deserteur oder Flüchtling. Wir haben dieses Dorf aus dem Nichts heraus aufgebaut. Wir nennen weder Karten, Bücher noch sonstige Schriften unser eigen. Alles was wir haben entspringt unseren Köpfen

oder unserer Hände Arbeit. Trotzdem haben ich mich natürlich mit den anderen Alten beraten.« Evelyna nickte. »Die Problematik war uns bewusst, Alwin! Ich hatte allerdings gehofft, dass uns vielleicht eine Information aus den alten Geschichten weiterhelfen könnte? Irgendeine Information oder ein versteckter Hinweis nach dem wir uns richten könnten?« Ein alter Elf mit langen, schlohweißen Haaren erhob sich von seinem Platz. Da dieser nahe des Feuers gelegen war, verlieh ihm der Schein des Feuers in seinem Rücken eine seltsam bedeutungsvoll wirkende Aura. »Mein

Name ist Halmar Ymiidor. Ich bin der von diesem Stamm erwählte Hüter des Wissens.« »Es ist mir eine Ehre, Halmar.« Evelyna senkte den Kopf zur Begrüßung und legte für einen Moment zwei Finger an die Stirn. Das elfische äquivalent zum menschlichen Händeschütteln, dass allerdings nur zu besonderen Gelegenheiten üblich war. Crane tat es ihr hastig nach. Auch der Hüter reagierte auf die diese Weise. In seinen Augen blitzte kurz ein Funken, den man, wenn man ihn denn erhaschen konnte, durchaus als spitzbübisch bezeichnen konnte. »Ich kenne viele Geschichten. Längst aber

nicht alle. Eigentlich bin ich nur ein in die Jahre gekommener Jäger der das eine oder andere aufgeschnappt und in Erinnerung gehalten hat. Ich bin kein ausgebildeter Hüter, aber ich versuche mein Bestes um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Mein Wissen ist begrenzt, trotzdem kann ich euch vielleicht helfen.« Als Crane etwas erwidern wollte, stieß ihm Lynn unsanft in die Rippen. Niemand unterbrach einen Hüter, wenn dieser nicht ausdrücklich danach verlangte. »Mir ist etwas sehr interessantes aufgefallen! Mehrere Legenden sprechen von einer großen Straße, die vom

Haupttor der Goldenen Stadt hinab pfeilgerade in den Süden bis runter nach Barkovia geführt haben soll. Prunkvoll soll sie gewesen sein, ausgelegt mit kunstvoll gehauenen Platten aus Marmor und so breit, dass zwei Fuhrwerke bequem nebeneinander herfahren konnten.« Wieder unterbrach sich der alte Erzähler. Diesmal hielt sich Crane zurück und hielt den Mund. Evelyna bemerkte zufrieden, dass der Mensch offensichtlich in der Lage war dazuzulernen. Ein gutes Zeichen. Noch vor wenigen Tagen wäre er zu stur und zu stolz gewesen sich den Anordnungen einer Elfe zu beugen.

Halmar fuhr fort. »Natürlich kann ich nicht sagen an welcher Stelle ihr das Nebelzinnengebirge durchqueren werdet, aber ich gehe ziemlich sicher davon aus, dass es südlich der Goldenen Stadt, oder eben Nekroponte wie man sie heute nennt, sein wird. Haltet ihr euch also streng westwärts, werdet ihr früher oder später auf die Überreste dieser Straße treffen. Geht ihr diese dann in nördlicher Richtung entlang, müsstet ihr euer Ziel auf direktem Wege erreichen.« Er blickte Evelyna auffordernd in die Augen. »Großartig! Das müssten wir doch hinkriegen. Hört sich einfach an!«

Evelyna lächelte unsicher. Sollte es tatsächlich so leicht sein? »Moment!« Halmar ergriff erneut das Wort. »Nicht ganz, du vergisst ein wichtiges Detail. Die Straße existierte vor einer halben Ewigkeit. Wir müssen davon ausgehen, dass ein großer Teil davon überwuchert und zerstört ist. Es kann passieren, dass ihr sie überquert ohne es mitzubekommen. Wenn das geschieht! Wenn ihr die Straße überseht und ihr versehentlich zu tief in die Verlorenen Lande eindringt, ist das mit großer Wahrscheinlichkeit euer Ende! Das Risiko das ihr eingehen wollt ist groß!« »Mir gefällt es genauso wenig wie dir,

Hüter. Wenn wir aber an das Gold gelangen wollen, bleibt uns nichts anderes übrig. Wir müssen ganz einfach darauf hoffen, dass wir die Straße rechtzeitig entdecken! Wir haben keine andere Wahl!« »Vielleicht doch!« Halmar grinste auf seine für ihn so typische Weise. »Südlich von hier, direkt an der Grenze zum Orkreich, liegt die Menschenstadt Krol. Es ist ein übler Ort. Heruntergekommen und bewohnt von allerlei zwielichtigem Gesindel…« »Noch schlimmer! Dort leben nur Deserteure, Schmuggler und Mörder.«, warf Crane ein. Evelyna verdrehte die Augen, zu früh gefreut. Hatte sie Crane

nicht eben erst beigebracht die Rede des Hüters nicht leichtfertig zu unterbrechen? Nichts hatte dieser Kerl gelernt! Entnervt fuhr sie sich durchs Haar und funkelte Crane aus bösen Augen an. Den verstoßenen Paladin schien es nicht zu kümmern. Unbeirrt fuhr fort. »Sie nutzen die abgelegene Lage der Stadt, um sich dort vor dem Gesetz zu verstecken. Die Krone toleriert es, weil er sich gut gegen die Orks zu verteidigen weiß und so mehr oder weniger unfreiwillig dabei hilft, die Grenze zu schützen.« »Das wissen wir alles, Sir. Wir leben hier!« entgegnete Halmar freundlich und erstaunlich nachsichtig. »Trotzdem müsst

ihr als nächstes genau dorthin. Erstens benötigt ihr Maultiere für eure Ausrüstung und den Rücktransport des Goldes. So es denn wirklich welches gibt! Und zweitens lebt dort ein Elf der euch eventuell weiterhelfen kann. Salandor ist sein Name. Ein alter Mann der sich seinen Unterhalt mit…« Halmar verschluckte den Rest des Satzes und sah misstrauisch zu Crane hinüber. Dieser beantwortet den kritischen Blick mit einem ahnungslosen Schulterzucken. »Was ist? Stimmt etwas nicht?« »Es ist ein wenig kompliziert. Sagen wir einfach, dass er als Schreiber arbeitet. Niemand kennt die alten Sagen und Legenden besser als er. Wendet euch an

ihn, wenn ihr in Krol seid. Er ist ein guter Mann und wird euch sicher gerne weiterhelfen!« Die umstehenden Elfen nickten zustimmend. Anscheinend war der Name Salandor für sie alle ein Begriff. Für Evelyna jedoch nicht, sie hörte den Namen zum ersten Mal. Der Patron stand von seinem Platz auf und hob die Hände. »Damit ist für heute alles gesagt! Ich danke euch allen für euer Interesse. Habt einen schönen Abend.« Die Dorfbewohner entfernten sich und kehrten zu ihren Häusern zurück. Als auch Evelyna und Crane gehen wollten, rief der alte Elf ihnen etwas zu. »Panthra, bleib bitte noch einen

Augenblick. Ich möchte kurz unter vier Augen mit dir reden.« »Sicher! Worum geht es denn?«, antwortete Evelyna freundlich. Alwyn antwortete nicht direkt auf die Frage. »Lass uns ein paar Schritte gehen, meine Liebe. Es gibt nahe des Dorfes einen Pfad den ich sehr mag.« Evelyna nickte zustimmend. »Gern.« Sie gingen los. Es dauerte eine Zeit bis der Alte zu sprechen begann. »Du hast den Menschen, diesen Crane, nicht getötet. Warum? Als du uns verlassen hast, schienst du noch fest entschlossen?« »Mir fehlte die Gelegenheit. Bevor ich soweit war, stießen wir auf diesen

Ragnar und seine seltsamen Geschichten. Ich selbst konnte anfangs nur wenig damit anfangen, mir kam das alles viel zu seltsam und widersinnig vor, Crane aber erwähnte einen versteckten Weg durch die Berge. Verwandelte eine unmögliche Idee in einen umsetzbaren Plan. Schlussendlich schlug er mir ein gemeinsames Bündnis vor und ich ging darauf ein.« »Ich kenne die Geschichte…« Evelyna zog die Stirn kraus. »Dann verstehe ich dich nicht? Wieso fragst du mich dann?« Alwyn wirkte nachdenklich. Einmal mehr ließ er sich einige Zeit mit seiner Antwort. Schweigend führte er Evelyna

zwischen zwei Hütten hindurch. Dann betraten die beiden einen schmalen Pfad, der sich um den kompletten Ort herumzuschlängeln schien. Das Sumpfgebiet war an dieser Stelle nur wenig bewachsen und bot einen sehr guten Blick auf den Sonnenuntergang. Evelyna blieb abrupt stehen. Ihr stockte der Atem. Was sie sah, war wunderschön. Alles um sie herum erstrahlte in einem bezaubernden, unwirklichen Schein. Die rotgoldenen Strahlen des Abendrots tauchten die Moorlandschaft in ein ganz besonderes Licht. Nichts erinnerte mehr an die lebensfeindliche Umgebung, die Evelyna nur wenige Tage zuvor hatte kennen

lernen müssen. Hier an diesem wundervollen Ort verwandelte sich der Sumpf in ein verzaubertes Land, das einem mit seinem ganz besonderen Glanz das Herz aufgehen ließ. Vollkommen unvermittelt griff Alwyn das Gespräch wieder auf und riss seine Begleiterin damit recht unsanft aus ihrer romantischen Träumerei. »Wie lange seit ihr zusammen durch den Sumpf gegangen?« »Was? Ähm, ich… ich weiß nicht genau? Nicht sehr lange, etwas mehr als einen halben Tag würde ich sagen…?« Der Patron nickte. »Ein halber Tag…« »Ja!« »Die Sinne der Menschen sind

verkümmert und schwach, nicht? Das dürfte bei deinem Freund kaum anders gewesen sein.« »Stimmt!« Evelyna nickte zustimmend. Sie musste lächeln, als sie daran dachte, wie unbeholfen Crane tatsächlich gewesen war. »Er war vollkommen unwissend. Wie ein Kind!« »Trotzdem hat er mehrere Stunden überlebt. Warum?« Die erste spontane Antwort bestand in einem Schulterzucken. »Ich weiß nicht genau? Ich denke, ich wollte meine Rache genießen? Es kam mir nicht richtig vor ihn zu schnell sterben zu lassen.« »Und aus welchem Grund kam es dir so

vor?« »Ich verstehe nicht, Alwyn? Was sollen all die Fragen?« »Du hast recht. Lassen wir das. Ich habe auch genug gehört.« Der alte Elf nickte und lächelte nachsichtig. »Ich sage dir am besten gerade heraus was ich denke.« »Ich wäre dir sehr dankbar.« »Du hast Barlowe in Zollern gestellt und deine Wut an ihm ausgelassen. Danach hast du ihn, angeschlagen wie er war, bis zu den Glutsümpfen geführt. Eine bereits recht lange Reise, während der er bereits ziemlich gelitten haben muss. Schon gebrochene Rippen können äußerst schmerzhaft sein.« »Das hoffe ich sehr, denn er hat es nicht

anders verdient. Aber ich verstehe noch immer nicht, was du mir sagen willst, Patrone?« »Einen Moment noch, Liebes.« Alwin hakte sich bei seiner Begleiterin unter und stützte sich auf die Kraft ihrer Jugend. »Weiß du, ich bin sehr gut darin das Wesen meines Gegenüber zu ergründen und in dir sehe ich nichts böses.« »Ähm… Danke?«, antwortete Evelyna unsicher. »Trotzdem hast du Barlowe über Stunden durch den Sumpf irren lassen.« »So wie er es mit mir gemacht hat.« »Aber du hast dem Sumpf nicht die Gelegenheit gegeben ihn töten. So wie du

es eigentlich wolltest, nicht wahr? Immer dann wenn es brenzlig wurde, hast du heimlich eingegriffen und ihm das Leben gerettet.« »Na und? Ich wollte, dass er leidet…« »Wirklich?« »Natürlich! Welchen Grund sollte ich sonst gehabt haben?« »Du konntest es nicht!« »Wie?« Mittlerweile war Evelyna völlig verwirrt. »Ich habe schon oft getötet. Nie besonders gern und meistens nur, wenn ich keine andere Wahl hatte. Aber auch schon aus Rache. Crane wäre nicht der Erste gewesen.« »Und trotzdem konntest du es nicht!« »Ich…« Sie stockte und horchte in sich

hinein. Stimmte es, was der alte Elf da sagte? Hatte sie Crane vor dem sicheren Tod bewahrt, weil sie ihn nicht sterben lassen konnte? Was für einen Sinn sollte das machen? Der Mensch hatte sie über Tage in Fesseln neben seinem Pferd herlaufen lassen. Hatte sie unbewaffnet und verletzt in die Sümpfe gejagt. Wieso sollte sie Bedenken haben, sich bei ihm in gleicher Weise zu revangieren? Das war Unfug! Vollkommener Blödsinn. Und doch. Irgendetwas tief in ihr wusste, dass Alwyn recht hatte. Der fuhr inzwischen unbeirrt fort. »Du konntest es nicht, weil du den Menschen gern hast. Ich sehe es in deinen Augen.« »Was?« Das Wort entsprang ihrer Kehle

als spitzer, kurzer Laut. Evelynas aufkeimenden Selbstzweifel waren mit einem Mal wie weggewischt. Es mochte viele Gründe für ihr Verhalten gegeben haben, sicher, aber Sympathie oder gar andere Gefühle hatten ganz sicher nichts damit zu tun. Ihr Herz gehörte nur einem einzigen Mann und der war seit vielen Jahren tot. Jorgan! Ihr geliebter Jorgan. Wie sehr sie ihn vermisste. Seine Nähe, seine Liebe, seine angenehme Stimme. Wut kochte in ihr hoch. Wieso verglich sie die beiden Männer überhaupt miteinander? Und woher nahm der Alte das Recht solch irrwitzigen Mutmaßungen anzustellen?

Sie würde niemals einen anderen Mann lieben als Jorgan. Niemals! Und wenn es eines Tages doch jemanden geben würde der ihr Herz für sich gewann, dann war es ganz sicher kein Mensch! »Nein! Genug! Kein Wort mehr! Du irrst dich alter Mann. Ich habe Crane verschont, weil ich Freude daran hatte ihn leiden zu sehen. Nichts sonst!« Evelyna wandte sich abrupt ab und stürmte zornig davon. Alwyn sah ihr lange nach. Er hatte mit seiner Vermutung also tatsächlich richtig gelegen. Sie hegte Gefühle für den Menschen. Ihrer erstaunlich heftigen Reaktion nach zu urteilen, war es sogar noch um einiges schlimmer als er

gedacht hatte. Der Alte lächelte. Wenn er etwas über das Leben gelernt hatte, dann das sich Gefühle nicht einengen ließen. Ihnen waren gesellschaftliche Zwänge und rassistische Vorurteile vollkommen egal. Liebe sprengte alle Grenzen und kannte keine Hürden. Sie machte was sie wollte! Alwin gönnte es der Kleinen von Herzen. Evelyna musste in ihrem jungen Leben bereits so viel ertragen. Sie hatte sich ihr kleines Stück persönliches Glück redlich verdient. Nun musste sie es nur noch zulassen… 13. Wehranger war endlich gefallen. Es war

ein teuer erkaufter Sieg, der auf beiden Seiten große Opfer gefordert hatte. Aber es war trotz allem ein Sieg! Letztlich konnten die Orks dank ihrer Übermacht die Schlacht für sich entscheiden. Lange Zeit jedoch stand dieser Erfolg auf Messers Schneide. Frigores hinterlistiger Mord an den menschlichen Befehlshabern hatte den Menschen zwar einen herben Rückschlag versetzt, sie aber trotzdem nicht wie erhofft zur sofortigen Kapitulation gezwungen. Die verteidigenden Ritter und Milizen wollten einfach nicht aufgeben. Sie kämpften verbissen um jeden Zentimeter ihrer Heimatstadt und konnten sich der immer deutlicher werdenden Dominanz

der Grünhäute einfach nicht ergeben. Todesverachtend stemmten sie sich dem Feind entgegen und kämpften selbst dann noch wie die Löwen, als sie dem Gegner bereits zehn zu eins unterlegen waren. Schlussendlich aber gelang es den Orks, die schützenden Mauern in großer Zahl zu überwinden und in die Stadt einzufallen. Sie brandschatzten, plünderten und mordeten wie eine blutrünstige Urgewalt und hinterließen überall dort wo sie sich austobten, nichts mehr als Tod, Asche und Verzweiflung. Frigore hatte für solche Dinge nichts übrig. Ihm genügte es, sich an einigen Gefangenen zu stärken und anschließend auszuruhen.

Dann, als erneut die Nacht hereingebrochen war, begann er erneut mit seiner Suche nach Ragnar. Bei den chaotischen Zuständen die im Innern der Stadt vorherrschten, war mit den Orks allerdings nichts anzufangen. Ein Tag war mittlerweile vergangen und noch immer gebärdeten sich die Grünhäute wie tollwütig. Überall aus der Stadt erklangen verzweifelte Schreie. Meterhohe Flammen leckten in den wolkenverhangenen Nachthimmel. Den Vampir widerte diese tierhafte Haltlosigkeit an. Er blieb alleine, draußen vor den Mauern, und beschränkte sich fürs Erste darauf, die

Körper der Toten zu inspizieren, die man achtlos auf dem Schlachtfeld zurückgelassen hatte. Vielleicht fand er ja Ragnars Leichnam oder irgendeinen anderen nützlichen Hinweis? Frigore gab sich dabei allerdings keinen falschen Illusionen hin. Ihm war vollkommen klar wie hoffnungslos, ja beinahe verzweifelt seine Suche war, doch er scheute sich noch immer davor, seiner Herrin unter die Augen zu treten und seine Belohnung einzufordern. Nicht etwa, weil er es sich nicht redlich verdient hätte. Bestimmt nicht. Allein seinem überaus klugen und mutigen Eingreifen war es immerhin zu verdanken, dass der Sieg am Ende

überhaupt erst möglich wurde. Nein, er fürchtete sich deshalb vor einer Begegnung mit seiner Fürstin, weil er sich sicher war, dass sie noch weitere düstere Pläne mit ihm hatte. Ihr war es gelungen einen grandiosen Sieg zu erringen und es würde Frigore nicht wundern, wenn ihr das jetzt zu Kopf stieg. Stunden vergingen in denen der Vampir keinen einzigen Schritt vorankam. Mitternacht war lange vorbei. Verdammt! Frigore musste sich zerknirscht eingestehen, dass er in eine Sackgasse geraten war. So kam er einfach nicht weiter. Ragnar auf diese Weise finden zu wollen, glich der Suche nach der Nadel

im Heuhaufen. Erschöpft und aufs Äußerste gereizt setzte sich der untote Assassine in das zertrampelte Gras des Schlachtfeldes und lehnte sich müde mit dem Rücken gegen einen der Felsen, die vereinzelt auf dem freien Gelände zu finden waren. Wie sollte es nur weitergehen? Was konnte er noch tun um sein Ziel zu erreichen? Frigore griff sich mit Daumen und Zeigefinger an die Nasenwurzel und senkte müde den Kopf. Das flattern großer lederner Schwingen drang an sein Ohr. Ein großer Körper landete hinter ihm, verwandelte sich. Nur Augenblicke später erklang die betörende Stimme einer sich nähernden Frau.

Tanina! Also hatte sie ihn am Ende doch gefunden. Natürlich! »Frigore, mein Freund! Ich habe überall nach dir gesucht. Ist alles in Ordnung? Ich war in großer Sorge deinetwegen.« »Es geht mir gut, danke Herrin!« »Es freut mich, das zu hören. Aber was treibt dich bloß hierher? Nichts ist deprimierender als ein verlassenes Schlachtfeld. Überall nur erkaltetes Blut, das ungenutzt in der Erde versickert. All die verschwendeten Köstlichkeiten.« Tanina war schön und anziehend wie

selten. Ihr Lächeln betörte die Sinne, ließ einen schwindeln und in stiller Sehnsucht vergehen. Sie sah wundervoll aus. Der Sieg über die Menschen schien ihre besten Seiten zum Vorschein zu bringen. Lag es daran? Oder hatte sie einfach derart viel Blut getrunken, das sie vor fremder Lebenskraft nur so strotzte? Was auch immer die Ursache war, Frigore konnte sich den weiblichen Reizen seiner Fürstin kaum mehr entziehen. Zu Lebzeiten hätte ihm vor Erregung der Atem gestockt. Unsicher blickte er die Fürstin an. »Ich habe nach Ragnar und meinem Dolch gesucht, Herrin. Leider jedoch ohne Erfolg!« Tanina lachte glockenhell. Es klang

fröhlich, zuckersüß und in keinster Weise überheblich. Aufreizend langsam ging sie in die Knie. Dann strich sie ihrem deprimierten Mitstreiter zärtlich durchs Haar. Ihr Duft, das perfekt sitzende Kleid aus Samt und Seide, ihre wundervolle Stimme. Ihre verstörende Nähe. Frigore war wie berauscht. »Habe ich denn nicht versprochen, dir zu helfen? Ich weiß wo Ragnar ist. Du hast mich gebeten nach ihm zu suchen und es war mir ein Leichtes ihn zu finden.« »Wirklich? Wo ist er?« Wie schön sie ist… Frigore konnte an nichts anderes mehr

denken. »Mein lieber, lieber Freund. Ich könnte dir jetzt erzählen was ich alles für dich habe aufwenden müssen. Wie viel Mühe mich die Suche gekostet hat. Ich könnte die Neuigkeiten, die ich in Erfahrung bringen konnte, gnadenlos zu meinen Gunsten ausnutzen. Aber wäre das fair? Nein! Wirklich nicht, denn es war so unverschämt einfach. Die Grünhäute erzittern förmlich unter meinem Befehl. Wenn ich etwas verlange, wird es umgehend ausgeführt. Schnell und ohne jedes zögern. Die Orks lechzen nach meiner Herrschaft, weißt du? Sie betteln mich förmlich an sie zu regieren. Und du hattest Zweifel! Nanntest sie

unregierbar. Frigore, sie machten mich ganz ohne mein Zutun zu ihrer Königin.« Auch wenn die Worte ein wenig tadelnd klangen, so ergötzte sich die Vampirfürstin doch hauptsächlich an ihrer neuen Macht. »Aber genug davon. Zurück zu deiner Frage. Ragnar Schädelspalte ist so etwas wie eine kleine Berühmtheit bei den Orks, wusstest du das? Der Krieg soll ihn mal sehr reich gemacht haben. Angeblich hat er sein riesiges Vermögen innerhalb kürzester Zeit wieder verprasst und sich anschließen reumütig zurück zum Kriegsdienst gemeldet. Uns mag derartiges unsinnig, ja sogar dumm

erscheinen, für einen Ork aber ist genau das der Stoff aus dem ihre Helden sind.« »Wo finde ich Ragnar?« »Er ist geflohen! Frühzeitig desertiert, vor etlichen Tagen schon. Anscheinend glaubte er nicht daran, dass Wehranger zu besiegen sei und hat sich lieber aus dem Staub gemacht. Es heißt, er wäre mit ein paar Gleichgesinnten nach Westen aufgebrochen.« »Danke Herrin! Wenn Ihr nichts dagegen habt, werde ich mich gleich auf die Jagd nach ihm machen. Ich…« Frigore sah der mächtigen Vampirfürstin direkt in die Augen. Ein Fehler! Ihm war plötzlich, als bestände die gesamte Welt um ihn herum aus nichts anderem

mehr. So schön… »Natürlich. Und weißt du was? Ich helfe dir! Ich stelle dir sogar ein halbes Dutzend Krieger zur Seite. Außerdem einige meiner besten Barkovianer. Aus eigener Zucht, die schnellsten Pferde auf dem ganzen Kontinent.« »Wirklich? Ihr lasst mich ziehen, Herrin? Ich dachte…« Zärtlich und aufreizend langsam ließ Tanina ihre Hand aus dem Haar heraus die Wange des Mannes hinabgleiten. Vorsichtig ergriff sie sein Kinn und drehte den Kopf so, dass er gezwungen war sie anzusehen. »Was dachtest du? Das ich mein Wort nicht halte? Dich

hintergehe? Wie könnte ich, nach allem was du für mich getan hast. Du bist mein Held, Liebling. Dir allein habe ich meinen bisher größten Sieg zu verdanken. Ich weiß das und möchte mich erkenntlich zeigen…« Lasziv langsam beugte sich die Fürstin hinab und hauchte Frigore einen Kuss auf die Lippen. Der seufzte nur leise. Er war ihr willenlos ergeben. Tanina setzte sich auf ihn, umwickelte ihn mit ihren langen Beinen. »Ich werde dir meinen Körper schenken! Mich dir hingeben.« »Herrin?« »Willst du mich denn nicht?« »Doch!«, ein Flüstern. Nicht mehr als ein

heiserer Hauch. Es brauchte keine weiteren Worte. Tanina schmiegte sich eng an Frigore heran. Umschlang ihn nun auch mit ihren Armen ließ die weiblichen Vorzüge ihres Körpers für sich sprechen. Ihre Küsse wurden leidenschaftlich, fordernd. Der Körper des untoten Assassinen reagierte sofort. Deutlich spürte sie, wie sich seine Männlichkeit erhob und ihr entgegenstreckte. Ein finsteres Lächeln umspielte die Lippen der Fürstin. Jedoch nur für einen winzigen Augenblick. Männer waren so leicht zu manipulieren. Selbst der tote Körper eines Vampirs erinnerte sich deutlich an den Akt der Zweisamkeit, der zu Lebzeiten einen

großen Teil seines Denkens und Handelns eingenommen hatte. Tanina begann damit, den Hals ihres Opfers zu liebkosen. Sie fühlte raue Hände die fordernd unter ihr Kleid glitten und damit begannen ihren schlanken Körper zu erkunden. Wie leicht es wäre, jetzt von ihm zu trinken. Frigore war ihr vollständig verfallen, unfähig sich in irgendeiner Weise gegen sie zu wehren. Lustvoll streckte er ihr den Hals entgegen, bettelte förmlich darum, dass sie ihre Zähne in sein weißes Fleisch schlug und das Leben aus ihm heraus saugte. Ihr Zauber wirkte so wie sie es zu erwarten war. Natürlich, ihrer übernatürlichen Kraft konnte sich nichts

und niemand entziehen. Nur ein einziger Blick genügte. Ein kurzer, verhängnisvoller Augenkontakt. Würde sie ihn jetzt bitten sich selbst einen Dolch ins Herz zu stoßen, er würde ihrem Begehren ohne Zögern nachkommen. Tot aber nutzte er ihr nichts. Sie hatte andere Pläne. Liebevoll schmiegte sie sich an ihn. Eng und leidenschaftlich. Willig! Sanft strich sie über Frigores breiten Rücken. Er war muskulös und durchtrainiert, der athletische Körper eines Kriegers. Neckisch wanderte ihre Hand nach oben, erreichte die Schulterblätter. Zärtlich begann sie damit ihn dort zu massieren. Ihre Küsse liebkosten derweil seinen

offen da liegenden Hals. Seine Haut war kalt und schmeckte nach Tod. Tanina liebte diesen Geschmack. Untote Liebhaber reizten sie ungemein, denn nur sie waren ihr halbwegs ebenbürtig. Sofern dieses Wort überhaupt auf irgendein Wesen zutraf. Unbemerkt und schnell führte sie ihr linkes Handgelenk am Mund vorbei. Ihre rasiermesserscharfen Fangzähne durchschnitten die weiche Haut ohne Probleme. So tief, dass ein großer Schwall dunklen Blutes hervortrat. Die Fürstin löste sich aus der Umarmung. Ihr Blick suchte den Seinen, heftete sich an ihm fest. »Begehrst du

mich?« »Ja Herrin!«, Frigores Stimme war belegt und heiser. »Wie schön. Und ich sehne mich nach dir…« Es folgte ein kurzer Augenblick des Schweigens »Liebling?« »Ja?« Sie küsste ihn sanft. Liebkoste seinen Mund mit der Zungenspitze, zeichnete neckisch mit ihr die Konturen seiner Lippen nach. Genießerisch langsam, fast mit so etwas wie Widerwillen löste sich Tanina wieder. Nur wenige Millimeter vor seinem Gesicht verharrte sie. Falsche Liebe funkelte in ihren sonst so

kalten Augen. Die perfekte Lüge. »Darf ich dich um etwas bitten?« »Um was du willst…« »Trink von mir!« Eine Antwort war nicht nötig. Im stillen Gehorsam presste Frigore seinen Mund auf die blutende Stelle. Gierig nahm er die dunkle Flüssigkeit in sich auf. »So ist es gut. Mach mich zu einem Teil von dir. Trink nur ordentlich, mein Liebling! Trink!« Die mystische Kraft des mächtigen Vampirblutes erreichte die Sinne des ahnungslosen Opfers und stellte eine Art telepatischer Verbindung her. Von nun an würde Tanina frei nach belieben und vollkommen unbemerkt auf jeden seiner

Sinne zugreifen können. Sie war zwar nur ein stiller Zuschauer im Hintergrund und konnte selbst in keinster Weise aktiv eingreifen, für den Plan den sie verfolgte, war dies aber auch überhaupt nicht notwendig. Tanina genügte es zu erfahren, was es mit Frigores seltsamer Suche nach dem Ork Ragnar auf sich hatte und warum er so verbissen hinter ihm her jagte. Sie glaubte nicht an einen schnöden Diebstahl. Der schwarze Dolch mochte durchaus kostbar sein, aber er war sicher nicht wertvoll genug, um einen Vampir von Frigores Qualitäten derart für sich einzunehmen. Nein, hier ging es um mehr, viel mehr. Und was es auch war, sie würde ihren Anteil daran

haben. Tanina zog ihren Arm zurück, er hatte genug getrunken. Sie hatte was sie wollte. Nun galt es nur noch, möglicherweise aufkeimendes Misstrauen direkt im Keim zu ersticken. Frigore durfte sich unter gar keinen Umständen erinnern. Wenn er wieder zu sich kam, würde er sofort wissen, was das alles zu bedeutete hatte und sich gegen sie zur Wehr setzen. Soweit aber, würde Tanina es nicht kommen lassen. Sie wusste genau was in solchen Fällen zu tun war. Nichts war leichter als das. Sie musste die nebelhaften Erinnerungsfetzen in seinem Hirn einfach nur mit einigen wesentlich

bedeutsameren Empfindungen überlagern. Sie unter einer Flut von Leidenschaft und Glückseligkeit begraben. Tanina öffnete ihr Kleid und entblößte schneeweiße Brüste. Frigore seufzte lustvoll und breitete einladend die Arme aus. Bereit seine Fürstin zu empfangen. Sie lächelte so gekonnt, das es tatsächlich aufrichtig wirkte und sogar einen Hauch Erregung mit sich führte. Dann lehnte sie sich nach vorne und gab sie sich dem Begehren des Kriegers hin. Wie leicht es doch war…

Fortsetzung...

14. »Das ist also Krol!« Evelyna klang ein wenig überrascht. »Dafür, dass immer alle so schlecht über diese Ort reden sieht er eigentlich recht einladend und normal aus. Richtig nett!?« Sie unterbrach sich und ließ einen Moment den Blick schweifen. »Wenn man von der starken Befestigung mal absieht.« Crane zuckte mit den Schultern und lehnte sich kurz auf seinen Wanderstab. »Du warst nie hier? Wirklich? Wenn es stimmt was man über dich sagt, wundert

mich das ein wenig.« »Warum? Weil jeder Schurke einmal in seinem Leben unbedingt hier gewesen sein muss? Was für ein Unsinn! Außerdem vergisst du, dass es Schwarzelfen verboten ist, sich frei im Gotland zu bewegen.« »Als ob dich das abhalten würde.« »Natürlich nicht.«, ein verschmitztes Grinsen trat auf die Lippen der Elfe. »Aber ein derart ungünstig gelegener Ort wie dieser, lohnt das Risiko nicht. Zu nah an der orkischen Grenze, jede Menge unehrlicher Konkurrenz und viel zu wenig Möglichkeiten eine schnelle Krone zu machen.« »Glaub mir, Lynn. Ich kenne viele

Städte. Sie alle sind verdorben. Doch Krol, dieser angeblich so nette Ort dort vor uns, ist von allen der Schlimmste.« »Was du nicht sagst!« »Warte es ab und du wirst sehen. Ein widerliches Nest voll dreckigem Abschaum. Sünde, wohin das Auge reicht!«, sagte Crane mit einem deutlich Ausdruck des Widerwillens im Gesicht. »Ok, jetzt hast du mich neugierig gemacht!« Evelynas Interesse war geweckt. Entschlossen dreinblickend beschleunigte sie ihren Schritt. Nur wenig später erreichten sie das weit geöffnete Stadttor. Zwei etwas verwahrlost wirkende Wachleute stellten sich ihnen in den Weg und hoben die

Hand. Den Rängen nach handelte es sich um einen Korporal und einen einfachen Wachmann. »Halt im Namen des Königs! Was ist euer Ziel?« »Ich bin Kaufmann und aus rein geschäftlichen Gründen hierher gekommen. Meine Begleiterin ist…« Crane und deutete auf sich und Evelyna, als er mitten im Satz unterbrochen wurde. »Eine Schwarzelfe! Deine kleine Lustsklavin, wir verstehen schon. Eine kleine Gespielin, damit einem der Weg nicht so lang wird.« »J…«, wollte der ehemalige Paladin gerade zustimmen, als er rüde von seiner

schwarzhäutigen Begleiterin unterbrochen wurde. »Das würde euch gefallen, was? Aber nein, leider muss ich euch enttäuschen. Ich bin ein Bote des Herzogs, der Provinz Grenzlande. Meine Pläne sind geheim und gehen euch nichts an. Auf dem Papier steht, dass ich mich frei im Reich bewegen kann und ihr darüber hinaus sogar verpflichtet seid, mich nach Kräften zu unterstützen! Hier!« Sie hielt der Wache ein Pergament unter die Nase, das sie mit einer schnellen Bewegung aus ihrer Umhängetasche gezogen hatte. »Von Herzog Alderan persönlich beglaubigt und unterschrieben.« Die Wachleute sahen auf das Dokument.

»Ein Schwarzelfenkurier? Seit wann gibt es denn so was?« »Schon lange, wir haben Krieg! Schwarzelfen laufen schneller und ausdauernder als Menschen und bewegen sich im Gegensatz zu Pferden, vollkommen unauffällig durch das Land.« »Klingt logisch.«, murmelte einer der beiden Wachleute und starrte weiter angestrengt auf das Pergament. »Was ist nun? Kann ich passieren oder nicht?« Weder der Korporal noch sein Kamerad konnten lesen. Diese seltene Kunst beherrschte nur ihr Sergeant. Der jedoch war bereits vor einigen Tagen verstorben,

weil er den falschen Leuten die falschen Fragen gestellt hatte. Immerhin erkannten die beiden Wachleute den Namen ihres obersten Dienstherren und das herzogliche Wappen. »Alderan ist tot!«, stellte der Korporal fest. Wichtig sah er zu seinem Kollegen hinüber, der den Satz mit einem ebenso bedeutungsvollen Nicken beantwortete. Evelyna hatte die Frage erwartet. »Ja, davon habe ich gehört! Ändert das irgendetwas an der Gültigkeit meiner Order?« Die Soldaten sahen sich ratlos an. Ein derartiges Schreiben war ihnen bisher nicht untergekommen. Allerdings sah es ziemlich offiziell aus. Was durchaus für

seine Echtheit sprach. »Ich glaube nicht!?«, sagte der einfache Wächter und kratzte sich am Hinterkopf. »Nicht solange es keinen neuen Herzog gibt, der etwas anderes sagt, würde ich meinen.«, fügte der Korporal hinzu. »Also geht es in Ordnung, dass ich die Stadt betrete?« Die Männer zuckten gleichgültig mit den Schultern. Wie selbstverständlich streckte der Dienstgrad höhere die Hand aus. »Gib jedem von uns zehn Tryaden (*dreieckig geformte Silbermünzen) und wir vergessen die Sache. Nur zur Beruhigung unseres schlechten Gewissens natürlich. Denn wisst ihr, eigentlich müssten wir euch beide bis zur

Klärung des Sachverhaltes hier festsetzen…« »Was?« entfuhr es Crane entsetzt. »Ihr erbittet dreist Geld von uns? Das ist Bestechung? Das dürft ihr nicht! Ich…« »Wir…«, verbesserte Evelyna und brachte ihren Begleiter mit einem vernichtenden Blick zum Schweigen. »…schätzen es außerordentlich, dass sich dieses kleine Problem so unbürokratisch und schnell aus dem Weg räumen lässt.« Sie ließ vierundzwanzig Münzen in die offene Hand des Korporals fallen. »Nehmt das zusätzliche Silber als dank für eure Hilfsbereitschaft.« »Danke

Herrin!« Sicherheitshalber ließ die Elfe noch einen verführerischen Augenaufschlag folgen, dann schob sie Crane durchs Tor in die Stadt hinein. Als sie halbwegs außer Hörweite waren, ließ sie ihrer Wut freien Lauf. »Bist du jetzt vollkommen verrückt geworden? Was sollte das denn?«, sie boxte Crane fest auf den Oberarm. »Das sind Soldaten des Königs. Ich kann nicht glauben das sie Geld von uns genommen haben.« »Hast du vergessen wo wir sind? Natürlich haben sie Geld genommen! Du selbst hast doch gesagt, dass hier das Verbrechen

regiert.« »Ja sicher! Aber ich hätte nie gedacht, dass die Korruption so weit reicht. Die haben Geld von uns verlangt, als wäre es das normalste auf der Welt. Ich kann das nicht akzeptieren! Es muss doch Offiziere geben die auf Derartiges achten und es rechtzeitig unterbinden?« »Wie bitte? Hier?« »Natürlich! Offiziere sind adelige Edelmänner von tadellosem Leumund! Handverlesen und der Krone treu ergeben. Sie interessieren sich nicht für Gold. Ihre Treue und all ihre Liebe gilt allein den Göttern und der Krone!« »Du… du glaubst das wirklich, oder?«, stöhnte Evelyna fassungslos. »Wie naiv

muss man sein?« »Du machst dich lustig über mich!« »Ein wenig vielleicht! Pass auf, ich erklär dir mal wie das hier in der Wirklichkeit läuft. Soldaten, die in einem Drecksnest wie Krol ihren Dienst tun, sind nicht freiwillig hier. Sie alle haben Dreck am Stecken und wurden hierher strafversetzt. Das gilt übrigens auch für deine noblen Offiziere, da kannst du sicher sein. Ich habe in meinem ereignisreichen Leben schon einige von diesen adeligen Herren kennenlernen dürfen und glaub mir, die meisten wissen weniger von Ehre, als ein Ork von Körperpflege!« »Das kann ich nicht

glauben!« »Ja, genau! Darum geht es, um deinen Glauben!« »Wie meinst du das jetzt wieder?« »Du hast nie die Wahrheit gesehen. Wo immer ein Paladin auftaucht, zeigen sich die Menschen von ihrer besten Seite. Offiziere werden zu Gentlemen, dreckige Schläger zu gottesfürchtigen Passanten und schmierige Huren zu anständigen Waschweibern.« »Das ist Unsinn, Elfe!« »Ist es nicht, du hast es nur nie bemerkt! Niemand will es sich mit den Göttern verscherzen. Ein jeder fürchtet die Macht und den Einfluss der Paladine! Ihr seid die einzige Institution

des Landes die jemanden verhaften und sogar töten darf, ohne sich dafür vor irgendeiner Instanz rechtfertigen zu müssen. Das normale Leben erstarrt vor Schreck, ändert seinen Lauf und verbirgt sich hinter einer freundlichen Maske, wenn ein Paladin auftaucht.« »Du übertreibst!« »Ein wenig, vielleicht, es trifft trotzdem den Kern der Sache. Aber lassen wir das. Du wirst schon noch sehen was alles geschieht, wenn du mal ohne deine schillernde Rüstung durch die Straßen spazierst.« »Was auch immer das sein mag, ich werde mich nicht zu weiteren illegalen Handlungen hinreißen lassen. Nur das du

es weißt!« Crane hob warnend den Finger. »Oh, und wie du das wirst!« Evelyna zwinkerte fröhlich. »Genau genommen hast du sogar längst damit begonnen!« Crane war verwirrt. »Das Bestechungsgeld hast du gezahlt! Und auch wenn es nur eine notwendige Nichtigkeit gewesen sein mag, so bin ich doch nach wie vor dagegen! Ich habe protestiert…« »Das meine ich nicht!« »Was dann?« Anstelle einer Antwort hielt Evelyna ihm das beglaubigte Schreiben des Herzogs unter die Nase. »Was soll

das?« Sie seufzte. »Das Pergament ist eine Fälschung. Wenn auch ein ziemlich Gute wie ich zugeben muss. Was dachtest du denn, wo ich so etwas her habe?« »Ich weiß nicht? Eine Fälschung? Bist du verrückt? Wenn die uns…«, er unterbrach sich, beugte sich leicht vor und flüsterte übertrieben verschwörerisch. »Woher hast du das?« »Von unseren Freunden im Sumpf! Sie haben es mir mitgegeben, damit wir unterwegs keine unnötigen Scherereien bekommen.« »Es stört dich überhaupt nicht, oder? Du bist also tatsächlich eine Betrügerin! Du bist schuldig! Bei den Dreien, ich wusste

es! All die Taten derer du angeklagt bist. Meine Güte, sie alle entsprechen der Wahrheit!?« »Die meisten davon, ja sicher!«, entgegnete Evelyna gut gelaunt und zuckte mit den Schultern. »Ohne einen gesunden… Selbsterhaltungstrieb kommt man in einer Situation wie der meinen nicht sehr weit. Um überleben zu können war ich gezwungen meine moralischen Grenzen neu abzustecken!« »Bei den Dreien! Das ist mein Ende! Wir beide werden sterben oder den Rest unseres Lebens in einem Kerker verrotten… Die Götter selbst werden mir ins Antlitz spucken!« »Nein, werden sie nicht. Und nun

beruhige dich! Der Elf der dieses Schreiben verfasst hat, ist übrigens auch der Mann nach dem wir suchen. Er ist ein Fälscher.« »Das wird ja immer besser! Überall nur Verbrechen und Sünde! Wohin das Auge reicht. Es ist schlimmer, als ich je angenommen hätte!« Evelyna schlang einen Arm um Crane und drückte ihn gut gelaunt an sich. »Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, Schatz. Es ist so, weil niemand von einem Paladin Bestechungsgelder fordert. Und weil man eure glänzenden Rüstungen bereits auf hundert Meter Entfernung erkennen und sich so auf euren Besuch einstellen

kann. Ihr mögt ja sehr gut darin sein, einen flüchtigen Verbrecher durch das halbe Reich zu hetzen, aber die wahre Welt um euch herum, die Wirklichkeit, bleibt euren Augen verborgen.« »Das glaube ich einfach nicht.« »Kann ich mir denken! Aber jetzt hast du ja mich. Ich zeige dir die Wunder dieser Welt und führe dich in die Freuden des einfachen Lebens ein. Und du versprichst mir dafür, dich ein wenig zurückzuhalten und dem strengen Paladin in dir mal ein paar Tage Ruhe zu gönnen.« »Ich… ich will es versuchen.« Die Worte kamen zaghaft. Crane war sich nicht sicher, ob er sich wirklich darauf

einlassen wollte. Die normale Welt erschien ihm fremd und voller Sünde. An jeder Ecke gab es Versuchungen der verschiedensten Art. Dinge mit denen er sich noch nie auseinander gesetzt hatte, weil sie ihm bisher anscheinend aus dem Weg gegangen waren und die ihn nun mit Angst erfüllten. »Mehr kann eine junge Elfe nicht verlangen!«, lachte Evelyna und drückte dem Menschen an ihrer Seite einen fröhlichen Kuss auf die Wange. »So! Und nun gehen wir in ein Wirtshaus und genehmigen uns ein paar Humpen! Verflucht, ich war viel zu lange nicht betrunken!« Crane wollte etwas einwenden, sah aber

ein das sein Protest kaum auf fruchtbaren Boden stoßen würde. Resigniert ließ er die gerade zum Protest erhobenen Hand wieder sinken und fügte sich in sein Schicksal. Offensichtlich wollten die Drei, dass er diese Art zu leben kennenlernte. Sie kehrten im erstbesten Wirtshaus ein. Es hieß *Zur schwarzen Wildsau* und schien entschlossen seinem Namen bereits an der Eingangstür alle Ehre zu machen. Als Evelyna die Tür öffnete, stürzte ihr ein vollkommen betrunkener Mann entgegen, der mit dem Gesicht voran im Dreck landete. Zornig bekrabbelte er sich. Blut rann ihm aus Nase und Mundwinkel. »Wer beim

schdinkenden Arsch eines verrott’nden Orks warras? Wer hat mich geschla’n, warum… un wieso iss überhaupt disse vergackte Tür auf?« »Keine Ahnung wer dich verprügelt hat, mein Bester. Aber das mit der Tür, war ich!«, entgegnete Lynn vergnügt und verbeugte sich tief. »Eine Schwazzelfenhure? Na du komms mir gradde rich’ig. Na warte, ich werd…« »Nein, wirst du nicht!«, bevor sich der Mann vollständig erheben konnte, schlug ihm Evelyna mit der Faust ins Gesicht. Der Mann heulte laut auf vor Schmerzen und hielt sich die gebrochene Nase.

»Du hast mir nicht zuviel versprochen, Crane.«, lachte Evelyna vergnügt und rieb sich die schmerzenden Hand. »Ich mag diese Stadt schon jetzt.« Die Kneipe war gut besucht. Evelyna und Crane schoben sich durch das dichte Gedränge ins Inneren der Schänke und fanden schließlich einen Platz, an dem sie es sich einigermaßen bequem machen konnten. Vergnügter Lärm umringte sie und mischte sich in den typischen Kneipengeruch nach Alkohol, Schweiß und rauchigem Holz. In ihrer unmittelbaren Nähe befand sich ein großer Kamin. Flammen loderten in ihm

und warfen flackernde Schatten in den überfüllten Raum. Kaum hatten sie sich niedergelassen, da kam eine erschöpft wirkende Wirtsfrau an ihren Tisch und stellte wortlos zwei große Becher Schwarzbier vor ihnen ab. »Das macht zwei Triaden.« Crane hob die Hand. »Kein Bier für mich! Ich trinke nicht, haben sie vielleicht auch etwas ohne Alkohol?« »Wie bitte? Was willst du?«, ungläubig starrte die Wirtsfrau zu ihm herab. Lynn fasste die Frau am Unterarm und gab ihr die geforderte Summe. »Schon gut! Alles in Ordnung, hier ist das Geld. Mein Freund macht nur Spaß.« Die Frau besaß offensichtlich nur wenig

Sinn für Humor. »Nur Spaß? Euch gehts wohl zu gut? Sehe ich aus, als hätte ich Zeit für Spaß? Dämliche Trontheymer!« Als die Bedienung fort war, funkelte die Elfe Crane böse an. »Schluss jetzt mit deinen Albernheiten! Wir hatten eine Abmachung, schon vergessen? Du kannst dich nicht mehr aufführen, als wärst du ein beschissener Paladin. Die Zeiten sind vorbei! Gewöhn dich daran und fang endlich an dich so zu benehmen wie alle anderen es auch tun.« »Was meinst du damit? Ich mache doch gar nichts?« »Du machst nichts? Ihr Götter, wo soll ich bloß anfangen? Also gut, ein Beispiel! Wenn dir das nächste Mal

jemand ein Bier vor die Nase stellt, dann trinkst du es brav und hältst verflucht noch mal die Klappe. Weißt du, das ist nämlich der Grund warum sich normale Menschen in einem Wirtshaus treffen. Weil sie sich betrinken wollen!« Crane setzte zu einer Erwiderung an, bevor er aber etwas sagen konnte, stellte sich plötzlich ein bullig wirkender Hüne zu ihnen an den Tisch. Er hatte eine speckig schimmernde Glatze, trug einen zottelig verfilzten Bart unter seinem Kinn und einen Bauch von gewaltigem Ausmaß vor sich her. Seine kleinen Schweinsäuglein funkelten sadistisch. »Dein Kumpel ist sich wohl zu fein um

mit uns zu trinken, was? Ist sicher was besseres gewohnt, der vornehme Herr?« Offensichtlich hatte der Mann das vorhergegangene Gespräch mitangehört und nahm es zum Anlass etwas handfesten Ärger zu verbreiten. Crane wollte sich erheben, doch Evelyna gebot ihm, sich wieder zu setzen. »Lass nur, ich mach das! Gönn mir den kleinen Spaß. Ich kenne mich aus mit solchen Typen.« Sie wandte sich an den Hünen. »Du legst dich hier mit den falschen an, Trollkopf. Verzieh dich, bevor ich mich gezwungen sehe, dir den Arsch zu versohlen.« Lynn erhob sich von ihrem Stuhl und funkelte den Mann böse an. Das sie fast drei Köpfe kleiner

war, als der Kerl vor ihr, schien sie nicht zu kümmern. Im Gegenteil! Evelyna wusste, dass es bereits jetzt kein Zurück mehr gab. Für Deeskalationsversuche oder freundliche Beschwichtigungen war es zu spät. Im Grunde hatte die Schlägerei schon genau in dem Augenblick begonnen, als der Kerl seine gewaltigen Muskeln vor dem Tisch geparkt hatte. »Willst du dich mit mir anlegen, Elfenschlampe?« »Sind wir über diesen Punkt nicht längst hinaus?« Der Riese nickte zustimmend. »Worauf du einen lassen kannst!« »Dachte ich mir. Aber ich versuche es

trotzdem und schlage eine friedliche Lösung vor. Pass auf, Schweinebacke, wir machen das so! Du verschwindest artig wieder in der Menge und ich verzichte darauf, dir deinen fetten Wanst aufzuschneiden und dir aus deinem eigenen Gedärmen eine hübsche Halskette zu flechten.« Einige der umstehenden Kneipengäste lachten. Andere verstummten mitten in ihren Gesprächen und reckten neugierig den Hals. Der bärtige Hüne brauchte einige Augenblicke mehr als die anderen, um den überheblichen Spott aus Evelynas Worten herauszuhören. Scham mischte sich mit Wut. Eine ungesunde Kombination. Der Kopf des

Riesen nahm eine rot leuchtende Färbung an. »Ich schwöre, ich brech’ dir jeden Knochen im Leib, du widerlich schwarzhäutiger Elfenabschaum!« »Oh, ich hatte ja soo gehofft, dass du das sagst! « Evelyna sah zu Crane hinüber und blinzelte ihm aufmunternd zu. »Lynn nicht, bitte…«, entgegnete dieser. Ihm war die ganze Situation sichtlich unangenehm. »Schon gut!«, antworte die Schwarzelfe knapp. »Ich brauch auch nicht lange!« »Du brauchst nicht lange? Sag mal, wofür hältst du dich eigentlich, du halbe Portion? Warts ab! Dir treib ich deine Unverschämtheiten schon noch aus,«,

brüllte der Riese und stürzte sich auf die vermeintlich unterlegene Elfe. Die aber reagierte gedankenschnell und sprang rechtzeitig zur Seite. Schweinebackes muskel- und fettbepackter Körper rauschte wie ein voll beladenes Fuhrwerk auf sie zu. Evelyna wich geschickt aus. Kaum war der Riese an ihr vorbei, da versetzte sie ihm einen schmerzhaften Tritt in den Hintern. Viele der Zuschauer grölten lauthals und lachten schadenfroh. Einige von ihnen jedoch, besonders jene auf die der Hüne gerade zugestürmt kam, verstummten erschrocken, als sie begriffen, dass sie dem taumelnden Hünen nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnten.

Unbeholfen stolperte er in sie hinein und riss zwei Hocker und ein halbes Dutzend Körper mit sich. Dann gelang es ihm endlich sich zu fangen. Zornig wirbelte er herum. Mit wildem Blick suchte er nach der frechen Elfe, die es gewagt hatte sich über ihn lustig zu machen. Er brüllte vor Wut, als er sie entdeckte und erkannte, dass sie in aller Seelenruhe an einem der Tische stand und Wein aus einem fremden Becher trank. Vollkommen unbekümmert sah sie zu Crane hinüber und prostete ihm zu. »Du solltest den Wein probieren, der ist gut. Wesentlich besser, als ich es dem Schuppen hier zugetraut hätte…« »Das ist kein Spaß, Lynn. Du könnest

verletzt werden.« Der Paladin erhob sich von seinem Platz. »Ich weiß, dass ich dich nicht stoppen kann. Also lass mich dir wenigstens helfen.« Die Elfe winkte lachend ab. »Lass gut sein und gönn mir den Spaß, ja? Ich komme hier schon klar. Der Kerl…« Mehr brachte sie nicht hervor, denn Schweinebacke rannte ein weiteres Mal auf sie zu. Diesmal mit ausgebreiteten Armen und auf eine schnelles Ausweichen vorbereitet. Wie ein wilder Stier stürmte der Hüne durch die erschrocken zurückweichende Zuschauermenge hindurch direkt auf Evelyna zu. Die Schwarzelfe überlegte angestrengt. Ihre Gedanken rasten.

Offensichtlich war der Dicke nicht halb so betrunken wie sie gedacht hatte. Egal, was auch immer geschah, sie durfte sich unter keinen Umständen erwischen lassen. Der Kerl hatte Arme so dick wie Baumstämme und Hände die auf erschreckende Weise an rostige Schaufelblätter erinnerten. Hinzu kam, dass er mittlerweile nun wirklich mieser Laune war. Nur wenige Augenblicke später war er heran. Evelyna sprang hoch. Gedankenschnell stützte sie sich mit den Händen auf der Tischkante ab und riss ihren Körper so nach oben, dass er für einen verschwindend kurzen Moment waagerecht in der Luft zu schweben

schien. Sie zog die Beine an, blitzschnell, trat zu und erwischte den Riesen mit voller Wucht. Es krachte! Die Wirkung war gewaltig. Der heranstürmende Hüne, stöhnte vernehmbar, taumelte zurück, fasste sich an den Brustkorb und rang nach Atem. Erschrocken riss er die Augen auf. Benommen wankte er einige Schritte nach hinten, fiel aber noch immer nicht. Ganz im Gegensatz zu Evelyna. Die hatte der Aufprall einmal quer über die Tischplatte geschleudert. Ungebremst riss sie einige Krüge und Teller mit sich, fand keinen Halt und fiel polternd auf der anderen Seite zu Boden. Sofort war sie wieder auf den Beinen.

Einen Wimpernschlag zu spät wie sich herausstellte. Schweinebacke hatte sie bereits erreicht und schlug zu. Evelyna fand dank ihrer herausragenden Reflexe gerade noch Zeit zu reagieren. Es war zu spät um noch ausweichen zu können, aber es gelang ihr immerhin sich so einzudrehen, dass sie einen festen Stand hatte und ein möglichst kleines Angriffsziel bot. Außerdem brachte sie ihre Arme schützend zwischen sich und die heranschießende Faust. Ihre Reaktionsgeschwindigkeit war mehr als beachtlich, trotzdem hätte sie genauso gut versuchen können eine heranrauschende Lawine aufzuhalten. Der mächtige Hieb erwischte sie mit

voller Wucht und schleudert sie ein weiteres Mal durch den Raum. Krachend schlug sie gegen die rückwärtige Wand. »Hah!«, schrie der Hüne siegesgewiss und sprang ihr sofort hinterher. Die umstehenden Zuschauer wichen ängstlich zurück. »Hab’ ich dich!« Benommen und scheinbar wehrlos auf dem Rücken liegend, sah Evelyna zu der nun erst recht riesenhaft erscheinenden Gestalt empor. Sie wollte etwas sagen, ihren Gegner mit einer weiteren frechen Bemerkung aus dem Konzept bringen, bevor sie aber auch nur den geringsten Ton hervorbrachte, packte sie der Hüne am Kragen und riss sie brutal empor. Hilflos zappelten ihre Füße in der Luft.

»Jetzt gehört dein Arsch mir, Flittchen!«, sagte er mit einem deutlich sadistischem Unterton in der Stimme. Er grinste gemein und holte genüsslich zum finalen Schlag aus. Wieder reagierte die Elfe rein instinktiv und ohne groß darüber nachzudenken. Sie streckte die Arme aus und schlug dem Riesen mit beiden Händen kraftvoll gegen die Ohren. Schweinebacke taumelte einen Schritt zurück und ließ los. Als Evelyna wieder festen Boden unter den Füßen hatte, tauchte sie zur Seite hin weg, sprang nach vorne und brachte sich mit einer schnellen Bewegung hinter den Riesen. Der zog sein Schwert und brüllte

lauthals seine ganze Wut hinaus. »Wo bist du Elfenweib? Zeig dich! Ich lass dich bluuten…« Die Lage eskalierte. Wenn erst Waffen im Spiel waren, konnte aus einer harmlosen Kneipenschlägerei schnell ein blutiges Massaker werden. Das durfte Evelyna unter keinen Umständen zulassen. Zuviel Aufmerksamkeit war schlecht fürs Geschäft! Sie beschloss, der Sache ein schnelles Ende zu bereiten. Bevor Schweinebacke die Gelegenheit bekam etwas zu unternehmen, trat ihm die kleine schwarze Elfe kräftig von hinten in die Kniekehle. Dem Riesen, der mit einer derartigen Attacke nicht gerechnet hatte,

knickten die Beine ein. Unfreiwillig sackte er in sich zusammen. Krachend schlugen seine Knie auf den hölzernen Boden. Sofort war Evelyna heran und hielt ihm die Klinge ihres schwarzen Dolches an den Hals. Sie hatte die Waffe derart schnell gezogen, dass es den meisten Zuschauern vorkam, als wäre sie einfach so in ihrer Hand aufgetaucht. »Genug jetzt! Lass die Waffe fallen!« Der Mann gehorchte. Evelyna beugte sich leicht nach vorne und begann zu sprechen. Ihre Worte klangen kumpelhaft, trugen aber auch einen unüberhörbar drohenden Unterton mit sich. »Wir befinden uns in einer echt blöden Lage, weißt du? So wie ich

das sehe, bleiben uns noch zwei Möglichkeiten. Entweder ich schneide dir jetzt und hier die Kehle durch, was für eine ziemliche Sauerei sorgen und den meisten Leuten hier echt den Abend verderben würde. Oder aber ich lasse dich frei und riskiere damit, dass du dich sofort wieder auf mich stürzt und wiederum mir die Laune verdirbst. Hach weißt du, Trollkopf, dabei hatte ich mich so auf eine schöne Feier gefreut…« »Nein, nein!«, krächzte der Hüne ängstlich. »Ich werde friedlich sein, versprochen.« »Du wirst verstehen, dass ich da meine Zweifel habe.« Evelyna drückte die scharfe Schneide etwas fester gegen den

Hals des Mannes. Der riss entsetzt die Augen auf. »Nicht! Bitte! Du hast gewonnen. Wirklich, ich ergebe mich!« »Na gut!« Evelyna ließ den Mann frei und steckte den Dolch zurück in ihren Gürtel. »Dafür schuldest du mir was, Mensch!« Schweinebacke nickte fleißig. »Natürlich, was immer du willst…« »Ausgezeichnet!« Evelyna brach in lautes Gelächter aus und schlug dem Mann auf die Schulter. »Na dann setzt dich zu mir und meinem Kumpan an den Tisch! Ein paar Krüge Wein auf deine Rechnung und die ein oder andere unterhaltsame Geschichte, sollen mir für den Anfang

genügen.« Der Hüne verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen und kratzte sich verlegen am Kinn. »Wirklich? Äh, …in Ordnung!« »Wundervoll! Komm, setz dich zu mir.« Evelyna rief der Bedienung ihre Bestellung zu. »Bring Wein meine Gute! Jede Menge Wein und was Ordentliches zu beißen!« Etwas abseits des Geschehens schlich sich eine vermummte Gestalt durch das überfüllte Wirtshaus hindurch nach draußen. Dieses verrückte Weib hatte doch tatsächlich den gesuchten Dolch in Händen gehalten. Reines Adamantit!

Schwarz glänzend und perfekt verarbeitet. Das konnte kein Zufall sein. Unmöglich! Waffen aus einem derartigen Material waren viel zu selten. Nein, nein, nein! Eine Verwechslung war vollkommen ausgeschlossen, es musste die Waffe sein nach der überall gesucht wurde. Die Gestalt kicherte leise und verschwand ungesehen in einer schmalen Seitengasse. Wenn ihr Auftraggeber davon erfuhr, würde ihr das ein hübsches Sümmchen Gold einbringen.

Fortsetzung...

»Aua!« Das Wort war an kein bestimmtes Ziel gerichtet, Evelyna verspürte nur das dringende Bedürfnis der Welt mitzuteilen wie schlecht es ihr ging. »Aua!« Wiederholte sie, nur um sicher zu gehen. Dann erst hob sie langsam den schmerzenden Kopf. Sie hatte keine Ahnung wo sie sich befand oder was mit ihr geschehen war. Widerwillig öffnete sie die Augen. Grelles Sonnenlicht ließ sie blinzeln und brannte ihr grell in den Augen. Das war bereits mehr als sie

ertragen wollte. Sie sackte zurück in ihre Kissen und beschloss, sich für den Anfang auf eine weniger strapaziöse Selbstdiagnose zu beschränken. Dabei konnte man entspannt liegen bleiben und brauchte die Augen nicht zu öffnen. Gute Idee! Ihr Körper schien soweit in Ordnung. Außer ihrem Kopf schienen alle Glieder mehr oder weniger mit sich und der Welt zufrieden. Evelyna spürte, dass sie keinerlei Bekleidung am Körper trug, wenigstens aber ordentlich zugedeckt war. Offensichtlich befand sie sich in einem Bett. Einem recht sauberen, wie sie dankbar hinzufügte und sogar einem das mit mehreren angenehm weichen

Kopfkissen ausgestattet war. »Bist du endlich wach?« Die entnervt klingende Stimme von Crane, kein Zweifel. Evelyna hätte sie alleine schon an ihrem vorwurfsvollen Unterton erkannt. »Nein!«, antwortete die Elfe und vergrub ihren Kopf noch ein klein wenig tiefer in den Kissen. »Du solltest aufstehen, wir haben viel zu tun!« »Nein!«, wiederholte Evelyna. »Lass mich in Ruhe!« »Das würde ich! Ich war bereits unten und habe unser Anliegen erläutert, aber dieser seltsame Salandor weigert sich, meine Fragen zu beantworten. Er sagt, er

traut mir nicht über den Weg.« »Ein kluger Mann, ich glaube ich mag ihn! Er hat eine gute Menschenkenntnis. Sag ihm, ich treffe ihn später… irgendwann… viel später, ja?«, klang es dumpf aus den Kissen »Darauf würde ich mich sogar einlassen! Zu meinem Bedauern sind auch deine gestrigen Saufkumpane hier aufgetaucht. Du hast sie angeheuert, schon vergessen?« »Was habe ich? Wen? Du spinnst doch! Lass mich in Ruhe habe ich gesagt!« Evelyna nahm eines der Kopfkissen und feuerte es, ohne den Kopf dafür zu heben, einmal quer durch den Raum. Es hatte Crane treffen sollen, verfehlte sein

Ziel aber um mehrere Meter. »Hau ab!« »Nein!«, seine Stimme wurde versöhnlicher. »Ich habe mir schon gedacht, dass du dich nicht an sie erinnern kannst. Daher habe ich sie losgeschickt, damit sie für uns Proviant und einige Maultiere besorgen.« »Du hast diesen alten Halsabschneidern Geld in die Hand gedrückt? Echt? Schön blöd!« Evelyna zog sich die Decke über den Kopf. »Ich denke, wir können ihnen vertrauen. Sie schienen ganz wild darauf zu sein mit dir reisen zu dürfen. Es würde mich wirklich interessieren was du denen gestern Nacht noch alles so zugeflüstert

hast!« »Und mich erst! Bin ich mit einem von denen in einer dunklen Ecke verschwunden?« »Nein!« »In einem Zimmer?« »Nein!« »In einer schmutzigen Seitengasse?« »Auch nicht! Ihr habt die ganze Zeit über am Tisch gesessen, geredet und getrunken! Bis du umgefallen bist…« »Uh! Ein Glück! Dann kann es nicht so schlimm sein. Ich werde sie fragen, wenn ich ausgeschlafen habe. Morgen oder so…«, nuschelte es leise unter der Decke hervor. »Das geht nicht! Wir haben zu tun. Jetzt

steh endlich auf.« Crane erwies überraschend viel Geduld, wurde aber langsam etwas lauter. »Nein!« »Bitte!« »Niemals!« So funktionierte das nicht, ein Trick musste her. Crane hatte eine Idee. »Salandor hat dir zu Ehren übrigens einen reichhaltigen Frühstückstisch gedeckt! Es gibt frisch gebackenes Brot, herzhaften Käse, geräuchertes Fleisch, Eier und sogar heiße Milch mit Honig. Steht alles unten!« »Honigmilch?« Jetzt wo eines der Kissen fehlte, kam Evelyna das Bett plötzlich nur noch halb so bequem vor.

»Und heiß? Echt?« »Ja!« »Na gut!« Evelyna warf die Decke beiseite und setzte sich auf. Crane reagierte sichtlich erschrocken. Hastig drehte er sich weg und starrte verlegen an die Wand. »Bei den Dreien! Evelyna! Du bist vollkommen nackt!« Sie blickte an sich hinunter. »Uh? Echt? Ja stimmt, du hast recht! Na so was!« »Bitte! Zieh dir etwas über.« »Was denn?«, antwortete die Elfe und kicherte leise. »Ich habe keine Ahnung wo meine Sachen sind?« Ohne hinzusehen zeigte Crane in die grobe Richtung. »Da! Dort! Na da vorne auf der

Truhe. »Danke, … Schatz!« »Nenn mich nicht so!« »Warum nicht? Wir sind Partner und werden in den nächsten Wochen viel Zeit miteinander verbringen. Solche Kosenamen sorgen für Vertrautheit und helfen mir außerdem dabei, dich zu mögen. Das fällt mir nämlich noch immer nicht besonders leicht.« »Ach ja? Wie nett! Was kommt als nächstes? Willst du mich verführen, um mich auch als Mann etwas besser kennenzulernen?« »Vielleicht? Fordere mich besser nicht heraus! Immerhin würde es sich durchaus anbieten, wo ich doch sowieso

gerade nackt bin?« »Ich soll was? Nein! Niemals! Ich bin ein Paladin! Ich halte Askese. Und das weißt du auch!« »Dann warst du es also nicht, der mich ausgezogen hat?« »Nein, die Götter mögen mich davor behüten! Ich habe deinen volltrunkenen und bewusstlosen Körper nur bis zu diesem Haus geschleppt. Danach hat dieser grantige Schwarzelf übernommen. Davon abgesehen, erinnere dich an unsere bisherigen Reisen. Zu jeder Zeit habe ich deine Weiblichkeit respektiert und mich ehrenhaft verhalten.« »Stimmt! Punkt für dich!« Jetzt erst wurde der Elfe wirklich bewusst wo sie

sich befand. »Du sagtest, wir sind in Salandors Haus?« »Ja, das sagte ich!« Stoff raschelte und Leder knarrte. Wenig später hatte sich Evelyna angekleidet. »Echt? Wann? Oh und du kannst dich übrigens wieder umdrehen, die Gefahr ist vorbei.« Crane tat wie ihm geheißen. »Das ist nicht lustig!« »Doch!« erwiderte Lynn so vergnügt, wie es ihre Kopfschmerzen zuließen. »Doch, ist es!« Jemand trat von draußen in den Raum. Es war Salandor, der Fälscher. »Ich habe euch sprechen gehört. Du bist endlich wach, das ist

gut!« Freudestrahlend sah Evelyna zu dem alten Elf hinüber. Sie kannte ihn nicht, aber durch die lange Zeit der Verfolgung standen sich alle Schwarzelfen untereinander sehr nahe. Egal wo auf dem Kontinent sie lebten und ob sie sich je persönlich kennengelernt hatten. Kurz überlegte sie, ihm freudig in die Arme zu fallen, überlegte es sich wegen ihres pochenden Kopfes dann aber doch anders. Stattdessen begrüßte sie den Mann auf traditionelle Weise und legte zwei Finger an die Stirn. »Vielen Dank für deine Gastfreundschaft, Salandor. Ich hoffe wir haben dir nicht zu viele Umstände

bereitet?« »Doch, dass habt ihr!« Gab der Fälscher lächelnd zurück. »Aber das macht nichts. Etwas Abwechslung hat noch keinem geschadet.« »Es freut mich, das zu hören.«, entgegnete Evelyna. »Hat Crane dich schon über dem Grund unseres Besuches informiert?« »Der Mensch?« Misstrauen lag in den Augen des alten Elfen. »Das hat er! Allerdings tat er die ganze Zeit über sehr überheblich und geheimnisvoll. Ich mag seine Art nicht, du solltest dich von ihm trennen! Bist du sicher, dass er kein Spion der Krone ist?« Evelyna blinzelte verschmitzt. »Wer?

Crane? Nein, ganz sicher nicht! Er ist ein Paladin. Einer ohne Festanstellung allerdings.« »Ein Paladin? So, so! Das erklärt allerdings so einiges…« »Nicht wahr?« Die beiden Schwarzelfen sahen sich in die Augen und verstanden sich ohne Worte. Obwohl sie sich in dieser Sekunde zum ersten Mal trafen, herrschte eine tiefe innere Verbundenheit zwischen ihnen. »Aber was bin ich für ein Gastgeber. Folgt mir bitte nach unten. Wir können bei Tisch weiterreden.« »Ich habe nichts dagegen.«, entgegnete

Evelyna. »Ich habe dir übrigens einen Sud gekocht der dein Geist klären und die Reste des Alkohols aus deinem Körper spülen wird. Wenn du ihn getrunken und dich anschließend erleichtert hast, geht es dir schnell besser.« »Danke Salandor! Vielen Dank, ich weiß deine Hilfe wirklich zu schätzen!« »Das wirst du noch mehr, wenn du gehört hast, was ich dir zu berichten habe.« Der Fälscher lächelte vielsagend, wandte sich ab und geleitete seine Gäste ohne ein weiteres Wort die Treppe hinab zur Küche. Als sie sich alle gestärkt hatten und

Evelyna dank der überraschend schnellen Wirkung des Tees langsam wieder auf die Beinen kam, kehrte der Alte zum ursprünglichen Thema zurück. »Ihr seid hier, weil ihr mehr über die Stadt Nekroponte erfahren wollt, habe ich das richtig verstanden?« Beide nickten. »Dann seid ihr bei mir genau an der richtigen Adresse. Allerdings gebe ich mein Wissen nicht so ohne Weiteres preis. Der Mensch muss eine Gegenleistung erbringen.« Crane nickte widerwillig. »Was muss ich denn tun?« »Ich möchte, dass du mir auf der Karte zeigst, an welcher Stelle der geheime

Stollen durch das Nebelzinnengebirge beginnt, von dem du erzählt hast, und welchen Verlauf er anschließend nimmt.« Crane schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, dass kann ich nicht machen! Dieses Geheimnis ist meine Lebensversicherung. Wenn ich verrate wo er zu finden ist, muss ich wieder fürchten, dass sich Evelyna auf mich stürzt.« Salandor lachte laut auf. »Nichts dergleichen wird sie tun!« Lynn sah überrascht in die Runde. »Ach? Werde ich nicht?« »Nein! Denn auch wenn es sich bei ihm um einen verblendeten Menschen handelt, ihr werdet euch auf dem Weg in

die Verlorenen Lande gegenseitig brauchen. Nur wenn ihr eure Feindschaft begrabt und lernt vernünftig miteinander umzugehen, wird euer Vorhaben von Erfolg gekrönt sein!« »Woher wisst Ihr das, Meister Salandor? Habt ihr die Gabe des zweiten Gesichts?« Crane schien beeindruckt und misstrauisch zu gleich. Einmal mehr fiel es ihm schwer den alten Schwarzelfen richtig einzuschätzen. »Nein, habe ich nicht! Aber ihr gedenkt die Verlorenen Lande zu betreten. Da sagt einem der gesunde Elfenverstand, dass ihr nur zusammen eine Chance habt, das Abenteuer erfolgreich und vor allem lebend zu

überstehen!« »Nun gut, ich gebe nach!« Crane zeigte dem alten Fälscher auf der Karte am welcher Stelle der verlassene Zwergenstollen seinen Anfang nahm und wo der Weg schlussendlich wieder aus dem Gebirge hinausführte. Salandor schien mit den Angaben zufrieden. »Ich gebe euch eine Karte mit. Darauf sind die wichtigsten Orte und Geländemarkierungen der Verlorenen Lande eingezeichnet.« »Du hast eine Karte von dieser Gegend?«, fragte Evelyna ungläubig. »Es ist die Kopie einer sehr alten Karte aus der Zeit des großen Elfenreiches. Als ich sie angefertigte, habe ich darauf

geachtet nur die Gegenden und Wegmarken zu übertragen, die auch heute noch zu finden sein müssten. Alles andere habe ich weggelassen.« »Du meinst Dörfer, Gebäude und ähnliches?« »Mehr oder weniger! Das bedeutet natürlich, dass sich auf meiner Karte viele weiße Stellen und nur sehr wenige genaue Angaben befinden. Aber das was eingezeichnet ist, entspricht ziemlich genau dem Maßstab und dürfte euch bei der Orientierung in den Verlorenen Landen helfen.« Evelyna warf einen Blick auf das Pergament. Sie erkannte das Nebelzinnengebirge, den wilden Bregh

der sich dort hindurchschlängelte und einige der größten Vulkane des Gebirges. Auch Nekroponte war eingezeichnet. Ebenso die große Handelsstraße die von der großen Stadt aus nach Süden verlief und dabei einige recht einprägsame Geländemarkierungen passierte. Crane nahm einen Kohlestift und zeichnete auch hier den geheimen Weg ein den vor vielen Jahrtausenden einmal die Zwerge in den Fels des Gebirges geschlagen hatten. Als er fertig war, verband er die einzelnen Punkte miteinander. »Wir haben einen Weg!«, sagte Evelyna. Sie klang beinahe ein wenig ehrfürchtig. »Wir haben tatsächlich einen

Weg!« Die beiden Männer nickten stumm. Plötzlich klopfte es an der Tür. Als Salandor aufgestanden war und sie geöffnet hatte, stürmte ein erstaunlich großer und stark übergewichtiger Kerl herein. Evelyna erkannte ihn als den Mann mit dem sie sich in der Schwarzen Wildsau geprügelt hatte. »Lynn! Du bist in Gefahr, irgendjemand sucht nach dir. Wir müssen verschwinden, sofort!« »Was?« Die Schwarzelfe sah fragend zur Tür. Sie wollte einen weiteren Satz formulieren, da fiel ihr ein, dass sie den Namen des Mannes nicht wusste. Fragend sah sie zu Crane herüber, der

sofort verstand. »Floh!« »Danke! Also Floh…« Sie unterbrach sich selbst und blickte erneut zu dem Paladin herüber. »Floh? Bist du… Wirklich?« Sie bekam ein kurzes Nicken und hilflos gezuckte Schultern zur Antwort. Der fette Hüne grinste in einer Mischung aus Stolz, Verlegenheit und innerer Unruhe. Hinter ihm tauchte ein zweiter Mann auf. Er war das genaue Gegenteil seines Kumpels. Hager, klein und mit verschlagen drein blickenden Augen. Er kicherte gemein, es klang wie das Meckern einer Ziege. »Wir nennen ihn wegen seiner vielen kleinen Bewohner

so!« Floh nickte bestätigend. »Und der Kleine hier heißt Hortack.« »Hortack? Etwa wie das elfische Hortack?« »Wie die Hornisse, genau! Ein Ehrenname! Ich bin ein verflucht guter Bogenschütze, müsst ihr wissen! Wen ich mit meinen Pfeilen piekse, der steht nicht wieder auf…« »Können wir das später besprechen?«, unterbrach ihn Floh und versuchte den Ernst der Lage wiederherzustellen. »Lynn, jemand hier in der Stadt hat ein recht ansehnliches Kopfgeld auf dich ausgesetzt.« »Nach mir? Aber, ich kenne hier doch

niemanden!« Der Dicke zuckte unbeholfen mit den Schultern. »Genau genommen sucht jemand nach dem Besitzer des schwarzen Dolches, den du besitzt. Jemand mit sehr viel Geld und Einfluss.« »Wieso?« »Das weiß ich nicht! Aber nach gestern Nacht würde es mich wundern, wenn sich nicht schon jemand die Belohnung abgeholt hat. Du hattest die Waffe gezückt, wie du dich vielleicht erinnerst, und hier in Krol steht Gold weit über Loyalität und Ganovenehre!« Evelyna nickte zustimmend. »Das hört sich tatsächlich nicht gut an. Wir sollten zusehen, dass wir weiterkommen! Weißt

du wer hinter uns her ist?« Floh schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht! Ich habe mich ein wenig umgehört und weiß nur, dass es jemand mit sehr viel Geld von außerhalb ist.« »Verdammt!«, die Elfe erhob sich. »Na gut! Konntet ihr alles besorgen was euch aufgetragen war?« Die beiden Gauner nickten. »Vier Maultiere, ausreichend Verpflegung und alles an Ausrüstung was auf die Schnelle zu haben war.« »Dann nichts wie los! Lasst uns aufbrechen, es steht viel zu viel auf dem Spiel.« Auch Barlowe nickte. Er konnte die Stadt nicht leiden und würde erst

erleichtert aufatmen, wenn sie diesem Sündepfuhl den Rücken zugekehrt hatten. Nur Salandor bremste die Aufbruchstimmung etwas. »Warte Panthra, ich habe noch etwas für dich.« »Nein! Das musst du nicht! Wirklich!«, wandte Evelyna verlegen ein. »Alle schenken mir ständig etwas, dass habe ich wirklich nicht verdient.« »Unfug!« Der alte Fälscher wischte den Einwand mit einer unwilligen Handbewegung zur Seite. »Du hast einen langen Weg voller Gefahren vor dir. Ich könnte nicht mehr ruhig schlafen, wenn ich dich nicht nach Kräften unterstützen würde. Ich spüre, dass dir Großes

bevorsteht. Etwas, dass möglicherweise das Schicksal unseres ganzen Volkes verändern könnte.« »Du machst mir Angst, Hüter!« Der alte Schwarzelf reagierte mit einem knappen Lächeln, dann begab er sich zu einer mit kunstvollen Schnitzereien versehenen Truhe. Beinahe ehrfürchtig öffnete er den Deckel. Wenig später hielt er einen schmalen, mit kostbaren Tüchern eingeschlagenen Gegenstand in Händen. »Dieser Langbogen hat mir einst sehr gute Dienste geleistet. Er wurde noch vor der Vertreibung gefertigt und ist damit eines der wenigen Dinge die uns aus den alten Zeiten geblieben

ist.« Ehrfürchtig nahm Evelyna die Waffe entgegen. Einige Sehnen und ein Köcher mit Pfeilen folgten. »Er wird dich beschützen, so wie er es bei mir getan hat.« »Vielen Dank, Salandor! Welch wundervolles Geschenk« »Unsinn! Ich bin es, der danken muss Evelyna. Denn du gibst dieser alten Waffe einen neuen Sinn. Meisterstücke wie dieses, verdienen es nicht in einer Truhe zu verrotten. Trage diesen Bogen mit stolz wie es schon deine Vorväter taten und er wird dich beschützen und heil zu unserem Volk zurück geleiten.« Evelyna wusste nichts mehr zu sagen und

viel dem alten Fälscher stattdessen dankbar in die Arme. Wenig später brach die kleine Gruppe auf. 16. Crane lehnte sich auf seinen Wanderstab und sah nachdenklich zu seinen drei Begleitern zurück, die ihm in einiger Entfernung folgten. Er war vorausgegangen, um ein wenig die vor ihnen liegende Gegend zu erkunden und sich nach möglichen Gefahren umzusehen. Dies zumindest hatte er den anderen erzählt. In Wahrheit aber, brauchte er einfach etwas Zeit zum Nachdenken.

Er war ein Paladin. Von seinem inneren Empfinden her, hatte sich daran nichts geändert. Ein Streiter der Drei. Tugendhaft, ritterlich und rechtschaffen. Das strahlende Schwert der Gerechtigkeit, das die Wucherungen des Bösen vom Antlitz der Welt schnitt und im Namen der göttlichen Dreieinigkeit für Recht und Ordnung sorgte. So hieß es in den Schriften und so war es auch einmal gewesen. Was aber war nun daraus geworden? Man hatte ihn verstoßen, in Schande davongejagt und nun wanderte er in Begleitung von drei ruchlosen Ganoven auf die Verlorenen Lande zu, um einen Schatz zu suchen der

dort angeblich von einigen Orks versteckt wurde. Seine Gedanken wanderten weiter und richteten sich auf seine Begleiter. Floh und Hortack hauptsächlich. Die beiden waren hinterlistige kleine Bastarde, verschlagen, skrupellos und gefährlich. Niemand mit dem man sich gerne umgab und noch weniger von der Sorte Mensch, mit der man zu einer gefährlichen Expedition in die Wildnis aufbrach. Wer solche Begleiter hatte, brauchte keine anderen Gefahren mehr fürchten, denn bereits nach kürzester Zeit lag man wahrscheinlich ohnehin mit durchschnittener Kehle an irgendeiner erloschenen Feuerstelle.

Es wunderte Crane, dass es Evelyna gelungen war, die zwei trotz ihres niederen Wesens derart für sich einzunehmen. Auch jetzt wo er seinen Blick über die sich langsam nähernde Gruppe schweifen ließ, war nicht zu übersehen wie gut sich die drei verstanden. Wie schaffte sie das nur? Sie kannten sich noch nicht einmal zwei Tage, benahmen sich aber, als wären sie schon seit Jahren die besten Freunde. Er wusste es natürlich besser, trotzdem kam ihm der Gedanken an einen Betörungszauber in den Sinn. Irgendeine elfische Magie mit der man andere um den Finger wickeln konnte. Aber das war

natürlich Unsinn, denn wenn Evelyna tatsächlich etwas Derartiges vermochte, hätte sie es bereits viel früher für ihre Zwecke verwandt. Bei eben diesem Gedanken blieb Cranes Blick an der schwarzhäutigen Elfe hängen. Bewundernd betrachtete er ihren geschmeidiger Gang, ihre schlanke Taille, die festen Brüste und ihr volles tiefschwarzes Haar das samtig in der Sonne glänzte. Seltsame Gefühle stiegen in ihm hoch. Sie verwirrten ihn und ließen sein Herz schneller schlagen. Eine wohlige Wärme breitete sich in ihm aus. Was war das jetzt? Handelte es sich doch um einen Zauber? Er schüttelte den Kopf. Nein, das war etwas anderes.

Etwas unverfälscht echtes. Direkt aus seinem Herzen entsprungen. Etwas, dass ihm den Atem raubte, seine Hände schwitzen ließ und seinen Magen verkrampfte. Mittlerweile waren die anderen auf wenige hundert Meter heran. Es war ein schöner Tag. Die Sonne schien warm und hell vom Himmel herab und sorgte dafür, dass die Natur sich ihr genießerisch entgegenstreckte. Crane rang sich ein Lächeln ab, als ihn die Blicke seiner Kameraden trafen. Plötzlich verstand er warum die beiden Gauner sich so gut mit Evelyna verstanden. Sie war herzlich, unkompliziert und verstand es sich mit

den Männern in ihrer Begleitung auf einer Wellenlänge zu unterhalten. Sie war eine von ihnen, hatte keinerlei Berührungsängste und auch wenn klar war, dass ihre Talente die der anderen um ein Vielfaches überstiegen, so wirkte die Schwarzelfe doch zu keinem Augenblick arrogant oder hochnäsig. Sie scherzte mit den beiden und schien dabei in keinster Weise die körperlichen und geistigen Mängel zu bemerken, die Crane so abstießen. Floh war ein feister Hüne, ungewaschen, übelriechend und mit einem kümmerlichen Intellekt ausgestattet. Hortack hingegen, war ein linkisches Wiesel mit verschlagenen Augen, der

selbst neben der zierlichen Evelyna etwas zu klein geraten wirkte. Beiden fehlte jegliches Feingefühl und jeder Sinn für Benehmen und Anstand. Trotzdem, wenn man dabei zusah wie das Trio miteinander umging, konnte man denken, dass sie seit Jahren eng befreundet, wenn nicht sogar familiär miteinander verbunden waren. Langsam gelang es Crane, die in seinem Inneren tobenden Gefühle zu ordnen. So wie er es einst gelernt hatte, führte er sich systematisch eines nach dem anderen vor Augen und analysierte es. Überrascht musste er sich eingestehen, dass mehr als nur bloße Zuneigung für die Schwarzelfe empfand. Wenn sie ihm

ein Lächeln schenkte, schien ihm sein Herz aufzugehen und wenn sie ihn berührte, rannen ihm Myriaden wohliger Schauer über den Rücken. Aber war es Liebe? Er kannte dieses Gefühl bisher nicht und konnte es nicht recht zuordnen. Oder handelte es sich nur um eine innige Freundschaft? Auch ein rein körperliches Begehren durfte er nicht ausschließen. Immerhin war er trotz aller Selbstdisziplin letztlich nur ein Mann wie alle anderen. Vielleicht aber handelte es sich bei seinen Gefühlen auch nur um die Sucht nach Beachtung, geboren aus niederen Gelüsten wie Eifersucht und Neid? Denn auch diese Empfindungen brannten tief in seinem

Inneren. Zwei Gefühle die er eigentlich schon vor Jahren für immer aus seinem Herzen verbannt glaubte. Etwas Derartiges geziemte sich nicht für einen Gotteskrieger. Es störte sein zielgerichtetes Vorgehen. Und doch! Wenn er sah wie gut sich die anderen verstanden, wurde ihm bewusst, dass er selbst kein Teil davon war. Nie sein konnte! Die Drei verband ihre kriminelle Vergangenheit. All ihre Geschichten drehten sich einzig darum, wie sie den Häschern der Herzoge und Stadthalter entkommen waren und bei welchen Gelegenheiten sie die größte Beute abgestaubt hatten. Crane waren solche Themen fremd. Sie stießen ihn ab

und ärgerten ihn. Die Menschen die hier lächerlich gemacht wurden, waren anständige Soldaten des Königs. Männer und Frauen die bestrebt waren, in den Städten in denen sie ihren Dienst verrichteten, für Recht und Ordnung zu sorgen. Zur Sicherheit der dort lebenden Bürger und zum Wohle des gesamten Gotlandes. Es war eine Schande derart über sie zu reden. Und doch, was hätte er nicht alles darum gegeben, Teil dieser kleinen verschworenen Gemeinschaft zu sein. Mittlerweile hatten ihn die anderen erreicht. Floh und Hortack führten die hintereinandergebundenen Maultiere mit erstaunlichem Geschick durch Wildnis

während Lynn eine ihrer Geschichten zu Besten gab. Sie verstummte als ihr die Gegenwart des Paladins bewusst wurde und sah verschwörerisch zu den anderen beiden hinüber. »Da bist du ja endlich! Wir waren fast schon ein wenig in Sorge!?« Evelynas Stimme klang freundlich. Vielleicht ein kleines bisschen zu freundlich, um wirklich ehrlich gemeint zu sein. »Ich habe mich ein wenig umgesehen! Wir sind noch immer nahe der Grenze zu Ra’Orkon und ich möchte nicht versehentlich in einen Hinterhalt geraten.« Nur schwer gelang es Crane den in ihm hochkochenden Ärger zu unterdrücken. »Bisher scheint aber alles

in Ordnung zu sein!« Evelyna schien den Unwillen zu bemerken, denn sie verbannte jeglichen Spott aus ihrer Stimme. Sie nickte zustimmend. »Ja, es ist eine unangenehme Gegend hier! Besonders für mich. Überall riecht es nach Ork. Mir fällt es schwer eine andere Witterung aufzunehmen. Der Gestank ist wirklich überall, er überlagert alle anderen Gerüche und ich kriege ihn nicht mehr aus der Nase. Es ist zwar möglich, dass so etwas für diese Gegend hier normal ist, manchmal aber bin ich mir wiederum nicht so sicher?« »Willst du sagen das wir verfolgt werden

und jemand absichtlich deinen Geruchsinn blockiert?« Evelyna zuckte mit den Schultern. »Nein, eigentlich nicht! Um das zu erreichen bräuchte es schon Magie. Ich denke, ich bin einfach nur verunsichert, weil mir einer meiner wichtigsten Sinne abhanden gekommen ist. Es macht mich nervös und unsicher. Daran wird es wohl liegen. Und trotzdem…«, ihr Blick wurde ernst, »…hier und da beschleicht mich so ein seltsames Gefühl! Nichts Bestimmtes, einfach nur so eine Ahnung?« »Vielleicht haben ja einige dieser Grünhäute nen dicken Haufen hinter einen der Büsche dort geschissen!«, warf

Hortack vergnügt ein, wies auf einige Sträucher am Straßenrand und lachte schallend. »So’n Orkhaufen stinkt auch nach Wochen noch dermaßen, dass sich selbst die Fliegen nicht dran trauen! Kein Wunder das deine Nase da nicht mehr mitspielen will!« Evelyna verdrehte die Augen, grinste aber ebenfalls. Die Unbekümmertheit der beiden Gauner, war nicht nur erstaunlich, sie war auch ansteckend. »Auch möglich! Trotzdem sollten wie vorsichtig sein.« Crane nickte zustimmend. »Ganz meine Meinung! Ab morgen wendet sich unser Weg nach Norden und damit weg vom Grenzland. Wenn wir bis dahin gut

durchgekommen sind, haben wir zumindest vor den Grünhäuten nichts mehr zu befürchten!« Tatsächlich vergingen die Nacht und der folgende Tag, ohne dass die vier Gefährten auf nennenswerte Probleme stießen. Sie waren gut vorangekommen und noch immer hielt sich das gute Wetter. Die untergehende Sonne stand etwa eine Handbreit über dem Horizont, als Evelyna plötzlich den Kopf hob und besorgt zur Seite neigte. »Etwas stimmt nicht!«, sagte sie, griff nach ihrem Bogen und legte einen Pfeil auf die Sehne. Crane Barlowe war sofort beunruhigt. Auch er zog seine Waffe.

Surrend sprang der schwere Zweihänder aus der Scheide. »Was ist los?« »Kann ich noch nicht sagen.« Die Elfe zuckte unsicher mit den Schultern. »Ich habe irgendetwas gewittert. Etwas Bedrohliches. Leider nur ganz kurz. Ich kann nicht sagen was es war, aber es macht mir Angst.« Crane nickte. »Das reicht mir! Kannst du die Richtung bestimmen?« Er bekam ein unsicheres Kopfschütteln zur Antwort. Nun waren auch die beiden Gauner beunruhigt. Sie banden die Maultiere und bewaffneten sich ebenfalls. »Lynn! Sag mir etwas!« Die Vier stellten

sich Rücken an Rücken und bildeten einen kleinen Kreis. »Kann ich nicht, es ist weg…« Wieder ruckte ihr Kopf. »Doch! Ich habe es wieder! Osten!« Evelyna wirbelte herum und schoss ihren Pfeil ab. Er verschwand im Dunkel des dichten Waldes, der sich etwas zweihundert Meter von ihnen entfernt in der angegebenen Richtung befand. Auch Hortack begann zu feuern. Beinahe zeitgleich stürmte eine Horde schwer bewaffneter Orks aus dem Unterholz. Ein zweiter Elfenpfeil pfiff durch die Luft und durchschlug den Hals einer heranstürmenden Grünhaut. Tödlich getroffen brach die Kreatur zusammen.

»Verflucht, sind das viele!«, stöhnte der kleinwüchsige Bogenschütze, der wie Evelyna einen tödlichen Pfeil nach dem anderen von der Sehne springen ließ. »Ich zähle zweiunddreißig!«, antwortete der Paladin und stemmte seine Füße in die Erde um dem kommenden Ansturm besser standhalten zu können. »Das schaffen wir nie! Bei Sol, wir sind total im Arsch!« Floh hob seinen schweren Streithammer und machte sich ebenfalls kampfbereit. Sein ängstlicher Blick wanderte zur Elfe hinüber, anscheinend hoffte er auf ein paar aufmunternde Worte. Evelyna jedoch war vollkommen konzentriert. Sie zielte

und schoss, zielte und schoss. Für sie gab es weder Sieg noch Niederlage, ihr gesamtes Denken galt einzig und allein der Vernichtung des Gegners. Es war Crane, der sich seiner Not annahm und selbstsicher zu sprechen begann. »Nein, sind wir nicht! Noch nicht! Steh’ deinen Mann Floh, und erschlage so viele dieser Monster wie du nur kannst. Orks sind wild, riesig und gefährlich! Wir aber sind der gemeinere Haufen. Die Götter stehen uns bei, ich weiß es denn ich bin ein Paladin! Und nun, Recke! Heb deine Waffe und kämpfe…« Weitere Pfeile fanden ihr Ziel, dann waren sie heran. Mit lautem Getose

prallten die grünhäutigen Ungetüme auf die unterlegenen Verteidiger. Stahl prallte auf Stahl. Körper gegen Körper. Ohne jede Gnade schlugen die Streiter beider Seiten ihre Waffen gegeneinander. Funken stoben, Waffen klirrten und viele der Krieger schrien sich ihre Anstrengung und all ihren Hass heraus. Für einen kurzen Augenblick schien es so, als wäre der Kampf einigermaßen ausgeglichen. Dann erwischte es Hortack. Eine riesige Keule traf krachend gegen seinen Helm und schleuderte ihn nach hinten, wo er reglos liegenblieb. Angespornt durch diesen ersten Erfolg verstärkten die Orks ihren Ansturm und schlugen wie

tollwütig auf ihre Gegner ein. Floh und Crane hielten verbissen dagegen, während Evelyna geschickt unter den Angriffen hinwegtauchte und sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit durch die streitende Menge bewegte. Sie stach und schnitt mit ihren Dolchen wo immer sich ihr ein Ziel bot. Dabei war sie tunlichst darauf bedacht, sich nicht auf einen direkten Zweikampf einzulassen. Der unbändigen Kraft eines Orks hatte sich nichts entgegenzusetzen. Ihre einzige Chance lag in ihrer Schnelligkeit und ihrem Geschick. Wie ein wirbelnder Derwisch hielt sie blutige Ernte unter den übermächtigen Feinden, bis sie die gepanzerte Faust eines besonders großen

Orks von den Füßen holte. »Wir schaffen es nicht!«, stöhnte Floh der sichtlich müde wurde. Das Schicksal seiner Kameraden war ihm glücklicherweise bisher verborgen geblieben. Trotzdem wich langsam jegliche Zuversicht aus seinem Herzen. »Natürlich schaffen wir es! Halte durch! Fast ein Dutzend dieser widerlichen Kreaturen haben wir bereits zu Mora geschickt. Gib jetzt nicht auf, wir…« Crane verstummte erschrocken, als er zu Boden gerissen wurde. Dieser eine unkonzentrierte Augenblick genügte. Sofort hatten sich ihm zwei Orkkrieger unbemerkt von hinten genähert und ihn mit der Wucht ihrer schweren Körper zu

Fall gebracht. Sofort waren auch die anderen heran. Unter ohrenbetäubendem Triumphgeheul stürzten sich derart viele Grünhäute auf den überwältigten Paladin, dass er nur Sekunden später unter einer Flut riesiger Körper verschwunden war. »Neeeeein!« Floh hob seinen Kriegshammer und drosch damit auf einen nahen Ork ein. Ein unangenehmes Geräusch erklang, als dieser der massiven Gewalt nachgab und förmlich zerplatzte. »Fort mit euch ihr stinkenden Mistkerle! Verschwindet! Ich bring’ euch alle um…« Zu seiner Verwunderung schienen die Orks tatsächlich auf seine Drohungen zu

reagieren. Die Orks stellten den Kampf ein. Sie senkten ihre Waffen und entfernten sich von ihm. Langsam, beinahe bedächtig wichen sie zurück. Dann bildete sich in ihrer Mitte eine schmale Gasse. Eisiger Schrecken ließ Floh die Augen aufreißen, als er den Grund für dieses seltsame Verhalten begriff. Fassungslos kippte sein Kiefer herunter, sein Hammer fiel polternd zu Boden. Das Entsetzen hatte jegliche Kraft aus seinem Körper weichen lassen. »Bei allen Göttern!«, stammelte er. Zwischen den mächtigen Körpern der grünhäutigen Krieger tauchte eine blasse Gestalt auf. Ein Mensch ohne Zweifel,

jedoch mit sehr blasser Haut und einem Blick der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ein boshaftes Lächeln flatterte über seine farblosen Lippen, während er aufreizend langsamen auf Floh zugeschritten kam. »So ist es richtig! Bete zu deinen Göttern! Nur werden auch sie euch nicht mehr helfen können. Ihr seid in meinen Augen nicht mehr als Nahrung und nicht anders werde ich euch behandeln.« Kräftige Arme packten Floh und rissen ihn brutal zu Boden. Ein verzweifelter Schrei stieg seine Kehle empor, verließ seinen Mund aber nur als heißeres Wimmern. Dann war der Vampir über ihm.


Wird fortgesetzt...

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Über den Autor

Alcatras
Was soll man über sich selbst erzählen?
Ich schreibe sehr gerne und sehr viel. Meist Texte und Kurzgeschichten aus dem Horror, Fantasy oder Thriller-Bereich.

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Gast Mensch, noch gar kein Gast. Da bin ich wohl der erste....lach
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