Kinder sind für ihre Eltern oft ein großer Segen, auf jeden Fall aber eine große Verantwortung. Direkt nach der Geburt werden bereits die Weichen für das gesamte spätere Leben gestellt.
Also heißt es, das Kind so schnell wie möglich zu entwöhnen, damit es auf eigenen Beinen stehen kann, im wahrsten Sinne des Wortes.
Also geht man mit dem Nachwuchs ins frühkindliche Förderungsprogramm der nächstgelegenen Musikschule.
„Was, Sie wollen ihn nicht haben? Erst ab drei Jahren? Um Himmels willen! Mozart hat schon mit 5 seine ersten Symphonien komponiert, wie soll Hansi das denn schaffen, wenn er erst mit drei Jahren anfangen darf?!“
Aber trotz solch flammender Reden zeigt die Musiklehrerin keinerlei Verständnis für das arme Kind.
Wie soll er jetzt bloß richtig gefördert werden? Und dieses undankbare Balg zeigt auch kein bisschen Entgegenkommen. Noch nicht einmal sprechen kann er, dabei ist er schon fast ein Jahr alt.
Wie soll man als Mutter so noch seinen Nachbarn unter die Augen treten? Ihre Tochter spricht schon ganze Sätze, dabei ist sie gerade mal zwei Jahre älter als Hansi.
Also beginnt jetzt der Unterricht mit Mami, man hat ja keine andere Wahl. Im Internet finden sich zahlreiche Ausführung zu diesem Thema, mitsamt erschreckenden Beispielen.
Ein vietnamesisches Mädchen, das mit eineinhalb Jahren mit dem Klavierspiel begonnen hat und jetzt mit drei die schwierigsten Stücke bewältigt. Ein chinesischer Junge, der mit zweieinhalb Jahren mit dem Turnen angefangen hat und jetzt im Landeskader ist.
Die richtige Zeit hat man bei Hansi ja eigentlich schon verpasst! Das heißt, dass man die Anstrengungen mit sofortiger Wirkung verdreifachen muss. Er ist ja schließlich schon drei Jahre alt!
Ab jetzt hat er einen straffen Terminplan:
Kinderturnen, Musikunterricht und selbstverständlich mehrere Fremdsprachenkurse.
Englischkenntnisse sind ja mittlerweile so unersetzlich, und chinesisch wird wichtig, jetzt, wo China sich im Aufschwung befindet. Dänisch muss man natürlich auch unbedingt lernen, Dänemark ist schließlich unser direkter Nachbar.
Jetzt hat man endlich gefunden, was man gesucht hat, und alles wäre perfekt, wenn Hansi nur mitarbeiten würde. Aber er wehrt sich und schreit und heult andauernd rum, als wäre er noch ein kleines Kind!
Und letztens hat er es doch tatsächlich gewagt, den Musikunterricht zu schwänzen, mit der Begründung, er habe sich auf dem Weg verlaufen. Als ob er sich verlaufen könnte, in seiner eigenen Heimatstadt.
Und dieses Problemkind bessert sich einfach nicht. Als Papi beschließt, dass er mit fünf jetzt alt genug ist, die Vollmacht über seine Finanzen zu erhalten, und ihm ein Girokonto einrichtet, auf dass er monatlich das Taschengeld überweist, von dem der Junge bis auf Miete und Nebenkosten von nun an alles selbst bezahlen soll, einschließlich einer von den Eltern erhobenen Verpflegungsgebühr, gibt er, anstatt, wie von einem guten Sohn zu erwarten wäre, eine Liste mit Kostenfaktoren aufzustellen, all sein Geld für Süßigkeiten aus! Unmöglich!
Und als er sein erstes Zeugnis erhält, hat er doch allen Ernstes nicht nur Einsen, sondern wahrhaftig eine zwei! Eine Zwei!
Das bedeutet Nachhilfeunterricht. Schließlich muss er unbedingt eine Klasse überspringen. Die Tochter der besten Freundin hat das nämlich auch geschafft.
Aber trotz aller Bemühungen bessern sich seine Noten einfach nicht.
„Was haben wir denn falsch gemacht? War all die Mühe umsonst, hat all das denn gar nichts gebracht?“
„Wir haben ihn wohl einfach nicht genug gefördert.“