4. Kapitel
Es war wahrscheinlich die glücklichste Zeit in meinem Leben.
Die Hochzeitsvorbereitungen waren in vollem Gange und je näher die Hochzeit
rückte, desto breiter wurde Lucias Grinsen, wenn unserer Blicke sich trafen.
„Herr?“ Ich klopfte an ihre Tür. „Komm rein.“, rief Lucia von hinten. Ich trat
ein. Lucia saß auf der Fensterbank und schrieb. Sie trug einen galanten Anzug
und stand auf, als ich die Tür geschlossen hatte. „Was hältst du davon?“, fragte
sie nach einer Pirouette. „Du siehst klasse aus.“
Sie grinste und reichte mir eine kleine Dose. „Was ist das?“
Lucia grinste. „Der Vertrag für unsere Freiheit.“ Ich runzelte die Stirn und
öffnete die Dose. In ihr befand sich ein goldener Ring. Zwei Schwäne, deren
Köpfe ein Herz bildeten. „Gefällt er dir?“ Lucia legte ihren Kopf auf meine
Schulter und schlang von hinten ihre Arme um mich. „Ja, er ist wunderschön. Und
Soraya wird er sicher auch gefallen.“
Ich gab ihn ihr zurück und sie legte ihn ordentlich wieder
in die Schublade der Kommode. „Habt ihr schon ihr Zimmer hergerichtet?“ „Ja, es
ist soweit alles fertig.“ „Welches Personal bringt sie noch mit?“ „Einen Butler
und ein Hausmädchen.“ Lucia nickte. „Was ist mit deren Quartieren?“ Ich musste
lächeln. Sie war unverbesserlich, wenn sie in ihrem Element war.
Sie sah mich an und mir viel wieder ein, dass ich ihr noch
eine Antwort schuldete. „Sind auch schon gefunden.“ Lucia nickte zufrieden.
„Haben wir sonst noch irgendetwas vergessen?“ Ich überlegte kurz und schüttelte
dann den Kopf.
„Gut.“, sie seufzte. „Oh Gott Seropin, ich glaube ich
überlebe das Ganze hier nicht. Ich habe das Gefühl, mein Herz springt mir jeden
Augenblick aus der Brust vor Freude.“ Ich lachte und nahm sie in meine Arme.
„Glaub mir, Soraya, Francesco und mir geht es genauso.“ Sie lächelte und ich
küsste sie.
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Und dann kam der Tag, vor dem ich mich mein halbes Leben
lang gefürchtet hatte und den ich mich seit kurzer Zeit herbei sehnte. Lucias
Hochzeit.
Die Bäume waren in voller Blüte und die Sonne schien. Es war
so, als wollte auch sie an diesem wunderbaren Tag teilnehmen. Während die Gäste
aus den verschiedensten adligen Familien schon in der prunkvollen Kirche Platz
nahmen, wartete ich mit Lucia in einem kleinen Raum neben dem Altar auf ihren
kleinen Bruder, der bei ihrer Mutter auf einem weit entfernten Gut lebte und
ihr Trauzeuge sein würde. Ich konnte es kaum erwarten ihre Mutter
kennenzulernen. Lucia hatte mir oft von ihr erzählt und darüber geklagt, dass
sie sie nur selten zu Gesicht bekam, weil ihre Mutter an derselben Krankheit
litt wie Alawis und ihr die Luft hier, weit weg vom Meer, zu schaffen machte.
Da ihr kleiner Bruder für die Erbfolge unbedeutend war, lebte er bei ihrer
Mutter.
Die Tür öffnete sich und ein Junge von etwa 18 Jahren trat ein.
Die Tür schloss sich. „Alawis!“, rief ihr Bruder erfreut und fiel ihr um den
Hals. Sie lachte und wirbelte ihn herum. „Bist du groß geworden, Philipp!“ Sie
setzte ihn wieder auf seine eigenen Füße. Er war wenige Zentimeter kleiner als sie.
„Aber mir über den Kopf gewachsen bist du nicht.“ „Ich bin halt ein wahrer
Gentleman und weiß, wie wichtig dir es ist, größer zu sein. Also überlasse ich
dir das Vergnügen.“ Beide lachten.
Er war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten, fand ich.
Plötzlich sah er auf und schien mich erst jetzt zu bemerken. „Oh.“, flüsterte
er nur, dann reichte er mir die Hand. „Ich bin Alawis kleinere Bruder Philipp.“
Ich ergriff seine Hand. „Seropin, Alawis Haushofmeister. Sehr erfreut.“
Der Pfarrer öffnete die Tür. „Es ist soweit.“ Lucia nickte
und verließ gefolgt von Philipp und den Raum.
Elizabeth und Francesco quetschten sich durch die schmale
Tür, die in den Kirchengarten führte in den Raum. Da wir alle nur Bedienstete
waren schickte es sich nicht, dass auch wir an der Hochzeit teilnahmen. Doch
Lucia war mit ihrem Dickschädel wieder durch die Wand gerannt und hatte uns
hier in diese Kammer bestellt. Wenn ihr nicht laut zu heulen anfangt, werdet
ihr schon keinen stören, hatte sie gesagt. Und so saßen wir also hier und
lugten abwechselnd durch das Türschloss.
Soraya sah umwerfend in ihrem Kleid aus. Ich konnte
Francesco mit den Zähnen knirschen hören und lachte. Aber als der Pfarrer die
Worte „Ich erkläre euch hiermit zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt
küssen.“ Sprach, hielt ich ihn sicherheitshalber fest, weil ich fürchtete er
würde gleich aufspringen und Lucia an den Kragen gehen.
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Lucia lachte, als ich ihr das am Abend erzählte. „Er ist
halt ein sehr Temperament voller Mann.“ Wieder lachte sie. „Und wie war es eine
Frau zu küssen?“, neckte ich sie. „Ich weiß nicht.“, antwortete Lucia. „Wie das
weißt du nicht?“ „Ich habe mir vorgestellt du würdest vor mir stehen.“ „Und,
kann Soraya besser küssen als ich?“ „Was passiert, wenn ich jetzt ja sage?“ Ich
schmiss ein Kissen nach ihr. „Oh, das hat mich jetzt aber beeindruckt.“, lachte
sie.
„Du bist unmöglich!“ Sie grinste mich breit an und legte
sich wieder neben mich. „Ich weiß.“
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Lucia hatte sich längst von ihren Gästen verabschiedet, aber
Soraya sprach noch mit ihrer besten Freundin. Â
Eine Zeit lang starten wir einfach nur die Decke ihres
Zimmers an. Irgendwann klopfte es an die Tür. „Ja?“, rief Lucia, nachdem sie
aufgestanden war. Soraya betrat mit Francesco das Zimmer. „Also, das kann ja
noch was werden! Gehst du mir schon in unserer Hochzeitsnacht fremd!“, rief sie
empört und stemmte die Hände in die Hüfte. „Natürlich, ich bin doch nicht
lebensmüde und außerdem möchte ich Francesco nicht zum Mörder machen.“, sie
grinste Soraya frech an. Dann stand sie auf, küsste Soraya die Hand und sagte: „Ich
wünsche dir eine schöne Hochzeitsnacht, meine Gemahlin.“
Soraya grinste und knickste. „Ich dir auch, mein Gemahl.“
Und dann verließ Lucia mit mir das Zimmer. Sie zog mich an der Hand hinter sich
her. „Wo gehen wir hin?“, fragte ich. „Wo würdest du denn gerne hingehen?“ Ich
wurde rot und sie lachte, als sie es sah.
Wir hielten schließlich vor einem kleinen Zimmer. Es war nur
mit einem Bett, einem kleinen Tisch und einem zerkratzten Schrank ausgestattet.
Diesen Raum hatte ich schon Ewigkeiten nicht mehr betreten. Mein altes Zimmer.
Ich erinnerte mich wieder an meinen 8. Geburtstag. Lucia nahm mein Gesicht in
ihre Hände. Ihre Augen funkelten. Mit dem Fuß schob ich die Tür zu und begann
dann sie zu küssen.
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"Seropin!"Â
Ich drehte mich zu Lucia um, die die lange Treppe hinunterstürmte. Ich
breitete meine Arme aus, sie sprang die letzten Stufen hinunter und ich fing
sie auf. Ihr Lachen halte durch das fast menschenleere Haus. Es war Weihnachten
und Lucia hatte alle Bediensteten nach Hause zu ihren Familien geschickt. Ich
setzte sie auf ihre eigenen Füße und sah ihr in die Augen. Ihre waren feucht.
"Was ist los?", fragte ich besorgt. Sie lachte wieder und wischte
sich eine Freudenträne aus den Augenwinkeln. "Oh mein Gott Seropin, ich
werde Vater!" Sie drückte mich fest an sich, wofür ich dankbar war, weil
ich so Zeit hatte meine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu bringen.
Als ich meinen Blick die Treppe hochwandern ließ, sah ich
ganz oben Soraya und Francesco stehen. Und ich konnte nicht anders, als ihr
freudiges Lachen zu erwidern.