Kurzgeschichte
Hallo Mama, hier bin ich!

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"Hallo Mama, hier bin ich!"
Veröffentlicht am 09. Juli 2012, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Autorenhomepage: www.kleiner-falke.de
Hallo Mama, hier bin ich!

Hallo Mama, hier bin ich!

Diesen einen Tag in meinem Leben werde ich wohl nie vergessen. Er hat sich eingebrannt in meinen Erinnerungen, in mein Gedächtnis, in meine Seele.

Endlich galten die nächsten zwei Wochen nur uns beiden, meinem Sohn und mir.

Wir fuhren zusammen entlang der Autobahn, Richtung Heimat. Wie lange hatte ich schon meine Eltern nicht mehr gesehen. Wie lange war es her, dass sie ihren Enkel sahen.  

„Sie werden staunen, was aus ihm geworden ist, wie groß er schon geworden ist“, dachte ich fröhlich bei mir. Und auch Bjarne freute sich unendlich auf seine Großeltern. Er wusste, dass es immer etwas Besonderes war, wenn wir zu ihnen fuhren. Dort gab es nicht, was es bei uns zu Hause gab: Regeln. Dort durfte er nach Herzenslust Süßigkeiten verputzen, Fernsehen, wurde von morgens bis abends belustigt, und zum Abschied gab es für ihn immer kleine bis größere Geschenke und etwas Taschengeld. Also genau das, was Großeltern immer taten, wenn sie ihr Enkelkind nach Strich und Faden verwöhnten.

„Ach, lass uns doch, wir sehen ihn doch so selten“, kam ständig als Antwort, wenn ich mein nur versuchte mein Veto einzulegen. Also ließ ich sie.

Bjarne sang während der ganzen Fahrt vor Freude. Zwischendurch begann er mit mir kleine Spielchen zu spielen wie: „Ich sehe was, was du nicht siehst“, oder „Mama, welches Kennzeichen ist das?“

Das vertrieb uns auf eine schöne Art die Zeit, die für mich trotz Freude doch sehr lang war. Es war nicht immer leicht, sich sieben Stunden auf die Autobahn zu konzentrieren, wenn man ein acht-jähriges Kind im Auto sitzen hatte, dass beinahe ständig fragte: „Wann sind wir endlich da?“  Leider gehörte er nicht zu den Kindern, die während der Autofahrt hin und wieder einnickten.

 Also legten wir zwischendurch an einer der mehr oder weniger zahlreichen Raststätten eine Pause ein. Wir aßen etwas, und Bjarne hatte Gelegenheit sich etwas auf den Spielplätzen zu bewegen.

 Den letzten Abschnitt der Strecke wollte ich durchfahren. Es waren noch etwa zweihundert Kilometer, und ich wollte endlich einfach nur „da“ sein. Ich legte für Bjarne noch ein Hörspiel in den Wechsler, in der Hoffnung auf ein bisschen Ruhe. Obwohl ich es nicht erwartet hatte, klappte es diesmal sogar. Ich atmete auf.

„Nicht mehr lange“, dachte ich bei mir. „Dann sind wir endlich da“.

 Doch es sollte anders kommen.

Der Verkehrsfunk informierte die Fahrer über einen langen Stau, der direkt vor mir lag. Ich beschloss diesen zu umfahren. Also nahm ich die nächstgelegene Ausfahrt.  Ich ärgerte mich, dass die Fahrt länger dauern würde, als von mir geplant. Aber es half nichts. Lieber über die Landstraße, als wer weiß wie lange im Stau zu stehen.

Im Rückspiegel beobachtete ich Bjarne. Er trug wie fast immer seine Lieblingsmütze. Sie war knallrot. Er liebte sie über alles. Es war ein Geschenk meiner Mutter, und er trug sie fast täglich und ich liebte es.

 Während wir vorbei an Wiesen und Felder fuhren, zwischendurch ein Wäldchen passierten, sah ich plötzlich wie vor mir auf der Gegenseite ein Wagen zum Überholen ansetzte. Ich kann mich noch erinnern, wie ich laut dachte: „Na hoppla, der hat´s aber eilig“.

Doch mir wurde schlagartig klar, dass hier was nicht stimmte. Er scherte nicht mehr ein. Er fuhr genau auf mich zu.  Ich spürte, wie das Adrenalin in mir hoch stieg. Panik überfiel mich. Mir schossen in dem Moment tausend Gedanken in den Kopf. „Was macht er denn da? … Scher endlich ein... Was mach ich denn jetzt? ... Oh. Mein Gott…Mein Sohn…  Nein!!!…

Ich schlug die Augen auf. Ich fühlte mich wie betrunken. Ich konnte im ersten Moment keinen klaren Gedanken fassen. „Was ist los? Was ist passiert? Wo bin ich?“

Plötzlich fiel es mir schlagartig wieder ein. „Der Wagen. Das Adrenalin. Ein Unfall! Mein Sohn, was ist mit meinem Sohn??“

Ich traute mich nicht, aber ich drehte mich schlagartig um. Bjarne! Er war nicht mehr in seinem Sitz.

„Oh mein Gott“, schrie ich. „Bjarne! Bjarne, wo bist du??“

Ich versuchte mich aus diesem Auto, welches nur noch ein Wrack zu schien sein, zu befreien. Der Gurt klemmte. Ich kam nicht heraus. Ich hatte starke Kopfschmerzen. Schließlich begriff ich, dass der Wagen auf dem Kopf stand. Wir hatten uns überschlagen, und das Auto blieb auf dem Dach liegen.

Ich kann nicht mehr erklären, wie ich aus diesem Wagen kam oder wie lange es dauerte. Ich spürte auch nicht die Wärme in meinem Gesicht, das von Blut überströmt war. Ich wollte nur eins: mein Kind!

Wie benommen, lief ich in der Gegend umher und schrie: „Bjarne, Bjarne!“

Doch Bjarne blieb verschwunden.

Irgendwann bemerkte ich einige andere Menschen. Sie redeten auf mich ein, stellten mit Fragen, doch ich verstand kein Wort. Ich war zu sehr mit mir, meinen Gedanken und meiner Angst beschäftigt. Doch plötzlich packte mich einer von ihnen und schrie mich an: „Hören Sie mich? Was ist passiert? Geht es Ihnen gut? Saß noch jemand im Auto?“

Völlig desorientiert sah ich ihn an. Dann schrie ich: „Mein Sohn, wo ist mein Sohn?“

Ich sah mich um. Doch von Bjarne war weit und breit keine Spur. Dann plötzlich sah ich sie. Diese knallrote Mütze. Sie lag halb unter dem Dach des Autos. Ich rannte dort hin. Völlig hysterisch versuchte ich sie hervorzuziehen. Plötzlich hielt ich sie in der Hand. Da wusste ich es.

Bjarne lag unter dem Auto. Es war vorbei. Mein Sohn lag begraben unter diesem Wrack. Und das einzige, woran ich mich noch erinnern konnte war ein Stimme die sagte: „Haltet die Mutter fest, er ist hier.“ Dann wurde alles schwarz.

Nie werde ich den Moment vergessen, an dem ich die Augen wieder öffnete. Über mir sahen mich zwei dunkelbraune Knopfaugen an. Über den Augen prangte eine knallrote Mütze. Und ich hörte nur noch sagen: „Hallo Mama, hier bin ich.“

 

 

 

 

 

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schnief Eine wunderschöne Geschichte.
Mit so viel Gefühl und Liebe geschrieben.
Vor langer Zeit - Antworten
KleinerFalke Re: Das ist ja noch einmal gut gegangen -
Zitat: (Original von petjula007 am 24.11.2012 - 12:19 Uhr) aber die Geschichte geht tief unter die Haut. Auch ich bin ein Vielfahrer und sehr oft mit meinen Enkeln unterwegs. Aber was sich da manchmal auf den Straßen tut, ist mit dem normalen Menschenverstand nicht erfaßbar. Mein kleiner Enkel hat auch so ein Lieblingsmützchen, ein Geschenk aus Tunesien. Hat er immer auf, wenn wir unterwegs sind. Darum find ich mich in Deiner Geschichte auch etwas wieder. Hast Du sehr gefühlvoll und ergreifend geschrieben. Gefällt mir sehr.

Liebe Grüße
Petra

Ja, leider gibt es Fahrer, die ohne Rücksicht und Verstand auf unseren Straßen unterwegs sind.
Ich wünsche dir allzeit gute Fahrt und möge dich der Schutzengel immer begleiten.

Vielen Dank fürs Vorbeischauen.

LG
Kleiner Falke
Vor langer Zeit - Antworten
petjula007 Das ist ja noch einmal gut gegangen - aber die Geschichte geht tief unter die Haut. Auch ich bin ein Vielfahrer und sehr oft mit meinen Enkeln unterwegs. Aber was sich da manchmal auf den Straßen tut, ist mit dem normalen Menschenverstand nicht erfaßbar. Mein kleiner Enkel hat auch so ein Lieblingsmützchen, ein Geschenk aus Tunesien. Hat er immer auf, wenn wir unterwegs sind. Darum find ich mich in Deiner Geschichte auch etwas wieder. Hast Du sehr gefühlvoll und ergreifend geschrieben. Gefällt mir sehr.

Liebe Grüße
Petra
Vor langer Zeit - Antworten
kullerchen Re: Re: Putenpelle pur! -
Zitat: (Original von KleinerFalke am 24.10.2012 - 22:05 Uhr)
Zitat: (Original von kullerchen am 24.10.2012 - 17:42 Uhr) Ich sah dich vor mir, die rote Mütze deines Sohnes in der Hand, in dem vollen Bewußtsein, das dies den Tod deines Kindes bedeutet und nachdem ich Ähnliches durchhabe mit meinem Sohn, wollt ich nicht weiterlesen.

Gut, dass ich es getan habe, denn zuvor schrieb ich einen Kommi der mich dazu zwang, mich einzulassen und der mich schon Kraft kostete und den Tod eines Kindes, hätte ich wohl kaum verkraftet.

"Hallo Mama, hier bin ich!" Die schönsten Worte, die ich seit langem las!

LG vom Kullerchen, dass für heute den PC ausmacht!

MIr ist das Gott sei Dank nicht passiert, dennoch ist es geschehen.
Ich hoffe, dass auch bei dir alles gut ausgegangen ist. Auch ich könnte mit einem derartigen Verlusst nicht leben können.
Wünschen wir uns alle für die Zukunft unserer Kinder nur das Beste.

Hab herzlichen Dank!

LG
Melanie


Ich bin ein Holzkopf, hab nicht mal gefragt, ob du alles ansonsten halbwegs schadlos überstanden hast. Das ist aber nicht bös gemeint gewesen, denn ich mit meiner unendlichen Fantasie stand gestern auf der Autobahn, zwischenall den Menschen und spürte sogar den eisigen Wind, während ich voller Entsetzen auf die rote Mütze in deinen Händen starrte.

Ich las, was dir gescha und trotz allem, was da so nachhallt, es ist eintoller Ausgang gewesen. Mein Kind war schwer krank, es zählten nachdem die Ärzte endlich die Möglichkeit ausgeschlossen hatten, dass ich es vergiftet hätte, Minuten um sein so junges und unschuldiges Leben zu retten.

Ich stand vor den Untersuchungsräumen, in dem Gelände, wo ich grad lag und betete.

So, mehr muss nicht gesagt sein, denke ich! LG Kullerchen!
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Re: Re: Wahnsinn!!!! -
Zitat: (Original von KleinerFalke am 24.10.2012 - 23:49 Uhr)
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 24.10.2012 - 23:46 Uhr) Ich hatte selbst mal einen Unfall, landete auf der Leitplanke, weil ein anderer nicht aufgepasst hatte ... Seitdem bin ich autobahngestört ..., obwohl es nur eine mehrspurige Landstraße war ...
ich war nur selbst betroffen, mein Sohn ist längst erwachsen ...
auch ich hatte Gänsehaut bei deiner Geschichte, keine Frage ...

LG fleur



Mit diesem Gedanken fahre ich jeden Tag Auto: man muss ja gar nicht selber Schuld haben, aber leider gibt es zu viele Idioten auf den Straßen.

Ich hoffe, es ist damals alles noch gut gegangen.

Vielen lieben Dank

LG
Kleiner Falke


Im Grunde schon, aber ich hatte eine Brustbeinfraktur mit Herzquetschung, weil wegen dem seitlichen Aufprall der Airbag versagt hatte ... War ca. zwei Monate krank, habe es verewigt im *Advent unter der Leitplanke*, soll aber echt kein Muss sein. Ich habe es abgehakt, obwohl der Herzrhythmus manchmal noch spinnt ...

LG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
KleinerFalke Re: Wahnsinn!!!! -
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 24.10.2012 - 23:46 Uhr) Ich hatte selbst mal einen Unfall, landete auf der Leitplanke, weil ein anderer nicht aufgepasst hatte ... Seitdem bin ich autobahngestört ..., obwohl es nur eine mehrspurige Landstraße war ...
ich war nur selbst betroffen, mein Sohn ist längst erwachsen ...
auch ich hatte Gänsehaut bei deiner Geschichte, keine Frage ...

LG fleur



Mit diesem Gedanken fahre ich jeden Tag Auto: man muss ja gar nicht selber Schuld haben, aber leider gibt es zu viele Idioten auf den Straßen.

Ich hoffe, es ist damals alles noch gut gegangen.

Vielen lieben Dank

LG
Kleiner Falke
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Wahnsinn!!!! - Ich hatte selbst mal einen Unfall, landete auf der Leitplanke, weil ein anderer nicht aufgepasst hatte ... Seitdem bin ich autobahngestört ..., obwohl es nur eine mehrspurige Landstraße war ...
ich war nur selbst betroffen, mein Sohn ist längst erwachsen ...
auch ich hatte Gänsehaut bei deiner Geschichte, keine Frage ...

LG fleur


Vor langer Zeit - Antworten
KleinerFalke Re: So gebannt hab ich schon ..... -
Zitat: (Original von KarinB am 24.10.2012 - 23:17 Uhr) lange nichts mehr gelesen. Man macht unweigerlich vor dem Schluss eine Pause weil man nicht sicher ist ob man wirklich weiter lesen will. Aber welch eine Erlösung dann das Ende. Es ist als würde die Sonne wieder aufgehen. Für die Mutter ist dieser Tag sicher eine Art zweiter Geburtstag von ihrem Sohn.

Toll und fesselnd geschrieben

LG Karin

Es war tatsächlich wie ein zweiter Geburtstag, der bis heute auch nicht vergessen ist.

Vielen lieben Dank!

LG
Melanie
Vor langer Zeit - Antworten
KarinB So gebannt hab ich schon ..... - lange nichts mehr gelesen. Man macht unweigerlich vor dem Schluss eine Pause weil man nicht sicher ist ob man wirklich weiter lesen will. Aber welch eine Erlösung dann das Ende. Es ist als würde die Sonne wieder aufgehen. Für die Mutter ist dieser Tag sicher eine Art zweiter Geburtstag von ihrem Sohn.

Toll und fesselnd geschrieben

LG Karin
Vor langer Zeit - Antworten
KleinerFalke Re: Putenpelle pur! -
Zitat: (Original von kullerchen am 24.10.2012 - 17:42 Uhr) Ich sah dich vor mir, die rote Mütze deines Sohnes in der Hand, in dem vollen Bewußtsein, das dies den Tod deines Kindes bedeutet und nachdem ich Ähnliches durchhabe mit meinem Sohn, wollt ich nicht weiterlesen.

Gut, dass ich es getan habe, denn zuvor schrieb ich einen Kommi der mich dazu zwang, mich einzulassen und der mich schon Kraft kostete und den Tod eines Kindes, hätte ich wohl kaum verkraftet.

"Hallo Mama, hier bin ich!" Die schönsten Worte, die ich seit langem las!

LG vom Kullerchen, dass für heute den PC ausmacht!

MIr ist das Gott sei Dank nicht passiert, dennoch ist es geschehen.
Ich hoffe, dass auch bei dir alles gut ausgegangen ist. Auch ich könnte mit einem derartigen Verlusst nicht leben können.
Wünschen wir uns alle für die Zukunft unserer Kinder nur das Beste.

Hab herzlichen Dank!

LG
Melanie
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