Kapitel 3 Rückkehr
,, Ich denke in letzter Zeit zu viel nach Adriana.
Meine Gedanken scheinen mir nicht mehr zu gehören. Wenn ich die Augen schließe… sehe ich die Möglichkeiten. Die Wahrscheinlichkeiten. Was sein könnte.
Oder möglicherweise bin ich nur ein alternder Narr?
Ich habe in Seminium nicht gefunden was ich suchte. Dafür aber etwas anderes. Es scheint jemand wolle unbedingt ein Spiel spielen. Wissen die Götter wieso. Aber ich fand lediglich ein weiteres Stück von Jarets Aufzeichnungen. Ich bin beinahe schon froh ihm nie wirklich begegnet zu sein. Oder mich zumindest nicht daran erinnern zu können. Seine Schriften sind... beunruhigend. Seine Gedanken sind es. Gute Absichten führen allzu oft zum Fall. Ich fürchte was ich finden könnte.
Aber wenigstens führt es mich zurück. Zurück zu euch.
Ich bin bald wieder daheim
Liron“
Die Stadt die sich vor ihm erhob schien wie aus dem Fels geschnitten. Türme und Mauern aus Granit. Gebäude geformt aus der Erde. Das war Licentia. Das Herz der Welt…
Und hoch über allem thronte der Palast des Rates.
Nachdem Liron den unterirdischen Zugang passiert hatte machte er sich auf den Weg durch die Straßen hinauf zum Palast.
Hier viel er sofort auf. In seiner eigenen Stadt kannte ihn mittlerweile jeder. Sofort kamen einige Wachen angelaufen und fragten ihn ob er eine Eskorte brauchte. Er verneinte. Es war egal was er antwortete. Sie würden ihm ja sowieso in gebührenden Abstand folgen. Und wenn er dann fragte wieso sie ihm folgten war es eine Zufällige Route….
Das war der wahre Grund wieso ihm seine Stellung nicht gefiel. Er war nirgendwo mehr allein, hatte nie wirklich seine Ruhe. Da war die Reise nach Seminium eine Entspannende Abwechslung gewesen.
Wenn man mal von dem Pfeil in die Schulter absah….
Die Wachen am Tor zum Palast hießen ihn willkommen während er vorbeiging. Normalerweise hielt er gerne an und Unterhielt sich etwas mit den Wachen und auch mit den Leuten auf der Straße.
Doch heute nicht. Er würde nicht sofort zu Zemas Hort aufbrechen. Der Drache hatte sich ohnehin schon eine Weile nicht mehr in der Stadt blicken lassen.
Er durchquerte die lichtdurchfluteten Flure und Hallen des öffentlichen Teils des Komplexes bis er die Kammern erreichte die hier ihm zugewiesen waren. Er öffnete die Tür zu einem großen mit Teppichen ausgelegten Saal. In einem Kamin brannte Feuer.
,, Liron…“ Er drehte sich in die Richtung der Stimme.
Adriana. Ja beide waren sie älter geworden. Aber für ihn würde sie immer die schönste Person sein der er je begegnet war.
Und hinter ihr, halb versteckt stand eine kleine Gestalt.
,,Hallo Adriana und…“ In diesem Moment rannte das Kind auch schon auf ihn zu.
Er fing Aron auf und lies sich mit dem Kind auf den Boden fallen.
,, Hey du hast mich umgeworfen Kleiner.“
,, Du hast dich fallen lassen. Du schummelst.“
Er stand auf und klopfte sich den Staub ab. ,, Sicher ?“
,, Onkel Alexis hat mir einen Trick gezeigt. Schau mal.“ Das Kind ballte die Hand zu einer Faust. Eine kleine Flamme tanzte über die Hand und erlosch dann.
,, Wann hat er ihm das denn beigebracht ?“
,, Frag mich nicht.“ , antwortete Adriana. ,, Hast du gefunden was du gesucht hast ?“
Liron schüttelte den Kopf. ,, Nein… Es tut mir leid aber ich fürchte ich werde nicht lange bleiben.“
,, Liron… du weißt das du das nicht tun musst.“
Er drehte sich zu Adriana um. ,, Wenn nicht ich wer sonst ? Solange es irgendwo da draußen existiert ist es eine Gefahr. Ich würde das lieber heute als morgen aus der Welt schaffen. Dann… habe ich alle Zeit der Welt.“
,, Die Kopie des Buches ? Rubens Aufzeichnungen ? Die haben fast ein Jahrhundert Unentdeckt überstanden. Sie werden auch noch ein weiteres Überstehen meinst du nicht?“
,, Es ist meine Aufgabe.“ , erwiderte er.
,, Deine Aufgabe ist erfüllt Liron. Niemand kann dir irgendetwas vorwerfen.“ , meinte Adriana.
,, Nur ich mir selbst.“
Sie lachte. ,, Du warst schon immer stur.“
,, Ich weiß. Ach.. hast du Zemas in letzter Zeit gesehen?“
,, Der hat seine Höhle seit einer Weile selbst nicht verlassen.“ Sie lachte erneut. ,, ich glaube langsam er wird auch alt.“
,, Nicht ernsthaft… der ist doch erst… was Eintausend ? Dann bleibt mir die Kletterpartie wohl nicht erspart…“ Er wendete sich zum Gehen. ,, Ich schreibe.“ , sagte er zum Abschied.
Seine Hand griff die letzte Kante. Unter seinem Fuß lockerte sich der Stein. Er zog sich endlich hoch.
Liron sah hinab auf die Stadt Licentia. Der Aufstieg war nicht so gefährlich wie es den Anschein hatte aber anstrengend. Er setzte sich einen Moment auf die Kante der klippe und sah in die Ferne.
Hinter ihm bewegte sich etwas in der dunklen Öffnung der Höhle. Eine Schneeweiße Klaue trat isn Licht gefolgt von einem gewaltigen mit Hörnern bewehrten Kopf.
,, Liron.“ , sagte der Drache mit dröhnender Stimme. ,, schön euch zu sehen. Ich dachte ihr wärt in Seminium.
,, Wisst ihr das dachte ich auch. Aber es scheint als ob es jemand für nötig gehalten hätte mich quer über die Landkarte zu jagen. Ihr wart damals doch selbst dabei. Könntet ihr mir nicht zufällig weiterhelfen?“
Der Drache antwortete bedauernd: ,, Tut mir leid Liron aber ich fürchte ich kann euch nicht helfen. Ich war zurzeit als diese Tagebücher entstanden nicht bei Jaret… Etwas das ich heute noch bedaure. Er hat mir nie erzählt was damals geschah.“
,, Vielleicht kann ich euch da ja weiterhelfen. Ich muss zur Magiequelle.“
Der Drache wurde ein wenig skeptisch. ,, Die habt ihr selbst zerstört, Erinnert ihr euch ?“
,, Natürlich weiß ich das. Aber möglicherweise hat Jaret.. oder sonst jemand… etwas dort zurückgelassen.“
,, Interessant. Ich bin selbst nie dort unten gewesen aber bitte… Mein… Heim steht euch immer offen.“
Liron trat an dem Drachen vorbei ins Innere der Kathedralenartigen Höhle.
Säulen aus Stein stützten die Höhlendecke ab.
Rasch passierte er die ersten Reihen der natürlichen Säulen und wendete sich dann der Wand zu.
Ein niedriger Durchgang führte dort zu einer groben, in den Stein gehauenen Treppe.
30 Jahre war es her das er diese Treppe das letzte Mal hinabgestiegen war. Damals hatte draußen vor der Stadt eine Armee gestanden und versucht die Licentia einzunehmen.
Wie viel hatte sich doch seitdem geändert.
Er konzentrierte sich wieder auf den Abstieg die Treppe hinab. Er wusste diese zog sich eine Ewigkeit in die Tiefe. So lächerlich das Klang… hier auszurutschen war ein Todesurteil.
Die Treppe endete in einer gewaltigen unterirdischen Halle. Genau in der Mitte des Saals befand sich eine kreisrunde Steinplatte. Die Magiequelle. Er machte einen großen Bogen darum obwohl er wusste, dass davon keine Gefahr mehr ausging. Alles was einst darin gewesen war steckte nun in seinem Verstand. Ein dunkler Mahlstrom, den er grade so im Zaum halten konnte.
Liron setzte seinen Weg an der Platte vorbei fort. Er hatte sich nie wirklich hier unten umgesehen. Jetzt aber vielen ihm die Inschriften an den Wänden auf. Dieser Ort war einst von den alten Zauberern des Reichs von Indigor geschaffen worden. Und Mithilfe der Macht hier hatte Anbrail, sein alter Feind, eben dieses Reich wiedererrichten wollen.
Anbrail war nun Geschichte, genau wie Indigor.
Aber die Inschriften waren noch da… wenn jemand hier unten etwas Verstecken wollte… es gab keinerlei Einrichtung…
Er tastete mit der Hand an den Symbolen entlang. Wie leicht könnte man… Er stockte. Die Symbole waren normalerweise alle etwa einen Finger breit in die Wand gekerbt worden aber…
Ein Zeichen das Botschaft bedeutete und aussah wie ein oben offengelassener Quader… Seine Hand passte bequem in die Öffnung. Jemand hatte hier einen Hohlraum eingebaut.
Er tastete… suchte und fand etwas Ein Stück brüchiges Pergament.
Er wünschte er hätte eine Fackel mitgenommen aber so konnte er die Schrift nicht entziffern.
Man konnte über Jaret sagen was man wollte aber der Mann musste eine fürchterliche Handschrift gehabt haben. Liron konnte kaum etwas entziffern.
Kurzerhand verstaute er das Stück zusammen mit den anderen in seiner Tasche und machte sich auf den Weg zurück an die Oberfläche als er hinter sich ein Flüstern vernahm.
,, Nun seht. Liron. Lauft ihr immer noch längst Vergangenem und Überholtem Hinterher. Seit ihr solch ein Narr das ihr euren Untergang nicht einmal kommen seht?“
Der Seher drehte sich um. Natürlich gab es eine Sicherung… und es musste ausgerechnet ein Schatten sein. Diese magischen Schutzvorrichtungen nährten und stärkten sich an der Angst, spielten sie gegen ihre Gegner aus bevor sie sie töteten. Und zu allem Überfluss nahmen sie die Gestalt eines Negativ-Abbilds ihres Gegners an.
Liron war nicht überrascht sich selbst in die Augen zu sehen.
,, Zu schade für dich das ich keine Zeit zum Plaudern habe. Können wir das hinter uns bringen, ja?“
Desto länger das Wesen redete, desto stärker würde es lediglich werden.
,, Aber ich werde nicht aufhören zu reden, Liron. Ihr seid was ihr seid. Ein Narr. Ihr gönnt euch nichts, ihr sucht immer weiter… Wovor lauft ihr weg?“
Liron war näher an die Gestalt herangetreten. ,, Davor.“ Er holte mit der Waffe aus und trennte der Gestalt den Kopf ab. Im selben Moment löste sich der Körper auf.
Man konnte diese Wächter nicht wirklich bezwingen, aber zumindest Zeitweise ausschalten.
Er konnte dem Ding nicht mal für seine Worte Böse sein… Es tat lediglich wofür es geschaffen wurde.
Er trat zurück ins Licht wo Zemas bereits auf ihn wartete.
,, Und habt ihr dort unten gefunden was ihr gesucht habt ?“
,, Ja. Aber auch einige unangenehme Überraschungen.“ , Er sah über die Kante zur Stadt hinab. ,, Ihr nehmt mich nicht zufällig mit runter ?“
,, Also was habt ihr nun gefunden ?“ , wollte Zemas wissen. Das Auftauchen des Drachen in der Stadt hatte für einen kleinen Aufruhr gesorgt und er und Liron mussten sich durch eine Menschenmenge kämpfen. Was dem Drachen natürlich um einiges leichtert viel als dem Seher. Selbst nachdem das Wesen seine Menschliche Gestalt angenommen hatte hielten die Leute respektvollen Abstand.
,, Das hier.“ Er reichte Zemas die Tagebuchseite welche Ragnar ihm gegeben hatte. Jene aus der Höhle behielt er. Er hatte selbst noch keinen blick darauf geworfen.
Der Drache überflog die vergilbten Seiten dann reichte er sie Liron zurück.
,, Sehr interessant. Wie gesagt ich war zu der Zeit nicht bei Jaret. Aber wenn er diese Aufzeichnungen gefunden hat…“
,, Sind sie vielleicht noch irgendwo da draußen. Zusammen mit hunderten gefangenen Seelen. Ich habe gesehen was diese Macht anrichten kann. Wenn es mir möglich ist diese Dinge zu finden und zu vernichten werde ich es tun.“
Der Drache sah ihn besorgt an. ,, Ich frage mich nur wieso Jaret genau das nicht getan hat. Hat er wirklich gehofft das Gerret einen Weg finden würde?“
,, Vielleicht. Vielleicht steckt da aber auch mehr hinter als wir jetzt verstehen. Ich hoffe mal das die hier.“ Er hielt die neue Tagebuchseite hoch. ,, Vielleicht einige Antworten enthält…“
Als er wieder am Palast ankam verabschiedete sich der Drache schließlich. ,, Ihr wisst das ihr hier jederzeit willkommen seit Zemas.“ , meinte Liron.
,, Ich weiß , Freund. Und ich hoffe das wir uns bald wiedersehen.“
Mit diesen Worten nahm der Drache wieder seine eigentliche Gestalt an und erhob sich Flügelschlagend in die Luft.
Liron sah dem sich entfernenden Wesen eine Weile nach. Dann betrat er die Ratshallen.
Eine flackernde Kerze und Sternenlicht bildeten die einzige Beleuchtung in dem dunklen Raum.
Liron saß im Licht der Kerze und überflog die mit, wie es schien, zitternder Hand geschriebenen Seiten. Möglicherweise war die Tinte auch im Lauf der Zeit einfach nur verlaufen…
Tatsächlich beantwortete es einige seiner Fragen. Aber nicht die nach deren Antwort er eigentlich suchte. Trotzdem. Es war ein Anfang.
Vorsichtig verstaute er die Seite wieder zusammen mit den anderen in einer kleinen Tasche.
Durch die Geöffnete Tür zum Nebenraum konnte er Adriana und Aron schlafen sehen. Er selbst verspürte keinerlei Müdigkeit auch wenn er in letzter Zeit wenig schlief. Es war als würde ihn etwas dazu antreiben weiterzumachen. Immer weiter zu rennen…. Beinahe wegzulaufen. Nur wovor das wusste er nicht.
Es viel ihm schwer erneut aufzubrechen aber… das hier hatte möglicherweise schon zu lange gewartet. Er würde noch in dieser Stunde wieder abreisen. Dynastes hieß sein Ziel. Beinahe freute er sich darauf. Die Akademie war so etwas wie eine zweite Heimat für ihn gewesen. Und bei dem Gedanken Alexis zu Besuchen ging es ihm auch schon etwas besser.
Er würde aufbrechen…
Jedoch nicht ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Das Licht der Kerze spendete mehr als genug Licht.
Er begann zu schreiben.