'Liebe ist die stärkste Macht der Welt, und doch ist sie die demütigste, die man sich vorstellen kann.'
- Mahatma Ghandi
Reue, etwas zu bereuen ist wohl das schlimmste was einem auf der Welt passieren kann. Denn obwohl man weiß das man die Zeit nicht zurückdrehen, die Dinge die man getan hat nicht ungeschehen machen kann, verfolgt sie einen auf Schritt und Tritt. Tagsüber ist sie dein dunkler Begleiter, dein Schatten der dich jedes mal wenn du lachst, oder nur ein Funken Glück verspürst an deine Taten erinnert, und Nachts ist die Reue eine leise Melodie die du nie los wirst und die dich in den Schlaf wiegt während dein Kopfkissen sich mit Tränen füllt...
Diese Nacht hatte sie kein Auge zu bekommen, mit einer Zigarette zwischen Mittel- und Zeigefinger stand sie vor dem geöffnetem Fenster und atmete die kühle Nachtluft ein. Während sich der Rauch den sie ausatmete schlangenartig aus dem Staub machte, hörte sie wie der Wind durch die Blätter raschelte, manche lösten sich von den Ästen und glitten langsam zu Boden. Getrennt von dem, was sie am leben erhielt, es war nur noch eine Frage der Zeit bis das grüne Blättchen anfing seine Farbe zu verlieren, bald würde es braun sein und trocken dann würde jemand drauf
treten, mit Absicht oder vielleicht auch unabsichtlich, das spielte keine Rolle, und der Wind würde wieder den Rest erledigen. Was Er jetzt wohl machte? Sie wusste es grenzte an Selbstmord mit den Gedanken bei ihm zu sein, doch das Wissen allein reichte nicht aus wenn der Wille damit aufzuhören, zu schwach war. Ihre Gedanken drehten sich immer um ihn, je länger es dauerte das sie wieder in seine grünen Augen blicken konnte, umso schwerer wurde ihr Herz. Der Druck auf ihrer Brust machte sie kaputt und das enorme Gewicht zog sie jeden Tag auf's neue herunter. Sie erinnerte sich nicht mehr an den Tag an dem sie das letzte mal unbeschwert und frei war, denn sie brauchte den Schmerz. Es war skurril doch wenn sie litt fühlte sie sich ihm gleichzeitig so nah. Sie war einfach dran gewöhnt, früher hatte er sie oft verletzt doch dieses mal, das wusste sie, war sie selbst dran schuld. Es war ganz allein ihre Schuld und daran konnte sie leider nichts mehr ändern.
Die Art wie er sie ansah, berührte und mit ihr sprach hatte sich verändert und das alles nur wegen ihr. Sie hatte sich oft vorgenommen weg von ihm zu
zu kommen, würde sie ihm nicht mehr nah sein, dann würde sie vielleicht euch nicht mehr bereuen. Doch leichter gesagt als getan, sie brauchte ihn und wenn sie ihn so nicht haben konnte musste sie sich mit dem zufrieden geben was sie von ihm bekam. Es war nichts gutes, jeder Blick von ihm traf sie wie ein Messerstich in den Magen, jedes seiner Worte nahm ihr jegliche Hoffnung auf ein wenig Glück und jedes mal wenn er sie wieder verließ bildete sich in ihrem Herzen eine tiefe Narbe, die seit dem er weg war ein Wort formte, nämlich seinen Namen. Er ist nicht spurlos gegangen, manchmal hat sie das Gefühl das sich ihr Brustkorb nicht mehr regte, ihre Haut taub sei und sie nichts mehr spürte wenn sie der Regen traf. Lediglich die Schmerzen waren ihre alltäglichen Begleiter und sie schienen zu wachsen, jedes mal wenn sie ihn wieder sah. Sie konnte nicht mit aber auch nicht ohne ihn, es war ein krankes Spiel bei dem nur einer gewinnen konnte und sie war ganz sicherlich nicht die Gewinnerin. Er saugte sie aus wie ein Vampir, jedes mal, man konnte förmlich sehen wie es ihm dadurch besser ging. Manchmal fragte sie sich ob er es auch sah, ob er sah wie sie daran zugrunde ging?
Machte er das Absichtlich, nein, es hatte keinen Sinn den Fehler bei anderen zu suchen wenn der Fehler eindeutig bei ihr selbst lag. Wie gerne würde sie perfekt sein, perfekt und fehlerfrei nur damit er einmal bei ihr blieb und nicht den drang verspürte wieder gehen zu müssen. Sie sehnte sich nach seiner Stimme, die nach dem Schuss einer Waffe klang und mit der er ihre ganzen Launen steuern konnte. Er konnte sie zum lachen bringen und im nächsten Moment zum weinen. Mit ihm hatte sie schon Glücksgefühle durchlebt die einer Euphorie glichen, sie würde einfach alles dafür tun um die Vergangenheit zurück zu holen. Leider war dies nicht möglich und zwingen konnte sie ihn auch zu nichts.
Sie schmiss den übrig gebliebenen Filter ihrer Zigarette aus dem Fenster und griff nach der Schachtel um sich eine neue heraus zu holen, bevor sie diese aber anzünden konnte klingelte es an der Haustür. Es war zwei Uhr morgens, doch sie fragte sich erst gar nicht wer das sein konnte. Sie wusste es bereits. Während sie in den Flur lief breitete sich ein komisches Gefühl in ihrer Magengegend aus,
es war ein Gemisch aus Angst, Erschöpfung und Freude. Ihr Mund wurde trocken und ihre Füße waren auf einmal so schwer als hätte man Gewichte an sie befestigt. Langsam legte sie ihre Hand an die Türklinge und atmete einmal tief ein bevor sie diese runter drückte. Da stand Er, mit, vor Freude, funkelnden Augen und einem strahlendem lächeln auf den Lippen. Seine Hände hielt er hinter seinem Rücken, wollte er etwas vor ihr verstecken? „Jelena, ich weiß es ist spät aber ich musste dich sehen. Darf ich reinkommen?“ hörte sie seine sanfte Stimme fragen, in der nächsten Sekunde stand er schon mitten im Flur, bevor sie überhaupt auf seine Frage antworten konnte. Langsam schloss Jelena die Tür hinter ihm zu und setzte ein leichtes lächeln auf die Lippen, es gelang ihr nur mit viel Mühe, aber sie wollte sich nichts anmerken lassen. Das Lächeln ihres Gegenübers wurde immer breiter und in der nächsten Sekunde streckte er ihr eine Rose entgegen. „Die ist für dich, ich weiß nicht was ich ohne dich getan hätte..“ Ihre blauen Augen fixierten die Blume und die Worte die aus Arians Mund kamen schwebten im Raum und drohten sie zu erdrosseln, mit leicht zittriger Hand
fasste sie nach der Rose, ein plötzlicher Schmerz durchzuckte ihre Hand. Eine Dorne hatte sich einen Weg durch den Finger in ihr Fleisch gebohrt. Er bemerkte es nicht, wie so oft wenn sie vor seinen Augen schmerzen ausgesetzt war. „Du weißt gar nicht wie dankbar ich dir bin. Du hast mir so viel gutes getan, mir Nächtelang ein wachsames Ohr geschenkt. Ich weiß gar nicht womit ich es verdient habe...“ er kam ihr näher und nun stand er so dicht an ihr das sie seinen bloßen Atem an ihrer Wange spüren konnte. Ihr Herz drohte zu explodieren und der schmerzende Finger war auf einmal vergessen. In der nächsten Sekunde fand sie sich in seinen starken Armen wieder, sie erwiderte die Umarmung nicht aber genoss jede einzelne Sekunde in der sie ihm so nah sein konnte. Sein Körper war warm und sie hatte das Gefühl sie konnte sein Herzschlag durch die Brust spüren, oder war es ihr eigener? „....so eine gute Freundin wie dich zu haben.“ Nachdem er seinen Satz beendet hatte stieg in Jelena wieder die Angst und das Unbehagen hoch, ihr wurde übel und die Umarmung war keine Umarmung mehr sondern Fesseln von denen sie sich unbedingt befreien wollte. Doch sie tat es nicht, denn
sie wusste schon vorher was er ihr sagen wollte. Ja, sie wusste es. Mit der gelben Rose in der Hand blieb sie weiterhin wie angewurzelt stehen und wartete bis der Klang seiner Stimme wieder zu hören war. Er lachte und drückte sie ein wenig fester „Sie hat Ja gesagt, Cassie hat den Heiratsantrag angenommen. Ohne dich hätte ich diesen Schritt niemals wagen können.“ Jelena schloss langsam die Augen, die kleine heile Welt von früher, welche sie immer noch in ihren Händen gehalten hatte, drohte zu zerbrechen, und als sie die Augen wieder öffnete sah sie nur noch verschwommen.
Ja, sie bereute, sie bereute es das Wort Freundschaft jemals in den Mund genommen zu haben...
© Nadja Schellenberg 2012
Aus Freunden können Liebende werden, doch aus Liebenden selten wieder Freunde.