Hackfleisch
Routiniert gruben sich Mutters Hände in das frische Hackfleisch. Schmatzend presste sich das Mett, vermischt mit Ei und Paniermehl, zwischen ihren Fingern hindurch. Dieses mantschende Geräusch wird wohl für ewig in meinen Gedanken und Träumen verweilen. Es hallt in meiner Erinnerung nach. Ein Echo des Horrors. Unwissend und hungrig aßen mein Bruder und ich das wohlschmeckende Mittagessen, welches Mutter uns täglich servierte. Wir saßen zusammen am Tisch und unterhielten uns über alltägliche Dinge, wie zum Beispiel Probleme in der Schule oder ähnliches. Mutter wirkte entspannt und fröhlich, wie lange nicht mehr. Seit Vater uns verlassen hatte blühte sie regelrecht auf, als sei eine tonnenschwere Last von ihr genommen worden. Ihr Wohlbefinden übertrug sich auf uns. Wir nahmen dies dankend an. Eine harmonische, kleine Familie. Vater fehlte uns nicht.
Die Tage kamen und gingen. Mutter servierte das köstliche Faschierte, wie üblich.
Doch eines Tages biss ich auf ein hartes Ding, welches sich im Hackfleisch befand und verlor dabei die Plombe eines Backenzahns. Ungesehen spuckte ich beides in meine hohle Hand und ging ins Badezimmer. Vorsichtig ließ ich Wasser aus dem Hahn, und spülte das Fleisch aus meiner Handfläche heraus. Zum Vorschein kamen die Zahnfüllung und ein kompletter Fingernagel. Ich übergab mich in die Toilette.
Ein fehlender Nagel musste auffallen, doch Mutters Hände waren unverletzt. Ich erkundigte mich bei dem Metzger unsres Ortes, wo Mutter üblicherweise Fleisch einkaufte, doch dieser negierte diesen Fund vehement.
Der Keller unseres Hauses war verschlossen. Unüblich.
Mutter ging in die Stadt, um diverse Hygieneartikel zu besorgen, so hatte ich Zeit nach dem Kellerschlüssel zu suchen. Überraschend fand ich Ihn, in der Schublade ihres Kleiderschrankes, wo sie ihre Unterwäsche verstaute. Als ich die Kellertür öffnete wehte mir ein süßlicher, ekelerregender Geruch entgegen. Ich schaltete das Licht ein und stieg zögernd die Treppe hinab. Ich nahm Geräusche zuckender Bewegungen wahr.
Vater saß, sein Mund mit einem silbernen Tape verklebt, auf einem Tisch. Sein Hals war mit einem ledernen Riemen an der Wand des Kellers fixiert. Über seinem Kopf war das Wort „ HURENBOCK“, wahrscheinlich mit seinem Blut, an die Mauer gemalt. Er lebte. Arme und Beine waren bereits grob entfernt worden. Eine Säge lag blutverschmiert auf einem Tablett neben ihm, die Wunden der Schnitte mit einem Brenner verödet. Dieser stand ebenfalls im Raum. Die Knochen der Glieder fand ich in einem Plastiksack wieder. Auf der Werkbank meines Vaters war ein Fleischwolf montiert. Unter dessen Auswurf befand sich eine blutverkrustete Edelstahlschale, in die das Fleisch nach dem Wolfen viel. Nach näherem hinsehen sah ich, dass das Muskelfleisch seines Hinterns und ebenso die Genitalien abgetrennt waren. Sein Torso saß auf seinem blanken Sitzbein auf diesem Tisch. Links neben Ihm befand sich eine weitere Ablage mit etlichen Spritzen und kleinen Gefäßen darauf. Offensichtlich hielt sie ihn mit starken Schmerzmitteln unter Kontrolle. Als unsere Blicke sich trafen, zuckte sein Körper heftiger als zuvor. Er nahm meine Anwesenheit wahr. Tränen liefen an seinen Wangen herab.
Ich stürmte die Treppe hinauf und alarmierte einen Rettungswagen und die Polizei.
Einer der Nothelfer übergab sich beim öffnen des Lederriemens, der Vater an der Wand hielt. Ungläubig blickten die Beamten umher, der Grausamkeit dessen bewusst, auf das geschehene, brutale Szenario welches sich ihren Augen bot.
Die Realität verblasste, und ich sank zu Boden. Ich nahm die Frage wahr, die mir ein Polizist stellte: „ Wer hat das getan!“ Ich flüsterte: „ Mutter. Wir aßen täglich Hackfleisch.“ …