Kurzgeschichte
Das Monster aus dem Schrank

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"Das Monster aus dem Schrank"
Veröffentlicht am 03. Juli 2012, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Frage nicht nach meinem Namen, denn er bestimmt nicht, wer ich bin. Frage nicht nach meinem Alter, denn es sagt nichts über meine Stärke aus. Weder die geistige, noch die körperliche. Frage nicht nach meinem Aussehen, denn das Aussehen kann sich verändern. Hast du jedoch Fragen außerhalb der Ausnahmen, so stelle sie weise. Denn das Recht der Beantwortung liegt am Ende bei mir.
Das Monster aus dem Schrank

Das Monster aus dem Schrank

Beschreibung

Da ist doch wirklich mal nach langer Zeit ein Bild entstanden. Bei einigen Lesern entschuldige ich mich jetzt schon ^^

Mitten in der Nacht wacht ein kleines Kind vom Lärm des Fernsehers auf. Es überlegt, ob es nach unten gehen soll, entscheidet sich aber dann einfach liegen zu bleiben und darauf zu hoffen, dass es wieder in den Schlaf findet. Eine ganze Weile liegt es einfach nur da, kann seine Augen nicht schließen, so oft es auch versucht, bis es aufgibt und nur noch zur Zimmerdecke hinauf schaut. Ihm könnte so vieles durch den Kopf gehen, aber dem ist nicht so. Es liegt einfach nur da und beobachtet die Decke. Erst als aus einer Ecke seines Zimmers ein kaum wahrnehmbares Geräusch zu ihm dringt, wendet es seinen Blick ab. Es schaut genauer hin und sieht, wie die Türen seines Schrankes einen Spalt aufgehen. Die Neugier des kleinen Kindes ist geweckt und es schält sich vorsichtig aus der Decke und wartet einen Moment. Lange Zeit passiert nichts mehr und das Kind überlegt schon, ob es wieder ins Bett steigen soll, als sich die Schranktüren weiter öffnen. Im ersten Augenblick nicht viel, doch, als wäre jemand darauf bedacht keinen unnötigen Lärm zu machen, immer wieder ein Stück. Es dauert bis beide Schranktüren ganz offen sind. Das Kind jedoch wartet geduldig und gibt keinen Ton von sich. Als die Schranktüren ganz offen sind, greifen aus dem Inneren des Schrankes zwei Hände nach den Kanten und eine riesige Gestalt entschlüpft dem Dunkel um dem Blick des Kindes schutzlos ausgeliefert zu sein.

Das Kind beobachtet, noch immer unbemerkt, wie sich die Gestalt versucht ein wenig aufzurichten, aber schnell an die Grenzen des Zimmers stößt. Als das Wesen dies bemerkt, knurrt es leise. Nie hat das Kind jemanden mit einer solchen Erscheinung gesehen. Die Arme des Wesens sehen lang und kräftig aus. Seine Hände wären normal gewesen, wenn nicht eine davon so groß wie das Kind und mit rasiermesserscharfen Klauen versehen wäre. Das Kind dreht seinen Kopf hin und her, kann aber das Gesicht des Wesens nicht erkennen, da es eine Kutte trägt, die es tief ins Gesicht gezogen hat. Allein einen leichten, gelblichen Schimmer, der aus der Region zu kommen scheint, wo die Gestalt ihre Augen haben muss, kann das Kind sehen.

 

Das Kind ist sich etwas unsicher, ob es sich bemerkbar machen soll, entscheidet sich aber doch zu warten. Es beobachtet, wie die Gestalt den Kopf nach unten beugt und den Boden vor sich ansieht um im nächsten Moment mit seinen Pranken vorsichtig das herumliegende Spielzeug des Kindes zur Seite zu räumen. Erst als jedes Stück zur Seite geräumt und nichts mehr auf dem Boden ist, das in irgendeiner Weise Lärm verursachen könnte, setzt es den ersten Schritt vom Schrank weg und entdeckt dabei das Kind im Zimmer stehen. Völlig überrascht zischt es das Kind an. Das Kind bleibt jedoch unbekümmert stehen und sieht die Gestalt neugierig an. Von dem Verhalten des Kindes verwirrt, geht es, bis sie sich direkt gegenüber stehen, auf das Kind zu. Aus dem Inneren der Kapuze blickt es mit seinen gelben Augen das Kind direkt an. Das Kind ist aber nicht verängstigt noch verschreckt. Es wundert sich nur etwas über die langgezogenen Gesichtszüge und die blaue, raue Haut der Gestalt. Fast erinnern sie an eine blaue Schlange mit sehr matten Schuppen.

Die Beiden stehen sich lange Zeit einfach nur gegenüber und sehen sich tief in die Augen. Irgendwann kann das Kind jedoch nicht mehr und es sammelt sich Wasser in seinen Augenwinkeln. Gern würde es blinzeln, doch die gelben Augen der Gestalt lassen es nicht zu. Immer wieder verlassen Tränen ungehindert die Augen des kleinen Kindes, laufen seine Wangen runter um dann vom Kinn zu Boden zu fallen.

Das ganze Leid, die ganzen Qualen, den Hass, die Wut, die Einsamkeit, dies alles sieht das Kind in den Augen der Gestalt und hat vor lauter Mitleid angefangen um es zu weinen. Sie jedoch sieht die Tränen und spannt die Muskeln an. Ihre Augen leuchten stärker, während es seine linke Pranke hebt und sie dem Kind von der Seite entgegen schleudert. Kurz bevor die tödliche Klaue das Kind jedoch trifft, gefriert sie in der Luft. Noch immer haben sich ihre Augen keine Sekunde voneinander getrennt und obwohl die Klaue der Gestalt zitternd in der Luft hängt, verlieren ihre Augen langsam ihre Leuchtkraft. Das Kind, immer noch mit Tränen in den Augen, geht einen Schritt auf die Gestalt zu und legt ihm langsam eine Hand auf die Stelle, wo normalerweise die Wange wäre. Als das Wesen die Wärme des Kindes spürt, lässt es seine tödliche, noch immer schwebende Pranke fallen.

 

Die Zeit vergeht ohne eine Rührung der Beiden. Dann jedoch fängt das Kind zu lächeln an, nimmt die Gestalt bei der Hand und führt es zu seiner Zimmertür. Ohne ein Wort oder Laut des Widerspruches von sich zu geben, als hätten sie sich wortlos verstanden, folgt es dem Kind. Das Kind öffnet die Zimmertür und zeigt der Gestalt an, dass sie leise sein soll. Gemeinsam gehen sie, am Wohnzimmer, wo die Eltern dem lauten Fernseher ihre Aufmerksamkeit schenken, unbemerkt zur Außentür vorbei. Vorsichtig öffnet das Kind die Außentür und nachdem sich die Gestalt, um sich nicht anzustoßen, etwas in die Knie ging, sind sie im Freien.

In der Mitte des Vordergartens angekommen, bleiben sie stehen. Das Wesen richtet sich nun zur vollen Größe auf, stöhnt erleichtert und lässt dabei einige Rückenknochen knacken. Diese Geräusche lassen das Kind noch mehr lächeln und es lässt die Hand der Gestalt, an der es sie geführt hatte, los. Das Wesen sieht nun aus der Höhe in die leuchtenden Augen des kleinen Kind und führt seine Linke, darauf bedacht es mit den scharfen Klauen nicht zu berühren, zu seiner Wange hin und stupst sie sanft an. Das Kind aber springt in die ganze Handfläche und umarmt sie herzlich. Die Gestalt senkt sich wieder etwas ab, dass es mit dem Kind nun auf einer Ebene ist und sieht ihm noch einmal tief in die Augen. Es gibt ihm zu verstehen, dass es weiter muss. Als es die Hand öffnet, setzt das Kind aber seinen Zeigefinger an eine der Klingen an und schneidet sich. Das Wesen lässt das Kind sofort los und geht erschrocken einen Schritt zurück. Das Kind aber lächelt unverändert der Gestalt zu und deutet ihr an, dass es sich wieder zu ihm beugen soll. Die Gestalt zögert, doch das Kind lässt nicht locker, springt mit einem blutenden Finger an ihm hoch und versucht etwas zu erreichen, wofür es zu klein ist. Als das Wesen davon überzeugt ist, dass das Kind nicht aufgeben wird, beugt es sich, froh darüber es nicht ernsthaft verletzt zu haben, zu ihm runter. Das Kind nutzt sofort die Gelegenheit und malt mit seinem blutenden Finger der Gestalt ein kleines Herz auf die Brust, welches sofort zu leuchten anfängt. Zum ersten Mal in seiner Existenz wird das Wesen von einer inneren Wärme durchflutet. Die gelben Augen, die die Gestalt hatte, verändern sich zu einem klaren Blau, während sich ihr Körper langsam in Luft auflöst. Als schon fast nicht mehr von der Gestalt zu sehen ist, löst sich eine einzelne Träne aus ihren Augen und fällt auf den Rasen, wo ein Schneeglöckchen aus der Erde wächst.

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Hörbuch

Über den Autor

Luzifer
Frage nicht nach meinem Namen,
denn er bestimmt nicht, wer ich bin.
Frage nicht nach meinem Alter,
denn es sagt nichts über meine Stärke aus.
Weder die geistige, noch die körperliche.
Frage nicht nach meinem Aussehen,
denn das Aussehen kann sich verändern.

Hast du jedoch Fragen außerhalb der Ausnahmen,
so stelle sie weise.
Denn das Recht der Beantwortung
liegt am Ende bei mir.

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Luzifer Re: Ich gebe zu ... -
Zitat: (Original von Gunda am 06.07.2012 - 22:16 Uhr) ... ich bin ein wenig zwiegespalten, Luzi. Inhaltlich finde ich deine Geschichte schön. Ganz einfach wegen der leisen Moral, dass das Kind Mitleid mit einem Wesen hat, das es als nicht "normal" und deshalb vielleicht traurig empfindet. Die Schlussszene mit dem leuchtenden Herzen und dem Schneeglöckchen ist - auch wenn du das vermutlich nicht gerne hören magst :o)) - allerliebst. Aber das Stilistische hat mich irgendwie nicht so richtig mitgerissen. Zumindest die ersten Sätze mit Formulierungen wie "es überlegt, ob ..." erinnern mich formal ein bisschen an einen Schulaufsatz. Bis man als Leser in der Geschichte drin ist und wirklich wissen möchte, wie es weitergeht, das dauert etwas ...

Nichtsdestotrotz freue ich mich, dass deine Muse dich in letzter Zeit offensichtlich wieder öfter küsst :o)

Lieben Gruß
Gunda

Wegen eben dieser Schlussszene habe ich mich in den Bemerkungen im Voraus entschuldigt. ^^
Komisch. Bei der Geschichte hatte ich zu Anfang nur Probleme, weil ich zunächst mit dem Gedanken gespielt habe die Geschichte in Vergangenheitsform zu erzählen, aber vom stilistischen Fluss her war vielmehr der mittlere Teil das Problem gewesen.
Ich werde es aber zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal überdenken und vielleicht ja auch umschreiben. Wäre nicht das erste Mal. =)

Die Muse ist es nicht, aber der Dicke lässt sich mal wieder öfter blicken. Mich freut es aber am Meisten. ^^

Lieben Gruß
Luzifer
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Ich gebe zu ... - ... ich bin ein wenig zwiegespalten, Luzi. Inhaltlich finde ich deine Geschichte schön. Ganz einfach wegen der leisen Moral, dass das Kind Mitleid mit einem Wesen hat, das es als nicht "normal" und deshalb vielleicht traurig empfindet. Die Schlussszene mit dem leuchtenden Herzen und dem Schneeglöckchen ist - auch wenn du das vermutlich nicht gerne hören magst :o)) - allerliebst. Aber das Stilistische hat mich irgendwie nicht so richtig mitgerissen. Zumindest die ersten Sätze mit Formulierungen wie "es überlegt, ob ..." erinnern mich formal ein bisschen an einen Schulaufsatz. Bis man als Leser in der Geschichte drin ist und wirklich wissen möchte, wie es weitergeht, das dauert etwas ...

Nichtsdestotrotz freue ich mich, dass deine Muse dich in letzter Zeit offensichtlich wieder öfter küsst :o)

Lieben Gruß
Gunda

Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Re: -
Zitat: (Original von hanni86 am 04.07.2012 - 17:16 Uhr) Ich finde das ist ne eigenartige Geschichte, Luzi.
Aber ich mag sie gern, doch. Natürlich, weil's eben so eine ist, die man mögen muss, weil...man halt muss. Hier is es echt schwer zu kommentieren ohne zu spoilern, finde ich.
Ein wenig erinnert das ganze an Boris Vian, besonders (oder eigentlich nur) das Ende und das ist ziemlich cool, weil der einer der lässigsten Schriftsteller ist, die so herumgelaufen sind. Find ich.

Liebe Grüße,
Hanni

Dieses Argument wieder. *lach*
In Kommentaren kann man aber ruhig spoilern. =) Schließlich sollte man im Normalfall ja erst die Geschichte lesen und dann die Kommentare in Augenschein nehmen. ;)
Boris Vian sagt mir nichts, aber bei Schriftstellern ist es bei mir auch kein Wunder. ^^
Übrigens empfinde ich "eigenartig" als Kompliment. Normal ist ja leicht. ;)

Liebe Grüße
Luzifer
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Re: So, ich hatte sie heute Mittag ... -
Zitat: (Original von PhanThomas am 03.07.2012 - 20:55 Uhr) ... ja schon gelesen und komm jetzt mal zum Kommentieren. Mir hat die Geschichte auch gut gefallen, erinnert sie mich doch an so manch andere Geschichte und auch an so Einiges aus meiner eigenen Kindheit. Auch die Moral, die leicht mitschwingt, finde ich sehr angenehm. Nicht zu dick aufgetragen und so. :-) Und zuerst störte mich die Abwesenheit jeglicher Dialoge, aber ich glaube, so im Nachhinein finde ich die Geschichte gut so, wie sie ist. Auch wenn ich fast mit einer Pointe gerechnet hatte. ;-)

Viele Grüße
T.

Ganz ehrlich, bei der Geschichte habe ich auch überlegt Dialoge einzubauen, habe mich aber dagegen entschieden, weil ich mir dachte, dass es zu sehr zu Brüchen führen würde. Und auf eine Pointe habe ich verzichtet, weil mir keine eingefallen ist. Dafür gibt es ja die Moral, die so leicht mitschwingt bzw. sind es ja sogar mehrere, wenn man es genau nimmt. ;)

Aber bei der Geschichte hatte ich wirkliche Mühen. Wie oft habe ich versucht in Gedanken das Kind von dem "Monster" killen zu lassen und es wollte einfach nicht gelingen, weil die Uridee zu stark war. Vielleicht werde ich auf meine alten Tage auch weich. *lach*

Beste Grüße
L.
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Re: -
Zitat: (Original von HollywoodAkuma am 03.07.2012 - 20:03 Uhr) Coole Story. Hat mir gefallen! :)

Liebe Grüße
HollywoodAkuma

Freut mich, HollywoodDämon. =)
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Re: -
Zitat: (Original von MysticRose am 03.07.2012 - 15:51 Uhr) Ich dachte zuerst: Ohhh, sieben Seiten, ich hab doch gar keine Zeit. Aber ich hab's nicht bereut, die Story so gelesen zu haben. Deine Schreibweise ist total originell und super spannend gehalten! :)

Finde es auch gut, dass du immer von "einem Kind" sprichst - das macht das ganze noch mehr... ach, es ist einfach eine coole Geschichte.

Freut mich, dass es so kurzweilig vorkommt.
Es ist aber auch bewusst gewollt, dass keine Namen verwand werden. Mit Namen, finde ich, würde es etwas ferner wirken. =)
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Re: -
Zitat: (Original von Animee am 03.07.2012 - 13:11 Uhr) Spannend geschrieben! ^^

LG Janis

Danke. Dann habe ich ja einen Punkt erreicht. ^^

Schöne Grüße
Luzifer
Vor langer Zeit - Antworten
hanni86 Ich finde das ist ne eigenartige Geschichte, Luzi.
Aber ich mag sie gern, doch. Natürlich, weil's eben so eine ist, die man mögen muss, weil...man halt muss. Hier is es echt schwer zu kommentieren ohne zu spoilern, finde ich.
Ein wenig erinnert das ganze an Boris Vian, besonders (oder eigentlich nur) das Ende und das ist ziemlich cool, weil der einer der lässigsten Schriftsteller ist, die so herumgelaufen sind. Find ich.

Liebe Grüße,
Hanni
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas So, ich hatte sie heute Mittag ... - ... ja schon gelesen und komm jetzt mal zum Kommentieren. Mir hat die Geschichte auch gut gefallen, erinnert sie mich doch an so manch andere Geschichte und auch an so Einiges aus meiner eigenen Kindheit. Auch die Moral, die leicht mitschwingt, finde ich sehr angenehm. Nicht zu dick aufgetragen und so. :-) Und zuerst störte mich die Abwesenheit jeglicher Dialoge, aber ich glaube, so im Nachhinein finde ich die Geschichte gut so, wie sie ist. Auch wenn ich fast mit einer Pointe gerechnet hatte. ;-)

Viele Grüße
T.
Vor langer Zeit - Antworten
HollywoodAkuma Coole Story. Hat mir gefallen! :)

Liebe Grüße
HollywoodAkuma
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