Beschreibung
Konkurrenz belebt das Geschäft, das ist Rays Motto. Sein verbrecherischer Geschäftsführer war da wohl anderer Meinung! Also muss Ray nun bei der jungen Frau, die sich selber als Zirkusprinzesssin bezeichnet,zu Kreuze kriechen. Kann er vielleicht auch wieder gut machen, was ihr angetan wurde? Oder hatte sie eigentlich von vornherein nie die Absicht, seßhaft zu werden?!
Hatte sie sich doch nicht getäuscht; er war es tatsächlich. Cassie blinzelte. War denn ihre Flucht, ihr heroischer Verzicht, ganz umsonst gewesen. „Was machst du denn hier?”
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Verlegen lächelnd hielt er etwas in die Höhe. „Das hast du verloren und ich dachte, du möchtest es sicher zurück...”
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Das war ja die Außenlampe ihres Trailers! Sie verdrehte die Augen nach oben und sagte: „Du … du bist doch nicht die ganze Strecke hierher gekommen, nur um mir das zu geben?!”
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„Natürlich nicht. Ich wollte dich auch einmal auftreten sehen. Cassie, du- Du bist einfach fantastisch! Und ich...” Weiter kam Ray nicht, zu sehr verunsicherte in Cassies entsetzter Blick. Eigentlich hatte er sich ihr zu Füßen werfen wollen, zumindest sinnbildlich, aber plötzlich war er sich seiner Sache nicht mehr sicher.
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„Jetzt komm erst mal hier raus”, zischte Cassie und zog ihn am Ärmel aus dem Stallzelt. „Du hast Glück gehabt, dass dich meine Brüder nicht erwischt haben! Man geht nicht einfach ungefragt in Stallungen. Das wird doch bei euch nicht anders sein, auch wenn die sicher nicht nur aus einem Zelt bestehen...”
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Enttäuscht, weil dieses Wiedersehen so ganz und gar nicht so verlief, wie er es sich erhofft hatte, lachte Ray sarkastisch auf. „Na prima, wieder einmal eine Attacke auf meine Familie. Weißt du, dafür, dass du mich und meine Leute verdächtigst, auf dich und deinesgleichen herab zu schauen, bist du selber ganz schön voreingenommen!”
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„Voreingenommen? MEINESgleichen!?!!”, kam es unnatürlich ruhig von der jungen Frau, die ihm nun wie in einem Duell gegenüber stand.
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Er reckte den Hals. „Naja, es ist schon ein wenig snobistisch...”
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„Ich, ein Snob?“, fragte Cassie erneut, hielt dann für einen Moment inne.
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Auch wenn ihr der Gedanke nicht gefiel, dies war wahrscheinlich DIE Gelegenheit, einen Schlussstrich zu ziehen. Bevor sie doch wieder schwach werden und in seine Arme sinken würde...
Also holte sie tief Luft und legte dann los. „Sag mal, was bildest du dir eigentlich ein? Kommst hierher, trampelst in unser Allerheiligstes, beleidigst mich und denkst wohl überhaupt, du seist der King?!?“
Verblüfft wich Ray einen Schritt zurück. Hatte er seinen Spruch vorhin noch eher neckisch gemeint, war er nun überrascht über die Heftigkeit von Cassies Ausbruch.
„Mir ist ja klar, dass es deine Familie gewohnt ist, überall Zugang zu finden. Wer weiß, ob du nicht so auch ans Sunset gekommen bist!“, setzte sie nun noch einen oben drauf und langsam regte sich die Wut in ihm. Er war hunderte von Meilen gereist, um sie wieder zu sehen und sie warf ihm hier Dinge an den Kopf, die er nie von ihr vermutet hätte!
„Jetzt mach aber mal halblang“, begehrte er auf, „ich denke nicht, dass du in der Zeit bei mir Grund zur Klage hattest, oder?“
Sie schnaubte. „Also, wenn ich da an Kendra denke... Und an deine Geschwister...“
„Lass meine Geschwister da raus, die haben dir nun wirklich nichts getan!“
Das musste Cassie zwar im Grunde zugeben, aber sie konnte jetzt nicht mehr zurück. „Oh, ich weiß Blicke zu deuten, glaube mir!“
„Ach ja“; höhnte Ray, „ich vergaß, du bist ja das Aschenputtel! DIE Expertin im Erleiden von Unterdrückung!“
Rays Antwort verletzte sie mehr, als Cassie gedacht hätte und sie schluckte.
~Zieh es durch, dann kannst du trauern!~, rief sie sich innerlich zu und machte einen großen Schritt auf Ray zu. Mit dem Zeigefinger stach sie auf seine Brust.
„Du hast ja keine Ahnung, wovon du sprichst! Wenn man wie du immer alles in den Schoß gelegt bekommt und deswegen sogar bei der Leitung einer kleinen Klitsche Hilfe braucht.“
Autsch, das tat weh. „Ha! Dafür gehe ich nicht hin und verschenke mein Geld ohne an die Folgen zu denken. Und die Geschichte mit uns? Was war das denn dann, wenn du mich für so einen miesen Typen hältst?!“
Cassie verschränkte die Arme vor ihrer Brust. „Was willst du jetzt hören? Dass ich dir hoffnungslos verfallen bin wegen ein paar kleiner Küsse? Einer kleinen Liebelei? Oder wäre es dir lieber, wenn ich dich aus reiner Berechnung angemacht hätte?!“
Entsetzt schüttelte Ray den Kopf.
„Na, dann ist doch alles in Ordnung. Wir hatten unseren kleinen Sommerflirt und jetzt kommt der Herbst. Wir passen einfach nicht zusammen! Geh nach Hause, Rayray, heirate Kendra und mach ein paar hübsche blonde Babys!”
„Was ist denn hier los?“, dröhnte plötzlich eine Stimme von der Seite, gefolgt von einer fast identischen. „Macht der Typ hier Stunk, Peia?“ Cassies Brüder bogen um die Ecke und beäugten die Szene misstrauisch.
„Wir warten drüben mit dem Netz auf dich. Gibt’s hier ein Problem?!“  Im Doppelpack wirkten die Zwei ziemlich bedrohlich, aber Ray hatte im Moment genug Adrenalin in den Adern, um es mit noch mal so vielen aufzunehmen.
Jedoch trat Cassie einen Schritt zwischen ihn und die Zwillinge und sagte „Nein, kein Problem. Nur ein verirrter Fan, der gerade gehen wollte. Stimmt doch, oder?“
Ihre Stimme war Aufforderung und Flehen zugleich. Anscheinend wollte sie wirklich nicht, dass er von den Beiden vermöbelt wurde. Klar, das würde dann nur Ärger mit der Polizei geben und das, nur das, wollte sie natürlich vermeiden!
„Hm, ja stimmt,“ antwortete Ray und räusperte sich. „Tut mir leid, dass ich hier so eingedrungen bin. Das war wirklich eine fantastische Vorstellung, M’am.“
Flüchtig tippte er an einen imaginären Hut, nickte den Männern zu und verschwand in der Dunkelheit. Cassie schwankte, als wäre die leichte Abendbrise ein heftiger Sturm.
„Alles klar? Kommst du dann?“, fragte Alex. Er hatte anscheinend zum Glück nicht mitbekommen, dass hier mehr im Spiel war als ein neugieriger Besucher.
Wie beim Erwachen aus einer Trance drehte seine Schwester langsam den Kopf zu ihm. „Hm, ja klar, ich komme dann auch gleich. Ich will bloß noch mal schnell nach den Pferden schauen.“
„Okay. Bis gleich.“ Die Zwei verschwanden und Cassie ging tatsächlich wieder in den Stall. Bonito streckte ihr seinen Kopf entgegen und sie kraulte die weiche Haut zwischen seinen Nüstern. Dabei entspannte sie sich so weit, dass sie die Tränen, die ihr im Hals steckten, endlich fließen lassen konnte. Und trotzdem war sie davon überzeugt, dass sie das Richtige getan hatte.
Schließlich umklammerte sie den weißen Pferdehals und ließ ihre Tränen ungehemmt in sein weiches Fell fließen. Dabei entfuhr ihr sogar ein kurzes, lautes Schluchzen. Für Ray, der noch nicht all zu weit entfernt war, klang es wie das Geräusch eines Ertrinkenden.
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~Unsinn! In einem Pferdestall ertrinkt man nicht!~, dachte er grimmig und stapfte eilig davon.