Kurzgeschichte
Im Schatten der Angst

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"Im Schatten der Angst"
Veröffentlicht am 16. Juni 2012, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Im Schatten der Angst

Im Schatten der Angst

Beschreibung

Diese Geschichte ist eines meiner ersten Werke. Sie beruht auf ein Buch, das meine Denkensweise gegenüber bestimmten politischen Themen komplett verändert hat. Ich hoffe sehr, dass der Text verständlich ist und ich würde mich sehr über Verbesserungsvorschläge und Bewertungen freuen. Ich hätte auch gerne gewusst, ob jemand vielleicht den Hintergrund dieser Geschichte erkannt hat.

Im Schatten der Angst

Jedes Mal, wenn ich hier auf diesem Hügel stehe und im Westen die goldene Sonne untergehen sehe, weiß ich, dass egal wie sehr der Mensch versucht sie zu zerstören, die Natur letztendlich das zurückbekommen wird, was ihr einst gehört hat. Egal wie viele Fässer sie im Erdreich verschwinden lassen, egal wie viel Blut sie vergießen, egal wie viel Unrecht geschieht, die Hoffnung auf eine bessere Welt können sie mir nicht nehmen. Nie.

Doch sobald auch der letzte Sonnenstrahl am Horizont erloschen ist, kehrt sie zurück; die Angst. Wie Treibsand zehrt sie an meinen Körper, zieht mich tief hinab und lässt mich bewegungslos zurück in ihren Tiefen. Sie schnürt mir die Luft ab, schlägt mir in die Magengrube und jagt mir Stiche in mein immer langsamer schlagendes Herz, bis ich zu dem geworden bin, zu dem sie mich machen wollen. Ich will schreien, will mir die Seele aus dem Leib brüllen, ihnen zeigen, dass ich Widerstand leiste, kämpfe bis zum letzten Atemzug und noch nach meinem Tod als Märtyrer für all diejenigen existiere, die noch immer an die Hoffnung in diesem Land glauben.

Doch niemand hört mich.

 

Wolken ziehen auf und es beginnt zu regnen. Ein Gewitter. Der Wind schlägt mir die eiskalten Tropfen ins Gesicht, als stünde er auch auf der Seite des Gegners. Ich sehe, wie sich Pfützen bilden, wie die Pflanzen, vergiftet von dem Müll der unter ihnen liegt gierig nach dem Wasser schreien, doch das wird ihnen wenig nützten. Auch der Regen ist vergiftet. Wie ungerecht doch das Leben ist.

Und plötzlich fällt mir die Geschichte des alten Mannes in der Bar ein. Er sah sehr heruntergekommen aus und machte den Eindruck, als leide er unter Wahnvorstellungen, doch seine Augen sahen alles und zeugten von einem sehr klaren Verstand. Als er mir die Geschichte von Peppino, einem Ziegenhirten vom Land, erzählte, folgten seine Augen den Menschen auf der Straße und ich wurde das Gefühl nicht los, dass das, was er zu erzählen hatte, wichtig war.

Peppino war der Dorfälteste und kannte jeden in jenem Bergdorf, das sich seinem Namen durch den Tod von 3 Priestern gemacht hatte. Er war etwa 95 Jahre alt und lebte schon sein ganzes Leben lang in diesem Dorf, es hieß sogar, er habe sich nie in seinem Leben mehr als 5 Kilometer von diesem entfernt. Zu sehr liebte er seine Ziegen, die schon seit seiner Geburt seine besten Freunde und Familie waren und niemand wunderte sich darüber. Jeden Morgen stand Peppino um Punkt fünf Uhr aus seiner mit Stroh gefüllten Matratze auf und füttere seine Ziegen, molk sie und redete mit ihnen. Er führte sie raus aus dem Stall auf eine kleine Wiese vor seiner Hütte und hütete sie bis zum späten Abend. Tag für Tag. Oft kamen die Nachbarn und gaben ihm Brot und Wasser, was er immer dankend annahm und er versorgte seinerseits die Nachbarn mit frischem Käse und Milch von seinen Ziegen. Peppino war nicht reich oder wohlhabend, er hatte auch nicht viele Freunde oder eine Familie. Alles was er hatte war ein Stück Wiese mit einer kleinen Hütte zum wohnen und ein Stall für seine geliebten Ziegen. Er war ein sehr glücklicher Mann.

Eines Tages jedoch kamen 2 Männer in dunklen Anzügen und klopften an die schon morsche Tür von Peppinos Hütte. Sie machten einen freundlichen Eindruck und da es Peppinos Art war bat er die Männer herein und bot ihnen ein Stück Ziegenkäse an. Nach einigen Minuten allerdings kamen die Männer wieder aus der Hütte und stiegen in ihren schwarzen BMW.

Nach diesem ungewöhnlichen Besuch vergingen einige Tage und alles verlief wieder im selben Tagesrhythmus. Doch als einer der Nachbarn Peppinos vorbei kam um nach dem Rechten zu sehen machte er eine schreckliche Entdeckung. Die Tür war offen und von innen wehte der Gestank von Verwesung nach draußen. Der alte Peppino lag tot in seiner Küche, die Blutlache in der er lag war bereits getrocknet. 2 Schüsse. Einer im Genick und einer an der Schläfe. Einer von jedem der Männer. Sie kamen in die Hütte und ließen sich von Peppino Käse anbieten. Als er sich umdrehte war es bereits um ihn geschehen. Der Käse lag verschimmelt neben ihm, niemand machte sich die Mühe ihn zu entfernen, selbst als die Leiche schon längst fortgeschafft war. Bis heute weiß niemand wer Peppino ermordet hatte und warum. Seine Ziegen wurden geschlachtet und an eine Metzgerei verkauft, die Hütte und der Stall stehen bis heute noch und dienen als Denkmal für den alten Mann mit den Ziegen.

 

Der alte Mann, der mir die Geschichte erzählte, hatte Tränen in den Augen. Während die Dorfbewohner sich noch immer fürchten, vor dem was geschehen ist, scheut sich der Alte sich nicht davor seine Geschichte zu verbreiten, damit jeder von dem Unrecht erfährt, dass dem alten Peppino widerfahren ist. Damit jeder erkennt, welche Macht sie besitzen. Damit sie sehen, was in ihrem Land vor sich geht. Noch immer folgen die Augen des Mannes den Menschen auf der Straße, als wollten sie schreien: „Seht ihr nicht was hier vor sich geht? Seht ihr die Ungerechtigkeit?“

Doch niemand erwiderte seinen Blick um zu antworten.

 

Wenn mich heute jemand fragen würde, wie ich überlebt habe, würde ich in etwa so antworten: „Ich bin bereits tot, denn sie haben bereits alles in mir zerstört.“

Mein ganzes Leben, ein einziger Trümmerhaufen. Und nur, weil ich im falschen Land, in der falschen Region, in der falschen Stadt geboren wurde. In einem Land, in dem es tödlich ist, auf eine gewisse Weise zu denken. In dem nur eines regiert und alles unterdrückt. Ihre mächtigsten Waffen sind nicht die Pistolen, Maschinengewehre und Granaten. Es sind auch nicht ihre Drohungen, Erpressungen und Bestechungen. Es ist das Schweigen, durch das sie immer mehr an Einfluss gewinnen. Das Gesetz des Schweigens ist das Fundament ihrer Macht, der Ursprung allen Übels. Solange dieses Gesetzt eingehalten wird haben sie die uneingeschränkte Macht. Und ihr System funktioniert, ohne dass sie irgendetwas dafür tun müssten; die Angst ist ihr größter Verbündeter.

Ich aber habe das getan, für das man mich entweder bewundert oder hasst. Ich habe das Schweigen gebrochen und sie öffentlich an den Pranger gestellt. Ich habe die Wahrheit ans Licht gebracht und einen Funken Hoffnung für das Volk gesät. Der Preis dafür war hoch und manchmal, wenn ich nach einer weiteren schlaflosen Nacht aus dem Fenster sehe, frage ich mich ob es das wert war. Doch dann denke ich an das, wofür ich kämpfe und glaube und mein Leben ergibt wieder einen Sinn.

 

Ich stehe noch immer auf dem Hügel und blicke in den Himmel. Der Regen hat aufgehört und die Wolken erlauben es mir die funkelnden Sterne zu bewundern.

Ich gehe ein paar Schritte. Am Hang des Hügels wachsen Mandarinen. Süße, saftige Mandarinen. Der Bauer, dem die Plantage gehörte war ein reicher Mann. Nicht wegen des Geldes, sondern weil er etwas besaß, was Mangelware in diesem Land war. Der Boden, auf dem seine Früchte wuchsen war frei von Dioxin und anderen giftigen Stoffen. Unberührt von der schwarzen Hand der illegalen Müllentsorgung. Als die ersten Männer kamen um dem Bauern das Land ab zukaufen lehnte dieser ab. Er brauchte die Plantagen um seine Familie zu versorgen. Den Preis, den sie ihm angeboten haben war zu niedrig um seine 4 Kinder und Ehefrau über einen längeren Zeitraum zu ernähren, denn hier in dieser Gegend ist es nicht einfach Arbeit zu finden. Die Männer kamen nicht wieder, denn der Bauer sollte selbst zu ihnen zurückkommen. Und so war es auch. Wenige Tage nach dem Besuch der Männer widerriefen mehrere Händler ihre Bestellungen bei dem Bauern. Die Konkurrenz sei billiger, so hieß es. Also war der Bauer gezwungen die Preise für seine Mandarinen zu senken. Als aber noch immer niemand seine Mandarinen kaufen wollte, sorgte er sich um seine Familie, denn noch weiter konnte er die Preise nicht reduzieren, denn auch er hatte viele Ausgaben für die Bewässerung der Plantagen und Arbeitskräfte für die Ernte. So entschied sich der Bauer sein Land zu verkaufen. Er traf die Männer im nächst größeren Ort und bekam das Geld in Bar. Es war viel weniger, als sie ihm anfangs angeboten hatten, aber er hatte keine andere Wahl als das Geld zu nehmen.

Ein ganzer Lebenstraum zerstört. Eine sechsköpfige Familie musste ihre Heimat verlassen, weil sie auf einem Stück Land gelebt haben, das Gold wert war.

Und genau auf diesem Land stehe ich.

Ich halte vor dem nun seit 3 Monaten leer stehenden Haus der Familie. Der Garten ist verwildert und der Weg voll mit Dreck, der durch Wind und Regen her gespült wurde. Voller Schmerz schaue ich auf die eingeschlagenen Fenster und eingetretene Haustür. Sie zertrümmerten die gesamte Einrichtung, ganze Wände wurden löchrig geschlagen und die Fliesen auf dem Boden wurden herausgenommen. Die Botschaft war eindeutig: Niemand sollte je wieder dieses Haus betreten. Es gehört jetzt ihnen. Die gesamte Plantage gehört jetzt ihnen und schon bald werden die ersten Lkws kommen und die ersten Fässer mit Giftmüll im Erdboden vergraben. Dieses Land ist dem Tod geweiht. Und niemand kann sie aufhalten.

Als ich den Weg zurück gehe blicke ich nicht zurück. Ich möchte nicht noch mal die Geschichte vor Augen haben, die sich jedes mal aufs neue abspielt, wenn ich das Haus sehe. Der Schmerz ist zu groß. Die Hoffnung so gering.

Und wieder droht mich die Verzweiflung zu verschlucken und wieder zieht mich die Angst in ihren Abgrund. Wieder werde ich seelisch gequält mit Tritten und Schlägen, und wieder kann ich nichts anderes tun als hilflos zuzusehen wie alles, was ich jemals geliebt habe zerbricht, wie alles Gute im Schatten der Kriminalität untergeht. Doch diesmal regt sich etwas in mir. Etwas viel mächtigeres als Hoffnung oder Glaube, etwas viel größeres und heißeres als all der Schmerz, den ich spüren könnte. Es ist die Wut, der Zorn. Wie eine gigantische Welle überrollt sie mich und treibt mir die Tränen in die Augen. Ich will schreien und dieses Mal bin ich so überwältigt von diesem Gefühl, dass ich nicht anders kann als die Arme in den mit Sternen besetzten Himmel zu strecken und zu brüllen: „Fahrt zur Hölle ihr verfluchten Mistkerle, noch lebe ich!“

 
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Cecero

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Kommentare
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MarieLue Spannend geschrieben! - Leider gibt es immer noch viele solcher Länder. Du hast es gut eingefangen. Am Ende konnte man die Wut förmlich anfassen und mitfühlen!

Herzliche Grüße
Marie Lue
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Paddy23 Hat mir sehr gut gefallen. Wirklich toll geschrieben. Würde gern wissen, was du als Vorlage/Inspiration benutzt hast! ;-)
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