Sonstiges
Gedanken beim Streichen - ***

0
"Gedanken beim Streichen - ***"
Veröffentlicht am 13. Juni 2012, 4 Seiten
Kategorie Sonstiges
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Je älter ich werde, umso weniger gibt es über mich zu sagen :-)
Gedanken beim Streichen - ***

Gedanken beim Streichen - ***

Gedankenstreich

 

Für Streicharbeiten habe ich meine spezielle Arbeitskleidung. Eine rostfarbenen Hose über und über mit Flecken übersät, ein altes weißes T-shirt, das viele verschiedene Farbklekse aufweist, alte schwarze Socken und ein altes Herrenhemd in einem rostähnlichen Rot. Diese Kleidung ziehe ich an, wann immer es etwas zum streichen gibt. Heute war ein Streichtag. Mehrere Stunden habe ich die neuen Bretter der Untersichtverschalung gestrichen mit einem geruchlosen Holzöl. Während des Streichens, das sich nach und nach in ein gedankenloses Tun wandelte, entstanden kurze Filme in meinem Kopf. Ich sah Fichten im Wald, die sich im Wind wiegen. Sah die tiefen Wurzeln im Erdreich. Ich sah Tannenzapfen, Rehe und meinte sogar Waldgeräusche zu vernehmen. All diese Bilder hingen mit dem Ursprung der vor mir liegenden Bretter zusammen. Die Bretter, die aus einen großen mächtigen Baum gesägt wurden. Einem Baum, der viele viele Jahre im Wald seinen Platz hatte. Irgendwann hat ihn ein Förster mit einer roten Farbe und anderen Markierungen versehen, was bedeutete, dass er gefällt werden und verkauft werden soll. Fleißige Waldarbeiter fällten gekonnt den Baum. Von einem großen Holzlaster wurde er zum Sägewerk transportiert. Mit Kränen auf- und abgeladen. Von der Rinde befreit und von einer mächtigen Säge in Bretter geschnitten. Später auf Normmaß zugesägt um dann wieder zum Holzhändler transportiert zu werden. Von dort haben die Zimmerleute die Bretter geholt und mir zum streichen vor die Garage gelegt. Die vielen Bretter habe ich auf Holzböcken und anderen Auflagemöglichkeiten verteilt und gestrichen. Beim Streichen hatte ich die Idee das Öl mit ganz viel Liebe und guten Wünschen aufzutragen. So dachte ich beim streichen, dass alle, die das Holz berühren und später unter ihm oder in seiner Nähe sich aufhalten sich wohlfühlen sollen. Wünschte, dass es allen gut geht. Ich bedankte mich im Geiste bei der Natur, die den Baum genährt und wachsen hat lassen, bei den Holzfällern, bei den LKW-Fahrern, bei den Holzsägern und Kranführern. Ich bedankte mich auch bei den Menschen, die dieses geruchlose umweltverträgliche Holzschutzmittel entwickelten und herstellten und ebenso beim Baustoffhändler, der es für mich vorrätig hatte. Ich bedankte mich bei meinem Körper, dass er die vielen Stunden Streicharbeit ausführte ohne zu murren und dafür, dass ich für alle Bretter einen Platz zum Streichen fand. Als die Arbeit getan war legte ich meine Streich-Arbeits-Kleidung wieder ab und stand dankbar unter der warmen Dusche.

Morgen ist ein weiterer Streichtag, da erledige ich den zweiten Anstrich.

Ich freue mich schon jetzt auf der Terasse unter der neuen Holzdecke zu sitzen und darauf die schöne neue helle Holzdecke zu genießen und natürlich alles was sonst noch da ist und mich umgibt.

Auch Streichen kann Freude bereiten.

http://www.mscdn.de/ms/karten/v_736614.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_736615.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_736616.png
0

Hörbuch

Über den Autor

Mitmensch
Je älter ich werde, umso weniger gibt es über mich zu sagen :-)

Leser-Statistik
25

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Gunda Du ahnst ... - ... gar nicht, wie gut ich deine Situation nachfühlen konnte beim Lesen, Johanna. Ich habe nämlich heute Morgen gerade eine Wand und den Teil eines Kellerfußbodens gestrichen. Gut, so poetische Gedankengänge wie du habe ich dabei natürlich nicht verfolgt, aber der Kopf ist bei solch "stupider" Arbeit natürlich frei für andere Dinge ... (Auf die Idee, sich gedanklich beim Baustoffhändler zu bedanken, muss man erst mal kommen ... Klasse.)

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Kurz und bündig - und doch psychologisch tiefgründig ist Dein Text. Man merkt, dass Du sehr naturverbunden sein musst.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Mitmensch Re: Sowas klingt - Danke für Deinen Kommentar!
Es ist schön, dass Du Ähnliches erfahren hast.
Herzlichen Dank und lieben Gruß!
Johanna

Zitat: (Original von kullerchen am 13.06.2012 - 16:51 Uhr) im ersten Augenblick verrückt, doch unser Körper assoziiert Gerüche, Geräusche, was er spürt, wenn er nicht abgelenkt ist, gerne einmal und gerade beim Geruch des Holzes kann ich nir das gut vorstellen.

Mir gings vor Jahren ähnlich, bei einer weihnachtliche Backarie, bei denen nach kurzer Zeit alle verschwunden waren. Bachen macht Freude, vor allem der Mom, bei den Massen!

So war plötzlich völlige Ruhe in der Wohnung, ein seltener Zustand und mir passierte ähnliches, wie dir, nicht so intensiv, doch ähnlich. Ich habe immer, bei allem was ich backe das Mehk gesiebt und während ich es schon Händeweise ins Sieb rieselte war es genau das Rieseln durch die Hände, die mich ein riesiges Getreidefeld sehen ließ, das wie ein Meer wogte.

Kurz nur, doch mit Duft und Geräusch war alles dabei. Dann wurde die Stille fast unheimlich und ich stellte das Radio an. Weihnachsmusik und Plätzchenbacken!

Der Duft der fertigen Plätzchen lockte und meine Bagage stand in der Tür. Schki hatte ich schon warm gemacht und die anderen Glasuren angerührt und aus der anfänglichen "Strafarbeit" wurde ein toller Familiennachmittag.

Die Küche sah aus!

Toll geschrieben, eben so nachvollziehbar!

Danke dafür und das du mich erinnert hast! LG Kullerchen!

Vor langer Zeit - Antworten
Mitmensch Re: Kommentar -
Zitat: (Original von Julian23 am 13.06.2012 - 15:51 Uhr) Gut geschrieben.Ist das ausgedacht oder wahr?(die geschichte ist sehr real geschrieben,aber ich frage trotzdem.

Julian23 :)


Lieber Julian,
danke für Deinen Kommentar.
Ich habe heute wirklich gestrichen.
Das Geschriebene gibt natürlich nie genau wieder was und wie es wahr.

Lieben Gruß
Johanna
Vor langer Zeit - Antworten
kullerchen Sowas klingt - im ersten Augenblick verrückt, doch unser Körper assoziiert Gerüche, Geräusche, was er spürt, wenn er nicht abgelenkt ist, gerne einmal und gerade beim Geruch des Holzes kann ich nir das gut vorstellen.

Mir gings vor Jahren ähnlich, bei einer weihnachtliche Backarie, bei denen nach kurzer Zeit alle verschwunden waren. Bachen macht Freude, vor allem der Mom, bei den Massen!

So war plötzlich völlige Ruhe in der Wohnung, ein seltener Zustand und mir passierte ähnliches, wie dir, nicht so intensiv, doch ähnlich. Ich habe immer, bei allem was ich backe das Mehk gesiebt und während ich es schon Händeweise ins Sieb rieselte war es genau das Rieseln durch die Hände, die mich ein riesiges Getreidefeld sehen ließ, das wie ein Meer wogte.

Kurz nur, doch mit Duft und Geräusch war alles dabei. Dann wurde die Stille fast unheimlich und ich stellte das Radio an. Weihnachsmusik und Plätzchenbacken!

Der Duft der fertigen Plätzchen lockte und meine Bagage stand in der Tür. Schki hatte ich schon warm gemacht und die anderen Glasuren angerührt und aus der anfänglichen "Strafarbeit" wurde ein toller Familiennachmittag.

Die Küche sah aus!

Toll geschrieben, eben so nachvollziehbar!

Danke dafür und das du mich erinnert hast! LG Kullerchen!
Vor langer Zeit - Antworten
Julian23 Kommentar - Gut geschrieben.Ist das ausgedacht oder wahr?(die geschichte ist sehr real geschrieben,aber ich frage trotzdem.

Julian23 :)
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
6
0
Senden

73379
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung