Entschlossen drehte Ray sich im Bett und stellte die Beine auf den Boden. Als er aufstand, stellten sie Beide fest, dass er vollkommen nackt geschlafen hatte und Cassie drehte sich mit einem merkwürdigen – genervten? - Seufzer ab. Rasch griff Ray nach einem Kleidungsstück, es war die Anzugshose von gestern.
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„So, du kannst jetzt wieder gucken. Nicht, dass du das vorhin nicht auch schon gedurft hättest...”, versuchte er sie zu necken, doch sie blieb ernst.
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„Ray, ich muss weg. Das wollte ich dir nur sagen..”
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„Du musst weg? Aber warum? Warum so plötzlich? Es läuft zwar gerade recht gut, aber wir sind doch trotzdem noch im Aufbau. Wir brauchen dich!”, sagte er, kam einen Schritt näher und sah sie direkt an. „ICH brauche dich...”
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Cassie machte einen Schritt rückwärts. „Ray, es tut mir leid-”
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„Aber warum, Cassie? Bin ich dir zu nahe getreten? Oder ist es wegen Kendra? Ich versichere dir, das ist absolut nichts!”
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„Ach Ray, das weiß ich doch.”
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„Aber warum dann?!?” Ihm war klar, dass er bettelte, aber es war ihm egal.
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Die Frau, die ihm mittlerweile so viel bedeutete, holte tief Luft. „Wir haben doch schon gesagt, dass man seiner Familie nicht entkommt. Nun ist es bei mir soweit, meine Familie braucht mich, dringend. Deswegen muss ich sofort zu ihnen.”
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Ihre Bestimmtheit, zusammen mit seinem Kater machten ihn gereizt. „Musst du wirklich sofort springen, wenn sie rufen? Jetzt komm, ich schaffe es doch auch, mich ihnen zu widersetzen.”
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„Wirklich, Ray? Was, wenn wirklich Not am Mann wäre, wie man bei uns so schön sagt?!”
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Etwas in ihrem Blick warnte ihn, trotzdem sagte er „Ich wüsste jedenfalls, wenn man mich reinlegt!”, und verfluchte sich im nächsten Augenblick dafür. Warum sagte er sowas? Aber das war nur der Schmerz, der ihm gerade durch und durch ging.
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Besänftigend fügte er an „Aber gut, dann nimmst du dir halt eine Auszeit, kümmerst dich um das Problem, was immer das auch ist, und kommst dann wieder zurück.” ~Zurück zu mir.~
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Zu seinem Entsetzen schüttelte sie den Kopf. „Nein Ray, das versuche ich ja die ganze Zeit, dir zu sagen. Ich komme nicht zurück. Mein Lokal steht zum Verkauf und deines ist jetzt gut eingespielt, es gibt also nichts, was mich hier halten sollte.”
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Jetzt hielt ihn nichts mehr, mit zwei schnellen Schritten war er bei ihr und fasst ihre Oberarme. „Cassie! Ich dachte, wir beide-”
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„Nein Ray!” Ihre Stimme klang beinahe schrill, als sie ihn abschüttelte und weiter zur Tür zurück wich. „Es... es hat Spaß gemacht, dich zu küssen, aber es gibt kein 'wir beide', versteh das doch! Wir passen einfach nicht zusammen!”
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Das konnte doch nicht wahr sein! Hatte sie die ganze Zeit nur mit ihm gespielt und in Wahrheit nichts für ihn empfunden? Das verletzte ihn mehr, als es sollte und die Tatsache, dass sie anscheinend so einfach alles hier aufgeben konnte, machte ihn wütend.
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Grimmig machte auch er einen Schritt zurück. „Dann war's dann also?! Dann stimmt es also, was man über das fahrende Volk sagt, keine Bindung, keine tieferen Gefühle...”
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Ihr Gesicht versteinerte. „Ja Ray, so ist es wohl. Die Schlüssel fürs Sandcastle hat Mary, falls der Makler, den ich noch beauftragen werde, sie braucht. Leb wohl!”
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Damit war sie zur Tür heraus und Ray warf den Kopf in den Nacken und fluchte laut. „Verdammt, verdammt, verdammt!!!” und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. ~Du bist so ein Idiot~, schalt er sich. Das musste er sofort wieder gut machen, dass er sich gerade so von seiner Enttäuschung hatte hinreissen lassen.
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Mit hektischem Blick sah er sich in seinem Zimmer nach Kleidung um, die er sich rasch überstreifen konnte, dabei fiel sein Blick auf ein Stück Papier, das in der Nähe der Tür lag. Es musste Cassie bei ihrem kleinen Gerangel herunter gefallen sein und neugierig hob er es auf.
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TELEGRAMM
AN: CASSIOPEIA ZANZINI
VON: ROBERTO ZANZINI
CASS – STURM HAT ZELT SEHR STARK BESCHÄDIGT – HELENA SCHWER VERLETZT – FÄLLT HALBES JAHR AUS – BRAUCHEN DICH HIER – AUFTRETEN SICHERT ÃœBERLEBEN – SIND NOCH IN PARDSBURG – BITTE KOMM SO SCHNELL ES GEHT – MUM & DAD
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Wow, sie hatten immerhin noch 'Bitte' geschrieben. Aber ansonsten gab es keinen Zweifel daran, dass Cassie da gehorchen musste, wofür er sogar Verständnis hatte. Was er da las, klang nach nackter Existenznot, nicht wie bei ihm meistens ein herrischer Versuch, wieder Herr über ihn zu werden.
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Und er hatte Cassie dafür angeschnauzt! Schon wieder fluchend schnappte Ray nach seinem Hemd, verlor aber keine Zeit damit, es zuzuknöpfen, sondern rannte barfuß die Treppe runter.
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Er würde zu ihr laufen und sich entschuldigen und dann würden sie zusammen eine Lösung für das Problem finden. Und wenn das geschafft war, dann würde er ihr seine Liebe gestehen, die sie hoffentlich erwiderte.
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Doch es war zu spät, Cassie hatte offenbar keine Zeit verloren und Ray sah nur noch, wie die Rücklichter ihres Trailers hinter dem nächsten Hügel verschwanden. Einem ersten Impuls nach wollte er schon in sein Auto springen, besann sich aber dann darauf, dass er ja im Moment halb nackt war und außerdem im Moment die volle Verantwortung inne hatte.
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Er schaute auf das Telegramm in seiner Hand und machte sich unter den fragenden Blicken einiger Angestellter wieder auf den Weg in sein Zimmer. Cassie war nicht aus der Welt und wenn es sein musste, würde er sie schon finden. Zuerst gab es aber ein paar Dinge zu erledigen.
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Verärgert wischte Cassie die Tränen aus ihren Augen fort. Sie musste sich schließlich auf das Fahren mit ihrem Trailer im Schlepptau konzentrieren und die Tränen behinderten nur die Sicht, gaukelten ihr Dinge vor, die nicht da waren. So hätte sie beinahe gedacht, im Rückspiegel einen Ray mit offenem Hemd zu sehen, der wild mit den Armen winkte. Aber als sie noch einmal schaute, war da niemand.
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