Die Geschicklichkeit der Wandadüne
Cellulitis war eines der Worte, die unser Zusammenleben prägten, wie kaum ein anderes.
Im Sommer war es am schlimmsten, denn ein Besuch im Schwimmbad war ausgeschlossen.
Wanda zog sich die Hose herunter, kniff eine Stelle an den Oberschenkeln fest zusammen und fragte:
"Meinst du, so setz ich mich dahin?"
Ich verzichtete inzwischen darauf diese Frage zu beantworten und war damit zufrieden,
dass wir genug zu essen hatten, um jeden Tag im Sommer zu grillen.
"Hier ist doch auch schön, Schatz."
Auch hierauf verkniff ich mir jede Antwort, stopfte weiter Bauchfleisch, Nackensteaks und Minutenkotellets in mich rein.
Im Laufe der Jahre erweiterte ich nicht nur meinen intellektuellen, sondern auch den Horizont meines Bauches.
Das hieß, wenn ich mich in den Gartenstuhl setzte,
musste ich die Hose öffnen, damit ich nicht in den Zustand der Klaustrophobie verfiel.
Die Cellulitis blieb die gleiche.
Ich glaube Frauen bekamen direkt bei der Geburt einen Chip eingesetzt, der auf Orangenhaut programmiert ist.
Egal, ob eine Frau sie tatsächlich bekam, oder nicht, sie sprachen darüber, wie Männer über Fußball oder Autos.
Unsere Jahre verstrichen wie im Flug.
Ich hatte inzwischen das Gewicht einer Schlachtkuh, ein famoses Doppelkinn,
dass von einem Dreitagebart kaschiert wurde und Wanda sah aus wie vor 10 Jahren: Schlank, edel und schön.
Ach ja, und natürlich mit Dellen am Oberschenkel.
Ich hatte es aufgegeben, ihr zu sagen, dass da keine waren.
Dann kam der Tag, der unser Leben eingehend veränderte.
Ich kam von der Arbeit und Wanda kam mir schon im Flur entgegen:
"SCHAU WAS ICH HABE!!!!!"
"Ja, was denn Süße?"
"Zwei-Wochen-Anti-Cellulite-Entspannungs-Bad."
Sie hielt mir die Flasche hin.
Ich nahm sie und stellte sie auf den Tisch.
"NEIN, LIES WAS DA STEHT!!!!!!"
Ich nahm die Flasche wieder vom Tisch und las was da stand:
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Die Silhouette wird sichtbar gefestigt und gestrafft.
"Wanda, das ist das gleiche, das du immer kaufst. Seit Jahren:
Cellulitis-Gell,
Schwämme,
Cellulitis-Packungen.
Nur jetzt steht da Cellulitis-Bad drauf."
"Aber das wirkt in zwei Wochen!!!"
Das war das letzte was ich von Wanda hörte, dann verschwand sie im Bad, ließ sich Wasser ein,
kippte eine Verschlusskappe der Wunderdroge hinein und war in den Fluten verschwunden.
Nach drei Stunden ging ich nach ihr sehen, aber alles war in Ordnung.
Sie ließ gerade heißes Wasser nachlaufen und schien glücklicher als je zuvor.
Sie blieb die ganze Nacht in der Badewanne.
Als ich morgens aufstand und mich im Bad frisch machte, lag sie immer noch im Wasser.
Als ich von der Arbeit kam war es nicht anders.
Auch die nächste Nacht verlief wie die erste.
"Wie lange willst du denn jetzt in der Wanne bleiben?"
"ZWEI WOCHEN!"
Ich nahm es hin, wie es war, denn wenn ich eines gelernt hatte, dann war es die Celluitis-Problematik ernst zu nehmen.
Ich versorgte sie mit Essen und Getränke, baute den Fernseher aus dem Schlafzimmer im Bad auf und verlegte einen Telefonanschluss zu ihr.
Nach einer Woche fing die Haut böse an aufzuquellen.
Sie jauchzte vor Freude:
"SCHATZ, es fängt an zu wirken."
Am zehnten Tag, waren erste Hautstücke von den Fingerkuppen abgelöst
und die Zehnägel fingen an sich von den Zehen zu verabschieden.
Einen Tag darauf fiel sie in für mehrere Stunden ins Koma, aber ich hatte vorsorglich eine "Anti-Ertrink-Hilfe" eingebaut, die es verhinderte, dass der Kopf unter Wasser kam, wenn sie einschlief.
Am dreizehnten Tag holte ich den Notarzt, weil keine Stelle ihrer Haut mehr feste Struktur hatte. Ihre Atmung hatte sich auf den Rhythmus eines Igels im Winterschlaf reduziert und sie war nicht mehr ansprechbar.
Sie reagierte nicht auf meine Stimme, oder auf kräftiges Kneifen.
Der Notarzt rief den Krankenwagen und sie wurde ins nahe gelegene Hospital eingeliefert.
Erst nach zwei weiteren Wochen war sie einigermaßen wieder auf dem Damm und konnte die Umgebung erkennen.
Der stationäre Aufenthalt dauerte insgesamt drei Monate und sie hatte wirklich Glück, dass sie noch lebte.
Nach ihrer Entlassung packte sie ihre Klamotten und zog zu ihrer Mutter,
weil ich ihr alles versaut hatte.
Einen Tag hätte ich noch warten können, dann hätte es gewirkt, sagte sie zum Abschied.