Die Maskenbildnerin
Die Sonne schien spärlich durch die verstaubten Fenster des Kellergeschäfts, die Luft roch modrig und abgestanden. Nur wenige Viertel waren nun mehr so heruntergekommen wie dieses und wenige waren noch so menschlich.
Das Glöckchen an der Eingangstür klingelte fröhlich vor sich hin, als der Mann langsam herein trat. Er schenkte seiner Umgebung keine Beachtung und ging direkt zum Tresen.
"Bestellung 7594", sprach er kühl, doch er konnte seinen Ekel nicht verbergen.
"Ist es mein Heim oder mein Gesicht das Sie so verstört?", fragte sie ins Nichts hinein, wohl wissen, dass er ihr nicht antworten würde.
Sie deutete ihm, ihr zu folgen und führte ihn in das kleine Hinterzimmer.
"Ich müsste Sie bitten, die Maske abzunehmen.", sagte sie, während sie sich den Regalen zu wandte und vorsichtig eines der Pakete aufhob.
Als sie sich umdrehte, blickte sie immer noch auf das schneeweiße Scheingesicht. Kopfschütteln öffnete sie den Karton und gab ein identisches Stück preis.
"Ihre Bestellung.", meinte sie knapp. "Aber wenn sie richtig passen soll, dann müssen sie die Alte abnehmen, damit ich der Neuen den letzten Schliff geben kann."
Wie sie es schon erwartet hatte, ignorierte er ihren Vorschlag. Fast schon mechanisch griff er in seine Tasche, drückte ihr die erforderlichen Geldscheine in die Hand und nahm die Schachtel entgegen. Wortlos war er wieder verschwunden, das Klingeln des Glöckchens, das einzige Zeichen, dass er überhaupt hier gewesen war.
Genervt klopfte sie drei Mal auf den Tisch.
"Du kannst raus kommen Adrian.", rief sie, kurz bevor eines der Regale zur Seite geschoben wurde.
"Du musst nicht so schreien.", entgegnete ihr der vierzehnjährige Junge. "Ich bin blind, nicht taub."
Sie antwortete ihm nicht, sondern ging einfach wieder vor zum Tresen.
"War das wieder so ein Extremist?", schrie er ihr nach, als er sich langsam nach vorne tastete.
"Angestellter 7594.", schrie sie zurück.
"Wieder so ein Idiot, der Angst hat, sein Gesicht zu zeigen, obwohl er seine Nummer angegeben hat!", hörte sie ihn neben sich seufzen.
"Du solltest hinten bleiben. Du bist tot, wenn sie dich hier erwischen", zischte sie angespannt.
"Dann sollen sie mich doch töten! Versucht haben sie es doch schon!", fauchte Adrian und deutete auf sein Gesicht, wo eine riesige Brandnarbe prangte.
"Das heisst nicht, dass es ihnen beim nächsten Mal nicht gelingt!"
Unsanft schob sie ihn in Richtung Gang.
"Das Herz des Staates und seiner Männer und Frauen ist aus Stein. Kein Besitz, kein Gesicht, kein Name, keine Gefühle, nur das gemeinsame Ziel. Durch deinen Entschluss, zum Widerstand keine Maske zu tragen verstößt du schon gegen zwei, wenn nicht drei, der Gesetzte. Außerdem solltest du nicht hier, sondern in einer dieser Sonderinternate sein, bis zu deinem achtzehnten Lebensjahr. Legst du so wenig Wert auf dein eigenes Leben, Adrian?"
Sie konnte sein Zögern fühlen und legte ihm die Hand auf die Schulter.
"Ich brauche dich doch!", hauchte sie und zog ihn in eine Umarmung.
"Du hast Glück!", flüsterte er ihr ins Ohr. "Als Maskenbildnerin bist du gegen ihre Regeln immun."
