Feuer und Tod
"Wage es nicht, mir zu widersprechen!" Der Schlag ihres Vaters ließ Sahira zurücktaumeln. Schluchzend rang das Mädchen um Fassung. "Vater, ich bitte dich! Ich mag Arahas nicht heiraten!", flehte sie zwischen zwei Schluchzern. Die große, bedrohliche Gestalt ihres Vaters hob drohend die Hand. "Schweig, undankbares Weibsbild! Ich habe dir ein Leben im Reichtum und in voller Behaglichkeit geschenkt, also erwarte ich auch, dass du als Prinzessin eine vorteilhafte Heirat vornimmst!" Sahira riss die Augen auf. "Aber Arahas wird mich misshandeln und ich werde nie wieder glücklich sein können", weinte sie. Ihr Vater griff nach ihrem Handgelenk und zog sie zu sich. Sein harter Schlag ließ Sahiras Schädel dröhnen und ihre Wange brannte wie Feuer. Ihr Vater ließ sie los und schlug sie auch auf die andere Wange. Der Ohnmacht nahe fiel Sahira zu Boden, sie sah nur noch, wie ihr Vater das Zimmer verließ, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Als Sahira erwachte, war der Schmerz in ihrem Schädel dem Schmerz in ihrer Seele gewichen. Die Angst, die sie vor Arahas hatte, raubte ihr fast den Verstand und die Verzweiflung überwältigte sie fast. Niemals wieder würde ihr Herz frei sein... Ihre Gedanken wanderten ein Stück fort von der Realität und sie dachte an Daveniel, ihren besten Freund und ihr heimlicher Geliebter. Er war adlig, eigentlich perfekt für eine Heirat, wenn ihr Vater nicht mit dem König des Nachbarreiches, Arahas, schon vor ihrer Geburt einen Pakt geschlossen hätte. Arahas war mehr als dreifach so alt wie Sahira, Daveniel nur zwei Jahre älter. Sahira rappelte sich tapfer auf und glitt wie ein Schatten auf den Flur des Schlosses, lief leise und eilig zum Schlosstor und ließ ihre Heimat hinter sich. Sie lief hinunter in den Park, der grau und verlassen im Mondlicht lag. Sie beschleunigte ihren Schritt und flog Daveniel, der schon lange auf sie wartete, in die Arme. "Na, Kleine? Was ist denn? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen." Seine klare, leise und beruhigende Stimme gab Sahira die
Kraft, wieder normal zu atmen. "Oh Daveniel - es ist so schrecklich! Mein Vater wird mich Arahas zur Frau geben und dann wird alles verloren sein...!" Ihre letzten Worte gingen wieder in Strömen der Tränen unter. Daveniel strich ihr liebevoll die schwarzen Haare aus dem Gesicht. "Na na, Liebes, noch ist nichts verloren. Bevor Arahas dich bekommt, muss er an mir vorbei. Was hältst du davon, wenn wir fliehen?" Sahira sah überrascht zu ihm auf. "Das würdest du tun?", fragte sie. Daveniel lachte. "Natürlich. Für dich alles." Dann drückte er ihr etwas kaltes, rundes in die Hand. "Was ist das?", fragte Sahira. "Das ist ein Amulett. Es wird dich beschützen und dir im schlimmsten Fall einmal das Leben retten." Er lächelte. Er drückte sie noch einmal an sich, als die beiden plötzlich aufsahen. Zwei graue, unerbittliche Augen starrten die beiden an. "Arahas!", flüsterte Sahira voller Angst. Der große Mann lachte hart auf. "Du siehst ganz recht, mein Turteltäubchen - ich beobachte euch schon lange und ich muss sagen, es wäre wirklich ein Jammer, wenn du
deinen ,Geliebten' verlassen müsstest - was also spricht dagegen, euch beide dem Tod zu übergeben?" Arahas lachte wieder kalt auf. "Wage es nicht, sie anzurühren!", rief Daveniel.Arahas visierte ihn mit seinen undurchdringlichen Augen an. "Ich werde sie nicht anfassen - aber wenn ich sie nicht haben kann, wirst du sie auch nicht besitzen!" Sahira befreite sich aus Daveniels Umarmung. "Wenn mein Vater das erfährt, dann..." "Oh, wenn dein Vater es jemals erfahren sollte, bin ich schon weit weg. Und außerdem wird er froh sein, ein vorlautes Maul weniger stopfen zu müssen." Sahira stiegen Tränen in die Augen, sie drehte sich kurz um und gab Daveniel den letzten Kuss, denn die beiden wussten, dass es ihr Ende war. In Arahas gierigen Augen brannte ein zerstörerisches Feuer auf und nicht nur da - plötzlich flackerte in seinen Händen ein wilder Flammenteufel empor und schoss auf sie zu - das letzte, was Sahira vernahm waren ihre eigenen Schreie, als die dämonischen Feuer an ihren Haaren, ihrer Kleidung und ihrer Haut leckten und
sie spürte, wie ihre Finger sich um Daveniels Amulett klammerten, während diese qualvoll zu Asche wurden.
Tod und Auferstehen
Als Sahira erwachte, drohte ihr sogleich eine erneute Bewusstlosigkeit. Der Schmerz nagte unerbittlich an ihr und sie wünschte, sie würde endlich sterben... Unter unendlicher Qual wälzte sie sich zur Seite und wollte sehen, was geschehen war... ob das Treffen mit Daveniel und vorallem mit Arahas ein schlimmer Traum gewesen war und sie in Wirklichkeit wieder von ihrem Vater misshandelt worden war - als sie feststellte, dass sie blind war. Sie wollte weinen, doch es ging nicht. Sie verbannte den Schmerz, der langsam, ertränkt in der Panik, abklang. Sie spürte in ihren Händen das Amulett von Daveniel, welches das Feuer überlebt hatte. Ihre Finger kratzten über Fließen und sie ahnte, dass sie sich in ihrem großen Zimmer befand. Wie auch immer sie hierher geraten war, sie musste irgendetwas tun. Doch was tun, behindert von Schmerz und blind wie sie war? Unbeholfen erhob sie sich und tastete sich durch das Zimmer. Sie ahnte, dass das Feuer ihre Augen vernichtet
hatte, doch sie war zu durcheinander, um Ekel zu empfinden, sich Sorgen zu machen oder überhaupt um nachzudenken. Sie wusste, dass das Amulett tatsächlich ihr Leben gerettet haben musste, aber ihr war bewusst, dass es kein Segen war.
Auferstehung und Rachsucht
Entsetzt blickte Sahira in den Spiegel. Auf einmal wünschte sie sich, sie hätte niemals wieder ihr Augenlicht wiedererlangt. Ja, sie hatte einen Weg gefunden und sie hatte ihn zuerst nicht bereut. Doch nun wandte sie sich ab und fluchte erbittert. Doch dann stahl sich ein freudloses Lächeln auf ihre verkohlten Züge. Ihr Vater hatte gelitten. Sie hatte es ihm heimgezahlt. In ihrem Schädel saßen nicht mehr ihre blauen, lieblichen Augen sondern die gierigen, grünen ihres Vaters. Ihr Vater hatte den Fehler begangen, ihr Zimmer zu betreten, um sie zu der Heirat zu zwingen - nur um festzustellen, dass seine hübsche, verzweifelte Tochter sich in einen hässlichen, grausam verunstalteten Dämonen verwandelt hatte. Blind hatte Sahira sich auf ihn zubewegt und er, erstarrt vor Entsetzen, war nicht in der Lage gewesen, zu fliehen. Ihre verkohlte Kralle, die von ihrer Hand übriggeblieben war, hatte seinen Hals umfasst und ihn erwürgt. Nachdem sie sicher war, dass er nicht mehr atmete,
war ihr ein seltsamer Gedanke durch den Kopf gegangen - was, wenn sie sich ihn zu nutzen machen konnte? Sie wusste nicht, was sie dazu getrieben hatte, aber sie hatte ihm die Augen genommen und mit ihrer geringen Neigung zur Magie sich selbst gegeben - und sie konnte wieder sehen. Nun allerdings grämte sie ihr Aussehen so, dass sie nach ihrer Schmuckschatulle griff und in den Spiegel schleuderte. Sie zuckte zusammen, als einer der Glassplitter sich in ihre verbrannte Haut bohrte, doch sie fühlte den Schmerz nicht - der Schaden hatte auch die letzten ihrer Nerven zerstört und der Wahnsinn hatte aus ihr einen gefühlskalten Dämonen gemacht. Sie lief zu ihrem Schrank und zog eine üppige Robe mit einer Kapuze hervor, die das Schlimmste wohl verstecken würden. Als sie zur Tür lief, lief sie auch an der Asche Daveniels vorbei und ihr Herz krampfte sich zusammen - doch sie zwang sich eisern dazu, standhaft zu bleiben. Irgendetwas zwang sie, auszuhalten, es zu überleben, zu kämpfen... sie kicherte kalt, als sie die zusammengesunkene Leiche von Arahas zur Seite
kickte, als seie er nicht mehr als ein Stein, der ihr im Weg lag. Sein Blut war von dem üppigen Teppich aufgesogen worden und seine Gedärme hatten Bekanntschaft mit ihrem Kerzenständer gemacht. Sie überprüfte noch einmal den Dolch, den sie Arahas abgenommen hatte und verließ ihr Zimmer. Ihre Glieder knirschten und sie spürte, wie Asche auf den Boden fiel. Doch sie scherte sich nicht darum.Sie stieg die Treppe hinab und das Rauschen ihrer Robe hallte durch die leeren Gänge. Endlich würde die Rache kommen ... die Rache an allen, die ihr ihr Glück verwehrt hatten, an alle, die ihr und Daveniel eine Zukunft unmöglich gemacht hatten. An alle, die sie gefangen gehalten hatten. Die beiden Wachen in der Einganghalle waren ihr nächstes Ziel, doch nur eine davon würde die Erlösung des Todes bekommen. Zumindest sofort. "Prinzessin! Welch Freude, euch hier anzutre..." Das Gerede der Wache verstummte, als sie den Dolch zog und ihm mit einem einzigen Strich den Kopf von den Schultern abtrennte. "Prinzessin, was..." Die zweite Wache verstummte ebenfalls, als
Sahira aufsah und ihre neuen, grünen Augen sich stechend auf ihn richteten. Obwohl er dieses Gräuel, in ihr entstelltes Gesicht zu sehen, ihm Übelkeit verursachte, wagte der Wachposten es nicht, sich abzuwenden, da er sich des Dolches in ihrer schwarzen Kralle bewusst war. "Hol den Arzt, der meine Mutter an der Pest sterben ließ und sage ihm, mir ginge es nicht gut. Aber ich warne dich - wenn er irgendetwas mehr weiß, wird es dir genauso ergehen wie deinem Gefährten - und versuche nicht zu fliehen, denn meine Strafe ist weit schmerzvoller als der Tod. Denk an deine Familie." Damit wandte sie sich ab und ging wieder die Treppe hinauf, sie hörte, wie der Wachposten das Tor öffnete und eilig nach draußen lief.
Rachsucht und Wahnsinn
Als Sahira wieder ihr Zimmer betrat, machte sie sich sofort daran, die Überreste ihres Vaters und ihres Verlobten im Kamin zu verbrennen und die Asche ihres geliebten unter ihr Bett zu kehren. Dann legte sie sich auf ihr Bett und legte sich einen verhüllenden Schleier übers Gesicht. Dann wartete sie. Als ein zaghaftes Klopfen an der Tür ertönte, gab Sahira nur ein heiseres "herein" von sich. Der kleine, schlaksige Arzt huschte in ihr Zimmer und kam an ihr Bett. Sahira konnte es kaum erwarten, auch sein Blut fließen zu sehen. Ihre geliebte Mutter war in seiner Gegenwart gestorben und er hatte Diamanten, Rubine, Saphire und Smaragde für seine wertlose Arbeit empfangen. Er hatte die Königsfamilie betrogen und ihren Vater in eine herzlose, eiskalte Bestie verwandelt. Und damit hatte er auch ihr Leben zerstört. "Na?", fragte die hohe, quengelnde Stimme und kniete sich neben sie. Er holte ein kleines Fläschchen aus seinem Kittel und Sahira konnte ungesehen zu ihm schielen
und erhaschte einen Blick auf die Phiole mit dem Totenkopf darauf. "Wollen wir mal sehen, was ihnen fehlt, Prinzessin. Über die Bezahlung sprechen wir später." Er nahm den Schleier von ihrem Gesicht und erstarrte im Angesicht der furchtbaren Fratze, die Sahira nur noch trug. Sahiras Hände fuhren empor und legten sich um seinen Hals. Sie drückte ihm die Luftröhre zu und es nährte sie, die Panik, die Verzweiflung und die Angst in seinen geldgierigen Augen zu sehen. Sie ließ los und während er um Luft ringend zusammensank, stieß Sahira ihren Dolch in seine Eingeweide. Nachdem sie einige Sekunden lang entgeistert und betäubt von ihrem Triumph auf ihre blutbeschmierten Hände sah, schaute sie zu dem Wachposten, der noch immer blass vor Entsetzen auf die Leiche starrte. "Was glotzt du so?", fuhr sie ihn an. Der Wachposten trat angstvoll zurück. "Hol die Tochter des Schmieds, aber sofort!", schrie sie. Die Wache nickte eifrig, drehte sich um und rannte nach draußen. Auf Sahiras Zügen erschien ein rachsüchtiges Grinsen, eine Fratze der Begierde.
Sie wartete ruhig neben der Türe auf die Frau, die ihren Vater abgewiesen hatte, nachdem ihre Mutter gestorben war. Ein weiterer Faktor, der ihren Vater zu dem gemacht hatte, als das er gestorben war. Als sich die Türe öffnete, biss Sahira sich auf ihre verkohlten Lippen, denn sie wusste, dass die junge Frau die Schönste weit und breit war. "Prinzessin? Ich hörte, ihr ließet mich rufen?", fragte die Frau zaghaft und sah sich im scheinbar leeren Zimmer um. Sahira, bis da hin ungesehen, sprang vor die Schöne bleckte die Zähne. Sie fixierte die Tochter des Schmieds mit eisigem Blick und wie gebannt starrte die Frau nur zurück. Dann plötzlich stürzte Sahira nach vorne, warf die Frau um und schlug ihre spitzen Zähne in den Hals der Frau. Nachdem ihr klagendes Opfer langsam aufhörte, sich zu wehren, ließ Sahira von ihr ab. Eine große Blutlache hatte sich auf dem grauen Stein des Flurs ausgebreitet und Sahira leckte sich die Reste des Blutes von ihrem Mund und verzog angesichts des rußigen Geschmacks ihrer Lippen das Gesicht. Sie sah befriedigt auf ihr Opfer, dessen tote,
himmelblaue Augen angsterfüllt zu ihr aufsahen. Sahira schickte die zitternde Wache weg und schleifte ihre letzte Errungenschaft mit sich in den Raum.
Wahnsinn und Verzweiflung
Sahira fluchte. Hätte sie doch nur nicht den Spiegel zerstört. Schließlich lief sie in das alte Zimmer ihrer Mutter und betrachtete sich nachdenklich. Nachdem sie der Tochter des Schmieds die langen, blonden Haare abgeschnitten hatte, hatte ihre Magie ihr ein weiteres Mal nützliche Dienste erwiesen. Sie hatte sich die blonde Pracht in die eigene, zerstörte Kopfhaut eingepflanzt und sie musste sagen, dass es gar nicht so schlecht war. Aber das Schlimmste war ihr Gesicht... das Fleisch ihrer Wangen war fast ausgebrannt und ihr Gesicht hohl. Nie wieder würde die Haut heilen, nie wieder würde sie sich voll Stolz im Spiegel betrachten können... Sie drehte sich um und sah auf den Gang hinaus. Warum nicht? Sie musste es zumindest versuchen. Wenn ein Mensch daran zugrunde ging - na und? Sie alle hatten ihr Leben zerstört - und sie alle sollten dafür büßen. Aber der Gedanke, ein verhasstes Gesicht tragen zu müssen, war ihr unerträglich. Sie lief auf den Gang und hinunter in
die Halle, wo die Wache schon wartete. "Lauf in das Dorf und sag der nächstbesten Frau, die du siehst, ich hätte sie erwünscht, weil es mir nicht gut geht und sie mir ein paar Salben mitbringen soll. Und nun geh!" Die Wache nickte und rannte wieder nach draußen. Sahira jedoch ging wieder zu ihrem Zimmer und wartete hinter einem großen Sockel auf die Rückkehr der Wache. Allerdings kam die Wache nicht wieder. Nur eine junge, hübsche Frau stieg die Treppe hinauf und ging auf das Zimmer der Prinzessin zu. Die Frau klopfte an die Tür, doch niemand öffnete. Sie klopfte noch einmal. "Prinzessin?", rief sie. Dann stieß sie die Türe auf. "Prinzessin? Ich habe eure Salben!" Noch während sich die Frau wunderte, schlich Sahira ungesehen hinter die Frau. Sahira hob die Hände und blitzschnell legte sie der ahnungslosen Frau ihre beiden Hände fest auf Mund und Nase. Die Frau wehrte sich vergeblich und nach einem langen Todeskampf sank die Frau endlich in Sahiras Arme. Sahira zog die Frau mit sich und schloss die Tür. Sie musste sich konzentrieren, wenn diese
Operation gelingen sollte.
Dankbar übergab Sahira die blutige Masse ihrem Kamin. Es hatte ihr einige Stunden Fingerarbeit gekostet, die Gesichtshaut der Frau vom Rest des Schädels zu lösen. Mit einigen weiteren Kniffen hatte Sahira sich aus dem hübschen Gesicht eine Maske gemacht. Zwar war das nichts im Vergleich zu ihrem früheren Aussehen, aber zumindest musste sie sich nicht mehr vor sich selbst ekeln. Sahira sah in den Spiegel ihrer Mutter und seufzte, denn ihr war klar, wie schal ihr Sieg in Wirklichkeit war.
Verzweiflung und Reue
Nachdenklich sah Chiem der Wache nach, die nun schon zum dritten Mal mit einer Person im Palast verschwand. Einmal war es der Arzt gewesen, dann die Tochter des Schmieds und jetzt eine andere, junge Frau - die beiden anderen waren noch nicht zurückgekehrt. Chiem hatte ein ungutes Gefühl. Als die drei auch nach mehreren Stunden schließlich nicht zurückgekehrt waren, hielt Chiem nichts mehr. Er musste wissen, was passiert war. Es war doch nicht normal, wenn die Wache dreimal hintereinander schreckensbleich in das Dorf rannte, jemanden in die Burg brachte und niemand wiederkehrte! Er sprang auf und lief zur Burg. Er überquerte die Brücke und lief in die Burg - und blieb wie angewurzelt stehen, als er den Leichnam einer anderen Wache sah. Was war hier vorgefallen? Er ging die Treppe hinauf. Auf dem Boden sah er eine feine Spur Asche und als er seine Sinne verschärfte, roch er verbranntes Fleisch und wie er sich des Prinzessinnengemachs näherte, roch
er auch Fleisch und Blut. Er hatte die Prinzessin nur einmal gesehen, ein hübsches, liebliches Mädchen war sie gewesen - dazu verdammt, dem herzlosen König Arahas in die Hände zu fallen. Er öffnete unhörbar die Türe des Prinzessinnenraumes und sein Blick fiel auf eine blonde Haarpracht, die, obwohl er die Prinzessin mit schwarzem Haar kannte, unverkennlich der Prinzessin gehörten - beziehungsweise eben nicht. Die Gestalt hatte ihm den Rücken zugewandt. Chiem wusste, dass sie wusste, dass er hier stand. "Wer immer du bist, lauf um dein Leben, oder meine Zunge wird dein Blut schmecken und meine Hände werden dir deine Gedärme ausreißen." Die verbitterte, eisige Stimme voller Verzweiflung und Reue ließ ihn erzittern. "Prinzessin?", fragte er vorsichtig. "Ich sagte, du sollst gehen", erwiderte die Prinzessin, jedes Wort einzeln betonend. Chiem holte tief Luft. "Nein, ich werde nicht gehen", sagte er und trat näher. Plötzlich fuhr die Prinzessin herum und zwei giftgrüne Augen funkelten ihn an. Chiem wusste sofort, wessen Augen es waren. "Prinzessin, dies ist
doch keine Lösung", sagte er leise. Ihre Hände fuhren an ihr Gesicht. An ihr falsches Gesicht. "Was weißt du denn schon! Hast du eine Ahnung wie ich aussehe?" Sie griff an ihr Ohr und riss das falsche Gesicht von ihrem Kopf. Chiem schüttelte traurig den Kopf. "Nur weil dein Leben schrecklich war kannst du doch nicht einfach rausgehen und anderen Leuten ihr Leben zerstören! Diese Menschen hatten Familie, Kinder, Eltern und Verwandte! Es war falsch." "Ich weiß, dass es falsch war!" Ihre Stimme klang, als wäre sie den Tränen nahe. Doch ihre toten, leeren Augen zeigten keine Regung.
Reue und Asche
Chiem trat noch näher an Sahira. Er tastete ihren Geist mit seiner Einfühlsamkeit ab und sah, dass sie nicht mehr war als eine gequälte Seele voller Schmerz und Leiden, voller Trauer und Qual. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und sah ihr in die Augen, die schon lange nicht mehr das Tor zu ihrer Seele darstellten. "Prinzessin, deine Zeit ist vorbei. Dein Leben ist nicht zu retten. Du wirst auf ewig nur ein Geist sein, auf der Suche nach Erlösung. Und wenn du weiter Menschen ermordest, wirst du dich keineswegs besser fühlen. Und das weißt du." "Wage es nicht, so mit mir zu reden!" Plötzlich zog Sahira ihren Dolch, um Chiem zu ihrem nächsten Opfer zu machen, doch Chiem fing den Dolch unerbittlich ab und wandt ihn ihr aus der Hand. "Ruhe in Frieden, Herrin", sagte er. Dann holte er aus und schlug zu. Er trennte ihren geschundenen Körper einmal in der Mitte, durch Kopf und durch Brust in zwei Hälften. "Ich danke dir, Chiem", flüsterte Sahira, ehe ihr Gesicht
anfing, zu bröckeln und schließlich zu Asche zerfiel, genauso wie der Rest ihres Körpers. Chiem stand einige Minuten regungslos vor den zerfetzten Überresten des Kleides, welches auf einem Haufen Asche lag. Dann wandte er sich wortlos zum Gehen und verließ das Schloss.
Strigoia Also - erstmal ist die Idee super und ich mag deinen Schreibstil sehr. Allerding ist mir auch einiges aufgefallen. Ich glaube auf Seite 2 müsste es heißen "... sie dachte an Daveniel, ihren besten Freund und ihren heimlichen Geliebten." Das Ganze mit der Magie solltest du vielleicht versuchen etwas mehr herauszuarbeiten, weil ich habe beim ersten Lesen nicht verstanden wie Arahas das Feuer beschwört. Was mich noch interessieren würde, ist wie genau sie sich an Arahas gerächt hat, weil er ist ja immerhin schuld, dass ihr Liebster tot ist und sie so aussieht, wie sie aussieht. Achja, und am Ende hat mich ein wenig verwirrt, woher sie den Namen von Chiem weiß. Ich meine, wenn er sie nur einmal gesehen hat, ist es ein wenig merkwürdig, dass sie ihn kennt. Ansonsten ist die Story echt super. Ich hoffe, du nimmst mir meine Anmerkungen nicht übel. Lg Strigoia |