Beschreibung
Erlebnis unseres Seppels, wie er zu uns kam.
"Warum steckt mich Ina heut schon wieder in dieses Ding? Gepiekt hat mich so’n Weißkittel doch schon", denkt der kleine schwarze Kater und liegt artig, aber widerwillig auf dem Kissen im Katzenkorb. Ina trägt ihn ins Auto, schnallt ihn auf dem Rücksitz fest, säuselt dabei liebevoll: "Keine Angst, mein Süßer. Da wo du hinkommst, wird es dir gut gehen", setzt sich auf den Beifahrersitz und wartet auf ihren Vater.
"Was soll das heißen? Soll ich etwa weg von zu Hause? Weg von Mama? Moment mal! Ich hab gar nichts angestellt. Meine Brüder und Schwestern, die waren ungezogen, deshalb sind sie alle weggegeben worden. Aber ich, ich bin doch der liebste Kater auf der ganzen Welt. Mie, miiie! Das könnt ihr doch mit mir nicht machen!"
Alles wehleidige kindliche Mauzen hilft nichts. Die Fahrt beginnt. Das Schicksal nimmt seinen Lauf.
"Autofahren ist so was von schrecklich. Stinkt innen genauso wie außen. Mir ist ja sooo schlecht. Mie, miiie, miiie! Wieso verstehen die Menschen nicht katzisch, wir verstehen sie doch auch, wenn wir wollen. Hört ihr denn nicht! Mach doch mal einer das Fenster auf, mir ist kotzübel! Miiie, miiie!"
"Ist ja gut, Seppel, wir sind gleich da", versucht Ina Katerchen zu beruhigen.
Endlich angekommen, greift Ina nach dem Korb, schnallt ihn ab und übergibt ihn einem fremden Mann, der sich wie ein Schneekönig mit passender Haarfarbe freut. Inas Vater und der Fremde besprechen noch ein paar Einzelheiten.
"Egal, was Sie ihm geben, er frisst alles. Meine Nachbarin wollte keinen schwarzen Kater, nur einen gestreiften. Na ja, und totmachen? Hab’s einfach nicht übers Herz gebracht. Wir rufen ihn Seppel, aber Sie können ihm auch einen anderen Namen geben", schnappt Katerchen die letzten Wort auf, während er den Fremden ausgiebig begutachtet.
"Der soll also meine liebe Ina ersetzten? Diese Silberlocke? Vergesst es! Was haben die gesagt von wegen totmachen? Ich weiß zwar noch nicht, was das für ein neues Spiel ist, aber ich werde einfach nicht mitspielen. Ich werde tückschen, ganz lange, so! Aber zuerst heule ich noch mal. Vielleicht nimmt mich Ina wieder mit zu meiner Mama? Ein Versuch ist es wert. Mie, miiie, miiie!!!
Versuch fehlgeschlagen! Es folgen Händeschütteln, freundliche Abschiedsworte und beiderseitige Lachsalven.
"Er wird nicht lange leiden müssen", ruft Herr Weiß Ina belustigt hinterher, steckt Katerchen samt Korb in sein Auto, schnallt ihn auf dem Rücksitz fest, grinst dabei: "Na, du kleines schwarzes Teufelchen", pfeift fröhlich A B C, die Katze liegt im Schnee und fährt los.
"Schon wieder Autofahren. Das ist der schlimmste Tag in meinem jungen Katerleben", resigniert Seppel, schiebt sein Näschen so gut es geht durch die Gitterstäbe und schnuppert Fahrtwind. "Wenigstens frische Luft", seufzt er traurig und denkt zurück an Mama und Geschwister. "Da kann einer lieb sein, wie er will. Irgendwann wird unsereins einfach verschleppt und kann sich nicht dagegen wehren. Vielleicht war das aber schon immer so? Auch die Kinder von Hündin Senta sind alle weggegeben worden. Das hab ich mit eigenen Augen gesehen. Ich werde euch alle rächen. Na warte, wenn ich hier erst mal raus bin, hau ich ab, nach Hause, verlass dich drauf. Ich werde zurückkommen, Mama, als Einziger!", sinniert Seppel heroisch und blinzelt schadenfroh.
"Na hey, schon da!", schnauft Katerchen erleichtert, bereitet sich innerlich auf Tückschen oder Ausreißen vor, schaut sich neugierig um, wohin er in dem wippenden Korb verschleppt wird und harrt der Dinge, die da kommen werden. "Eine Wohnung, ohne Katzenklappe, Stufen hoch geht’s auch noch, kein Garten. Wo bin ich nur hingeraten? Ausreißen fällt schon mal aus. Bleibt nur noch Tückschen. Miiie, miiie, miiie!"
"Ja, ja, ich befreie dich ja schon", kichert der Inaersatz, hakt den Korb mit seinen klodeckelartigen Händen auf und weicht erschrocken zurück. Wie vom wilden Affen gebissen stratzt Katerchen ins nächst gelegene Zimmer und paddelt unters Bett. Da der Spalt bis zum Fußboden sehr schmal ist, sieht es aus, als ob eine Schildkröte – alle viere von sich – unter das Bett krabbelt.
"Was war denn das?", stutzt Herr Weiß. "Seppel, Seppelchen, du brauchst doch keine Angst zu haben!"
Keine Reaktion. Unterm Bett bleibt es mucksmäuschenstill.
"Mich kriegt hier keiner mehr vor. Auch wenn ich ganz elendiglich verhungern muss, so", bemitleidet sich Seppel frustriert und leckt tröstend über eine Vorderpfote.
Spät am Nachmittag klappert das Türschloss und eine fremde mollige Frau mit Haaren so hell wie das Stroh auf Katerchens ehemaligem Heimathof stapft bepackt mit Einkaufsbeuteln durch den Korridor in die Küche. Alles auf die Anrichteplatte rechts neben der Küchentür abgestellt, schnauft sie erleichtert durch und begrüßt mit Küsschen ihren Ehemann. Beim Auspacken unterhalten sich beide. Plötzlich lacht Frau Weiß und ruft mit honigsüßer Stimme: "Na, wo ist denn unser süßes Seppelchen? Seppele, na komm, komm mal her! Hmmm! Leckerlie!"
"Das klingt gar nicht mal so übel. Soll ich, oder soll ich nicht?", spitzt Seppel die Ohren, was bei der Enge gar nicht so einfach ist.
"Na, komm mal her, mein Süßer. Ich tu dir doch nichts!", säuselt es wieder liebevoll.
"Von wegen, nichts tun und so. Für heute reichts mir! Seppel, bleib hart, auch wenn der Magen noch so knurrt. Augen fest zu und weiter tückschen, so!", versucht Katerchen sein Selbstbewusstsein aufzubauen.
Es vergehen etwa zwei Stunden. Es dunkelt. Das heißt Seppelzeit! Putzmunter lugt er um sich, robbt ganz langsam Stück für Stück unter dem Bett hervor, streckt sich ausgiebig, gähnt selbstvergessen, dass man bis hinten hätte durchgucken können und spitzt die Ohren. "Da labert ein Fernseher. Das kenn ich. Ist ja eigentlich fast wie zu Hause. Ach was, das hier ist jetzt mein neues zu Hause. Aber Mama, ich werde dich nie, nie vergessen. So, mal gucken, wie die Neuen so sind."
Mit ängstlich zitterndem, erwartungsvollem Schwänzchen hoch, stiefelt er durch den Korridor in die Küche, die mit dem Wohnzimmer fast eine Einheit bildet und nur durch den ovalen Tisch mit Obststele indirekt getrennt ist. Skeptisch, mit großen grünen Augen lugt Seppel unter dem Tisch auf die Neuen. Zwei Hände strecken sich ihm entgegen, eine von dem wuchtigen hellbraunen Sofa und eine andere von dem ebenso wuchtigen Sessel daneben. Seppel tappt vorsichtig zu der ihm schon bekannten klodeckelartigen Hand, schnuppert ausgiebig und weicht flink zurück. "Denkste, streicheln ist nicht", blockt Seppel, setzt sich einen Meter entfernt auf ein weiches weißes Schaffell und schaut nun unverwandt zum Sessel.
"Guck dir mal das Kerlchen an, Molli. Das soll ein im April geborener Stier sein? Ist wohl eher ein kleiner Schisser", lacht Herr Weiß und winkt ab.
"Nu wart doch erst mal ab. Er kennt uns doch noch gar nicht richtig. Lass ihm einfach noch ein bisschen Zeit, das wird schon", säuselt Molli honigsüß vom Sessel, die Hand noch immer in Seppels Richtung gestreckt. Katerchen nimmt allen Mut zusammen und tappt auf die kleinere, mit roten Fingernägeln verzierte Hand zu, schnuppert und stellt fest, dass diese Hand nach Blumen riecht, gerade so, wie auf seinem Heimathof bei Mama.
"Ach Mama, mie", mauzt Seppel selbstvergessen und schmust mit der schmalen Hand, die ihm nun liebevoll übers Köpfchen und bald übers ganze Fellchen streicht.
"Na bitte, das Eis scheint gebrochen", freut sich Molli und holt aus der offenen Schachtel, die in der Ecke neben dem Wohnzimmerschrank steht, eine Spielmaus heraus. Schwups, landet das graue Fellbündelchen unter dem Tisch. Da kann Seppel nicht widerstehen. In seinem Spieleifer hat die Maus kaum Bodenberührung, wenn doch, krallt und beißt Katerchen wie ein wilder Tiger in die vermeintliche Beute, wobei sie auch noch aufreizend quietscht. Es poltert und kracht in allen Zimmern. Die Türen, Wände und Heizungen fungieren als Bremsen. Endlich ausgetobt tappt Seppel zurück in die Küche und scheint etwas zu suchen.
"Ich glaub, jetzt hat er Hunger", amüsiert sich Molli, holt ein Tütchen aus dem Küchenschrank, reißt es auf und drückt den Inhalt in ein Näpfchen, das Seppel bis dahin noch gar nicht aufgefallen ist. Unter dem rechten Fenster, das gleichzeitig als Wohnzimmer- und Küchenfenster dient, steht ein Gestell mit zwei Näpfen, eins für Futter, eins für Wasser. Katerchen schmatzt und katscht genüsslich. Da schwebt plötzlich noch ein weißes Schälchen mit Trockenfutter zu ihm herunter. Kurz mal schnuppern und rein mit den Beißerchen. "Mie, ist das gut. Besser wie bei Ina. Wenn das so bleibt, könnte ich ernsthaft darüber nachdenken, nicht mehr zu tückschen und warum soll ich weglaufen, bei der Kost? Ich wäre ja blöd!", bedenkt Seppel die neue Lage und schleckt nach diesem opulenten Mahl genüsslich über seine Pfötchen. Nicht lange entwickelt sich ein Grummeln in seinem Bäuchlein, dazu ein böser Druck. Unruhig schaut er sich um.
"Ich glaube, es ist Zeit, dass wir ihm seine Toilette zeigen", grinst Herr Weiß, ruft: "Na komm, Seppel!", und geht ins Bad. Unter dem Waschbecken steht ein blauer Katzenkasten aus Plaste ohne Deckel, eingestreut mit weißen kleinen Steinchen. Seppel schaut Herrn Weiß mit seinen großen grünen Augen fragend an.
"Gefällt dem Herrn wohl nicht?", lacht Herr Weiß und stellt den Kasten in den Korridor neben die Personenwaage. Noch einmal das gleiche Spiel.
"Hm, hier dann wohl auch nicht", grinst er, schnappt den Kasten erneut, schlurft auf den Balkon, stellt ihn rechts neben die Balkontür auf das Linoleum, verbeugt sich vor Katerchen und grinst erneut: "Wie wäre es denn hier? Bitte sehr, der Herr."
Vorsichtig schnuppert Seppel an den weißen Steinchen, aber viel Zeit braucht er nicht, der Drang in seinem Bauch hat den Höhepunkt erreicht. Schwups, ist er drin. "Das ist gut, Klasse, gefällt mir. Du kannst jetzt reingehen, Silberlocke. Zuschauer brauch ich nun wirklich nicht, mie", gibt er mit schiefem Blick zu verstehen. Herr Weiß nickt zufrieden, steigt über die Schwelle zurück ins Wohnzimmer, lässt die Balkontür offen und setzt sich wieder aufs Sofa.
"Herr hat er mich genannt. Toll, hat schnell erkannt, wer hier in Zukunft das Sagen hat." Seppels Mäulchen verzieht sich zu einem behaglichen Grinsen, wobei seine beiden Fangzähne wie bei einem Bonbaisäbelzahntiger rechts und links herausragen. Nach ein paar Minuten scharrt Katerchen sichtlich erleichtert sein Häufchen zu und beschnuppert nun neugierig die beiden weißen Plastikstühle und den Tisch. Ein Stuhl steht neben der Balkonbrüstung.
"Mal sehen, was es von da aus zu entdecken gibt", überlegt er, fixiert kurz die Zielposition und hops, steht er langgestreckt auf dem Stuhl, die Pfötchen auf der Brüstung. "Ah, ist das ein Ausblick. So viele Autos. So viele bunte Lichter. Und viel frische Luft. Trotzdem ist das alles mit einem Hof und Garten überhaupt nicht zu vergleichen." Seppel findet sein neues Zuhause jedoch immer besser.
Plötzlich rumpelt etwas sehr Helles und Großes von einer Seite der Straße auf die andere. Jetzt quietscht es auch noch ganz erbärmlich. Erschrocken saust Seppel ohne anzuecken vom Stuhl über die Schwelle zurück ins Wohnzimmer, schaut begehrlich auf das Sofa, überlegt nicht lange und hopst auf die freie Ecke. Von rechts schaut ihn Silberlocke freundlich an. Seppel dreht sich dreimal im Kreis, platziert sich wohlwollend, ringelt sich zusammen und nach ein paar Streicheleinheiten schnurrt er friedlich und groggy vor sich hin.
"Straßenbahnen kennt er wohl noch nicht", amüsiert sich Molli, nimmt Strickzeug aus der Schublade hinter ihrem Sessel und beginnt zu fummeln. Das feine Klappern der Nadeln und das dumpfe Bumpern des tanzenden Wollknäuels in der kleinen Holzschale neben dem Sessel erwecken in Seppel schnell wieder alle Sinne. Die Ohren stehen wie kleine Antennen und drehen sich entsprechend den Geräuschen. Er riskiert ein Auge und schielt auf Mollis Hände.
"Mama hat gesagt, immer schön ruhig bleiben und den Feind in Sicherheit wiegen." Das Bumpern des Knäuels ist äußerst interessant. Starr stieren jetzt beide Augen in Richtung Fußboden. Urplötzlich, wie von einer Tarantel gestochen, stürzt sich Seppel todesmutig in die Holzschale, doch die Wolle wehrt sich, hüpft wie ein erschrockenes Etwas heraus und beginnt sich kreuz und quer durch die Stube zu schlängeln, wobei ein unerklärlich langer Faden zurück bleibt und die vermeintliche Beute sichtlich kleiner wird.
"Bevor das komische Ding ganz verschwindet, werde ich es herumwirbeln, ihm meine Fangzähne und meine enormen Krallen zeigen", ereifert sich Seppel und ist voll und ganz der große schwarze Jäger. Nicht lange und er liegt unter schallendem Gelächter von Molli und Herrn Weiß hilflos eingewickelt wie eine Roulade aus Omas Zeiten auf dem weichen Schaffell.
"Das ist besser als jedes Fernsehprogramm", jappst Molli und klatscht dabei vergnügt auf ihre Schenkel.
"So ein tückisches Ding aber auch. Mie, mie! Hey Silberlocke, was gibt’s denn da zu lachen, hilf mir lieber, miiie!"
Herr Weiß befreit Seppel, wobei ihm vor Lachen Tränen aus den Augen rinnen. Molli wickelt langsam den endlosen Faden wieder auf, wobei zahlreiche kleine Knoten zu entwirren sind. Wieder frei, leckt sich Katerchen kurz, hält abrupt inne - die rechte Vorderpfote noch in Putzstellung - und starrt auf den sich wuselnden und windenden Wollfaden. Mit einem Satz tatzt er mitten hinein und beißt den erbittert um sein Leben kämpfenden Feind. Gleich Zahnseide gleitet der Faden endlos durch Seppels Mäulchen. An Aufgeben ist nicht zu denken.
"Igitt igitt, jetzt ist das Zeug auch noch nass. Aber vielleicht ´ne gute Methode seine Zähnchen sauber zu halten", gackert Molli äußerst belustigt, trotz allem bemüht, die alte Ordnung ihres Strickzeugs wieder herzustellen.
Geschafft von diesem Abenteuer braucht Seppel eine Verschnaufpause, springt zielsicher auf die Rückenlehne des Sessels und macht sich lang. Molli lehnt sich entspannt zurück und widmet sich dem Fernsehkrimi, der eigentlich das Abendprogramm bestimmen sollte.
"Das Stroh auf Mollis Kopf riecht gut, ein bisschen wie Heu oder nach Baum?", schnuppert Seppel und tatzt vorsichtig mit einer Pfote in Mollis Haaren herum.
"Vielleicht kann ich was schmecken", denkt er, beginnt eine Locke durchzukatschen, lässt aber bald davon ab. "Bäh, typischer Fall von denkste, schmeckt ganz anders, als es riecht", resigniert Katerchen, "den Geschmack muss ich erst mal wieder loswerden", und stiefelt zum Fressnapf.
"Seppele ist wohl auf mein Birkenhaarwasser hereingefallen", grient Molli und rubbelt die nasse Locke mit einem Papiertaschentuch trocken.
Der Rindfleisch-in Soße-Nachgeschmack wird nun gleichmäßig auf einige Fellstellen geleckt. Irgendetwas bringt ihn dabei aus der Ruhe. Er schielt zum Sofa und stutzt. "Da bewegt sich was unter dem Kissen neben Silberlocke. Ruhig! Gaaanz ruhig", überlegt Seppel, jeder einzelne Muskel ist aufs Äußerste gespannt, die Schwanzspitze zuckt unruhig. Dann ein Wahnsinnsangriffssprung, alle Krallen ausgefahren, mitten auf die vermeintliche Beute.
"Ahu auua", schreit Herr Weiß erschrocken, pustet hastig über die Finger seiner linken Hand und schimpft los: "Du spinnst wohl, du kleiner Wanst du. Na warte, wenn du schläfst, kommen deine Krallen ab."
Das ist an diesem Abend das kürzeste aller tollen Spiele. Flüchtiges Putzen und Katerchen schnurrt sich ins Takatukaland.
"Hol mal die Knabber", flüstert Herr Weiß zu Molli. Sie nickt verschwörerisch, schleicht ins Bad und kommt mit einer kleinen Zange zurück, die Leute für zu dicke Zehennägel benutzen. Herr Weiß knipst vorsichtig Kralle für Kralle die Spitzen ab.
"So, Freundchen. Noch mal kratzt du mich nicht", grinst er hämisch. Katerchen bekommt von alledem nicht die Bohne mit.
Es ist stockdunkel, als Katerchen zu sich kommt, sich umschaut, niemanden mehr entdeckt, sich plötzlich schrecklich allein fühlt und Angst bekommt. "Mie, mie, miiie! Wo seid ihr denn alle? Mama, wo bist du?", mauzt er kläglich bis ihm einfällt, dass Mama ja gar nicht hier sein kann, schließlich ist er umgezogen worden. Traurig tapst er in den Korridor und hört Silberlocke laut schnarchen.
"Mie, mie, miiie! Ich bleib hier nicht alleine, dass könnt ihr vergessen. Ich mauze jetzt so lange, bis ihr freiwillig die Tür aufmacht."
Seppel stimmt ein jämmerliches Gewimmer und Geheule an, das keinen Menschen kalt lassen kann und kratzt an der Tür. Die Schlafzimmertür geht auf und Katerchen will mit einem Satz auf Mollis Bett. Aber was ist das? Er rutscht ab und sitzt mit geknickten Ohren völlig perplex auf seinem Allerwertesten. Herr Weiß hat inzwischen das Schnarchen aufgegeben und die kleine Lampe neben seinem Bett angeknipst.
"Was geht denn hier ab?", murrt er und schaut in das vergnügte Gesicht seiner Frau.
"Seppelchen hat gerade gemerkt, dass er sich in Zukunft nicht nur auf seine Krallen verlassen sollte."
"Pack das Kerlchen an dein Fußende, sonst hält er uns die ganze Nacht auf Trab. Ich kann ihn ja irgendwie verstehen. Er ist noch so klein und alles ist neu für ihn. Außerdem ist es die erste Nacht ohne seine Mama."
"Na, da muss ich mich wohl vorige Woche total verhört haben. Gerade du wolltest ihn nie ins Bett lassen."
"Na also, hab ich es doch geschafft", schnurrt Seppel zufrieden. "Schließlich hat Silberlocke selber gesagt, dass ich hier der Herr bin. Ach, Mama, schnurrrrr!"