Nachdem alle Teller abgeräumt waren, schlug er der Gruppe einen Gang an den Strand vor, doch das fand keine Zustimmung bei Tante Dominique, fehlten ihr hier doch all die Einrichtungen, die sie von ihrem Privatstrand auf Martha's Wineyard gewohnt war....
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~Herrgott, manche Leute ertrinken aber auch im Wasserglas~, dachte Ray plötzlich angewidert und gleichzeitig dankbar für diese lebende Erinnerung daran, was ihn von zuhause fort getrieben hatte. Vielleicht war er ja auch nur adoptiert? Doch ein Blick zu seiner Schwester Holly und seinem Bruder Eugene überzeugte ihn vom Gegenteil.
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Statt dessen wollte sich Mrs. Pendergast lieber etwas ausruhen und 'das Jungvolk ein wenig unter sich' sein lassen. Sie warf einen bedeutungsvollen Blick zu Kendra, welche nickte.
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Kaum, dass ihre Eltern das Lokal verlassen hatten, hing sie auch schon an Rays Hals. „Ach, das ist ja wunderbar, Leute, jetzt gehen wir schön an den Strand!”
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Er schaffte es so gerade eben, ihre Arme von sich zu lösen, ohne sie dabei hart an zu raunzen. Dennoch spürte er, wie seine Nerven langsam dünner wurden. Und das nach noch nicht einmal einem halben Tag zusammen mit 'seinen' Leuten!
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Die kleine Gruppe brach zum Strand auf, allerdings nicht, ohne dass Kendra sich bei Ray einhakte und ihn unerbittlich mit sich zog. Es blieb ihm nichts anders übrig als mit zu gehen.
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Ãœber seine Schulter warf er einen hilfesuchenden Blick zu Cassie, die sich trotz allem ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Da musste er jetzt durch.
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Natürlich war die Sonne zu heiß und der Strand zu sandig, das Meer zu nass... So jedenfalls kam es Ray vor, als er seinen Gäste den wunderschönen Abschnitt vorm Sunset zeigte, denn wahre Begeisterung konnte sich keiner der Fünf abringen.
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Gedankenverloren starrte er auf die See hinaus und sehnte sich nach einem unbeschwerten Morgengrauen, in dem er zusammen mit Cassie schwimmen gehen würde. Cassie....
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Doch statt dieser hängte sich plötzlich Kendra wieder bei ihm ein. „Wollen wir nicht ein wenig am Ufer spazieren gehen?”, hörte er sie sagen.
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„Wirklich, Kendra? Was ist mit deinen schönen neuen Schuhen?”, fragte er spöttisch, doch sie zuckte mit den Achseln.
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„Ach, davon habe ich noch zwei Paar. Also komm, Ray.”
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Da er noch immer zögerte, trat sie noch einen Schritt näher an ihn heran. „Du kommst jetzt besser mit mir, oder ich erzähle deiner Familie, dass du etwas mit der kleinen Schlampe hast!”
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Erschrocken sah er sie an, ihr Gesicht hatte in diesem Moment etwas hexenhaft Verzerrtes, bevor sie sofort wieder eine zuckersüße Miene aufsetzte. „Du hast doch nicht geglaubt, das würde ich nicht merken? Wir sind gut informiert...”
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Wütend packte Ray sie an den Oberarmen. „Was soll das heißen? Spioniert ihr mir etwa nach?”
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„Aua, du tust mir weh, Ray! Denkst du denn, ich und deine Eltern wüssten nicht gern, was mein Zukünftiger hier so treibt?”
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„Verdammt, Kendra, es gibt kein 'uns', wann kapierst du das endlich mal!”, schrie er sie an, unterdrückte dabei mit Mühe den Impuls, Kendra zu schütteln.
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Die sah ihn mit großen Augen an. „Liebling, es ist nichts dabei, wenn du dir hier die Hörner abstößt! Das hat schon Kennedy getan und ich hätte auch in Zukunft nichts dagegen. Aber”, sie begann, mit seinem Schlips zu spielen, „ein bisschen netter musst du schon zu mir sein, sonst verrate ich alles deiner Mutter...”
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Er stöhnte laut. War er denn hier im Kindergarten? Oder wieder mit Kendra im Sandkasten, wo sie ganz offensichtlich immer noch hin gehörte, so infantil, wie sie sich benahm. Kurz bevor er explodieren konnte, stand plötzlich sein Bruder neben ihm.
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„Kendra, Bridget und Holly haben ein paar wunderschöne Muscheln gefunden, warum gehst du nicht und schaust sie dir auch an? Ich müsste ein Wort mit Rayleigh sprechen”, sagte er und mit einem konspirativen Lächeln nickte Kendra und lief zu den beiden Frauen. Hugh, Hollys Ehemann, hatte es sich in einem Liegestuhl gemütlich gemacht.
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Erleichtert wandte Ray sich an Eugene. „Danke Mann. Länger hätte ich es nicht mehr ausgehalten.”
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„Freu dich nicht zu früh, kleiner Bruder. Ich hab wirklich mit dir zu reden.”
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Ergeben deutete Ray in Richtung seines Büros und sie betraten das Haus durch den Hintereingang.
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Dort trafen sie auf Cassie und er informierte sie, dass er sich zu einer Besprechung mit seinem Bruder zurück ziehen würde.
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„Kein Problem, wir kommen klar”, meinte Cassie dazu. „Im Moment ist eh kein Betrieb. Ich werde dafür sorgen, dass für heute Abend alles wieder bereit ist. Wenn es aber weiter so bleibt, bräuchten wir noch einen Mann für die Spülmaschine.”
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„Ähm, ja”, antwortete Ray abwesend, schaute ihr dann verstört hinterher. Hatte sie ihn gerade absichtlich an ihre Begegnung damals in der Spülküche erinnert? Als er an sie in diesem denkwürdigen Kopfstand dachte, musste er schlucken. Erst als Eugene ihn ansprach, kam er wieder zu sich und führte ihn in sein Büro.
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Ähnliche Gedanken plagten auch Cassie, die sich gerade ärgerte, ihn an diesen Tag erinnert zu haben. Als sie quasi eine Bittstellerin war. Und was war sie jetzt? Gedankenvoll machte sie sich an die Arbeit, konnte dabei nicht verhindern, wie ihre Gedanken immer wieder zu dieser Frau glitten, die so unglaublich schön, reich und elegant daher kam und so sehr zu Rays Welt gehörte.
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Und sie dachte an die Szene vorhin im Vorratsraum, spürte wie sie dabei sogar rot wurde. Wie leicht war es doch für ihn gewesen, ihr diesen Kuss zu rauben, egal, wie viele gute Vorsätze sie sich vorgenommen hatte.
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Hoffentlich kehrte hier bald wieder Ruhe ein, damit sie und Ray sich aussprechen konnten. Auch wenn sie null Ahnung hatte, was sie eigentlich sagen wollte....