Romane & Erzählungen
Y se va como todo se va - Eine ganz gewöhnliche Liebesgeschichte?

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"Y se va como todo se va - Eine ganz gewöhnliche Liebesgeschichte? "
Veröffentlicht am 28. Mai 2012, 34 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Y se va como todo se va - Eine ganz gewöhnliche Liebesgeschichte?

Y se va como todo se va - Eine ganz gewöhnliche Liebesgeschichte?

Einleitung

Zwei Leben, zwei Perspektiven - was entsteht daraus?

Am Anfang war die Musik

Eva

Vorsichtig stieg ich über das Paar Schuhe, das wirkte, als habe es sich nach einer Phase der Trennung am Küchenboden endlich wieder gefunden (und die Wiederannäherungs-Schwierigkeiten noch nicht ganz überwunden), hinweg und stellte das randvolle Glas sowie die Müslischale am Tisch ab.

Was für ein Abend, dachte ich mir, was für ein Abend! Ich sprach es auch noch aus, nur für mich, in einer abgesehen von der Einrichtung und mir leeren Wohnung (sie ist nicht besonders groß, also besonders groß war dementsprechend die Leere auch nicht). Hätte mich nicht bereits der Hunger geplagt, wäre ich bestimmt noch vor dem Verzehr meines Sonntagsfrühstücks ins Wohnzimmer gestürmt und hätte die, wie ich später feststellen musste, nicht mehr ganz schadlose, CD einer meiner Lieblingsbands aus meiner Jugend  gefunden und in die Stereoanlage geworfen.

Ja, geworfen, denn so enthusiastisch wie ich mich fühlte, wäre eine einfache Handlung wie das Einlegen einer CD zu einem Tageshighlight geworden, besonders das dieser ganz bestimmten. Meine Gedanken überschlugen sich genauso, wie sich die Ereignisse gestern Abend überschlagen hatten, auf dem Faschingsball, der eigentlich als Charity-Veranstaltung gedacht gewesen, mit fortschreitender Stunde allerdings wirklich bunt geworden war, vor allem für mich.

Ich war alleine, also nicht alleine, aber ohne männliche Begleitung dorthin gegangen und hatte auch vorgehabt, so wieder nach Hause zurückzukommen. Ãœber das „dazwischen“ hatte ich mir allerdings keine Gedanken gemacht, also folglich auch keine Hoffnungen (es mit jemand Besonderem auszufüllen). Da zu hohe Erwartungen bekanntermaßen ja sowieso nur zu Enttäuschungen führen, war diese Einstellung wohl die richtigste gewesen, mit der ich in diese Nacht gehen hatte können, denn nun war ich von einer Enttäuschung wirklich meilenweit entfernt.

Nein, ich war nicht verliebt, das musste ich ganz ehrlich sagen, aber ich fühlte mich, als könnte ich auch ohne Musik noch ein paar Stunden weitertanzen, jetzt, wo meine Energiereserven wieder aufgefüllt waren.

Allerdings fehlte mir nun dazu leider der Partner, denn nach Hause war ich, wie geplant, allein gekommen. So weit, so gut.

Davon, seine Handynummer zu wählen und ihm einfach zu sagen, wie viel Spaß ich gehabt hatte, musste ich mich aber mehr oder weniger mit Gewalt abhalten. Daran, dass ich ihn nicht anrufen konnte, war übrigens einzig und allein meine Freundin Lilli schuld. Mit ihrer Theorie, dass Männer nach wie vor Jäger seien und man ihnen das Vergnügen der Jagd nicht wegnehmen dürfe, weil sie sonst das Interesse verlören, hatte sie mir schon vor Jahren eine Art Gehirnwäsche verpasst. Lächelnd trank ich einen Schluck Orangensaft und bewunderte dabei den Sonnenaufgang über den Dächern Wiens, der sich mir vor meinem Küchenfenster präsentierte.

Der Morgen danach

Stefan

Nach einer durchtanzten Nacht, wie ich sie zur Genüge kannte, kramte ich in meinen Hosen- und Jackentaschen, um meinen Schlüsselbund zu finden, während ich vor der Türe meiner Wohnung stand und meine Beine – auch wenn ich bereits vor einer knappen Stunde, weil wir gebeten worden waren, zu gehen, ins Taxi gestiegen war – kaum still halten konnte.

In meinem Kopf hämmerten und summten die Beats und Melodien der vergangenen Stunden vor sich hin, vermischten sich miteinander und wurden, das musste ich zugeben, auch durch den nicht unerheblichen Alkoholanteil in meinem Blut zu einer Mischung, die es mir fast unmöglich machte, mich auf die Suche nach dem Schlüssel zu konzentrieren.

Beim Griff in die linke Brusttasche meiner Lederjacke erspürte ich schließlich etwas, das sich verdächtig kantig und kühl anfühlte. Zufrieden zog ich den Bund heraus, der nur aus einigen wenigen Schlüsseln bestand, aber trotzdem ein klirrendes Geräusch von sich gab, das sich anstandslos in das Mosaik der Klänge in meinem Kopf einfügte. Mit einer rhythmisch-schwungvollen Bewegung schloss ich die Türe auf und tanzte mehr in die Wohnung als dass ich ging. Jacke ausziehen – ta – und aufhängen – dah.

Alles war Musik, und alles was Musik war, erinnerte mich an sie und ihre unwiderstehlichen Bewegungen, die so leicht ausgesehen und doch so gewirkt hatten, als sei sie sich ihrer Ausstrahlung völlig bewusst. Dachte ich dann auch noch an das Lächeln, das sie zuerst einfach nur selig ihrer Umwelt, dann aber mir ganz speziell gewidmet hatte, wurden meine Knie weich und ich spürte, wie mir das Blut in meine Wangen und auch noch in ganz andere Körperregionen stieg. Mir wurde, ungeachtet der Temperatur in meiner Wohnung, in der ich die Heizung anzustellen vergessen hatte, ganz heiß, weswegen ich begann, mein Hemd aufzuknöpfen.

Als ich mich auch dessen entledigt hatte, führte mich mein nächster Weg zum CD-Regal. Einen gekonnten Blick und ein paar geübte Griffe später ertönte die Musik dann nicht mehr nur in meinem Kopf, sondern erfüllte mein Wohnzimmer und, als ich die Lautstärke erhöhte, die ganze Wohnung.

Von den Tönen – von den mein Trommelfell zum Schwingen bringenden herrlichen Klängen – berauscht, trat ich ans Fenster und blickte hinaus über die Dächer Wiens, über denen gerade die Sonne aufging und das Glück, das ich in diesem Moment empfand, hätte ich am liebsten nicht nur mit der Stadt, sondern gleich mit der ganzen Welt geteilt.

Erst als ich zusätzlich zu den zum Song gehörenden Schlagzeugeinsätzen ein Klopfen hörte, das so gar nicht zum Rhythmus passen wollte, trat ich gezwungenermaßen meinen Rückzug in die Realität an, in der es halb acht Uhr morgens an einem Sonntag war und meine Nachbarin, die mit dem Besenstiel an ihre Decke klopfte, offenbar noch ein wenig schlafen wollte…

Glück im Unglück?

Stefan

Draußen regnete es in Strömen, als ich an diesem Sonntagabend, kurz nach halb elf Uhr, das Studio verließ und mich auf den Weg in Richtung Tiefgarage machte. Weil ich ja ohnehin zu wenig Sport machte – im letzten Tatort, den ich gesehen hatte, hatte sogar der unfehlbare Moritz Eisner alias Harald Krassnitzer Komplexe wegen seiner Figur gehabt – beschloss ich, die Treppe zu nehmen – wenn auch nur abwärts, aber irgendwo musste man ja schließlich anfangen. Hinter mir fiel die Türe zum Treppenhaus geräuschvoll ins Schloss, als ich gerade die ersten, grau-beige gefliesten Stufen nahm.

Wie sich gleich herausstellen würde, war ich nicht der Einzige, der die Idee gehabt hatte, an diesem Abend den Lift sich selbst zu überlassen, doch mein Vorgänger war offenbar von draußen gekommen. Diese Erkenntnis kam mir aber ein wenig zu spät, genauer gesagt erst dann, als ich schon am Fuß des ersten Treppenabsatzes lag, allerdings nicht ganz freiwillig, sondern weil ich auf den nassen Fliesen ausgerutscht war. Auf dem Rücken liegend schnappte ich erst einmal nach Luft, danach versuchte ich, mich aufzurichten, doch als mir dann die absurde Idee kam, mein linkes Bein zu belasten, entfuhr mir ein Schmerzensschrei. Fluchend versuchte ich es noch einmal, doch da war nichts zu machen. Als ich das Bein schließlich abtastete und mit der Handfläche meiner linken Hand in Richtung Oberschenkel gelangte, fielen mir zwei Dinge fast gleichzeitig auf: Erstens war dort eine Erhebung, die bisher dort nicht gewesen war. Und zweitens war meine dunkelblaue, nagelneue Jeans dort kaum erkennbar, aber deutlich spürbar ganz feucht.

Noch bevor ich richtig realisieren konnte, dass dort Blut aus einer offenen Wunde sickerte, wurde mir schwarz vor Augen und von daher war es gar nicht schlecht, dass ich nicht aufstehen hatte können, denn nun fiel mein Kopf wenigstens nicht ganz so hart auf den Fliesenboden.

(M)Ein Engel auf Erden

Eva

Es war ein Abend, wie ich schon viele in der Notaufnahme des Wiener AKH erlebt hatte. Dort eine Schnittwunde, da ein entzündeter Blinddarm, sogar ein Herzinfarkt war während der letzten vier Stunden meiner Schicht dabei gewesen. Nun war es kurz vor elf Uhr und ich saß alleine in einem der Behandlungsräume. Gerade hatte die Schwester meinen letzten Patienten, einen jungen Mann, der unter den Folgen einer selbst verschuldeten Schlägerei laborierte, abgeholt und auf ein Zimmer gebracht. Mit einer Gehirnerschütterung war eben, wie ich dem alkoholisierten Mann zu erklären versucht hatte, nicht zu spaßen. Als ich mich etwas tiefer in den Sessel zurücksinken ließ, soweit das bei einem solchen billigen Büromodell überhaupt möglich war, und nach meiner Kaffeetasse griff, hörte ich das Folgetonhorn eines Krankenwagens und schon kurz darauf, wie die Türe zur Notaufnahme hektisch geöffnet wurde. Also sprang ich auf und lief in den Gang hinaus, um den neuen Patienten vom Notarzt zu übernehmen.

Stefan

Als ich wieder zu mir kam, überrollte mich die Übelkeit wie die, durch Glattauers Roman so bekannt gewordene, berüchtigte siebte Welle. Ich blinzelte ein paarmal schnell und atmete danach ganz vorsichtig ein, die Augen hatte ich wieder geschlossen. Das schrecklich helle Licht, das ich gerade erblickt hatte, wollte ich ja noch gar nicht sehen. Mir war zwar schlecht, doch mich deswegen gleich zu verabschieden, erschien mir dann doch als ein wenig übertrieben.

Eva

Ich musste zweimal hinsehen, bevor ich es glaubte, und der Notarzt, der ohne Begrüßung und ohne Atempause einen Schwall aus Fachausdrücken über mich ergoss, war bei seinem Versuch, mir das Krankenblatt in die Hand zu drücken, erfolglos, da ich anderweitig beschäftigt war. Zur Absicherung meiner Vermutung nahm ich dem, bereits unter dem Zwang, mehr als eine Sekunde stillhalten zu müssen, leidenden Notarzt seinen Wisch dann doch noch ab und las den Namen, den er dort eingetragen hatte. „Stefan, kannst du mich hören?“, fragte ich nun, mich ganz nahe zum Ohr des Verletzten hinunter beugend und wartete auf eine Reaktion von ihm.

Stefan

Nun war es also endgültig vorbei mit mir. Ich hatte zwar in den vergangenen Wochen ein- oder zweimal von ihr geträumt, doch dass ich nun ihre Stimme hörte, ganz nahe an meinem Ohr, konnte – in Verbindung mit dem gleißend hellen Licht – nur eines bedeuten: Ich hatte mein Leben auf der Treppe unseres Studiogebäudes verloren, und wenn Eva hier war, musste ihr innerhalb der zwei Wochen, seit ich sie kennengelernt hatte, etwas ähnlich Schreckliches passiert sein. Da das an und für sich dann doch keine negativen Aussichten waren, beschloss ich, es zu riskieren und meine Augen wieder zu öffnen. Kaum führte ich diesen Beschluss aus, bereute ich es auch schon wieder: Immer noch blendete mich ein furchtbar helles Licht, das aus einer Quelle direkt über mir zu kommen schien.

Die Reise geht weiter

Eva

Erst ein paar sich endlos anfühlende Sekunden später öffnete er zögerlich seine Augen. „Da bist du ja wieder. Kannst du mich verstehen? Stefan, sag‘ doch bitte etwas“, forderte ich ihn auf und nahm seine rechte Hand, in der ein Infusionsschlauch steckte, dabei in meine. Ungeachtet der fragenden Blicke der mittlerweile eingetroffenen Oberschwester stand ich neben der Trage und wartete weiterhin auf eine Reaktion. „Bringen wir ihn in den Schockraum“, meinte da plötzlich der tatkräftige Notarzt, der wohl seine Trage zurückhaben und zum nächsten Einsatz düsen wollte.  Weil seine Idee an sich eine gute und sinnvolle war, stimmte ich zu und wir brachten Stefan in den nächstgelegenen Schockraum, wo wir ihn von der Trage auf eine Behandlungsliege hoben. Anschließend las ich – seine Augen waren mittlerweile wieder geschlossen – das Krankenblatt genauer durch, während sich der heldenhafte Kollege hastig verabschiedete.
  
Stefan 

Ich hörte nun auch eine männliche Stimme, spürte wie mein Körper hochgehoben wurde – war die Reise etwa noch nicht zu Ende? – und schließlich, was mich sehr verwunderte, einen stechenden Schmerz in meinem linken Bein. Das passte nun doch nicht mehr so ganz zu meiner Vorstellung vom Himmel; ich wurde neugierig und entschloss mich zu einem weiteren vorsichtigen Blick auf meine Umgebung. Ich öffnete also die Augen und sah mich suchend um. Das Erste, woran mein Blick hängen blieb, war eine Person, die direkt neben mir stand, ihr Kopf war allerdings weit über mir. Zwar konnte ich erkennen, dass es sich um eine Frau mit langem dunklem Haar handelte, doch ihr Gesicht konnte ich nicht sehen. Das steigerte meine Neugierde und veranlasste mich dazu, einen Versuch zu unternehmen, mich aufzusetzen, um herauszufinden, wo ich denn nun genau war und wer die Fremde war, die mir Gesellschaft leistete.

Eva

Weitere Untersuchungen waren im Grunde genommen überflüssig, man konnte auf den ersten Blick sehen: Er hatte eine offene Oberschenkelfraktur, ganz so wie Hermann Maier nach seinem Motorradunfall, und er musste schleunigst operiert werden. Wahrscheinlich war er nicht bei Bewusstsein, weil die Schmerzen so stark waren, oder vielleicht hatte ihn der bereits erhebliche Blutverlust geschwächt. In jedem Fall durfte keine Zeit verloren werden; ich legte das Klemmbrett mit dem Krankenblatt zur Seite und wollte der Oberschwester, die geduldig wartend neben mir stand, gerade die Anweisung geben, meinen Kollegen von der Orthopädie zu verständigen, als ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm.

Stefan

„Au!“, schrie ich, und eine weitere Welle des Schmerzes und der Ãœbelkeit ließ mich wieder zurück auf die Behandlungsliege sinken, noch bevor ich in der Lage gewesen war, meine Umgebung näher zu erkunden. Damit mir nicht noch ein solch peinlicher, unmännlicher Schrei entkam, biss ich die Zähne zusammen und hielt den Atem an.

Eva 

„Stefan, was machst du denn? Du musst liegen bleiben! Du hast einen offenen Oberschenkelbruch, wir bringen dich gleich in den OP“, erklärte ich ihm und gab der Oberschwester nun die Anweisung, den OP vorbereiten zu lassen. Stefan, auf dessen Gesicht bis zu meinen Worten ein äußerst unentspannter Ausdruck gelegen war, schien mich erst jetzt wahrzunehmen, denn er öffnete die Augen und sah mich ganz erstaunt an.

Stefan

„Eva …“, ich musste husten, „Eva, ich…“.

Eva

„Ist schon gut, mach dir keine Gedanken. Wir kriegen das schon wieder hin“, sagte ich, bevor er bei dem Versuch, mir etwas zu erklären oder mich etwas zu fragen, noch erstickte. "Schließlich kann ich nicht zulassen, dass einer der besten Tanzpartner, die ich je hatte, nicht mehr tanzen kann“, fügte ich dann noch mit einem aufbauenden Lächeln hinzu. Dafür erntete ich auch von Stefan ein schwaches Lächeln; es schien, als hätte ich den richtigen Ton getroffen.

 Stefan

 Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass es sich bei der Ärztin wirklich um Eva handelte, und nachdem sie so liebe Worte an mich gerichtet hatte, konnte ich mich etwas entspannen und schloss wieder die Augen. Die Schmerzen waren zwar immer noch groß, aber mit dem Wissen, dass gleich etwas dagegen unternommen werden würde, konnte ich sie etwas besser ertragen.

Nächste Etappe

Eva

Gut drei Stunden später öffnete sich die Türe des OP-Traktes vor mir und ich sah mich suchend um. Die diensthabende Schwester hatte jemanden aus Stefans nächster Verwandtschaft über seinen Unfall informieren wollen und ich war gespannt, ob um diese Zeit überhaupt jemand zu erreichen gewesen war. Die junge Frau, die, den Kopf in die Hände gestützt, auf der Sitzbank im Wartezimmer saß, bemerkte mich gar nicht, als ich den Raum betrat. Doch als ich sie ansprach und sie den Kopf hob, war mir sofort klar, dass es sich dabei um Stefans Tochter handeln musste. Er hatte mir nur kurz von ihr erzählt, als wir uns kennengelernt hatten, und ich hatte vergessen, wie sie hieß, aber die Ähnlichkeit war nicht zu leugnen. „Wissen Sie, wie es meinem Papa geht? Ich bin Mia Lindner“, sie stand auf und sah mich gespannt an. „Ja, ich habe ihn gerade operiert. Es ist alles gut verlaufen, aber er wird nicht vor morgen früh aufwachen … oder besser gesagt heute früh“, korrigierte ich mich, denn es war ja bereits nach zwei Uhr morgens. „Was ist denn überhaupt passiert?“, wollte sie danach von mir wissen. Ich erklärte ihr den Unfallhergang so, wie ich ihn vom Notarzt geschildert bekommen hatte und meinte, sie solle ihn am besten selbst danach fragen, wenn sie ihn später besuche. „Gehen Sie jetzt nach Hause und machen Sie sich keine Sorgen“, empfahl ich ihr und verabschiedete mich. Wie viel Pech man haben musste, um sich bei einem, eigentlich eher harmlosen, Treppensturz eine solche Verletzung zuzuziehen, ließ ich ganz bewusst unerwähnt. Auch meinen Verdacht, eine Erkrankung wie Osteoporose könnte dafür als Erklärung dienen, schob ich erst einmal von mir weg und machte mich wieder auf den Weg in die Notaufnahme.

Stefan

Als ich langsam die Augen öffnete und ein paarmal blinzelte, um richtig wach zu werden, fielen mir zwei Dinge auf: zum einen der stechende Schmerz in meinem Bein, zum anderen mein völlig ausgetrockneter Mund, der es mir unmöglich machte, auch nur ein Wort herauszubekommen. Doch da ich alleine in diesem Zimmer lag, nur von ein paar piepsenden Apparaten umgeben, hätte das ohnehin nichts gebracht. Ich sah mich suchend um, und gerade als ich links vom Bett einen Druckknopf entdeckte, auf dessen Oberseite eine Glocke abgebildet war, betrat eine Frau in einem weißen Kittel leise das Zimmer. Als sie bemerkte, dass ich wach war, erkundigte sie sich, wie es mir gehe. Aufgrund meiner unglücklichen Unfähigkeit zu sprechen, blieb ich ihr eine Antwort schuldig, woraufhin sie meinte, sie werde mir einen Schluck Wasser holen gehen und dem Herrn Doktor Bescheid geben, dass ich nun aufgewacht sei. Während des kurzen Zeitraumes, in dem ich jetzt wieder alleine war, begutachtete ich die Metallkonstruktion, die aus meinem Bein ragte, interessiert.

Ein Wiedersehen?

Eva

Zwar hatte ich ursprünglich vorgehabt, nach Ende meines Nachtdienstes – ich war für einen erkrankten Kollegen eingesprungen, eigentlich tat ich mir das für gewöhnlich nicht mehr an – noch im Krankenhaus zu bleiben und mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war, wenn Stefan aufwachte. Doch als mein Dienst geendet hatte, war ich bereits so müde gewesen, dass ich es nicht mehr geschafft hatte, zu warten. Die Nacht war, was ihn betraf, ruhig verlaufen, und ich zweifelte eigentlich auch nicht daran, dass alles weiterhin nach Plan verlaufen würde, wenn er aufwachte. Als ich das Krankenhaus verlassen hatte, hatte ich im Eingangsbereich seine Tochter getroffen, sie schien keine ruhige Nacht mehr gehabt zu haben und erkundigte sich, einen Becher Kaffee in der Hand, gerade am Empfang, wo sie denn ihren Vater finden könne. „Guten Morgen, Frau Lindner, ich kann Sie schnell hinbringen, wenn Sie wollen“, hatte ich sie begrüßt und, als sie mein Angebot angenommen hatte, zum Zimmer von Stefan begleitet. „Es ist alles in Ordnung, aber es wird noch eine Weile dauern, bis er aufwacht“, hatte ich ihr noch erklärt, einen schnellen Blick auf den, dank der starken Schmerzmittel, tief schlafenden Mann geworfen, und war gegangen.
Nun war es halb vier Uhr nachmittags, ich war gerade erst wieder wach geworden und überlegte, ob ich ins Krankenhaus fahren sollte.

Natürlich tut das weh

Stefan

Nachdem mir der Arzt ausführlich erklärt hatte, was denn das Metallgestell in und an meinem Bein bezwecken sollte und mir auch den weiteren Behandlungsverlauf, sollte alles nach Plan verlaufen, geschildert hatte, war mein Bedarf an Informationen gedeckt.
Die Schwester, der ich es zu verdanken hatte, dass ich jetzt auch wieder sprechen konnte, teilte mir mit, ich habe Besuch und hielt die Türe auf, durch die nun meine Tochter Mia eintrat. Sie sah müde und besorgt aus, aber in ihren Augen lag auch ein ironisches Funkeln.
„Papa, was machst du denn für Sachen?“ Ich schüttelte den Kopf und antwortete ihr, dass ich auch nicht genau wisse, warum der Sturz so blöd ausgegangen war. „Ich bin nur ein paar Stufen hinab gefallen, aber ich muss wohl wirklich ungut gelandet sein, damit da so etwas herauskommt“, meinte ich und deutete in Richtung meines Beines, das in einer hohen Schaumstoffschiene lag.
Das alles sah meiner Meinung nach ziemlich dramatisch aus, und ich konnte nicht behaupten, dass es besonders angenehm war.
Nach und nach wurde ich nicht nur ganz wach, sondern auch die Wirkung der Schmerzmittel ließ nach. Die Schwester hatte mich unmittelbar nach dem Aufwachen gefragt, ob ich denn Schmerzen habe, doch nun, eine gute halbe Stunde später, hätte meine Antwort nicht mehr „Nein“ gelautet. Die Infusionsnadel in meiner rechten Hand stellte wahrscheinlich nur eine Zierde dar. „Tut es sehr weh?“, wollte nun auch Mia wissen, woraufhin ich den Kopf schüttelte und meinte, ich bekäme doch genug Medikamente dagegen.
„Und wie lange soll dieses Ding jetzt in deinem Bein bleiben?“ „Eine Woche, vielleicht etwas länger, das kommt darauf an, wie es mir geht. Danach werde ich noch einmal operiert, dieses Gestell kommt raus und stattdessen wird der Oberschenkelknochen mit einem langen Nagel fixiert.“ Ungläubig sah Mia mich an: „Das klingt ja furchtbar. Läufst du dann dein ganzes Leben lang mit einem Nagel im Bein rum?“
Um sie zu beruhigen, erklärte ich ihr, dass das bei so einer Verletzung die normale Vorgehensweise sei und dass der Nagel nicht unbedingt im Bein bleiben müsse, das aber erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werde.
Nun wollte ich aber von ihr wissen, wer sie über meinen Unfall benachrichtigt hatte.
„Eine Krankenschwester hat mich von deinem Handy aus angerufen. Ich war die letzte Nummer, die du vor dem Unfall gewählt hast“, lautete die einfache Antwort. „Ich war auch in der Nacht schon einmal da, aber da durfte ich nicht zu dir. Jetzt hat mich eine Ärztin raufgebracht, die, die eh bei deiner OP dabei war.“ Mir war klar, dass von Eva die Rede sein musste. Sie war bei mir gewesen, bis die Narkose gewirkt hatte und hatte mir versichert, dass ich bei ihrem Kollegen Dr. Freund in den besten Händen sei.

Vertagtes Wiedersehen

Eva

"Hallo Gerhard, hier ist Eva. Wie geht es denn dem Patienten, der heute Nacht am Oberschenkel operiert worden ist? Lindner, ja genau, den meine ich.“ Anstatt in die Klinik zu fahren, hatte ich mich dafür entschieden, mich mit einem Anruf nach Stefans Befinden zu erkundigen.
Einer der diensthabenden Ärzte der Orthopädie, der junge AiPler Gerhard Schmied, gab mir nun die Auskunft, dass es ihm den Umständen entsprechend gut gehe und dass man ihn auf die Normalstation verlegt habe. „Dr. Schneeberger behandelt ihn, aber der ist gerade nicht da. Soll ich ihm sagen, dass du angerufen hast?“ Ich sagte ihm, dass das nicht nötig sei und bedankte mich.
Nach seiner OP und der Nacht im Aufwachraum im OP-Trakt war Stefan also direkt auf die orthopädische Station verlegt worden, wo nun der Leiter der Unterabteilung, Dr. Schneeberger, seinen Fall übernommen hatte. Auch ich arbeitete in der Orthopädie, allerdings in der Abteilung für Sportchirurgie, und den Nachtdienst hatte ich von einem Kollegen „geerbt“, mit dem ich gut befreundet war.
Ich hatte ihn übernommen, weil ich heute frei hatte und es mir dieses eine Mal nichts ausmachte.
Hätte ich mich dagegen entschieden, wäre mir die Geschichte von Stefans Unfall wohl nie zu Ohren gekommen, selbst wenn ich in dem Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, im selben Haus und sogar auf derselben Ebene arbeitete.

Beschäftigungstherapie

Stefan

Nach dem Besuch meiner Tochter, die gegangen war, als man mich aus dem Aufwachraum in ein normales Zimmer gebracht hatte, hatte ich ein paar Stunden lang geschlafen. Doch nun war ich hellwach, mein Bein schmerzte und ich dachte missmutig an die mir bevorstehenden Wochen im Krankenhaus. In einer weiteren Operation sollten das Metallgestell in meinem Fuß, ein sogenannter Fixateur, entfernt und der Oberschenkel mit einem langen Nagel stabilisiert werden. Bisher war ich in meinem Leben nicht wirklich ernsthaft krank oder verletzt gewesen, aber lange Krankenhausaufenthalte erinnerten mich an meine Mutter, die vor drei Jahren verstorben war und davor lange leiden hatte müssen. Weil ich keine Lust darauf hatte, gleich am ersten Tag im Krankenhaus zum Albtraum aller Krankenschwestern – zu einem missmutigen, wehleidigen und sich selbst bemitleidenden Patienten – zu werden, versuchte ich stattdessen, an etwas Schönes zu denken. Seltsamerweise fiel mir sofort Eva ein; nein, um ehrlich zu sein, war das nicht seltsam.
Seit Mia sie, wenn auch nicht namentlich, erwähnt hatte, dachte ich quasi ununterbrochen an sie wenn auch nur im Hintergrund.
Nun konzentrierte ich mich auf eine Frage, die im Moment durch meinen Einfluss nicht beantwortet werden konnte, die mir so aber die ideale und langanhaltende geistige (angesichts meiner Lage die einzig mögliche) Beschäftigung bot.
Ich fragte mich, ob Eva kommen und nach mir sehen würde. Schlaue Beobachter werden sich nun natürlich fragen, ob ich sie nicht einfach anrufen oder eine Schwester nach ihr fragen konnte. Ich kannte aber weder Evas Nummer noch ihren Nachnamen.
Ich hatte ja bis vor ein paar Stunden nicht einmal gewusst, dass sie hier Ärztin war. Außerdem hätte ich mir mit einer solchen Nachfrage selbst die Freude, salopp gesagt, die Spannung und Aufregung, die diese Situation bei mir auslöste, genommen. So lag ich also in meinem Bett und wartete.

Große Neuigkeiten

Eva

„Eva, wo bist du eigentlich mit deinen Gedanken?“, fragte mich Lilli ungehalten und holte mich unsanft in die Realität und somit ins verrauchte Eck des Kaffeehauses, in dem wir saßen, zurück. „Ich bin einfach noch ein bisschen müde. Es war eine anstrengende Nacht“, antwortete ich ausweichend. Ãœberrascht nahm ich zur Kenntnis, dass Lilli mir diese Ausrede widerspruchslos abnahm.
Sie hatte mir, bevor ich geistig abgeschweift war, erzählt, dass ihr Mann morgen von einer Geschäftsreise zurückkehren würde.
Andreas war beruflich immer viel unterwegs, also konnte der unzufriedene und etwas besorgte Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht von dieser Tatsache herrühren. Ich fragte mich, was mit ihr los war und ärgerte mich, ihr nicht zugehört zu haben.
Während ich nach Worten suchte, mit denen ich nicht verraten würde, dass ich gar nichts von dem, was sie gesagte, mitbekommen hatte, kramte Lilli in ihrer Handtasche und steckte sich, als sie das Gesuchte gefunden hatte, eine Zigarette an. „Und was liegt dir wirklich so im Magen?“, fragte ich schließlich freiheraus. Meine Erfahrung mit Lilli (und sie war immerhin meine beste Freundin) sagte mir, dass man ohnehin nachbohren musste, wenn man dem wahren Problem auf den Grund gehen wollte. Außerdem funktionierten solche interessierten, psychologisch klugen (weil die fragende Person gemerkt hatte, dass da, abgesehen vom bereits Erzählten, noch etwas war) Fragen in Filmen immer hervorragend. Lilli, die Zigarette in der rechten Hand und Rauch zwischen den Lippen hervorstoßend, ließ sich mit ihrer Reaktion Zeit. „Seine Mutter. Sie besteht darauf, dass ihr Enkelkind in ihrer Nähe aufwächst.“
„Lilli, welches Enkelkind? Wovon sprichst du?“ Spätestens jetzt war ich wieder ganz Ohr und sah meine Freundin gespannt an.
Sie und Andreas wollten, wie die meisten Ehepaare ihres Alters (sie sind beide Mitte dreißig und seit gut vier Jahren verheiratet), bald Kinder bekommen, doch dass diese Pläne bereits so konkret waren, dass Andreas‘ Mutter eingeweiht worden war, war mir neu.
„Ich bin schwanger. Ich dachte, das hättest du mittlerweile auch kapiert“, gab Lilli gereizt zurück und nahm einen weiteren tiefen Zug an ihrer Zigarette. Fassungslos sah ich von Lillis Gesicht zur Zigarette in ihrer Hand und dann wieder zurück in ihr Gesicht.
Sie sah mich jetzt an, als sei ich es, die den Verstand verloren hätte und nicht sie. „Ist das dein Ernst?“, wollte ich wissen und versuchte, diese Information zu verarbeiten. Lilli nickte und zog den Aschenbecher, der auf dem Tisch vor uns stand, ein wenig näher zu sich.
Ein paar Sekunden später hatte ich mich wieder halbwegs gefangen: „Ich meine, ich freu mich für euch, wirklich! Aber Lilli,…“
„Ja, ja, ist schon klar. Das mit dem Rauchen muss ich lassen.“ Sie hatte meinen Blick also richtig gedeutet. „Aber Eva, das ist für mich immer purer Stressabbau gewesen, weißt du? Und jetzt, wo ich gestresst bin wie nie zuvor, darf ich nicht mehr“, machte sie ihrem Unmut Luft. Gegen meinen Willen musste ich über ihre liebe, verquere Logik lachen. „Das sollte trotzdem wirklich deine letzte Zigarette sein. Studien belegen nämlich, dass…“, aber ich konnte meinen Vortrag über die schädlichen Auswirkungen ihres Rauchens auf das ungeborene Kind nicht einmal richtig beginnen, denn sie unterbrach mich. „Ja, ich hab’s ja verstanden. Ich höre auf, Ehrenwort! Aber jetzt bitte zurück zum echten Problem.“ Verständnislos sah ich Lilli an, ich hatte in dieser äußerst seltsamen Unterhaltung mittlerweile den Faden verloren. „Margret!“, stellte sie fest und unterstrich diese Aussage mit einer energischen Handbewegung.
Wir mussten uns jetzt also der Frage widmen, wie sie in Zukunft der Belagerung durch ihre Schwiegermutter entkommen sollte.

Erstens kommt es anders...

Stefan

24 Stunden später, selber Ort.
Die Krankenschwestern waren nett zu mir, der Arzt hatte meine Schmerzmitteldosis erhöht und über mangelnde Anteilnahme an meinem Schicksal (dass ich niesen musste, wenn Blumen auf meinem Nachttisch standen, wollte ich aus reiner Höflichkeit nicht laut sagen) konnte ich mich auch nicht beklagen. Doch ich wartete im Grunde immer noch. Heute musste sie doch bestimmt arbeiten? Und wenn sie Pause hatte, würde sie doch bestimmt vorbeikommen? Ich malte mir aus, was sie sagen und vor allem, was ich sie fragen würde.
Diesmal würde ich mir die Gelegenheit, mehr über sie zu erfahren, ganz sicher nicht entgehen lassen. Ich fuhr mir mit den Fingern durchs Haar und ließ mir von meiner Tochter, die mich angesichts dieser Bitte wissend ansah, mein Aftershave bringen.
Was ich allerdings in meinen Planungen nicht berücksichtigt hatte, war, dass man von diesen Schmerzmitteln nicht nur ein wenig high, sondern auch sehr müde wurde…

.. und zweitens als man denkt!

Eva

Nachdem ich geklopft hatte, wartete ich darauf, dass er mich hereinbitten würde, doch nichts geschah. Ich klopfte ein zweites Mal – wieder keine Reaktion. Schließlich öffnete ich die Türe, so leise wie möglich, einen spaltbreit und sah durch den Spalt hinein.
Ein Lächeln kam mir aus, als ich Stefan sah. Er lag mit geschlossenen Augen in seinem Bett und schnarchte leise. Ein rascher Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass meine Pause gleich zu Ende war. Ich konnte also nicht darauf warten, dass er aufwachte, und wecken

wollte ich ihn schon gar nicht. Innerlich seufzend schloss ich die Türe wieder und machte mich auf den Weg in die Cafeteria, um mir wenigstens einen Kaffee und ein Brötchen zu gönnen, bevor ich mich für die nächste OP bereitmachen musste.
Ich ärgerte mich darüber, dass ich mich von meinem Kollegen fast die ganze Pause lang in ein Fachgespräch verwickeln hatte lassen. Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen gehabt, Stefan heute zu besuchen. Doch wenn mein Dienst zu Ende war, war die Besuchszeit längst vorbei, und so würde ich den Besuch wieder verschieben müssen.

Stefan


Zwei Tage später hatte meine Laune ihren endgültigen Tiefpunkt erreicht. An meiner missmutigen Stimmung, die durch die Enttäuschung, dass ich immer noch nichts von Eva gehört hatte, verursacht wurde, erkannte ich, wie fest ich mit ihrem Kommen gerechnet hatte. Weil mich diese Erkenntnis noch wütender machte, versuchte ich, mich wie ein vernünftiger Erwachsener zu benehmen und fragte mich, was zum Teufel mich denn überhaupt zur Annahme verleitet hatte, sie interessiere sich für mich und mein Befinden. Immerhin hatte sie sich in den zwei Wochen vor dem Unfall, in denen sie

meine Handynummer gehabt hatte, nie gemeldet. Ich hatte während dieser Zeit doch hin und wieder an sie gedacht, meinerseits aber nicht über ihre Nummer verfügt, und als so wichtig, als dass ich mich daran machen müsste, diese herauszufinden, war mir das Ganze dann doch nicht erschienen. Die Wahrheit war: Wir kannten uns nur flüchtig, und daran würden sich allem Anschein nach auch nichts mehr ändern. Beim Faschingsball hatten wir uns zwar gut unterhalten und beim Tanzen viel Spaß gehabt, doch das hatte ich schon oft zuvor erlebt, und nur ganz selten hatte ich eine dieser Bekanntschaften wiedergesehen. Ich hatte ihnen aber auch nur sehr selten meine

Nummer gegeben; wollte ich eine Frau wiedersehen, fragte ich sie für gewöhnlich direkt danach. Eva war es gewesen, die meine Einladung ausgeschlagen und gemeint hatte, ich solle ihr stattdessen meine Nummer geben. Mir wurde immer klarer, dass sie kein Interesse an mir haben konnte. Doch auch dieses Wissen änderte nichts daran, dass mein Herz, als es an der Türe meines Zimmers klopfte, zu rasen begann. Nachdem ich „Ja, bitte“ gesagt hatte, hielt ich die Luft an und starrte zur sich öffnenden Türe, als könne ich auf diese Weise etwas daran ändern, wer gleich das Zimmer betreten würde. Auch das strahlende Lächeln, mit dem meine Tochter hereinkam, konnte nichts daran ändern,

dass ich erst einmal leise und zutiefst frustriert aufseufzte, bevor ich ihre Begrüßung erwiderte.

Eva
„Und Sie kommen wirklich alleine zurecht? Mir wäre wesentlich wohler zumute, wenn Sie für die nächsten paar Tage in stationärer Behandlung wären, zumindest so lange, bis das Fieber gesunken ist und Sie sich wieder auf den Beinen halten können“, meinte mein Hausarzt, der mich gerade für einen Hausbesuch beehrte. Nach einem kurzen Hustenanfall und einmal tief Luftholen antwortete ich ihm, vorsichtig den Kopf schüttelnd: „Das geht schon, ich komme zurecht, ein stationärer Aufenthalt ist nicht nötig.“ „Sie müssen mir aber versprechen, wirklich im Bett zu bleiben. Haben Sie jemanden, der täglich vorbeikommt, für Sie in die Apotheke

geht, dafür sorgt, dass Sie haben, was Sie brauchen?“, wollte mein fürsorglicher – oder neugieriger? – Arzt nun wissen. Ich versicherte ihm, ich sei gut versorgt und er könne ruhigen Gewissens gehen. Das tat er dann, nachdem er mir noch viele gute Ratschläge und strenge Anordnungen erteilt hatte, auch. Als ich meine Wohnungstüre zufallen hörte, griff ich nach meinem Handy und rief Lilli an. Hoffentlich hatte sie Zeit, gleich vorbeizukommen und für mich in die Apotheke zu gehen. „Hallo Eva, was gibt’s denn? Wie geht’s deinem Lieblingspatienten?“, fragte sie gleich drauflos, als sie den Anruf annahm. „Mittlerweile bin ich selbst die Patientin“, erwiderte ich, „kannst du bitte für mich in

die Apotheke gehen?“ Als ich ihr erklärt hatte, dass ich schon seit gestern flachlag und der Hausarzt nun so freundlich gewesen war, mir meine Selbstdiagnose – Lungenentzündung – zu bestätigen, meinte Lilli, sie könne im Büro gerade nicht weg, aber ihr Mann habe heute frei und sie könne ihn vorbeischicken. Auch wenn es mir lieber gewesen wäre, wenn sie selbst kommen hätte können, nahm ich ihr Angebot dankend an. Dann legte ich das Handy zurück auf das Nachttischchen, zog mir die Decke bis zum Hals, drehte mich zur Seite und – begann wieder zu husten. „Und Sie kommen wirklich alleine zurecht? Mir wäre wesentlich wohler zumute, wenn Sie für die nächsten paar Tage in

stationärer Behandlung wären, zumindest so lange, bis das Fieber gesunken ist und Sie sich wieder auf den Beinen halten können“, meinte mein Hausarzt, der mich gerade für einen Hausbesuch beehrte. Nach einem kurzen Hustenanfall und einmal tief Luftholen antwortete ich ihm, vorsichtig den Kopf schüttelnd: „Das geht schon, ich komme zurecht, ein stationärer Aufenthalt ist nicht nötig.“ „Sie müssen mir aber versprechen, wirklich im Bett zu bleiben. Haben Sie jemanden, der täglich vorbeikommt, für Sie in die Apotheke geht, dafür sorgt, dass Sie haben, was Sie brauchen?“, wollte mein fürsorglicher – oder neugieriger? – Arzt nun wissen. Ich versicherte ihm, ich sei gut versorgt und er

könne ruhigen Gewissens gehen. Das tat er dann, nachdem er mir noch viele gute Ratschläge und strenge Anordnungen erteilt hatte, auch. Als ich meine Wohnungstüre zufallen hörte, griff ich nach meinem Handy und rief Lilli an. Hoffentlich hatte sie Zeit, gleich vorbeizukommen und für mich in die Apotheke zu gehen. „Hallo Eva, was gibt’s denn? Wie geht’s deinem Lieblingspatienten?“, fragte sie gleich drauflos, als sie den Anruf annahm. „Mittlerweile bin ich selbst die Patientin“, erwiderte ich, „kannst du bitte für mich in die Apotheke gehen?“ Als ich ihr erklärt hatte, dass ich schon seit gestern flachlag und der Hausarzt nun so freundlich gewesen war, mir meine Selbstdiagnose –

Lungenentzündung – zu bestätigen, meinte Lilli, sie könne im Büro gerade nicht weg, aber ihr Mann habe heute frei und sie könne ihn vorbeischicken. Auch wenn es mir lieber gewesen wäre, wenn sie selbst kommen hätte können, nahm ich ihr Angebot dankend an. Dann legte ich das Handy zurück auf das Nachttischchen, zog mir die Decke bis zum Hals, drehte mich zur Seite und – begann wieder zu husten. „Und Sie kommen wirklich alleine zurecht? Mir wäre wesentlich wohler zumute, wenn Sie für die nächsten paar Tage in stationärer Behandlung wären, zumindest so lange, bis das Fieber gesunken ist und Sie sich wieder auf den Beinen halten können“, meinte mein Hausarzt, der mich

gerade für einen Hausbesuch beehrte. Nach einem kurzen Hustenanfall und einmal tief Luftholen antwortete ich ihm, vorsichtig den Kopf schüttelnd: „Das geht schon, ich komme zurecht, ein stationärer Aufenthalt ist nicht nötig.“ „Sie müssen mir aber versprechen, wirklich im Bett zu bleiben. Haben Sie jemanden, der täglich vorbeikommt, für Sie in die Apotheke geht, dafür sorgt, dass Sie haben, was Sie brauchen?“, wollte mein fürsorglicher – oder neugieriger? – Arzt nun wissen. Ich versicherte ihm, ich sei gut versorgt und er könne ruhigen Gewissens gehen. Das tat er dann, nachdem er mir noch viele gute Ratschläge und strenge Anordnungen erteilt hatte, auch. Als ich meine Wohnungstüre

zufallen hörte, griff ich nach meinem Handy und rief Lilli an. Hoffentlich hatte sie Zeit, gleich vorbeizukommen und für mich in die Apotheke zu gehen. „Hallo Eva, was gibt’s denn? Wie geht’s deinem Lieblingspatienten?“, fragte sie gleich drauflos, als sie den Anruf annahm. „Mittlerweile bin ich selbst die Patientin“, erwiderte ich, „kannst du bitte für mich in die Apotheke gehen?“ Als ich ihr erklärt hatte, dass ich schon seit gestern flachlag und der Hausarzt nun so freundlich gewesen war, mir meine Selbstdiagnose – Lungenentzündung – zu bestätigen, meinte Lilli, sie könne im Büro gerade nicht weg, aber ihr Mann habe heute frei und sie könne ihn vorbeischicken. Auch wenn es

mir lieber gewesen wäre, wenn sie selbst kommen hätte können, nahm ich ihr Angebot dankend an. Dann legte ich das Handy zurück auf das Nachttischchen, zog mir die Decke bis zum Hals, drehte mich zur Seite und – begann wieder zu husten.

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Tyche

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Tyche Re: ... - :-)
Damit das mit dem Dranbleiben klappt: Ich füge die neuen Kapitel einfach immer dazu... ;-)

LG Sarah

Zitat: (Original von adventor89 am 28.05.2012 - 21:05 Uhr) ... da bin ich ja gespannt, ob sie ganz gewöhnlich weitergeht ... ?

Sie sollte ...
Ich werd dran bleiben.

Viele Grüße
Michael

Vor langer Zeit - Antworten
adventor89 ... - ... da bin ich ja gespannt, ob sie ganz gewöhnlich weitergeht ... ?

Sie sollte ...
Ich werd dran bleiben.

Viele Grüße
Michael
Vor langer Zeit - Antworten
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