Ein stechender Schmerz
Als ich mir sicher war, dass meine Brüder schliefen, ging
ich wieder zu Mutter. Ihre Gesichtsauszüge waren sanft, und ich wusste, dass
sie glücklich war, ihren Schmerz einem Ende gesetzt zu haben. Plötzlich merkte
ich, wie sie ab und zu nach Luft rangte. Ihre Lippen, formten meinen Namen, ich
hörte ihn nur schwach: “Cherlsey…“.
„Mutter!“. Auf einmal suchte ihre Hand nach mir, ich hielt sie fest und streichelte sie.
Wieder versprach ich ihr für meine Brüder zu sorgen. Ein kleines Lächeln
huschte auf ihr Gesicht, bis ihr Kopf einnickte und ihr Griff sich lockerte.
Ihre Augenlider wurden sanft und ihre Haltung lockerte sich. Ich wollte am
liebsten aufschreien vor Entsetzen, wollte es nicht wahrhaben, niemals gesehen
haben, nicht wissen! Es sollte so nicht geschehen…Doch ich musste mich
zusammenreißen, wenn ich meinen Brüdern nicht Kummer kriegen lassen wollte. Sie
sollten schließlich weiter schlafen. Langsam deckte ich Mutter zu. Es war schwer,
mich zusammenzureißen, still mit ansehen, wie meine Mutter vor mir stirbt, und
dann stumm da sitzen. Doch in meiner Situation konnte ich nicht anders. Im
Leben waren jetzt nur noch meine Brüder das Wichtige. Mein Ziel, sie zu
Versorgen.
Die ganze Nacht blieb ich bei Mutter, bis zum Morgengrauen.
Ich wusste, dass meine Brüder bald aufwachen würden, weshalb ich raus ging, um
uns was zu essen zu besorgen. Als ich mit drei Papaya ankam, stockte ich. Meine
Brüder saßen neben Mutter und weinten. Ein stechender Schmerz bohrte sich in
meinem Herzen, als sich sie sah. Zwei kleine Jungen, trauerten neben ihrer
verstorbenen Mutter. Waren verzweifelt, wussten, dass sie keine Eltern mehr
hatte, keiner der sie versorgen konnte. Langsam ging ich zu ihnen, versuchte
sie zu trösten- doch vergebens. Anstatt sie aufzumuntern rissen sie mich mit in
ihrem verzweifelten Weinen. Doch es machte mir nichts aus. Die Einwohner vom
Dorf würden sowieso nicht kommen, also konnten wir ruhig mehr weinen. Trauern,
zu Mutter. Auch wenn mir Vater in meinen Gedanken durchschoss, und ich auch an ihn
dachte. Meine Mutter hatte einen abstämmigen geheiratet, der nicht zu unserem
Clan gehörte. Deshalb, hasste sie unser Dorf,- Mutter, so wie uns. Keiner
kümmerte sich um ihr, weder mit uns, als Mutter krank wurde. Alle meinten sie
hätte es verdient. Stumm sahen sie mir immer zu, wie ich alleine den Berg mit
nackten Füßen hinaufkletterte. Bis diese taub waren und bluteten. Nur weil ich
mir selbst die Kräuter beschaffen musste. Ich musste für uns allen sorgen. War
verantwortlich für Essen, Trinken und Kleidung. Es war harte Arbeit, doch es
machte mir nichts aus. Es war mir egal. Ich wusste, dass ich es aus Liebe zu
Mutter und meinen Brüdern tat. Ich ignorierte die Blicke der Dorfbewohner,- wie
sie mich ignorierten. Zu wissen, dass meine Mutter auf mich zählte gab mir
Kraft. Doch jetzt, was sollte jetzt geschehen?
Nun wandten sich meine Brüder zu mir. „Sag mal, …Vater, er
ist gar nicht auf reise stimmt’s? Sonst würde er doch kommen und Mutter
besuchen! Ihr sagen, dass er sie lieb hat, damit sie wieder lächelt! Aber jetzt
ist es sowieso zu spät! Warum ist er nicht gekommen?!“, nun senkte er die
Stimme. „Vater, er ist…er…Du hast uns angelogen! Vater ist gar nicht auf Reise!
Er ist auch Tod! Tod!“, schrie er und richtete sich auf. Tränen schossen in
seinen Augen, und er rannte weg. Ich wagte es nicht meinen anderen Bruder
anzusehen. Hörte nur sein trauriges Schluchzen. Auf einmal trafen sich unsere
Blicke. Gequält lächelte ich ihn an, doch er funkelte mich bloß an, bis auch er
davon schritt. Sie hatten recht, Vater war tot, doch warum, weiß selbst ich nicht.