Beschreibung
Konkurrenz belebt das Geschäft, das ist Rays Motto. Sein verbrecherischer Geschäftsführer war da wohl anderer Meinung! Also muss Ray nun bei der jungen Frau, die sich selber als Zirkusprinzesssin bezeichnet,zu Kreuze kriechen. Kann er vielleicht auch wieder gut machen, was ihr angetan wurde? Oder hatte sie eigentlich von vornherein nie die Absicht, seßhaft zu werden?!
An diesem Abend verzichtete Cassie wohlweislich auf die versprochene Fußmassage. Noch immer war sie sich nicht ganz sicher, wie sie die Beziehung zu Ray zukünftig gestalten sollte...
Denn dass nicht nur auf ihrer Seite Interesse bestand, dessen war sie sich inzwischen sicher! Ray wäre ja nun nicht ihr erster Freund, aber der erste, der einigermaßen ‚Etwas’ darstellte.
Oder um es genauer zu sagen, aus einem komplett anderen Umfeld kam. Einem Umfeld, in das sie schon zur Genüge eingetaucht war, während ihrer Studienzeit. Ausgestattet mit einer gewissen Anpassungsfähigkeit hatte Cassie keine Probleme gehabt, mit den teilweise aus sehr guten Häusern stammenden Mitstudenten klar zu kommen, war sogar recht beliebt gewesen, auch wenn sie oft Unternehmungen am Wochenende absagen musste.
Denn im Gegensatz zu den meisten Anderen musste sie sich zu ihrem Stipendium einiges an Geld dazu verdienen. Und als die Kommilitonen das mitbekamen, war es für den größten Teil von ihnen mit der unbeschwerten Freundschaft vorbei.
Man sollte nicht meinen, welche Dünkel nicht alle in den jungen Leuten steckten, gepflanzt und kultiviert von ihren reichen Familien, welche körperlicher Arbeit seit Generationen entfremdet waren.
So konnten die Mitstudenten einfach nicht damit umgehen, Cassie ab und zu als Kellnerin in einem Restaurant zu begegnen, abgesehen von denen, die tatsächlich einen kleinen Skandal daraus machten und ihr die Freundschaft kündigten.
Dieser Entwicklung hatte sie ziemlich fassungslos gegenüber gestanden, aber auch ihre eigenen Lehren daraus gezogen. Nicht umsonst hatte sie sich für die lockerere Westküste entschieden.
Bis jetzt war Ray natürlich erfrischend anders gewesen, aber wer wusste schon, was seine Absichten wären?
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Und seine Familie, über die Cassie ja ihre eigene Theorie hegte, was würde die dazu sagen?
~Junge, stoß dir ruhig die Hörner ab bei der kleinen Zirkusprinzessin. Aber geheiratet wird Margret Winthorp, damit das klar ist!~, hörte sie die imaginäre Stimme seines Vaters in ihrem Kopf.
Gleichzeitig musste sie kichern, weil sie sich Margret als hässlichen, ältlichen Blaustrumpf vorstellte. Soviel also zu üblen Vorbehalten!
Aber als sie plötzlich diesen Blaustrumpf im Hochzeitskleid neben Ray sah, durchzuckte sie tatsächlich ein feiner Schmerz. Und Eifersucht. Eifersucht auf eine gar nicht existierende Person!
~So weit ist es also schon mit dir gekommen!~, dachte Cassie erschrocken. Sie hatten sich noch nicht einmal geküsst und schon dachte sie an so was...
Es war zwar schon dunkel, aber sie konnte jetzt nicht schlafen. Bewaffnet mit einem Glas Wein zündete sie ihre kleine Gartenfunzel an und setzte sich an den Gartentisch. Mit einem kleinen Seufzer betrachtete sie das einsam und verlassen daliegende Sandcastle.
Was hätte das für ein schönes kleines Ausflugslokal werden können! Mit ihrem Elan und ihren Fähigkeiten wäre es für Cassie kein Problem gewesen, den Laden zu etablieren, wenn, ja wenn da nicht dieser Fiesling von Gabriel Crunner gewesen wäre... Und das Geld, das sie Philipp geliehen hatte.
Aber sie weigerte sich, diese Tat zu bereuen! In diesem System war Gesundheit viel zu sehr vom persönlichen Vermögen abhängig, darüber hinaus war es buchstäblich um Leben und Tod gegangen. Da war die Wahl für Cassie eigentlich gar keine gewesen  -  das war ein Relikt IHRER Herkunft. Und sie wollte darüber kein Bedauern empfinden.
Noch einmal nahm sie einen großen Schluck Wein, schwang die Beine auf den Tisch und lehnte sich mit einem weiteren, diesmal tieferen Seufzer zurück.
„Also, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du steckst in Schwierigkeiten!“, ertönte da auf einmal Rays Stimme direkt hinter ihr. Erschrocken zog sie die Beine vom Tisch und kippte nach vorn.
„Und wer sagt dir, dass ich es nicht bin?“
„Deswegen bin ich hier... Naja, ich hab halt gesehen, dass du noch Licht hast und da ich auch nicht schlafen konnte, dachte ich, ich schau mal vorbei. Wenn ich dich störe-“
„Natürlich nicht! Auch ein Glas Wein?“ Auf sein Nicken stand sie auf und holte noch ein Glas aus dem Trailer. Beim Zurückkommen sah sie, dass Ray sich auf dem Platz neben ihr gesetzt hatte. Er trug zum ersten Mal ein legeres Outfit, eine lässige Jeans mit einem einfachen T-Shirt dazu; aber wie auch die Anzüge stand es ihm hervorragend.
Diesmal unterdrückte Cassie den Seufzer, der in ihr aufstieg und kehrte an ihren Platz zurück.
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Die Beiden stießen mit ihren Gläsern an und prosteten sich zu. Vom Meer her kam eine Brise auf, die Cassie diesmal zum Frösteln brachte.
„Puh“, machte sie, „so langsam geht der Sommer nun doch zu Ende.“
„Meinst du?“
„Spürst du es nicht? Ach ja, stimmt ja, du kommst nicht aus einer Familie, in der man so stark aufs Wetter angewiesen ist. Es sei denn, ihr handelt mit tiefgefrorenem Orangensaft.“
Ray musste lachen, verneinte aber dann.
„Tja, ich hab das quasi in den Knochen. Ich könnte dir anfangs des Winters auch sagen, wann es wahrscheinlich anfängt zu schneien, wenn ich...“
Sie verstummte, doch Ray führte den Satz mit großer Trauer in der Stimme weiter: „...wenn du dann noch hier wärst...“
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