Fantasy & Horror
Die Bibliotheksgeister (1) - Teil 1

Teil 1

Ein Samstag wie jeder andere auch. Sobald der erste Sonnenstrahl durch meinen Rollladen blitzten, stieg ich aus dem Bett, zog mich an und frühstückte. Wobei man es nicht wirklich frühstücken nennen konnte. Eigentlich füllte ich mir nur meinen Thermobecher mit Früchtetee, nahm mir ein Croissant und ging aus dem Haus. Meine Eltern schliefen noch.

Und ich ging in die Bibliothek! Jeden Samstag recherchierte ich über den Ort,
in dem wir erst seit ein paar Monaten wohnten.

An der Bibliothek angekommen, stieß ich die breiten Eingangstüren auf.

„Guten Morgen, Olivia.“, begrüßte mich die Bibliothekarin Frau Hammers.

„Guten Morgen, Frau Hammers.“

Sofort kam sie hinter ihrem Tresen hervor auf mich zu. „Du hast Glück, meine
Kleine, heute Morgen ist eine neue Lieferung Bücher gekommen.“

Sie führte mich zu einigen großen, braunen Kartons. Einen davon öffnete sie,
nahm ein Buch heraus und gab es mir. Es war noch in Folie eingepackt, doch die
Folie war durchsichtig und so konnte ich das Cover und den Titel erkennen: Die Stadtbibliothek von Buchenberg: Bücher seit 500 Jahren; das Cover selbst erstrahlte in hellem Grau, nur in der rechten unteren Ecke waren drei weiße Kreise.

„Gefällt dir das Buch?“, fragte Frau Hammers, als sie bemerkte, wie entgeistert ich das Buch anstarrte. „Na los, pack es schon aus.“

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich riss die Folie weg. „Was hat das Cover zu bedeuten?“ Ich war schon so oft in der Bibliothek gewesen und wusste inzwischen genau, dass kein Cover ohne Bedeutung war.

„Lies es, dann weißt du es.“, meinte Frau Hammers nur und ging zurück zu ihrem Tresen.

Ich schaute ihr verwundert hinterher, verzog mich dann jedoch in die Leseecke – mit dem neuen Buch. Ich schlug es auf und begann zu lesen.

Das Buch erzählte davon, wie der Gründer unseres Ortes, der Lese-Fan Herr Berger, der aufgrund seiner Vorliebe für Bücher immer nur „Buch“ genannt wurde, den Bürgern erklärte, dass der Ort unbedingt eine Bibliothek bräuchte und schließlich auch den richtigen Ort dafür fand: Dort, wo früher der einzige Mensch weit und breit, der schreiben konnte, mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter lebte. Die Familie Scriptor, die auf unerklärliche Weise verstorben war – und genau unter der Bibliothek vergraben wurden.

Ich stutzte, stand auf und ging zu Frau Hammers hin.

„Frau Hammers“, rief ich schon von weitem, „stimmt es, dass diese Bibliothek auf den Gräbern der Schreiber-Familie Scriptor steht?“

„Wie kommst du darauf?“

„Es steht hier drin.“ Ich hielt ihr das Buch entgegen.

Sie nahm es vorsichtig mit beiden Händen. „Wenn es in diesem Buch steht, dann wird es wohl stimmen. Das ist sozusagen unsere Bibliotheks-Chronik. Zu dem 500. Geburtstag unserer schönen Stadtbibliothek.“

Unter einer 500 Jahre alten Bibliothek lagen also drei Tote: Ein Mann, eine Frau und ein junges Mädchen.

Fortsetzung folgt