Ein lyrisches Desaster
Auf dem Wohnzimmertisch lagen zwei meiner Bücher und der Rest des gestrigen Abends, von dem ich mir sicher war, dass er mich tagelang beschäftigen würde.
Der Geruch von Zigaretten und Alkohol war so unerträglich, dass ich das Fenster öffnete.
"Sag mal, hast du den Arsch auf? Soll ich mir den Tod holen, oder was?"
Ich schloß das Fenster wieder und ging ins Bad.
Der Mann im Spiegel erinnerte mich an einen missglückten Kreuzungsversuch zwischen einem Humanoiden und einem Sack Müll, wobei die Gene des Mülls sehr dominant gewesen sein mussten.
Ich hielt den Kopf unter den Wasserhahn.
Es nutzte nichts.
Ich schleppte mich wackelig in die Küche, setzte einen Kaffee auf und setzte mich auf den Stuhl, um zu warten bis er fertig war.
Rita kam rein.
"Gibt's Frühstück?"
"Siehst du welches?"
Ich ging vorbei an ihr ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein.
11.15 Uhr Sonntags vormittags.
Gut, ich schaltete ihn wieder aus.
Rita kam mit zwei Tassen hinterher und stellte sie auf den Tisch.
"So, erstmal ein Käffchen."
In der Küche hörte man die Kaffeemaschine, wie sie die letzten Tropfen Wasser unter riesigem Geräuscheaufwand in die Kanne würgte.
Rita war eigentlich 'ne gute Frau.
Ich kannte sie jetzt sechs Jahre und wir verstanden uns mittelprächtig.
Wir gingen am Wochenende in die gleichen Läden, so ließ es sich nicht vermeiden, dass wir uns hin und wieder über den Weg liefen.
Wenn zu viel Alkohol im Spiel war, sahen wir uns auch morgens.
Meistens trieben wir es nicht miteinander, weil die Motorik es uns nach einem solchen Abend nicht gestattete.
Vor einem Jahr hatten wir sogar versucht ein Paar zu sein.
Es ging schief. Warum wussten wir nicht.
Eines Abends zog sie zurück in ihr 30 m² Appartment und ich schleppte ihr die Sachen in den fünften Stock.
An diesem Abend hatten wir das einzige mal vernünftigen Sex.
Vielleicht weil wir erleichtert waren, dass es so gekommen war.
Jedenfalls war sie wieder da und meistens war das nicht gut.
Sie hatte inzwischen den Kaffee aus der Küche geholt und schüttete ihn ein.
Es roch ein wenig nach Leben und Familie und ein bisschen nach Sonntag Morgen mit Rita.
Sie blätterte in meinem letzten Gedichtband.
Ziemlich desinteressiert, aber sie meinte wohl, dass es mir schmeichelt, oder was weiß ich.
"Sag mal, wer ist den Elli?
"Wer?"
"Elli. Hier stehen ein paar Gedichte über sie."
Sie blätterte und zeigte mir eine Seite:
Hier:
...Elli war die Frau,
die das Scheitern erfunden hatte,
aber sie liebte mit der Hingabe einer
Mähmaschine....
Ich nahm einen Schluck Kaffee und sah Rita an.
"Elli ist ein Fantasiename."
"Erzähl keinen Scheiß."
Ich ging auf die Toilette und übergab mich zweimal, wusch mein Gesicht,
putzte meine Zähne und ging zurück ins Wohnzimmer.
"Sag mal, wer ist denn Elli jetzt? Oder ist das ein Geheimnis?"
Ich nahm mein Buch aus der Hand, blätterte ein bisschen herum, öffnete das Fenster und schmiss es raus.
"Elli ist weg, kannt du jetzt auch gehen?"
Rita sah mich verwundert, überrascht und angewiedert an.
"Naja, das muss ja geheim sein, dass du so einen Aufstand machst.
Aber es geht mich ja nichts an, oder? Wie immer, eigentlich geht mich gar nichts was an. Hauptsache ich lass mich zwischendurch flachlegen, oder ich ertrage deine Anrufe, wenn du mal wieder im Arsch bist.
Klaro, dafür bin ich gut.
Aber mit deinem Leben, da habe ich natürlich nichts zu tun. Verstehe."
Sie zog sich die Jacke an und verließ die Wohnung unter schweren Türschlägen und lautstarkem Gezeter im Flur.
Ich sah aus dem Fenster und sah wie sie das Buch in ihre Handtasche steckte.
Dann verschwand sie durch die Hoftüre.
Tschüss Elli.
Man muss den Mädchen nicht erzählen, dass man ihnen Gedichte widmet, dass macht sie nur komisch.
Oder anhänglich.
Ohne sie war es besser.
Ich trank den Kaffe aus und rief meine Mutter an, ob ich zum Essen kommen kann.