Biografien & Erinnerungen
Poesiealben

Poesiealben

Fast könnte ich sagen, es war die erste intime Berührung mit dem anderen Geschlecht, wenn SIE mir ihr Poesiealbum überreichte, damit ich darin einen Spruch verewige.

Allein die Ausführung dieser „Geheimbücher“ war mannigfaltig. Manche waren eher schlicht, aber es gab sie in Leder oder Wildleder, mit und ohne aufwendige Prägung, mit und ohne Schloss.

Meist verband SIE damit eine Bitte und eigentlich waren Mädchen bis zu dem Tag eher ein fremdes Land gewesen. Nichts für echte Kerle.

Aber nun – jetzt galt es.

Beim Durchblättern fand ich Sprüche, die sich wiederholten, olle Goethe und Schiller vorne weg. Neben den geistigen Ergüssen waren ab und an Trockenblümchen stranguliert oder Umrisse von Blättern abgerieben. Passfotos und Ausschneidebilder waren liebevoll mit Herzen und „Auf ewig“ dekoriert.

Grundsätzlich kam es wie Kitsch rüber, aber woher sollte auch in dem Alter Geschmack kommen. Die Mütter hatten es vorgelebt und arm war, wer kein „Poesie“ hatte.

Bewusst versuchte ich mich von den geistigen Dünnbrettbohrern abzuheben, suchte bei anderen Schreibern und nach extravaganten Denkansätzen.

Selten bekam man eine Resonanz auf das Gelieferte.

Es waren auch nicht viele Alben, in denen ich meine Referenz hinterlassen habe,

vielleicht bei Verena und Angelika oder war es Ruth?!

2012-05-16 jfw