Monolog Miep Gies
Mein Name Hermine Gies. Meine Freunde nennen mich Miep. Ich wurde am 15.02.1909 in Wien gebornen. Als der erste Weltkrieg begann war ich gerade mal fünf Jahre alt. Damals hatte ich noch keine Ahnung was es bedeutet wenn Krieg herrscht. Zu der Zeit lebten wir in einem alten, ziemlich verwahrlosten Wiener Mietshaus. Ich war damals noch sehr klein und erinnere mich daher nur sehr dunkel an diese Zeit. Ich weiß noch, dass zwei Onkel, die bei uns wohnten, einrücken müssten und dass viel Aufsehen darum gemacht wurde. Beide kamen am Kriegsende unversehrt zurück, zogen aber nicht mehr zu uns, so dass nur noch Vater, Mutter, Großmutter und ich in der Mietshauswohnung wohnten.Ich war nie die Kräftigste und infolge der Lebensmittelknappheit während des Krieges unterernährt und krank gewesen. Nach dem Krieg verschlimmerte sich mein Zustand, sodass meine Eltern schleunigst was unternehmen mussten, um mein Leben zu erhalten.Die geeignete Lösung schien ein Hilfsprogramm für hungernde österreichische Kinder, dass ausländische Arbeiter organisiert hatten, zu bieten. Im Dezember 1920, ich war gerade mal elf Jahre alt, wurde ich zusammen mit vielen anderen Kindern mit der Bahn in die Niederlande gebracht. Dort wurde ich von einem völlig fremden Mann abgeholt, der mich an hand meines Namenschildes, welches ich um den Hals trug, erkannte. Der Mann bracht mich zu seiner Frau, die mich sofort ins Bett steckte. Diese Leute waren von jetzt an meine neue Familie.Nach ein paar Wochen kam ich, dank des guten Essens, wieder ein wenig zu Kräften. Die Verständigung mit den anderen war am Anfang schwer, denn ich könnte noch kein Holländisch. Ende Januar kam ich in die Schule und lernte dort Holländisch. Da mir das lernen keine sonderlich großen Schwierigkeiten machte war ich im Frühjahr Klassenbeste.Eigentlich sollte ich ursprünglich nur drei Monate in Holland bleiben. Ich müsste aber wohl noch immer zu schwach gewesen sein, denn die Ärzte verlängerten meinen Aufenthalt um weiter drei Monate. Später adoptierte mich meine Pflegefamilie ganz.Am Anfang nannten sie mich noch bei meinen richten Namen “Hermine”, später gaben sie mir den liebevollen Spitznamen “Miep”, denn ich bis heute beibehalten habe. Mit 13 übersiedelten wir nach Amsterdam. Mit 16 besuchte ich mit meiner Adopivfamilie zum ersten Mal seit fünf Jahren meine Verwandten in Wien. Ich stellte fest, dass das Leben in Wien sich sehr von meinem Leben in Amsterdam unterschied. Da mir das Leben in Holland besser gefiel fuhr ich mit meiner Adoptivfamilie zurück nach Amsterdam. Ich wusste schon damals, dass meine Heimat Holland und nicht Österreich hieß, meinen Pass ließ ich dennoch nicht ändern.1933 wurde ich als Sekretärin in der Firma Otto Franks angestellt. Seit der ersten Begegnung mit Otto Frank waren ein paar Monate vergangen und unser Verhältnis wurde vertrauter. Eines Tages fragt er mich ob wir noch genug Milch und Kaffee hätten, denn er erwartete Besuch. Der Besuch stellte sich später als seine Frau Edith und seine jüngste Tochter Anne heraus. Zu diesem Zeitpunkt war Anne gerade mal vier Jahre alt und konnte noch kein Wort Holländisch, da sie erst vor kurzem nach Amsterdam gezogen war. Sie erinnert mich an mich selbst. Eines Tages lud Otto Frank mich und meinen Freund Jan zum Abendbrot zu sich nach Hause ein. Bei diesem Besuch lernte ich auch Margot, Annes ältere Schwester, kennen. Dieser Besuch trug dazu bei, dass ich Familie Frank in mein Herz einschloss.So war es auch kein Wunder, dass, als ich und Jan am 16. Juli 1941 heirateten, Familie Frank anwesend war.Eines Morgens rief mich Otto Frank in sein Büro und brachte mir dort sehr großes Vertrauen entgegen, indem er mir erzählte, dass er, seine Familie und Familie van Daan gedenken ins Hinterhaus der Firma unterzutauchen. Er fragt mich ob ich bereit währe die Verantwortung zu tragen sie zu versorgen. Natürlich war ich das. Es war zwar sehr gefährlich aber es war das mindeste was ich für sie tun konnte und ich denke sie hätten dasselbe auch für mich getan.Während der Zeit des Untertauchens versuchte ich sie durch Überraschungen zum Beispiel durch einen Geburtstagskuchen bei Laune zu halten. Es war sowohl für sie als auch für mich eine schwere Zeit. Bei jedem Einkaufen musste ich damit rechnen erwischt zu werden. Einmal erzählte ich ihnen dass mich nach meinem Einkauf beinahe ein SSMotorad angefahren hatte und ich dem Soldaten “Ihr elenden Schufte” hinterher gerufen hätte. Hätte er meine Tasche kontrolliert wäre ich im Gefängnis gelandet, denn ich hatte ein verbotenes Buch für Dussel dabei. Die Untergetauchten sagten, dass ich ihre Sachen nicht besorgen müsse, wenn es so gefährlich sei. Sie hatten ein schlechtes Gewissen mich so einer Gefahr auszusetzen, deshalb erzähle ich ihnen auch nicht, dass Jan und ich einen jüdischen Studenten bei uns in der Wohnung versteckten, denn sonst hätten sie sicherlich noch ein schlechteres Gewissen gehabt.
Ich kann mit keinem über meine Sorgen und Probleme in Bezug auf die Untergetauchten reden, denn alle die von ihnen wissen, haben selbst genug Probleme. Manchmal wenn ich ins Hinterhaus gehe klagten die Untergetauchten mir ihr Leid. Diese Vertraulichkeit ehrte mich, aber trotzdem währe es mir manchmal lieber, wenn ich nicht auch noch ihr Leid zu tragen hätte. Das sage ich ihnen aber nicht. Es war und es ist halt immer noch eine besondere Zeit, in der man Dinge ertragen muss, die man lieber nicht ertragen möchte.