Beschreibung
Hätte nie gedacht, dass ich so weit komme....
Teil 6
Genervt stapfte ich zur Tür.
"Joachim! Wenn du nicht einen guten Grund hast, mich jetzt noch zu stören...", zischte ich, während ich die Klinke drückte, doch zu meinem Erstaunen, erblickte ich nicht grünen Augen, sonder blaue.
"W-wer sind sie?", stotterte ich verwirrt und trat unweigerlich einen Schritt zurück. Der Fremde schien das als Einladung gesehen zu haben, denn kaum war ich zurückgewichen, so setzte er einen Fuß in mein Zimmer. Bevor ich es vollends realisierte, stand er in meinen eigenen vier Wänden.
"Sie müssen mich verwechseln...", stammelte ich hilflos, doch der Unbekannte blieb stumm. Vorsichtshalber räusperte ich mich und sprach ihn erneut an, falls er mich nicht gehört hatte. Ich versuchte selbst, meine bruchteilhaften Französisch- und Englischkenntnisse anzuwenden, aber er bewahrte Stille und gab keinerlei Zeichen von sich, dass er mich nur annähernds verstand. Immerzu konnte ich seine Blicke spüren, die über meinen Körper wanderten und ich schauderte leicht, als sich seine Augen in die meinigen bohrten.
Wie aus dem nichts, packte er mich am Kinn und zwang meinen Kopf zur Seite, damit er auch mein Profil beäugen konnte.
"Hohe Priesterin? Dass ich nicht lache!", bemerkte er abfällig, bevor er mich von sich stieß. Die Wucht des Aufpralls ließ mich straucheln und ich schnappte hilfesuchend nach einer Stütze. Irgendwie, schien meine Hand seine langen schwarzen Haare gefunden zu haben, denn auf einmal lag er auf mir, meine Finger in seinen Strähnen verfangen. Perplex musterte ich seinen schockierten Ausdruck, der sich vertiefte, als es ihm nicht gelang, sich von meinem Griff zu lösen, und ich konnte nicht umher, als zu lachen. Seine Augen schossen zu meinen und ich hätte schwören können, dass er mich in diesem Moment hätte umbringen wollen, wenn nicht Joachim ins Zimmer geflogen gekommen wäre. Ohne Umschweif schubste er den Unbekannten von mir und trennte uns mit Gewalt. Wie zum Schutz schob er mich hinter sich und machte sich bereit für jedmöglichen Angriff.
"Hast du 'nen Anspruch auf die Kleine,oder was?", fragte der Fremde in einem mir nicht vertrauten Akzent, vielleicht russisch oder so.
"Du hast jedenfalls keinen!", spuckte Joachim zurück und machte, als wie zur Drohung, einen Schritt vor.
"Ach? Denkt das Schoßhündchen, dass sie sich eines Tages für ihn entscheiden würde?", erwiderte dieser und trat ebenfalls nach vorne.
Kritisch beäugte ich den Wortwechsel, der immer mehr aus dem Ruder lief, doch der Sinn wollte sich mir nicht offenbaren. Immerzu sprachen sie über mich, über eine Wahl die ich treffen müsste, doch je länger ich ihrer Konversation folgte, desto verworrener wurde es.
"Ich bin ihr mit Sicherheit lieber, als so ein barbarischer Macho wie du!", zischte Joachim wütend, doch der Fremde schien unbeeindruckt.
"Dann lassen wir sie doch hier und jetzt entschei...", wollte er gerade entgegnen, als ihn Mr. Mason, der plötzlich an der Tür stand, abrupt unterbrach.
"Nichts werdet ihr tun! Ihr solltet einer Schülerin nicht noch mehr Gedanken machen, als nötig sind. Es ist spät, wir sollten gehen."
Der Unbekannte wandte sich zu meinem Lehrer und dann wieder zu mir.
"Das ist jetzt kein Scherz, oder? Die Kleine weiß nichts?", fragte er stutzig, bevor er in lautes Gelächter ausbrach.