Sie hatte sich einen wahrlich schönen, romantischen Ort ausgesucht um uns zu treffen; also vermutlich wäre er romantisch hätten wir uns im warmen Licht einer untergehenden Sonne getroffen. Und natürlich vorausgesetzt der Zirkus wäre noch in Betrieb. Doch nun trafen wir uns, auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin, mitten in dieser Vollmondnacht auf dem Gelände eines Zirkus der seit Jahrzehnten nicht mehr in betrieb war, geschweige den jegliche Wartung genossen hatte. Vielmehr rostete er langsam vor sich, ein Bote des Verfalls und des Endes. Mir blühte nichts allzu gutes, nun bei genauerer Überlegung und Feststellung des symbolischen Charakters dieses Ortes; aber andrerseits war sie schon im ein wenig befremdlich in ihrer Definition von Romantik gewesen. Endlich erreichte Ich das Tor, oder zumindest das, was von ihm übrig geblieben war. Es war ein altes, bogenförmiges Stangentor, an dem jedoch schon einige Stangen durchgerostet waren, oder auf dem besten Weg dorthin waren. In großen, bogenförmig angeordneten Lettern stand "CIRCUS" über dem Tor, wobei jedoch die untere Hälfte des ersten C´s, bedrohlich umher schwankend, hinab hing. Dennoch wagte ich es mich durch einen schmalen Spalt zwischen den beiden Flügeln hindurch zu quetschen, schließlich erwartete sie mich in diesem Rostfeld. Ich stand auf einem abgetrampelten Stück Pfad, dass so oft benutzt wurde, dass sich kaum ein Grashalm hierher verirrte, an den Rändern jedoch wucherte dichte Vegetation. Ich ging an Buden vorbei die auch nicht vom Zahn der Zeit verschont geblieben waren; das Holz war feucht und mit Pilz und Schimmel bedeckt, metallene Teile mit dicken Schichten Rost belegt und die Tücher hingen in durchnässten Fetzen vom Dach hinab. Ich ging weiter. Langsam kam der Mond immer weiter hinter den dichten Wolken hervor und erhellte mir meinen Weg. Am Horizont baute sich das riesige Zelt auf, welches das Zentrum dieses Ortes und im Gegensatz zu den meisten anderen Bauwerken ziemlich gut erhalten war, lediglich die Intensität der blauen und roten Streifen, die jenes in einem abwechselnden Muster zierten, hatte mit der Zeit abgenommen. Und dort stand sie. Ihre braunen Locken in einem Zopf zusammen gebunden, eine dunkelgrüne Cargohose und einen schwarzen Pullover an habend, sodass sie sich kaum von ihrer Umgebung abhob. Sie starrte in die Leere, mich scheinbar noch nicht gesehen habend; doch plötzlich drehte sie ihren Kopf und blickte mich an. Ihr Blick war getränkt mit bittrem Schmerz und schwerer Melancholie, auch wenn ich ihre Augen nicht sah, so spürte ich es doch. Ohne ein Wort zu sagen drehte sie sich um und betrat das Zelt. Ich zog mein Tempo ein wenig an und mit ein paar langen Schritten erreichte ich kurz nach ihr das Zelt. Sie stand in der Mitte in einem Kegel aus Mondschein, der durch ein Loch in der Decke hinein fiel. Er untermalte ihre zart blasse Haut noch und verlieh ihr einen Hauch von Reinheit und Marmor. Ich trat an sie heran, wollte sie in den Arm nehmen und küssen, wollte, dass sich unsere Körper trafen und unsere Seelen sich vereinten. Doch sie wandte sich ab von mir und im kühlen Mondlicht sah ich den wässrigen Flimmer auf ihren Augen und die Schwere Wehmut in ihrem Blick. "Ich werde fortgehen.", sagte sie schließlich und ich hörte wie sie darum kämpfte die Tränen zurück zu halten. "Dann werde ich mit dir gehen.", sagte ich mit entschlossener Stimme und hoffte sie damit von ihrer Trauer zu entlasten. Sie blickte mich mit einem Blick zwischen Verdutzung, Verwirrung und der bereits vorhandenen Trauer an und sagte schließlich: "Das geht nicht. Du kannst mir nicht folgen. Diesen Weg werde ich alleine gehen." "Wohin gehst du den?", hörte ich meine Stimme in meinem Kopf widerschallen, ohne sie bewusst ausgesprochen zu haben, denn im Inneren meines Schädels halten nur ihre Worte wieder. "Fort.", erwiderte sie leise und ein Schluchzen fuhr ihr über die Lippen. "Und wieso kann ich nicht mit?!", sprach ich abermals unbewusst, denn der Nachklang ihrer Worte hallte in meinem Kopf immer noch. Doch sie antwortete nicht. Stattdessen drehte sie sich zu mir um, nahm meinen Kopf in ihre sanften, weichen Hände und küsste mich innig aber dennoch ohne wahre Leidenschaft, es erinnerte mich an das Mondlicht: wunderschön aber dennoch kalt. Und so ging sie zum Ausgang, hob die rot-blaue Plane an wandte sich abermals zu mir um; während ihr das Mondlicht das halbe Gesicht erhellte und sprach ein letztes Mal: „Vergiss eines niemals: Wann immer du trauerst und einsam bist, schau in die Nacht, hinauf, ans Himmelszelt, ein Stern wird immer für dich scheinen, dass bin ich die für dich scheint." und während sie das sprach, rollte eine einzelne Träne über ihre Wange und glitzernd brach sie das kalte Licht, und es war als hätte ein Diamant das Mondlicht geküsst. Schließlich wandte sie sich um und ging. Und noch während die Plane wieder hinab fiel begann mein Verstand sich wieder zu fassen und unzählige Fragen schossen mir in dem Kopf, doch die wichtigste war:" Wann werde ich dich wieder sehen?" Ich stürzte ihr hinter her, wäre dabei beinahe über meine eigenen Füße gestolpert und kam wenig später aus dem Zelt gehetzt. Doch sie war schon fort. So blickte ich in den Himmel und dort stand ein einziger Stern, sein Anblick durchfuhr mich mit derselben Wärme wie sie zu berühren, aber dennoch: Ich stand hier unten und spürte wie mein Herz im Rhythmus des Circus zu verfallen begann.