Beschreibung
Über die allgegenwärtige Phrase des Golfens
(Zitat Anfang) âHaben Sie noch Sex oder spielen Sie schon Golf?â (Zitat Ende)
Wenn ich bei diesem Spruch noch ein einziges Mal gezwungen werde, zu lachen, beauftrage ich einen Profikiller, der dafür sorgt, dass die Leiche des Kommentators obiger Worte nie gefunden wird.
Zu allem Ãberfluss fallen diese geflügelten Worte meist auch noch von diversen Vorgesetzten, deren sportliche Ambitionen etwa denen von Garfield nach einer Lasagne-al-forno-Orgie gleichen.
Im Ãbrigen hinkt dieser Vergleich noch nicht mal aus optischen Gesichtspunkten.
Warum mich diese Floskel dazu bringt, meine Augen zu verdrehen wie eine Kuh auf Droge?
Simpel.
Weil sie stimmt!
Sie sind erstaunt, dass ich Ihnen nicht widerspreche und unter Einsatz aller mir zu Verfügung stehenden Mittel versuche, dieses Statement zu entkräften?
Warum versuche ich nicht, wild gestikulierend und schlagfertig argumentierend, den Angriff auf mein Sexualleben zu verteidigen?
Ganz einfach, weil es nicht nötig ist. Sie haben ja so recht mit Ihrer Aussage.
Einzig das Motiv, den tieferen Sinn dieses Zitats haben Sie nicht erkannt.
Nicht mal im Ansatz.
Aber Sie können entspannt aufatmen, denn ich werde zur Klärung eben jener ungelösten Frage beitragen und sozusagen Licht in das Golf-vs.-Sex-Dunkel bringen.
Der gedankliche Exkurs zur Lösung dieser vermeintlichen âEntweder-Oder-Frageâ beginnt bei meinem Golfschnupperkurs, den ich mehr oder minder zwangsweise antrat.
Mein sportliches Dasein befand sich zu jenem Zeitpunkt in einer unfreiwilligen Ruhephase, die eingeleitet wurde durch die Auflösung einer langjährig bestehenden Tanzgruppe. Eben jene Anhäufung talentierter und mitunter vollkommen talentfreier Individuen der Gattung Mensch stob nach etlichen Meisterschaften und Trainingseinheiten in verschiedene Richtungen des Lebens, begründet durch berufliche oder private Veränderungen.
Einige wurden befördert oder waren viel im Ausland unterwegs, die anderen setzten konkrete Familienpläne (zeitnah) um, wieder andere schafften sich Haustiere an. Ich für meinen Teil legte mir den allseits unbeliebten inneren Schweinehund zu, der genährt wurde und stetig wuchs ähnlich dem Schimmelpilz in der Wurst- und Käseabteilung meines Kühlschranks.
Doch wofür hat man Freunde? Liebenswerte Menschen, die einen zärtlich drängen und auf einen einreden wie auf ein krankes Pferd, man möge doch mal mitkommen und es zumindest mal ausprobieren.
Golf sei ja ein so toller und ausfüllender Sport.
Warte mal. Golf? War das nicht die Betätigung, die Menschen ab 60 ausübten, wenn sie nicht grade zur rush hour zwischen 17 und 20 Uhr die arbeitende Bevölkerung im Supermarkt an der Kasse an den Rande des geistigen Wahnsinns trieben? (âFrollein, warten Sie, ich habâs auch kleiner!â Und schon entlädt sich an der Kasse aus den unendlichen Tiefen eines Vorkriegs-Geldbeutels ein geschätzter Zentner an 1-Cent-Stücken.)
Golf? War das nicht der Sport, der eigentlich gar nicht als Sport galt, sondern nur als sportgedankliche Ergänzung für all jene, die auch Schach und Hallen-Halma für körperliche Ertüchtigung hielten?
War das nicht dieses einfach gestrickte Spiel, bei dem man mit einem krückenähnlichen Stock auf einen Ball eindrosch, der ohnehin schon einen Haufen Dellen hatte?
Und mal ganz unter uns. Spazieren gehen und dabei einen weiÃen Ball in ein Loch zu prügelnâ¦.der reinste Rentnertreff in meinen und den Augen der meisten, die ich kenne.
Offensichtlich waren die nachmittäglichen Tanztees - von mir liebevoll âMumienschiebenâ genannt - aus der Mode geraten.
Wie dem auch sei. Meine Vorurteile waren abendfüllend und dennoch lieà ich mich - aus purer Langeweile - von meinen neuerdings golfbegeisterten Bekannten zu eben jenem Schnupperkurs überreden.
Der monetäre Einsatz war absolut überschaubar, ich bekam zur BegrüÃung ein Glas Sekt-Orange (um 9 Uhr morgens) und hatte die Möglichkeit, mich an der frischen Luft zu bewegen, statt mich von meiner Couch verschlucken zu lassen. Die rein auf Pragmatismus basierenden Vorteile lagen somit klar auf der Hand. Und letztlich wollte ich ja nur beweisen, dass dieser Sport und ich so gut zusammenpassten wie WeiÃwürste und Ketchup.
Leider weit gefehlt.
Nach einer knappen Einweisung, was genau wir beim Golfspielen zu tun und zu unterlassen hätten und das âBirdieâ nicht bedeutete, einen Vogel mit einem eleganten Schwung abzuschieÃen, begaben wir uns von der grauen Theorie in die Praxis.
Bewaffnet mit zwei Schlägern, deren Unterschied sogar ich als golferische Nullnummer ausmachen konnte (einer davon war ein Putter), begaben wir uns auf das Green (zu Deutsch: Grün. Wer hätte das gedacht?)
Putten entwickelte sich schnell zu meiner Lieblingsdisziplin, denn einen Ball aus verhältnismäÃig kurzer Distanz in ein Loch zu schubsen, erwies sich für einen Blindfisch wie mich, dem es an jeder Fähigkeit Entfernungen einzuschätzen fehlt, als machbar.
Beim Gebrauch des anderen Schlägers entging ein Mitstreiter mittleren Alters nur knapp dem Tod und ich noch knapper einer Klage wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Nach etlichen Versuchen, den Feind âBallâ zu treffen, war ich vollkommen entkräftet und der Rasen sah mittlerweile aus, als hätte die eingangs erwähnte Kuh die illegale Droge auf natürlichem Wege ausgeschieden.
Der mitleidige Blick des Golflehrers in meine Richtung bestätigte mein Gefühl, dass ich auf dem Golfplatz in etwa so gut aufgehoben war wie Edmund Stoiber im Arbeitskreis zur künftigen Vermeidung von Bürokratie.
Leicht entmutigt und im Prinzip mit einer reichlich gleichgültigen Einstellung setzte ich meinen letzten Ball auf das Holzstöckchen, im Jargon âTeeâ genannt, und schwang meinen Schläger.
Die Erwartung, dass der Ball - wie die letzten 30 bis 40 mal zuvor auch - sich ca. 3-5 cm vom Tee fortbewegen würde, wurde enttäuscht.
In meiner Lustlosigkeit, überhaupt nur im Ansatz über die Technik meines stümperhaften Schwungs nachzudenken, schwirrte der Ball ca. 40 Meter weit pfeilgrade in Richtung der Fahne, die gesteckt war.
Vollkommen entgeistert lieà ich den Schläger fallen und nach Ablauf einer Zehntelsekunde riss ich meine Arme (der linke etwas steif) in die Höhe und brüllte etwas, das sich anhörte wie âwho the f⦠is Tiger Woods?!?!â.
Dazu - ich war wahrlich nicht bei Sinnen und musste es mir im Nachgang erzählen lassen - vollzog ich scheinbar einen seltsam anmutenden Tanz, der dann wohl auch den kurz darauf einsetzenden Regen verursachte.
Was für ein Gefühl!
Was für eine Leistung!
Was für ein unglaublicher Stolz!
Welch geschwellte Brust!
Was kostet die Welt!
Mein Ego passte durch keine Tür mehr.
Eine unglaubliche Ruhe gepaart mit Souveränität und einem ersten Anflug von der Gier nach mehr machte sich in mir breit, während ich die hochnäsigen Affen aus meiner Gruppe kampflustig und herausfordernd ansah.
Gleichzeitig spürte ich eine seltsame tiefe Befriedigung wie schon lange nicht mehr und just in diesem Moment drängte sich unaufhaltsam wie unweigerlich die eine Phrase in meinen Kopf. Die fünf Worte, die sich zu diesem dämlichen Eingangszitat gesellen, als wären sie füreinander geschaffen worden.
Eine weitere Floskel, die mir den Schreck durch alle Glieder fahren lieÃ, weil sie so offenkundig, so simpel und so ernüchternd war.
âDas ist besser als Sex!â
Unglaublich. Konnte es tatsächlich sein, dass Golfen die höhere Form der Befriedigung darstellte?
Eine erschütternde Vorstellung. Erschütternd vor allem, weil ich noch nicht eher darauf gekommen war. Wenn ich nachdachte, wie viel Zeit ich darauf verschwendet hatte, mich mit der Spezies Mann abzuquälen, um letztlich auch noch mit einem ausgesprochen unbefriedigendem Gefühl aus diversen zwischenmenschlichen Verbindungen zu scheidenâ¦
Herr Gott nochmal, ich könnte mittlerweile Profigolfer sein!!! Und Geld verdienen, statt ständig welches zu lassen.
Nun ja, für ein Bestehen als Profigolfer ist es jetzt zu spät, jedoch ist es nie zu spät, um Befriedigung zu erfahren. Seufz (Sie dürfen mich gerne zitieren).
Und so widme ich mich voller Leidenschaft diesem klischeebehafteten Sport und stelle im Zeitablauf immer mehr Ãhnlichkeiten zu menschlichen Beziehungen fest. Das Auf und Ab, die guten und die schlechten Zeiten, Freude, Ãrger, Jubel, Zorn. All die Emotionen, denen man im täglichen Zusammenleben mit einem Partner eben auch begegnet. Und dann eben dieses unglaublich befriedigende Gefühl nach einer Runde Golf vollkommen erschöpft und erfüllt die Heimreise anzutreten.
Insofern, liebe Antigolfer: sollten Sie mir begegnen und mich mit einem süffisanten Lächeln fragen:
âNa, haben Sie noch Sex oder spielen Sie schon Golf?â, so werde ich Ihnen antworten:
âIch spiele schon Golf! Und Sie, mein Lieber, sehen aus, als hätten Sie es mal so richtig nötig!â