Fantasy & Horror
Zufällige Begegnung

1. Kapitel

Dunkelheit erstreckte sich über die Hügel. Nur das blasse Mondlicht beleuchtete das kleine Zimmer unter dem Dach. Die Balken der Decke quietschten und der Wind pfiff durch die Fenster. Ein Bett stand an der Wand und ein kleiner Hund schlief darauf. Doch der eigentliche Gast war verschwunden. Nur sein Koffer stand noch da und versperrte die Tür. Keiner sollte jetzt reinkommen. Keiner sollte seine Abwesenheit bemerken. Mitten in der Nacht nach draußen zu gehen war in dieser Zeit der reine Selbstmord. Denn in der Nacht hausten die Gestalten, von denen niemand wusste, was genau sie waren. Doch jeder, der sich in der Nacht nach draußen begab, war schon einer von ihnen und würde nur Schande bringen. Deshalb war es strengstens untersagt nach draußen zu gehen. Trotzdem brachen viele dieses Gebot und gingen Nacht um Nacht nach draußen. Viele kehrten nicht zurück. Manche waren nicht mehr sie selbst. Nur ganz wenige wurden verschont.

Doch man musste es einfach ausprobieren, wenn man neu hier war. Man musste dieses Gebot brechen. Erst recht, wenn es eine Mutprobe war. Die anderen beobachten ein jeden und wissen genau, ob man es gewagt hat oder nicht. Es gab einfach kein Entkommen. Nicht jetzt in dieser Zeit.

Sie beobachten mich, durchfuhr es ihn. Er schlich an den Hauswänden entlang und suchte immer wieder Schutz hinter Bäumen, Mülltonnen und anderem. Warum machen sie es nur? Warum muss jeder sich in Gefahr begeben, nur weil er dazugehören will?! Und warum musste ich mich darauf einlassen? Ich war immer schon unbeliebt gewesen. Warum also konnte ich es nicht einfach bleiben lassen? Nach ein paar Monaten würde ich doch sowieso schon wieder abhauen und alles war umsonst. Also, warum gebe ich mir Mühe? Will ich mich etwa doch endlich zur Ruhe setzen? Nein, ich werde mich doch nicht in einem so herunter gekommenen Nest zur Ruhe setzen! Aber etwas hat mich doch dazu überredet diese total überdrehte Mutprobe zu machen. Nur was?

Aus dem Gebüsch hörte er ein Rascheln. Er fuhr herum und blickte in zwei smaragdgrüne Augen. Entsetz schrie er auf. Das Etwas kam näher und näher. Er stand da, nicht fähig weg zu laufen. Er spürte den heißen Atem des Etwas und erinnerte sich an früher. An die Pferde die sie früher hatten und an seinen Bruder, der immer so auf den Pferden herumgeturnt ist, dass er immer Angst hatte, dass dem Kleinen etwas passiert. Das Etwas kam immer näher und er roch den Atem, der nach verdautem Fleisch und Blut roch. Da kam das beklemmende Gefühl in ihm hoch, was er schon bei dem Verschwinden seiner Schwester hatte. Diese beklemmende Angst, die einen auffrisst. Jahre lang hatte er nach ihr gesucht. Doch sie war verschwunden. Das Einzige, was er fand war ein Stück Stoff von ihrem Kleid, das nach dem Atem dieses Etwas da vor ihm roch. Das Etwas war nun ganz nah und er konnte immer noch nicht weglaufen. Er spürte, dass es sein Ende war, als das Etwas zum Sprung ansetzte. Er sah alles nur noch in Zeitlupe, das Etwas, wie es immer näher kam, sein Maul aufriss, sein Heulen und sein Atem, der ihm so bekannt vorkam. Es war die Hölle, die absolute Hölle!!! Und keiner da, der ihm half. Er war allein. Allein mit der Bestie. Das Etwas landete und strich um ihn herum. Es schnupperte. Sog tief den Duft ein. Seinen Duft. Er war verloren. Ein für alle mal. Es riss sein Maul auf und seine Zähne bohrten sich in seinen Nacken. Er sackte zusammen und sein Kopf schlug auf dem Boden auf. Blut quoll aus der Wunde hervor und sickerte auf das Gras, was es gierig aufsog. Das Etwas strich noch ein paar Mal um den leblosen Körper herum und verschwand dann.



Sie standen um seinen leblosen Körper herum und starrten auf ihn hinab. Die Sonne stand im Zenit und brannte auf ihre Köpfe. Das ganze Dorf hatte sich versammelt und tuschelte leise durcheinander. Alle warteten gespannt auf den Arzt, der vor einer Stunde mit einer Blutprobe aus der Bisswunde im Büro verschwunden ist. Dann endlich war es soweit. Die Tür schwang mit einem Quietschen auf und der Arzt betrat den Schauplatz. Er machte ein betretenes Gesicht und meinte an die Menge gewandt: „Er wurde von einem Nachtwesen gebissen. Es hat sich wieder einen von uns geholt.“ Lautes Gemurmel folgte auf seine Worte. Wieder und immer wieder holen sie sich welche von uns und das ohne Grund, empörten sich viele. Am Anfang war es ein Einzelner gewesen. Getötet von einem unbekannten Wesen. Dann wurden es immer mehr und nicht, dass sie von unterschiedlichen getötet wurden, nein, es war immer derselbe. Oder eben dasselbe oder dieselbe. Es war kein Zufall mehr sondern ein Fluch, der sich immer weiter fortsetzte. „Wer ist der Tote?“, wurde eine Stimme laut. Keine Antwort. „Ich fragte, wer ist der…“ „Wir haben es verstanden!“, unterbrach eine motzige Stimme. „Er war neu. Kam gestern erst hierher.“, wurde eine Stimme laut. „Dann kann er uns egal sein! Wir müssen ihn noch nicht mal begraben. Er war ein Fremder und das wird er auch bleiben!“, brüllte die Menge. Der Arzt schritt davon und hörte die wütenden, aufbrausenden Stimmen nur noch im Hintergrund. Seine Gedanken waren schon seit Wochen weit, weit weg. Sie waren bei den Morden und Nachtwesen und allem was damit zusammenhing. Doch was hing damit zusammen? Dieser Fremde etwa, oder war er auch nur ein einfaches Opfer? Das einzige Opfer bisher, das nicht von hier kommt. Das einzige Opfer, von dem sie mehr finden konnten als Knochen. Warum wurde es liegengelassen? Warum wurde es nicht wie die anderen verspeist? Fragen über Fragen und keine Antworten. Noch nicht. Aber hoffentlich bald.