Auf dem Schreibtisch der Kanzlerin steht bekanntlich kein Foto ihres Gatten oder Bilder von anderen Familienmitgliedern, sondern ein Porträt der russischen Zarin Katharina, genannt "Die Große".
Und in der Tat haben diese beiden Realpolitikerinnen einiges gemeinsam, sogar einige erstaunliche Paralellen ihrer Biografien. Da aber allein dieses Thema ein ganzes Buch fühlen könnte, soll dieser Sachverhalt hier nur teasend erwähnt werden.
Auf alle Fälle ist Angela Merkel im Mai 2012 in einer für ihren Stil der Machtausübung typischen, wirklich komfortabelen Situation.
Am kommenden Sonntag sind Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, in der folgenden Woche wir in NRW gewählt. Beiden Wahlgängen ist zweierlei gemein. Zum einen stehen die allseits gehypte Piratenpartei wohl vor dem Einzug in diese Länderparlamente, zum anderen kämpft die FDP um nackte politische Überleben.
Wie konnte es soweit kommen ?
Nüchtern betrachtet, war es ziemlich klar, daß die PIRATEN bei den vergangenen Wahlen ins Berliner Abgeordnetenhaus ins Parlament gewählt werden würden. Wer der Berliner Jugend ticketfreie Fahrten mit der U-Bahn und Legalisierung von Canabis verspricht, hat durchaus Chancen in der deutschen Hauptstadt gewählt zu werden, wenn er einigermassen glaubhaft vermitteln kann, daß eine Stimme für die eigene Partei nicht verschenkt ist. Die Piraten sind strukturell in Großstädten besonders stark vertreten und gerade in den letzten zwei Jahren sind zahlreiche Parteimitglieder in die Hauptstadt umgezogen. So war dieser Wahlerfolg recht einfach zu erklären, die Piraten waren neu und anders.
Dann kamen die vorgezogenen Landtagswahlen im Saarland. Dort erreichten die Piraten 35.656 Stimmen und konnten so auch dort in das Parlament einziehen. Hier lohnt sich allerdings eine genauere Betrachtung, ganz davon abgesehen, wie ernüchtern das in realen Zahlen ausgedrückte Ergebnis für die Politneulinge eigentlich ist. Die "Sonstigen" zusammen erzielten 21.116 Stimmen, ohne die mit rund sechstausend Wählern arg abgestrafte FDP. Von der versammelten Journaille wurde das winzige Saarland mal eben schnell zum "Flächenland" hochgejazzt und fertig war die "politische Sensation".
Allerdings blieb weit gehend unbetrachtet, wie es überhaupt zu diesen vorgezogenen Wahlen gekommen ist. Just in dem Moment, als der FDP-Bundesvorsitzende Rösler auf dem traditionellen Dreikönigstreffen der Freidemokraten mit seiner lang erwarteten Rede begonnen hatte, trat die saarländische Ministerpräsidentin vor die Presse und erklärte den Bruch der so genannten "Jamaikakoalition", für den sie die FDP verantwortlich machte. Flugs nahmen SPD und CDU Verhandlungen über eine Koalitionsregierung auf die aber nicht zum Ziel führten. So musste der Landtag aufgelöst und eine Neuwahl angesetzt werden. Für diese Wahl hatte man sich aber erklärtermassen zu einer "großen Koalition" verabredet, seitens der SPD vor allem, um sich gegen den im Saarland sehr beliebten Oskar Lafontaine abzugrenzen. Derlei Alternativlosigkeit kann das Wahlvolk ungemein nerven. So ist es nicht verwunderlich, daß auch hier die Piraten der lachende Dritte wurden, während die Grünen einiges an Dresche einzustecken hatten.
Mittlerweile ist der linke Flügel der Parteienlandschaft, als solche sollen hier mal SPD, GRÜNE und LINKE bezeichnet werden, allerdings aufgewacht und hat endeckt, wer letztendlich vom rasanten Aufstieg der neuen Partei am meisten profitieren wird - unsere allseits beliebte Physikerin der Macht, die Bundeskanzlerin.
Angela Merkel ist wie oben erwähnt, in einer wirklich guten Position. Scheitert die FDP, vor allem in NRW an der Fünfprozenthürde, wird es in beiden Bundesländern vermutlich schwarzrote Koalitionen geben. Während Linke und Grüne dies vor allem den PIRATEN anlasten werden, kann die sich SPD ohne jeden Gesichtsverlust an diesen Regierungen beteiligen. Anschliessend bedürfte es nur noch eines veritabelen Anlasses, die Koalition auf Bundesebene platzen zu lassen und schon hätte die Kanzlerin eine klare Alternative, fernab von allen schwarzgrünen Gedankenspielen. Sie könnte - sei es nun mit oder ohne vorgezogene Neuwahlen - eine wirklich solide Mehrheit im Bundestag realisieren, was gerade nach einer gegen den amtierenden französischen Präsidenten ausgehenden Wahl im wichtigen Partnerland Frankreich für das Gewicht Deutschlands in Europa mehr als wichtig ist.
Was haben wir also für die kommenden Monate zu erwarten ?
Ein wichtiges Indiz wird es sein, wie sich die Allzweckwaffe der Kanzlerin, der momentane Verteidigungsminister verhält.
Denn Thomas de Maizière ist tatsächlich der Dienstherr des frisch gewählten Bundesvorsitzenden der Piratenpartei, Bernd Schlömer. Sollte der Minister für den allgedienten Piraten, der bereits einige Schlüsselämter bei den PIRATEN inne hatte, für einige Zeit die Freistellung vom Dienst im für die für akademische Bildung zuständigen Referat des Bundesverteidigungsministeriums anbieten, so kann das darauf hindeuten, daß seitens des Bundesregierung durchaus auf vorgezogene Neuwahlen gesetzt wird. Eine schlagkräftige Piratentruppe wäre der Kanzlerin bestimmt sehr hilfreich, um eine rot-grüne Mehrheit sicher zu verhindern.
Gleichzeitig wird es sehr interessant werden, wie hysterisch sich Grüne und Linke in einen gemeinsamen Antipirateneinsatz hineinsteigern werden. Angesichts der mehr oder minder vernagelt bis dämlichen Äusserung aus diesen Lagern kann durchaus einiges an unfreiwilliger Komik erwartet werden.
So oder so, die Kanzlerin sitzt sicherer im Sattel als jemals zuvor. Ein Schelm, wer denkt, sie selbst habe damit absolut nichts zu tun.