Journalismus & Glosse
Nichts sehen, hören, riechen

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"wie sich das Forum anfühlt ..."
Veröffentlicht am 26. April 2012, 12 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und ...
wie sich das Forum anfühlt ...

Nichts sehen, hören, riechen

Einleitung

Plauderei über das so kalte, anonyme, digitale, virtuelle Forum.

Das Titelbild zeigt den Hintergrund von mystorys 1.0.

Für menschliche Kommunikation sind ja alle unsere Sinne wichtig. Wir können einander riechen oder nicht. Deine fiep-sige Stimme verhindert, daß man dich ernstnimmt. Trainierte erkennen genau, ob ich lüge, weil meine Mimik für Mikrosekunden versagt und das wahre Gesicht entschleiert; irgendwann müssen Muskeln halt mal entspannen.
Und in so einem Forum? Wenn es hoch-kommt, sehe ich von anderen ein Foto unbewiesener Aktualität; ansonsten nur Textschnipsel. Und doch entwirft die Phantasie bald Vorstellungen vom Gegen-über.
Meldet sich am Telefon ein Anrufbeant-worter, lege ich schnell auf, wenn es

nicht gerade um einen dringenden Termin geht. Ebenso wenig kann ich mit einem Rasenstück oder Klöppeldeckchen tief-sinnig kommunizieren.
Begierig nimmt sich drum die Phantasie, was sie kriegt. Zum einen ziehen wir reale Bekannte als Template heran. Zum anderen schärft der Hunger der Sinnes-organe das "Gehör" beim Lesen. Beim entspannten Stöbern in Büchern, Kom-mentaren und Blogs spitze ich unbewußt die Augen und stoße auf einander ergän-zende Hinweise. Am Ende weiß ich ein bißchen, wem ich da antworte und mit wem ich im Hintergrund ein Schwätzchen anfangen kann oder gar eine elektrische Brieffreundschaft, wer weiß.

Ich merke mir manchmal Dinge, wo mich vier Wochen später der Betreffende kon-sterniert fragt, wie ich darauf nur käme; lustig. Bilde mir manchmal beim puren Lesen ein, die Stimme des Verfassers zu hören; ist das noch unbedenklich? Ein-mal frage ich spaßeshalber nach und bekomme meine akustische Imagination sogar bestätigt; seltsam. Und wenn ein Kommentar geht "Eh, dein Klo ist doch gar nicht so groß", dann denkt es mich kurz "Aha".
Mit der Zeit gewinne ich an Toleranz. Beschreibt etwa jemand skurille Tagträu-me und gibt vor, einen Pferdekopf zu tragen, dann wird mir wie Sommernachtstraum und ich habe kein

Problem damit, bah.
Und manchmal mache ich mir unver-langte Gedanken, wenn mir auffällt, da war eins um 2 Uhr nachts hier und früh um 9 wieder und dann am frühen Nach-mittag. Oder wenn ein Text nur leicht verfremdet von Erschöpfung und Ver-zweiflung berichtet.


So kalt und virtuell ist das alles also. Das Forum schwingt. Good good vibrations.

Was geht mich das nur an, hab ich an Bord keine Probleme?

Wer hätte die nicht.


Natürlich kommt die Neugier auf andere einmal von der Lebensnotwendigkeit, Gefahren einzuschätzen. Zum anderen gibt es den starken Trieb, einander Gutes zu tun. Oxytocin heißt die körpereigene Droge, die uns belohnt, wenn wir Mit-gefühl, Großzügigkeit und Vertrauen üben. Die 5% der Menschen, die das Hormon nicht produzieren, fallen als "Dreckskerle" aus dem Rahmen. Eigent-lich brauchen wir also keine moralische Allgewalt über uns, sie steckt in uns drin.
Dafür machen wir das. Erleichtern einander etwas den kleinen und großen Trödel da draußen. Triebhaft.

Hinzu kommt der Beifall für das Buch an sich. Ich ahne nun leise, wie Künstler nach steter Anerkennung gieren, dieser so flüchtigen Substanz. Auch Selbstzwei-fel und -bewunderung erfahre ich in Ta-schenausgabe. Hallo, reden wir hier vom Herrn Pulitzer? Nein, aber es funktio-niert trotzdem. Jedes Hobby verlangt die Balance irgendwo zwischem unbeküm-mertem Spaß und verbissenem Ehrgeiz.


Wird virtueller Bekanntschaft eine reale, dann fremdelt man zunächst überraschend. Daß man einen falschen Tag erwischte, sieht man ja nur am Dis-play nicht. Im schlimmsten Fall wider-sprechen die imaginierten Attribute den

fleischgewordenen völlig. Zudem blickt der eigene Körper verständnislos auf den aktuell herrschenden Nullpunkt; nach all der textuellen Harmonie meint er sich doch schon einiger Knutschrunden zu entsinnen.
Das Schöne an der Unsichtbarkeit ist: Erschiene ich hier live im Schlabber-pullover, die Hamsterbacken mit Scho-getten gefüllt wie jetzt gerade, ich bräuchte mit erhabenen Oden nicht erst anzutreten.

Übrigens, weiß jemand eigentlich, was mein Avatar so treibt, sobald ich mich auslogge?


Und nicht vergessen: Handys und Rechner besitzen einen Aus-Schalter ...



© 2012 Brubeckfan

 

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Hörbuch

Über den Autor

Brubeckfan
Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und das ist allermeistens.

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Bleistift 
"Nichts sehen, hören, riechen..."
Ha, das kannte ich bislang noch nicht, aber schön, es unverwässert gelesen zu haben... ...smile*
LG
Louis :-)
Vor ein paar Monaten - Antworten
Brubeckfan Danke Dir, Louis.
Die gegenwärtige Untergangsstimmung hier kann ich eben nicht verstehen.
Viele Grüße,
Gerd
Vor ein paar Monaten - Antworten
Bleistift 
Nun, die Stimmung wieder neue Geschichten zu schreiben scheint wohl im Moment bei den usern noch nicht so recht gegeben, aber ich werde hier in absehbarer Zeit sicher wieder zurückkommen und das mit all meinen alten und auch neuen Geschichten... ...smile*
LG
Louis :-)
Vor ein paar Monaten - Antworten
Brubeckfan Guckstdu Profil von Bleistift, Gunda, pekaberlin, Brubeckfan usf. -- Bücherkiste -- es gibt viel zu tun.
Vor ein paar Monaten - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Re: -
Zitat: (Original von Brubeckfan am 30.04.2012 - 16:47 Uhr)
Zitat: (Original von Honigkuchenpfe am 30.04.2012 - 16:02 Uhr)

Ich wußte, wir stimmen da überein. Du mach mal so weiter.

Doch was war das: ein vollkommen verständliches Statement aus dem Gestüt...


die welt ignoriert beinhart gebrabbel, so gebe ich mich im realen leben meistens doch auch verständlich. aber doch auch oft nicht!
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Re: -
Zitat: (Original von Honigkuchenpfe am 30.04.2012 - 16:02 Uhr)

Ich wußte, wir stimmen da überein. Du mach mal so weiter.

Doch was war das: ein vollkommen verständliches Statement aus dem Gestüt...
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe oh das mit dem Klo deutet eindeutig auf Mister Thomas hin, der ja gern Geschichten über selbiges verfasst und skurrile Tagträume in Pferdeköpfen... hmmm....
Das schöne am Internet ist es doch, dass hier jeder ein kleiner Held sein kann. Oder zumindest die Möglichkeit hat sich mit Menschen überall auf der Welt kurzzuschließen, was in der Realität nicht unbedingt funktionieren würde. So manche Persönchen hätte ich im "echten" Leben nie kennengelernt! Ob das nun gut oder schlecht ist, bleibt jedem selbst überlassen. Ich kann gut damit und mache gern weiter, für anonyme oder nicht so anonyme Leser Unverständliches zu verfassen. Das mach ich wirklich gerne.
Vor langer Zeit - Antworten
Undefiniert Re: Re: Re: Re: Soso, dumdidei -- Nachschlag -
Zitat: (Original von Brubeckfan am 29.04.2012 - 12:01 Uhr)
Jaa das ist typisch. Und so frustrierend.

So schlimm ist es nicht, wenn man erst einmal gelernt hat, ein bisschen mutig zu sein und sich selber zu vertrauen....Aber zu Beginn steht man natürlich da und denkt sich, Na super, was jetzt?
Viel schlimmer ist es, wenn ich mit meinem Strickzeug zu ihr gehe und eine frage habe und sie sagt: Na, da musst du das hier aufnehmen und so udn dann rechtsstricken und dann...." Und ich verstehe nur Bahnhof^^
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Re: Re: Re: Soso, dumdidei -- Nachschlag -
Zitat: (Original von Undefiniert am 29.04.2012 - 11:54 Uhr) Wenn ich meine Mutter frage, sagt sie: "Ach, ein bisschen davon und hiervon und dann musst du mal schauen, wie es schmeckt."

Jaa das ist typisch. Und so frustrierend.
Vor langer Zeit - Antworten
Undefiniert Re: Re: Soso, dumdidei -
Zitat: (Original von Brubeckfan am 28.04.2012 - 19:56 Uhr) Auf Schwarz hätte ich doch alle Brubeck-CDs verwettet. Ja. Doch Deine Texte schillern manchmal in Farben, die gibt's vielleicht noch gar nicht. Mach nur so weiter.
Gerd

Jaja, das hört man mir wohl an, dass ich schwarz trage. Allerdinsg vor allem, weil es unauffällig ist. Früher hab ich dann auch viel Grau getragen, aber irgendwann dachte ich mir dann: Wenn schon unauffällig, dann mach einen Stil draus. Und so wurde ich eine schwarze-Klamotten-Trägerin :-)
Ich hab aber auch noch blau und rot und lila in meinem Kleiderschrank hängen, weil ich immer mal wieder denke, ich müsse auch mal etwas farbenfrohes haben...denn das sagen mir immer alle.
Viele Grüße,
Undefiniert
Vor langer Zeit - Antworten
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