Lia liebt ihren Freund John überalles und ist seit 2 Jahren mit diesem zusammen. Sie kann sich sogar vorstellen mit ihm ihr ganzes Leben zu verbringen, so sehr liebt sie ihn. Doch als sie von einem Auto angefahren wird, muss sie erfahren, wie es ist einen Verlust zu erleben.
Mein Freund John und ich gehen in der Abenddämmerung die Straße entlang. Weit und breit fährt kein Auto. Vielleicht liegt es daran, dass wir Heute Freitagabend haben und die meisten Leute zu Hause sind. Mit ihrer Familie zu Abend essen. Fernsehen. Was auch immer.
 Mich interessiert nur mein Freund, der einen Arm um meine Schulter liegen hat. Ich liebe diesen Mann über alles. Als ich ihn kennen lernte, hatte ich ihm die kalte Schulter gezeigt. Denn John gehört zu der attraktiven Hälfte der Männer. Jede Frau, die ihm begegnet, findet ihn toll und will mit ihm ausgehen.
John und ich haben uns vor drei Jahren in einer Bar am Stadtrand das erste Mal gesehen. Ich bin in die Bar herein gekommen und sah, wie er von allen Frauen, die nicht in Männlicherbegleitung waren, umringt war. Da ich Männer nicht ausstehen kann, die sich für die besten halten, ging ich einfach an ihm vorbei und setzte mich in irgendeine Ecke.
John hat mir erzählt, dass es ihn damals sehr gekränkt hat, als ich nicht zu ihm gekommen bin. Es hat ihn neugierig gemacht, dass sich eine Frau nicht für ihn interessierte.
Deswegen hat er die anderen Fallen gelassen und mich angesprochen. Wir freundeten uns schnell an und plauderten die ganze Nacht.
Nach einem Jahr hat er mir dann seine Liebe gestanden und ich ihm meine.
Da heute unser Jahrestag ist, denke ich gerade über unser erstes Treffen nach. Ich schaue zu ihm auf und weiß auf Anhieb, dass er gerade an dasselbe denkt.
Ich lächele ihm zu. Wir überqueren die Straße, da unsere Wohnung auf der anderen Straßenseite liegt.
"Schatz, ich habe unserem Nachbar vergessen zu sagen, dass wir morgen uns nicht um seine Blumen kümmern können. Ich gehe eben rüber und sage ihm bescheid. Geh du schon einmal in die Wohnung.“, sagt John zu mir als wir gerade die Mitte der Straße erreicht haben. Ich gebe ihm schnell einen Kuss, um ihm zu bestätigen, dass er eben gehen soll. Da ich noch immer Mitten auf der Straße stehe, wende ich mich wieder in Richtung Wohnung und gehe weiter.
Plötzlich höre ich John hinter mir schreien. Ich drehe mich um und sehe ein Auto mit einem hohen Tempo auf mich zu rasen. Warum hielt das Auto nicht?
Ich mache einen Sprung nach vorne, doch ich weiß, dass es zu spät ist.
Das Auto saust auf mich zu und ich spüre, wie ich auf den Boden knalle und eine großes Gewicht über mich fährt.
Als erstes spüre ich den Schmerz nicht, aber nach wenigen Sekunden durchfährt mich ein stechender Schmerz. Der Schmerz erfüllt meinen ganzen Körper. Jede einzelne Faser meines Köpers schmerzt und das so doll, wie wenn man bei lebendigem Leibe verbrennt und dabei noch zerstückelt wird. Es tut so unglaublich weh, dass ich an nichts anderes mehr denken kann.
Warum zur Hölle tut das so weh? Was ist mit mir geschehen, dass mein Körper so schmerzt?
Ich habe keine Ahnung. Wie immer.
Ich schaue in den Himmel, der rötlich schimmert. An so einem schönen Tag liege ich verletzt von einem Auto auf der Straße und höre meinen Liebsten weinen.
Das ist schade, denke ich. John es tut mir leid.
Plötzlich bin ich so unglaublich müde. So müde, dass ich den Schmerz nicht mehr spüre. Das einzige was ich jetzt will ist schlafen.
„Halt. Du darfst jetzt nicht schlafen. Du musst wach bleiben.“
Höre ich John sagen.
John beugt sich über mich und drückt auf meinen Bauch.
Sofort entfacht der Schmerz wieder und noch schlimmer als vorhin. Der Schmerz riss mich wieder an die Oberfläche, weg aus der Schwerelosigkeit.
Er soll aufhören. Ich will doch nur schlafen.
Ich hob meinen rechten Arm und fasse ihn am Arm.
John wendet sich wieder zu mir. Ich beginne zu sprechen und versuche meine Stimme unbeschwert und sanft klingen zu lassen. Hebe eine Hand und berühre sein Gesicht.
„Lass los, John. Es schmerzt zu sehr. “
Mir verschwimmt die Sicht. Ich habe Tränen in den Augen. Denn ich weiß, dass ich John alleine lassen werde. Nur noch wenige Augenblicke habe ich mit ihm. Dann werde ich sterben, schießt es mir durch den Kopf. Doch ich habe keine Angst. Nein, dass habe ich nicht.
Ich blinzele meine Tränen weg. Ich will John noch ein letztes Mal sehen und sehe wie dieser nur den Kopf schüttelt.
"Nein, ich werde dich nicht sterben lassen, Lia!", sagt er mit belegter Stimme. Dann schluchzt er.
"Ich liebe dich und ich will dich nicht verlieren."
John.
Ich spüre die Sehnsucht in mir. Die Sehnsucht bei ihm zu bleiben. Mit ihm das ganze Leben zu verbringen. Ihn zu Küssen. Zu Umarmen. Einfach nur zu lieben.
Doch ich werde es nicht mehr können. Mein Leben ist genau jetzt vorbei. Doch eins will ich ihm noch sagen:
"John, ich liebe dich auch und ich werde dich immer lieben."
Ich lächele ihm zu.
Ich will noch so unglaublich viel sagen, aber meine Stimme versagt und meine Augen fallen zu.
Ich höre wie John nach mir schreit, aber mir kommt das so vor als sei es Kilometer weit entfernt. Die Dunkelheit, die mich umfängt, ist ruhig und schmerzlos, umso weiter ich in ihr entgleite.
Die Dunkelheit ist mir Willkommen.
Was ist das für ein Licht? Es scheint so hell. Ich bin doch gestorben oder etwa nicht? Aber wenn ich gestorben bin, warum sehe ich dann so ein helles Licht? Das Licht kommt näher und wird immer heller. Es blendet mich, obwohl ich die Augen geschlossen habe und in eine andere Richtung schaue.
Ich habe Angst. Was geschieht mit mir?
Komm ich etwa in den Himmel? Nein, ganz bestimmt nicht. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie etwas Gutes getan.
Was... ????
Ich spüre wie mich etwas in das Licht zieht. In das Licht? Ja, Nein. Ich weiß es nicht.
Nicht ich werde in das Licht gezogen, sondern das Licht kommt auf mich zu und ich spüre wie mich das Leben verlässt.                                        Â
Das Leben? Ja, es muss das Leben sein, denn ich spüre wie es aus mir weicht. Aber was ist das Leben eigentlich?
Ich weiß es nicht mehr. Ich spüre tief in meinem inneren, dass ich diese Frage früher hatte beantworten können. Aber genau in diesem Augenblick kann ich es nicht erklären, denn ich habe es vergessen.
Genauso wie ich vergessen habe, wer ich bin.
Wer bin ich und was geschieht mit mir? Wie ist mein Name? Wie bin ich hier hingekommen? Ich weiß, dass ich jemanden geliebt habe, aber wer ist das gewesen? Ich kann mich nicht erinnern. Es ist beinahe so, als ob man mir mein Gedächtnis genommen hat.
Wer zum Teufel bin ich und vor allem wo bin ich?
Ich spüre dass es etwas Wichtigeres als die beiden Fragen gibt. Etwas, dass ich vorher als sehr wichtig eingestuft habe. Etwas oder besser gesagt jemanden, den ich zurück gelassen habe. Den ich geliebt habe. Doch wer ist er?
Und was ist Liebe?
Das Wort sagt mir einiges, doch erinnern kann ich mich nicht.
Ich schlage die Augen auf und sehe mich auf einer Wolke liegen. Über mir steht ein Mann mit Flügel. Ein Engel.
Was ist ein Engel? Ich erinnere mich nicht.
Egal. Ich will Wissen, was Liebe ist und wen ich geliebt habe.
"So sehr du es auch versuchst, du wirst dich an dein altes Leben nimmer erinnern. Aber ich werde dir erklären, was Liebe ist. Liebe ist etwas, das Menschen miteinander teilen, wenn sie jemanden besonders gut leiden können.
Aber als Engel wirst du nimmer mehr Gefühle wie dieses erleben. Also gräm dich nicht, dass du dich nicht erinnerst.", sagt dieser mit seiner beruhigenden Stimme. Sie klingt einfach nur schön.
Ich stehe auf und merke, wie sich meine Flügel ausbreiten. Wunderschöne weiße Flügel. Flügel eines Engels.
"Das heißt die Liebe ist vergänglich?", frage ich diesen.
Er nickt.
Aber tief in meiner Seele, will ich noch immer lieben, doch erinnern, kann ich mich an das Gefühl nicht. Ich habe vergessen, wie man liebt und wie man fühlt. Denn ich spür nichts. Eine tiefe leere ist in mir. Eine Leere, die nie mehr gefüllt wird.
Denn mein Leben ist vorbei.