Detective Gillian Myles und ihre Kollegen müssen den Mord an einer jungen Frau aufklären. Sie wurde erstochen und in ihrer Hand wurde ein goldenes Amulett gefunden. Nichts weist auf einen Serientäter hin, doch dann geschieht ein zweiter Mord...
Detective Gillian Myles ging am Meer spazieren. Sie war eine hübsche Frau Anfang 30 mit nicht ganz schulterlangen dunklen Haaren und braunen Bambi-Augen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass sie bei der Mordkommission von New York arbeitete. Man könnte vielleicht meinen, sie wäre Architektin oder Ärztin, etwas in der Richtung. Aber sie war Polizistin. Und eben diese Gillian Myles ging früh Morgens am Meer spazieren und blickte auf das blaue Wasser. Gillian hasste das Meer. Sie hasste, hasste, hasste es. Das Geschrei der Möwen, das Rauschen der Wellen, die Sonne, die sich im tiefblauen Wasser spiegelte, all das verabscheute sie. Diese friedliche Atmosphäre war trügerisch, das wusste sie. Das Meer konnte auch dunkel sein, sehr, sehr dunkel.... Meterhohe Wellen türmten sich auf, das Meer war schwarz das einzig helle waren die Schaumkronen und das Wasser zischte und brodelte. Der Schrei eines Kindes wurde fast vollständig von den Wellen ge- schluckt. Es war vielleicht 5 Jahre alt, dieses schreiende Kind, das fast ertrank. Plötzlich tauchte ein zweites Mädchen auf, um die 15 Jahre, mit braunen Zöpfen. Und das Mädchen mit den Zöpfen schrie, „Kathryn! Halte durch, ich komme!“ Doch als sie noch etwa drei Meter trennten, erlosch der Lebenswille in ihren Augen, das kleine Mädchen hörte auf mit den Armen zu rudern und ging unter. Ein zweiter Schrei durchbrach die Nacht, diesmal war es das 15 jährige Mädchen, das schrie. Gillian blinzelte und das Bild verschwand. Darum hasste sie das Meer. Gerade als Gillian sich umwandte klingelte ihr Handy. „Ja?“-„Ich bin's“ das war die Stimme ihres Partners, Alex Spade, „Wir haben eine Leiche gefunden! Ecke 5th und 20th. Das solltest du dir anschauen.“-„ Gut, bin in 30 Minuten da.“ sagte Gillian, dann legte sie auf.
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Eine halbe Stunde später duckte sie sich unter der gelben Absperrung, die fast rund um ein Haus an der 5th Street herumführte, durch. Das Haus war eines dieser alten Gebäude, die es in New York nicht mehr so oft gab. Es war ein Mietshaus der gehobenen Preisklasse, sehr schön und sehr teuer. Detective Myles hatte sich inzwischen umgezogen und trug nun eine weiße Bluse und eine braune Stoffhose. Ihr Jackett lag noch im Auto, da es sehr warm war. Auf der anderen Seite der Absperrung , auf der stand: Police line- do not cross , wurde sie von Alex Spade empfangen. Er hatte kurzes, schwarzes, ein wenig gelocktes Haar, dunkle Augen, war um die 35 Jahre alt und nicht ganz einen Kopf größer als Gillian. Auch er trug heute kein Jackett sondern nur ein hellblaues Hemd mit Krawatte und dazu eine schwarze Hose. „Unser Opfer ist weiblich, weiß, ca. 29-30 Jahre alt.“ Sagte er während sie zu der Leiche, die unter einer blauen Plastikdecke lag, hinübergingen. „Todesursache?“ fragte Det. Myles Dr. Andrew Gordon, den Gerichtsmediziner. Er war ein Mann um die 40 , ziemlich groß, mit wasserstoffblonden Haaren, die laut ihm ihre natürliche Farbe hatten, was ihm aber niemand glaubte. „ Erstochen. Vermutlich mit einer 2-seitigen Klinge.“ sagte er sachlich. Gillian schluckte. „Und der Todeszeitpunkt?“ fragte sie weiter. „ Schwer zu sagen... die Leichenstarre hat noch nicht eingesetzt und nach der Körpertemperatur zu urteilen vor ca. 6-8 Stunden, aber sie wissen ja: genaueres kann ich erst nach der Obduktion sagen, Detectives.“-„Also gegen Mitternacht bis ein Uhr Nachts. Danke, Doc.“ sagte Det. Spade. „Oh, und wir haben das hier in der Hand des Opfer gefunden“ sagte der M.E und gab Gillian eine Art Amulett mit einem Durchmesser von ca. 3-4 cm. Auf der Vorderseite war ein Mann, der auf einem Thron saß und einen Totenschädel in der Hand hielt. Zu seinen Füßen lag ein dreiköpfiger, schwarzer Hund, dessen Schwanzspitze in einem Schlangenkopf endete. Und auf der Rückseite war ein Skelett abgebildet, das tanzend über einem, wie es schien, toten Krieger in Rüstung schwebte. „Was ist das?“ fragte Alex Gillian, die bleich geworden war. „Das ist Hades, der Gott der Unterwelt und das Skelett auf der Rückseite symbolisiert Tarnatos, den Tod. Aus der griechischen Mythologie.“ antwortete Gillian entsetzt.
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Das Präsidium war ein (relativ) neues Gebäude und die Abteilung der Mordkommission lag im 4.Stock. Ständig klingelten irgendwelche Telefone und Polizisten rannten kreuz und quer durch die Gegend. Jeder Detective besaß einen Schreibtisch auf dem sich ein Computer, ein Telefon und ein Namensschild befanden. Die Tische waren so angeordnet, dass immer zwei mit der Längsseite so aneinander geschoben waren, dass die jeweiligen Partner einander gegenübersaßen. Einzig der Lieutenant hatte ein eigenes Büro mit einem alten Mahagoni Schreibtisch, auf dem sich Papierberge türmten, und einige Urkunden und Orden hingen an den Wänden und man hatte eine wundervolle Aussicht auf eine Parkanlage und einen Teil von New York's Straßengewirr.
„Wir müssen herausfinden wer unsere Tote ist und was es mit diesem seltsamen Amulett auf sich hat, sonst können wir gleich einpacken.“ Alex saß an seinem Schreibtisch gegenüber von Gillian und spielte mit einem Rubik-Cube. Er liebte das, weil es, wie er sagte, nur ein richtig und ein falsch gab. Entweder hatten alle Würfelchen die gleiche Farbe, oder nicht. Ein dazwischen gab es nicht. Gillian selbst mochte diese Spiele nicht, mehr noch: von ihnen drehte sie durch. Sie war zwar eigentlich ein geduldiger Mensch aber von diesem Würfel wurde sie, wie gesagt, total irre. Gerade wollte sie etwas erwidern, als Det. Cody Fitzgerald (ungefähr 1,90m groß und hatte feuerrote Haare; trug immer eine Stars-and-Stripes- Fahne am Revers) mit seinem Partner Josh Scott (stammte aus Spanien und war nur ca.1,60m) aus dem Aufzug kam und beide einen sehr vergnügten Eindruck machten. Cody und Josh waren seit 2 Jahren Partner und liebten es, andere Detectives (vorzugsweise Gillian) zu nerven, was sie auch jetzt taten. Josh wedelte mit seinem Notizblock vor Gillian's Nase herum, während Cody stolz sagte: „Alle Nachbaren haben wir befragt und ihnen ein Bild unserer Toten gezeigt. Wir wissen jetzt, wer unser Opfer ist!“-„Und... wie heißt sie nun?“ fragte Gillian und wollte nach dem Notizbuch greifen. „Ne, ne.“ Blitzschnell zog Josh das Buch weg, sodass Gillian es nicht erwischen konnte. „Das war eine schwierige Aufgabe die wir nur durch unsere ungeheuere Intelligenz und unserer harten Hartnäckigkeit zu lösen vermochten“ prahlte Cody. „Genau“, pflichtete Josh ihm bei, „Ohne uns würde der ganze Laden den Bach runtergehen, die Welt würde im Chaos versinken....“-„ hm. Jungs....“ fiel Det. Myles ihnen ins Wort. Die beiden waren tolle Polizisten, aber manchmal machten sie Gillian einfach wahnsinnig. „Ach menno, wäre ein kleines Dankeschön zu viel verlangt? Na schön. Ihr Name ist Tina Jefferson, 31, Psychologin. Wohnt in dem Haus, vor dem wir sie gefunden haben. Verheiratet mit Greg Jefferson, 35, 2 Kinder. 7 und 9 Jahre alt, beides Jungs.“-„ Na also, geht doch. Wo ist ihr Mann?“ „Bei der Arbeit. Er ist Makler, hat ein Büro in der Jackson Avenue. Er weiß es noch nicht.“ „Dann besuchen wir ihn mal.“ sagte Gillian, stand auf und nahm einen Notizblock von ihrem Schreibtisch. „ Alex! Was ist? Kommst du?“-„ Schon unterwegs!“ Er legte seinen fertigen Cube auf den Tisch und zwinkerte seinen beiden Kollegen zu, als er deren erstaunten Gesichter sah. „Bis später!“ Dann lief er Gillian hinterher.
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„ Mr Jefferson?“ „ Ja bitte?“ „Detectives Myles und Spade,NYPD. Wir müssen ihnen etwas sehr trauriges mitteilen. Wir haben ihre Frau heute morgen ermordet vor ihrem Haus aufgefunden. Es tut uns sehr leid. Aber wir müssten ihnen trotzdem einige Fragen stellen, wenn das in Ordnung ist.“ „Kom- kommen sie mit in mein Besprechungszimmer.“ Er wirkte geschockt und irgendwie betäubt, als könne er das, was er eben gehört hat, nicht fassen. Das Besprechungszimmer war ein heller, großer Raum mit Blick auf die Straße. An den Wänden hingen einige Landschaftsgemälde und in der Mitte standen rund um einen (sehr teuren) Glastisch vier schwarze Ledersessel. Greg Jefferson lies sich auf einen der vier sinken, Gillian setzte sich ihm gegenüber und Alex nahm auf dem Sessel links von Gillian Platz. „ Sie-sie ist wirklich tot?“ „Ja. Nochmal herzliches Beileid“ „Wann haben sie denn ihre Frau zum letzten mal gesehen?“ „Ich weiß nicht genau... ich denke gestern. So gegen halb neun. Sie hat die Kinder ins Bett gebracht und ist dann noch mit einer Freundin etwas trinken gegangen. O Gott! Die Kinder!“ Er blickte auf seine Uhr. Eine Rolex, wie Gillian bemerkte. „In einer Stunde muss ich sie von der Schule abholen. Eigentlich wäre heute Tina an der Reihe gewesen aber jetzt...“ Greg machte eine Pause und schluckte einige Tränen hinunter. „ Und sie haben sich heute morgen nicht gewundert, warum Tina noch nicht da war?“ „Nein. Ich...also das macht.....machte sie ab und zu. Bei einer Freundin übernachten, meine ich.“ „ Hatte ihre Frau irgendwelche Feinde?“ „Feinde? Nein. Nie im Leben. Vielleicht mochten einige Leute sie nicht, sie hatte eine sehr eigene Art die nicht allen gefiel, aber Feinde hatte sie keine.“ „Wissen sie, wie diese Freundin heißt bei der ihre Frau übernachtet hat?“ „Ähm, Leila, Leila Simmons.“ „ Mr Jefferson, ich muss sie das jetzt fragen: Wo waren sie heute zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens?“ „ Im Bett. Ich hab geschlafen und auf die Jungs aufgepasst.“ „Kennen sie diesen Anhänger?“ Alex legte das in einer Plastiktüte verpackte Amulett auf den Tisch. Greg nahm es in die Hand, schaute es sich an, drehte es um, dann schüttelte er den Kopf und gab Alex die Tüte zurück. „ Das habe ich nie gesehen und ich glaube auch nicht, dass es Tina gehörte. Sie besaß so gut wie keinen Schmuck.“ „ Vielen Dank! Das wäre dann vorerst alles. Wenn ihnen noch etwas einfällt, melden sie sich bitte bei uns.“ Gillian und Alex standen auf und Gillian legte ihre Visitenkarte auf den Tisch. Dann gaben ihm beide die Hand und verliessen das Büro.
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Eine Stunde später standen alle vier Detectives im Präsidium vor dem sogenannten murder board, einem Brett auf dem alle Daten des Falles aufgeschrieben und gegebenenfalls Bilder des Opfers aufgehängt wurden. Nun konnten die Ermittler mit Edding Pfeile einzeichnen, Personen miteinander verbinden, Verdächtige hinzufügen... und dachten nach. „Ich glaube nicht, dass ihr Mann sie getötet hat.“ meinte Alex. „ Und was macht sie da so sicher?“ das war Lt. John Coleman, ihr aller Herr und Gebieter, wie Cody immer sagte. Coleman war ca. 50 Jahre alt, immer gut gekleidet und musste von Natur aus ständig alles hinterfragen, was einem manchmal tierisch auf die Nerven gehen konnte. „ Ich, ich weiß nicht, Boss. Es ist nur... sie wissen schon, so ein Gefühl.“ stotterte Alex etwas verlegen. Das Läuten des Telefons auf seinem Schreibtisch erlöste ihn aus dieser peinlichen Lage. „Mhm, alles klar. Verstanden. Wir sind auf dem Weg.“-„Auf dem Weg wohin?“ wollte Gillian wissen. Alex antwortete: „Das war der Doc. Er will uns sofort sprechen und uns etwas zeigen.“-„Und was ist mit uns?“ das war Josh. „Ihr könntet ja solange mal eure harte Hartnäckigkeit einsetzen und diese Freundin des Opfers ausfindig machen und sie besuchen.“ schlug Gillian vor. Normalerweise hätte Cody jetzt einen bissigen Kommentar abgegeben, aber im Beisein seines Chefs traute er sich nicht. Stattdessen sagte er nur: „Ok, machen wir.“-„Na dann viel Vergnügen“ Der Lieutenant drehte sich um und marschierte zurück in sein Büro. „Also los!“
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Das Gebäude in dem die Gerichtsmedizin untergebracht war, lag ca. 25 Minuten Fahrzeit vom Polizeipräsidium entfernt und als Gillian und Alex ankamen und die kalten Flure bis zur Leichenhalle entlang gingen kam ihnen Dr. Gordon bereits entgegen: „Das hat ja eine Ewigkeit gedauert! Ein Wunder, dass sie überhaupt schon mal irgendeinen Täter gefasst haben, so langsam wie sie sind.“ „Entschuldigung das wir uns nicht her beamen konnten aber die Wissenschaft ist, so weit ich weiß, noch lange nicht so weit, also müssen sie sich wohl damit abfinden etwas auf uns zu warten.“ gab ihm Alex zurück.“-„Was war denn jetzt so dringend?“ wollte Gillian wissen. „Kommen sie mit!“ Als sie vor der Leiche von Tina Jefferson standen, schlug Gordon das weiße Laken zurück, mit dem sie bedeckt gewesen war, und Gillian fiel auf, wie hübsch Tina gewesen war. Dann sah sie unterhalb von ihrem Hals ein paar seltsame Symbole und brauchte einen Moment bis sie wusste was es war: „ Sind das griechische Buchstaben?“-„ Exakt, Detective. Es sind drei Stück: ?ρα. Also ein Eta, ein Rho und ein Alpha. Und das bedeutet...“-„...Hera. Die Gattin des Zeus und Hüterin der Familien.“ beendete Gillian seinen Satz. Beide Männer sahen sie erstaunt an. Alex fand als erster seine Sprache wieder: „Woher weißt du das alles?“-„Ist doch unwichtig. Haben sie sonst noch etwas gefunden?“ wechselte sie schnell das Thema.„ Die Buchstaben wurden ihr post-mortem, schätzungsweise mit Filzstift, an den Hals gezeichnet. Wir haben keine DNA-Spuren gefunden, kein Haar, nichts. Nicht mal eine fremde Hautschuppe. Sie ist verblutet an der Wunde, die der Täter ihr zugefügt hat. Aber die Tatwaffe war kein Messer. Es war ein kleines Schwert, auch Xiphos genannt, wie sie die Soldaten des Alexander oder die spartanischen Krieger in der Antike besessen haben. Da die Klinge fast senkrecht in ihren Leib eingedrungen ist, muss sie am Boden gelegen haben und der Täter muss direkt über ihr gestanden haben. Außerdem kann ich sagen, dass sie mindestens 2 Stunden vor ihrem Tod mit Chloroform betäubt wurde. An ihren Händen sind Ligatur Spuren. Nach dem Muster zu urteilen Eisenketten oder so was in der Art.“-„ Soll das heißen es war ein Ritualmord?“ kam es von Alex „ Ja, das könnte sein. Auf jeden Fall war es ein geplanter Mord.“-„Danke Doktor! Wenn sie doch noch irgendetwas finden...sie wissen schon...“-„Melde ich mich bei ihnen. Keine Sorge.“
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Als sie im Auto saßen und zurück zum Präsidium fuhren hielt Alex es nicht mehr aus: „Warum weißt du so viel über diese Sachen?“-„Welche Sachen?“-„Komm schon, Gill! Du weißt genau was ich meine.“ Gillian seufzte. „Na schön. Mein Vater hat mir immer diese Geschichten erzählt als ich kleiner war und nachdem er uns dann verlassen hatte, habe ich sie meiner kleinen Schwester weiter erzählt. Sie hat diese Sagen geliebt. Besonders gefielen ihr Geschichten von Herkules, der, der so unglaublich stark war.“-„ Deine Schwester, sie ist tot, nicht wahr?“ Gillian lächelte traurig und sah aus dem Fenster. „Ja, das ist sie. Seit 15 Jahren.“ „Wow, das ist ja ein kranker Mensch der so etwas tut!“ sagte Cody als alle eine Stunde nach Feierabend noch im Revier saßen, um sich gegenseitig auf den neuersten Stand zu bringen. „ Ja, das ist er vermutlich.“ entgegnete Gillian. „ Und was sagt die Freundin?“ wollte Alex wissen. „Nicht viel. Sie sagt Tina und sie seien um neun in einer Bar verabredet gewesen, dann haben sie sich wegen irgendetwas gestritten- sie wusste nicht mehr weswegen- und Tina hat die Bar gegen viertel nach zehn verlassen.“-„ Da hat der Mörder wohl schon auf sie gewartet.“ vermutete Gillian. „Wahrscheinlich. Aber es bringt nichts sich noch weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. Wir müssen den Fall ja nicht heute Nacht lösen.“-„ Find ich auch!“ stimmte Josh ihm zu. „ Dann bis Morgen!“ sagte Cody und verließ gemeinsam mit Josh das Büro. Alex stand auf. „ Bis Morgen Gill. Und tut mir leid wegen vorhin...“ „ Schon in Ordnung. Gute Nacht!“-„ 'Nacht!“ dann war Alex auch weg. Gillian schaute noch einen Moment auf das murder board, dann stand sie auf, nahm aus der Akte ein Bild von Tina Jefferson, schob es in ihre Tasche und verließ ebenfalls das Büro.
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Als Gillian am nächsten Tag auf das Revier kam, gekleidet in eine braune Bluse und Jeans, saß Alex schon an seinem Schreibtisch und tippte etwas in seinen Computer. „ Hey! Was machst den du schon hier?“ begrüßte sie ihn und stellte ihm eine von den beiden Tassen mit Kaffee, die sie in der Hand hielt, hin. „ Morgen Gill! Danke! Ich überprüfe gerade die Patienten von Tina Jefferson, vielleicht hat ja einer von ihnen Dreck am Stecken.“-„Gute Idee.“ lobte ihn Gillian und nahm einen Schluck aus ihrer dunkelblauen Kaffeetasse. Auch Alex trank einen Schluck und als der Computer ein Peep! von sich gab, lies Alex fast seine Tasse fallen und wandte sich sofort dem Bildschirm zu. „Bingo! Rupert James. Vorbestraft wegen Körperverletzung. War bei unserem Opfer seit einem halben Jahr in Therapie wegen seiner Wutanfälle.“-„Das ist doch mal ein Ansatz. Wo wohnt er?“-„ Jersey Street.“-„ Na dann nichts wie los!“ Als sie im Erdgeschoss aus dem Aufzug stiegen (wieder einmal hätte Gillian lieber die Treppe genommen) kam ihnen Cody entgegen. „ He, wo wollt ihr denn hin?“-„ Ich wünsch dir auch einen guten Morgen“ sagte Gillian gelassen. Da gesellte sich auch Josh zu ihnen und Alex antwortete: „ Zu einem Patienten unseres Opfers“-„Cody, und wir könnten doch mal schauen, wo es solche komischen Schwerter gibt mit dem das Opfer erstochen wurde.“ schlug Josh vor. „Guter Plan! Wir sehen uns dann später“ sagte Cody und die beiden stiegen in den Aufzug während sich Alex und Gillian auf den Weg zur Jersey Street machten.
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„Es tut mir nicht leid, dass sie jetzt tot ist aber umgebracht habe ich sie sicher nicht!“ empört sprang Rupert James von seinem Stuhl auf. „Wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Wo waren sie denn in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch zwischen elf und ein Uhr?“ „Im Bett.“ sagte er, während er sich wieder auf seinem Stuhl niederliess. „Kann das irgendwer bezeugen?“ „Nein.“ „Wann haben sie Mrs Jefferson zum letzten mal gesehen?“ „Vor drei Tagen. Ich hatte einen Termin bei ihr.“ „Ist an dem Tag irgendetwas ungewöhnliches passiert?“ „Ja. Sie hatte Streit. Mit ihrem Mann.“ „Worum ging es bei dem Streit?“ „Ich habe nur Bruchstücke gehört: Mistkerl...Scheidung...Beste Freundin... und der Name Leila „Vielen Dank Mr James. Sie haben uns sehr geholfen.“
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„ Also heißt das Jefferson, hatte eine Affäre mit der besten Freundin unseres Opfers?“ fragte Josh nachdem alle wieder im Revier waren und sich um den Tisch von Det. Myles versammelt hatten. „ Ja. Und außerdem wollte Tina sich scheiden lassen.“ fügte Gillian hinzu, nahm sich eine grüne Gummibärchen-Schlange aus der Schale, die zwischen ihrem und Alex's Tisch stand. „Was habt ihr eigentlich über die Schwerter herausbekommen?“ meldete Alex sich zu Wort. „ Interessante Geschichte! Es wurden nämlich nur wenige Schwerter gefunden und die sind heute alle in Museen auf der ganzen Welt verteilt. Das bedeutet, der Täter muss sich eines nachgemacht haben oder lassen, was wiederum bedeuten würde, dass unser Täter sich mit so etwas auskennt. „Moment mal!“ Gillian steckte sich den Rest ihrer Schlange in den Mund und blätterte in einer Akte „ Hier!“ rief sie dann triumphierend aus, „Leila Simmons ist Archäologin. So könnte sie an ein Schwert gekommen sein.“-„Lassen sie beide abholen und bringen sie sie her zum Verhör.“ befahl Lt Coleman. „Machen wir Boss!“ sagte Alex und nahm den Telefonhörer in die Hand. Eine Stunde später saßen die zwei Verdächtigen in den beiden Verhörräumen und die vier Detectives beobachteten sie von dem Überwachungszimmer aus. Die beiden Räume waren identisch. Ein grauer Tisch in der Mitte des hellen Zimmers, dazu vier Stühle und über dem Tisch hing eine Neonröhre. Der Beobach- tungsraum war das glatte Gegenteil zu ihnen. Es war dunkel, damit man besser durch den Einwegspiegel sehen konnte und an der Wand neben dem Spiegel hing ein kleiner Lautsprecher. Bis auf einen Tisch und ein paar Stühle war auch dieser Raum völlig leer. Kurz: Alles sah fast so aus, wie man es aus diesen amerikanischen Fernsehkrimis wie Castle oder Cold Case kennt. „ Alex und ich nehmen Jefferson und ihr Ms Simmons.“ ordnete Gillian an. „Alles klar. Dann los!“ sagte Cody und öffnete die Tür zu Interrogation-Room B.
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„ Mr Jefferson, sie haben uns belogen. Sie hatten eine Affäre mit Leila Simmons, nicht wahr?“ „ Woher wollen sie das wissen?“ „Bitte beantworten sie die Frage.“ „ Ja, das hatte ich. Seit einem halben Jahr. Als sie es herausgefunden hatte, haben Tina und ich uns furchtbar gestritten aber an ihrem Todestag haben wir uns wieder vertragen. Ich sagte ihr, dass ich mit Leila Schluss gemacht hatte und sie hat mir verziehen.“ „ Hat sich ihre Frau deshalb am Abend mit Leila getroffen?“ „Ja. Aber als sie nicht gekommen ist habe ich gedacht, sie hätten sich wieder vertragen.“ „ Woher wusste ihre Frau überhaupt von ihrem Verhältnis?“ „ Einmal hatte uns unser ältester, Ray, erwischt und es anscheinend Tina erzählt .“ „ Danke Mr Jefferson. Das wäre vorerst alles.“
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„Leila bestätigt Jefferson's Aussage. Er hätte sich mit Tina versöhnt, aber als sich sie und Leila trafen, hatten beide doch einen Streit und Tina ist aus der Bar gestürmt und das war das letzte mal, dass Leila sie gesehen hat.“ Alle vier Detectives hatten sich wieder im Beobachtungsraum versammelt und berieten, was weiter zu tun sei, als die Tür sich öffnete und der Lieutenant sagte, er möchte sie alle sofort in seinem Büro sehen. Sein Tonfall machte allen deutlich, dass es sich um eine sehr, sehr ernste Angelegenheit handeln musste. „Was ist denn passiert?“ fragte Gillian als sie alle im Büro waren. „ Ein Mord. Gleiche Vorgehensweise. Man hat bei der Leiche das- selbe Amulett entdeckt wie bei Tina Jefferson.“-„Scheiße!“ entfuhr es Alex. „ Allerdings.“ bestätigte der Lieutenant, „Das Opfer ist ebenfalls weiblich und ca. 30 Jahre alt und wurde auch vor ihrer Wohnung abgelegt. Ein Ein-Zimmer Apartment in der 14th.“-„ Wir machen uns sofort auf den Weg.“ sagte Gillian schnappte sich einen Notizblock und ihren Partner und lief mit ihm zu ihrem Auto.
„Hey, Gill!“, rief ihr Alex am nächsten Morgen entgegen, „Wir haben den Anruf doch noch orten können.“ Nachdem Hades gestern aufgelegt hatte, hatten sich sofort spezielle Techniker mit dem Anruf befasst und Gillian und ihre Kollegen waren Heim geschickt worden, da sie sowieso nichts hätten tun können. Gillian hatte allerdings kaum geschlafen und ihre Haare waren nicht offen, sondern zu einem kleinen Schwänzchen zusammengebunden aus dem sich kleine Strähnen lösten. „Und wo?“ fragte sie. „Du wirst es für unmöglich halten....“-„ Die Messlatte für unmöglich liegt im Moment ziemlich weit oben.“-„Hier im Präsidium.“-„Was?!?“ fragte Gillian. „Ja, so habe ich auch geschaut, als ich es erfahren hab.“ sagte Alex und grinste. Dann fuhr er fort: „Ich kann mir das nur so erklären: Er musste uns ja beobachten und das ging am besten hier im Büro. Aber was ich nicht verstehe ist: niemand hat einen Zivilisten am Schalter vorbeigehen sehen, wie ist er dann hier rein gekommen?“-„Als Polizist!“ rief Gillian aus, „Er muss eine Polizeiuniform angehabt haben. Entweder hat er die geklaut oder er ist wirklich Polizist. Wir müssten uns die Bänder der Überwachungskamera am Eingang besorgen.“ ergänzte sie. „Okay, ich frag gleich mal nach.“ sagte Alex und stand auf. Gillian setzte sich auf die Kante ihres Schreibtisches und sah sich das murder board noch einmal an, als Cody aus dem Büro des Bosses kam und sie ernst anblickte. „Wir haben ein Problem, noch eine Leiche.“ Gillian sah ihn erschrocken an und er fuhr fort:„ Emma Swan, 29 Jahre, Model.“-„Was? Ein Model? Gleiche Vorgehensweise?“ fragte sie. „Ja. Fahren wir?“ wollte Cody wissen. „Ich sag nur schnell Alex bescheid.“ antwortete sie.
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Als sie im Apartment der Toten ankamen, wartete schon Dr Gordon auf sie: „Detectives!“ Gillian bemerkte, dass er nicht wie üblich 'Guten Morgen' gesagt hatte, aber heutige war auch alles andere als ein guter Morgen. „ Erstochen wie unsere anderen Opfer. Todeszeitpunkt ebenfalls zwischen Mitternacht und eins.“ informierte der Doktor sie. „Sie hat ja ein Cocktailkleid an. War sie vorher noch auf einer Party?“ fragte Gillian. „Ich überprüfe das!“ bot Josh an und verschwand aus der Wohnung. „Und welche Buchstaben stehen auf ihrem Hals?“ wollte Alex wissen. „?φροδ?τη. Ein Alpha , ein Rho.....“- „Aphrodite. Die Göttin der Liebe und Schönheit.“ fiel ihm Gillian ins Wort. Gordon nickte. „Ja. Genau.“- „Wissen wir, ob sie Familie hatte?“ wandte sich Alex an Cody. „ Ja, einen Mann. Keine Kinder.“ antwortete der. „Könnt ihr zu ihrem Mann fahren?“ fragte Gillian. Da kam Josh zurück und sagte: „Na klar, aber ihr besucht dann ihren Chef, den Modedesigner Mr James Perry.“ Cody klappte die Kinnlade herunter. „DER James Perry?! Alex, pass bloß auf, wenn ihr da seid! Nicht das Gill noch irgend ein Kleid von dem haben will. Meine Freundin wollte mal, dass ich ihr einen Rock von Perry kaufe und meine Kreditkarte hat darunter sehr gelitten.“-„Wie viel?“ wollte Alex wissen. Cody flüsterte es ihm ins Ohr. Alex wurde bleich und erstarrte. Gillian schüttelte genervt den Kopf, packte Alex am Handgelenk und zog ihn mit sich zur Tür hinaus.
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„Was, sie ist tot?“ wollte James Perry wissen. „Ja. Es tut uns sehr leid, Mr Perry.“ „Dabei sollte sie doch der Höhepunkt meiner heutigen Show werden.“ „Ist ihnen in der letzten Zeit etwas ungewöhnliches an ihr aufgefallen?“ „Nein, nicht das ich wüsste. Aber fragen sie doch ihre beste Freundin. Cheryl Fields. Die da drüben in dem gelben Abendkleid.“ „Danke Mr Perry.“ Dann eilte der Modeschöpfer davon und traf letzte Vorbereitungen für seine Show am Abend. Überall liefen junge, hübsche Mädchen in ausgefallenen Kleidern umher und Alex wusste gar nicht, wohin er zuerst schauen sollte. Als sie bei Cheryl ankamen, sagte Gillian: „Ms Fields? Detectives Myles und Spade, NYPD.“ „Was ist denn passiert?“ „ Emma Swan ist heute morgen ermordet aufgefunden worden.“ „Oh, Gott! Emma! Wie...Wissen sie schon, wer sie...“ „Nein, deshalb sind wir hier. Ist vielleicht in der letzten Zeit etwas merkwürdiges passiert oder hat sich Emma seltsam verhalten?“ „Nein, ja, vielleicht, ich weiß nicht. Wir waren wegen der Show heute alle ziemlich aufgeregt, auch Emma.“ „Wann haben sie sie denn zuletzt gesehen?“ „Gestern Abend. Es fand noch eine Party statt, aber Emma ist früher gegangen, weil es ihr nicht so gut ging.“ „Wissen sie noch wann das war?“ „ Ich denke so gegen neun oder halb zehn. Ich bin fast bis eins geblieben.“ „Ist Emma nach Hause gelaufen oder hat sie ein Taxi genommen?“ „Weder noch. Ihr stand eine von fünf Limousinen zu.“ „Und der Fahrer hat sie direkt zu ihrer Wohnung gefahren?“ „Das sollte er jedenfalls.“ „Haben sie den Chauffeur gesehen?“ „ Ja, ich hab Emma ja mit nach draußen begleitet. Denken sie, der Fahrer hat etwas mit ihrem Tod zu tun?“ „Das wissen wir nicht. Könnten sie uns auf das Präsidium begleiten um ein Phantombild zeichnen zu lassen?“ „Natürlich, aber ich müsste pünktlich zur Show wieder hier sein.“
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„Der Ehemann weiß gar nichts.“ sagte Cody, als er und Josh aus dem Aufzug stiegen und zu Gillian hinübergingen. „Er hat seine Frau um sechs Uhr abends das letzte Mal gesehen, bevor sie zu einer Party gegangen ist.“ fuhr er fort. „Das deckt sich mit der Aussage der Freundin.“ meinte Gillian. „ Oh, und der Mann hat bei einem Autounfall letztes Jahr sein eines Bein verloren.“-„Das bedeutet, er humpelt?“ unterbrach ihm Gillian. „Ist das wichtig?“ wollte Josh wissen. „Kann man so sagen. Aphrodite war mit Hephaistos verheiratet und der hinkte, weil seine Mutter, Hera, ihn als Baby vom Olymp geworfen hatte.“ antwortete Gillian. „Was machst du da eigentlich?“ fragte Cody sie. „Ich überprüfe gerade, wie viele Limousinen für den gestrigen Abend von James Perry gemietet wurden und wer sie gefahren hat. Unser Opfer Nummer drei ist nämlich in eine Limo gestiegen und danach hat sie keiner mehr lebend gesehen.“ informierte sie Gillian. Da kam Alex aus dem Verhörraum und wedelte mit einer Zeichnung. „Hier die Skizze unseres Fahrers.“ sagte er und hängte sie unter dem Punkt Suspects an das murder board. „Was hat Cheryl gesagt, wie viele Limousinen standen zur Verfügung?“ fragte Gillian an Alex gewandt. Der antwortete: „Fünf. Sie hat gesagt, es waren fünf.“- „Und wieso sind dann auf den Bildern der Überwachungskamera sechs Limos zu sehen?“ Alex ging um ihren Schreibtisch und stellte sich hinter sie, um auf den Computerbildschirm zu schauen. „Tatsächlich. Es sind wirklich sechs Stück.“ sagte er dann. „Unser Mörder muss sich eine ausgeliehen haben und hat Emma dann nach der Party abgefangen.“ überlegte Gillian. „ Moment mal. Auf dem Bild hier sieht man den Cauffeur.“ sagte Alex und zeigte auf den Bildschirm. Gillian öffnete ein zweites Fenster an dem Computer und ging auf die Homepage des Limousinenverleihs. „Hier, eine Kartei aller ihrer Angestellten Fahrer mit Bildern.“ meinte sie dann. „Hey! Der Doc hat doch vorige Woche damit geprahlt, eine neue Software gekauft zu haben, ihr wisst schon, so eine, wo man ein Bild des Verdächtigen einspeist und der Computer die Datenbank nach dem Gesuchten absucht. Wir könnten also das Bild unseres Limo-Fahrers mit denen aus dem Internet vergleichen und wenn wir keine Über-einstimmung finden, wissen wir, dass das Hades sein muss.“ sagte Cody. „Perfekt! Ihr geht zu Gordon und Alex und ich befragen die anderen Chauffeure.“ meinte Gillian. „Okay. Komm schon Josh!“ rief Cody, der fast am Aufzug war.
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Am Abend trafen sich die vier Detectives wieder im Büro. „ Und habt ihr was rausgekriegt?“ fragte Josh Alex und Gillian, die gerade aus dem Aufzug stiegen. „Nichts, was wir nicht sowieso schon wissen, und ihr?“ gab ihm Alex zur Antwort. „Und ob wir was gefunden haben!“ sagte Cody stolz und gab den beiden eine Akte. „Darf ich vorstellen: Eric Raynold, 38 Jahre. Seine Mutter wurde ermordet als er fünf war und danach kam er zu Pflegefamilien.“-„ Und wie seid ihr auf ihn gekommen? Der sieht auf den ersten Blick nicht wie ein gefährlicher Killer aus.“ fragte Gillian. „ Als er 17 war, hat er das Haus seiner Pflegeeltern angezündet. Die Eltern und zwei andere Pflegekinder, 5 und 3 Jahre, waren noch im Haus. Es ist niemand getötet worden und Eric war deswegen nicht im Knast, aber es wurde in seiner Akte vermerkt und er ist zu Sozialstunden verurteilt worden. Außerdem hat er Ähnlichkeit mit unserem Limousinen- Fahrer. Heute arbeitet er als Touristen-führer in einem Museum für....griechische Kunst!Wir haben dort schon angerufen, aber er hat sich zwei Wochen Urlaub genommen, seit Montag.“ sagte Cody. „Und am nächsten Tag wurde Tina Jefferson getötet. Das ist unser Mann!“meinte Alex. Da kam ein junger Polizist: „Det. Myles. Das hier wurde unten am Empfang für sie abgegeben.“ Er reichte ihr einen Umschlag und ging wieder. „Danke!“ rief Gillian ihm hinterher und begann den Brief zu öffnen. Währenddessen fragte Josh in die Runde: „Aber er war so clever. Er hat nicht eine Spur zurückgelassen. Und warum geht er dann ein solches Risiko ein, als er sich unser Model schnappt?“ Cody sagte: „Ich weiß auch nicht, vielleicht...“ doch Alex unterbrach die beiden: „Gill? Was ist denn los?“ Gillian saß an ihrem Schreibtisch und hielt etwas in der Hand. Ihr Gesicht war kreidebleich geworden. Alex ging zu ihr hinüber und als er sah, was Gillian in der Hand hielt, setzte sein Herz für einen Schlag aus. Auf ihrer geöffneten Hand lag ein goldenes Medallion.
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„Sie bekommen ab sofort Personenschutz!“ ordnete der Lieutenant an, als sie wenig später in seinem Büro stand. „Sir, aber ich...“-„Keine Wiederrede!“ Gillian schluckte und schwieg. Alex wechselte das Thema: „Welche Göttin könntest du sein? Wie viele sind denn überhaupt noch übrig?“ Und Gillian antwortete: „Zwei. Pallas Athene, die Göttin der Weisheit und des Sieges und Artemis, die Göttin der Jagd. Aber ich weiß nicht, wer ich seiner Meinung nach sein soll.“- „Das wird warten müssen, fürchte ich,“ das war Cody, der zur Tür hereingekommen war, „Er ist wieder in der Leitung und möchte dich sprechen, Gill.“ Gillian und Alex sahen sich erschrocken an. Dann ging sie, gefolgt von Alex und Coleman zu ihrem Schreibtisch. Sie legte eine Hand auf den Hörer, schloss die Augen und atmete tief durch, dann hob sie ab: „Ja.“ „ Guten Abend, Detectives. Wie ich sehe, sind wieder einmal alle versammelt.“ „Hören sie mit den Spielchen auf, Eric! Was wollen sie?“ „Summa cum laude, Detective! Sie wissen jetzt, wie ich heiße, aber weder wer ich bin noch wo ich bin.“ „Ach ja? So wie sie sich beim letzten Mal als Polizist verkleidet haben?“ „Ist eigentlich mein kleines Geschenk schon bei ihnen angekommen? Natürlich ist es das.“ „Wieso haben sie diese drei Frauen umgebracht? Sie haben ihnen doch gar nichts getan.“ „ Ich melde mich bald wieder bei ihnen und denken sie daran: Ich bin immer noch auf der Jagd.“ dann legte er auf. „Dieser Mistkerl!“ Cody schüttelte sich. „Wenigstens wissen wir jetzt, wen wir suchen müssen.“ meinte Josh. Gillian setzte sich auf die Kante ihres Schreibtisches und runzelte die Stirn. „Was ist den, Gill?“ fragte Alex. „Was hat er damit gemeint, er sei immer noch auf der Jagd?“ fragte sie in die Runde. „Keine Ahnung,“ gab der Boss zu, „aber das finden sie morgen heraus. Sie fahren jetzt erstmal alle nach Hause und vor ihrer Wohnung, Gillian, habe ich schon zwei Wachen postiert.“ Sie wollte etwas erwidern, doch als sie den Blick des Lieutenant sah, seufzte sie und nickte. „Gut! Dann bis Morgen.“ Der Boss drehte sich um und spazierte wieder in sein Büro.
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Gillian saß in ihrer Wohnung auf dem Sofa und las ein Buch. Einen Krimi um genau zu sein. Matthew Hook, Verflucht, Jenny Wax's vierter Fall, stand auf der Vorderseite. Sie liebte die Bücher von Hook. Der lebte sogar auch in New York, allerdings in Manhattan. Ihr Wohnzimmer war gemütlich eingerichtet mit einer schönen alten Couch, einem kleinen Tischchen und vor dem Sofa stand ein Fernseher mit DVD-Player, der aber jetzt ausgeschaltet war. Außerdem stand im hinteren Teil des Zimmers ein Esstisch mit 4 Stühlen und danach kam man direkt in die Küche. Plötzlich hörte Gillian ein Knarren vor der Wohnungstür. Leise stand sie auf, ging zur Tür hinüber und nahm aus der obersten Schublade einer Kommode ihre Waffe und schlich weiter. Bei der Tür angekommen öffnete sie vorsichtig die Sicherheitskette und sah durch den Späher. Sie seufzte erleichtert und machte die Tür auf. „Mann, Alex hast du mich erschreckt!“ aber ihre Stimme klang nicht verärgert, sondern erleichtert. „ Hi! Entschuldigung, aber denkst du wirklich ich würde dich allein lassen, wenn da draußen irgend so ein Wahnsinniger rumläuft, der dich umbringen will?“ sagte Alex. „ Komm schon rein!“ Gillian stieß die Tür weiter auf, drehte sich um und ging wieder in die Wohnung. Alex folgte ihr und zog die Tür hinter sich zu. „Wo sind eigentlich die Kollegen von der Streife, die auf dich aufpassen sollten?“ fragte er und gab Gillian eine Einkaufstüte, die er dabeigehabt hatte. „Die hab ich weggeschickt. Ich hab 'ne Waffe und kann schon selber auf mich Acht geben. Schließlich bin ich ein großes Mädchen.“ Sie warf einen Blick in die Tüte. „ Mhm, lecker. Dann gibt es heute also Spagetti mit Tomatensauce? Ich koche und du darfst den Tisch decken und hinterher abspülen“ meinte Gillian lachend. „Wenn's sein muss.“ Da fiel sein Blick auf das Buch, welches immer noch auf dem Sofa lag, „ He, seit wann liest du denn zu Hause auch noch Krimis? Ich könnte das nicht, wenn ich mich sowieso schon den ganzen Tag mit Verbrechern rumschlagen muss!“-„Tja, ich mag halt Krimis! Frag nicht so viel und deck lieber mal den Tisch. Teller und Besteck sind im zweiten Schubladen von dem Schrank da.“ antwortete ihm Gillian. 2 Stunden später saßen beide auf dem Sofa und tranken noch ein Glas Rotwein, den Alex mitgebracht hatte. „Und du willst heute Nacht wirklich hier bleiben?“ fragte sie ihn. „Klar, warum nicht. Ich mach's mir hier auf der Couch bequem und pass auf, dass dir nichts passiert.“ sagte Alex. „Du bist doch auch komplett durchgeknallt!“ Gillian schüttelte den Kopf. „ Soll ich dir wenigstens noch eine Decke bringen?“ Als Alex verneinte fügte sie hinzu: „Na dann gute Nacht! Ich bin hundemüde.“ Sie stand auf, stellte ihr fast leeres Weinglas auf den Tisch. „Schlaf gut, Gill, und morgen schnappen wir uns den Mistkerl!“ entgegnete Alex. Gillian war schon fast aus dem Zimmer gegangen, da drehte sie sich noch mal um, lehnte ihren Kopf gegen den Türrahmen und sah Alex direkt in die Augen. „ Danke.“-„Wofür?“ -„Dass du mich nicht allein lässt.“ Alex lächelte: „Für dich immer.“ Gillian lächelte vorsichtig zurück. „Dann...dann Gute Nacht!“ Sie wandte sich um und verließ den Raum. Alex blieb noch ein-zwei Stunden auf, doch dann fielen auch ihm die Augen zu. Beide dachten, dass Gillian hier und jetzt in Sicherheit war, aber sie hatten ja keine Ahnung, dass jemand sie beobachtete. Denn auf dem Dach des gegenüberliegenden Hauses zeichnete sich die Silhouette eines Mannes vor dem Vollmond ab.
Als sie schließlich in dem Apartment der Toten standen kam der nächste Schock: Auf der Wand stand in roten, leicht verlaufenen Buchstaben: HADES KRIEGT EUCH ALLE. IHR SEIT VERDAMMT IM TARTAROS ZU LEIDEN!! „Ist das Blut?“ fragte Gillian Dr Gordon als sie sich wieder gefangen hatte. „ Ja. Und es stammt höchstwahrscheinlich von ihr.“ Er zeigte mit dem Kopf in Richtung der Leiche die gerade auf einer Trage von zwei Assistenten weggebracht wurde. „Todeszeitpunkt ebenfalls zwischen elf und ein Uhr heute Nacht. Ihr Name ist Mary West. 30 Jahre. Floristin. Lebte anscheinend allein. Auch sie hatte ein Amulett in der Hand und auf ihrem Hals waren auch wieder griechische Buchstaben.“ informierte sie Gordon. „Welche Buchstaben?“ fragte Gillian, der ein schrecklicher Gedanke gekommen war. „ Äh, Δημ?τηρ, ein Delta, ein Eta, ein My, wieder ein eta, ein tau …..“-„Demet...Demeter! Die Göttin der Fruchtbarkeit und der Pflanzen. Er ermordet nacheinander alle weiblichen griechischen Hauptgötter!“ stieß Gillian entsetzt aus.
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„ Verdammt! Das könnte stimmen! Aber wie viele griechischen Hauptgöttinnen gibt es?“ wollte Alex wissen. Inzwischen waren sie wieder ins Polizeipräsidium zurückgekehrt und saßen nun gemeinsam mit Cody, Josh und Lt. Coleman in dessen Büro. „Es sind 5: Hera, Göttin der Familien; Demeter, Göttin der Fruchtbarkeit; Aphrodite, Göttin der Schönheit und Liebe; Athene, Göttin der Weisheit und des Sieges und Artemis, Göttin der Jagd und Beschützerin der Schwachen.“ antwortete ihm Gillian. „Alle Opfer haben Ähnlichkeiten mit denen ihnen zugeschriebenen Göttinnen. Hera-2 Kinder; Demeter-Floristin.“ fiel Josh auf. „ Ja, und Hera ist oft von ihrem Gatten Zeus betrogen worden, wie Tina. Und Demeter lebte allein genau wie Mary.“ fügte Gillian hinzu. „ Na Spitze! Ein kranker von griechischen Göttern besessener Mörder. Und was soll ich jetzt der Presse sagen, hm?“fragte Lt Coleman wütend. „Wer ist dieser Hades? Irgendwo muss er doch Spuren hinterlassen haben!“ überging Gillian seine Frage. Denn wenn sich der Boss einmal richtig in Rage geredet hatte, konnte das übel ausgehen und zwar für alle Beteiligten. „Ja aber das hat er nicht!“ Doktor Gordon, der plötzlich hinter ihnen zur Tür hereingekommen war, schwenkte eine Akte. „Steht alles hier drin! Auch beim 2.Opfer haben wir nichts gefunden. Das Blut an der Wand stammt zwar von der Leiche und der Fundort ist nicht gleich der Tatort.“ informierte er die Anwesenden. „Und was ist mit dem Amulett? Irgendeine Idee woher die stammen?“ fragte Alex den Pathologen. „Ja und Nein. Man hat zwar einmal in Griechenland ein Amulett gemeinsam mit noch ein paar anderen Wertgegenständen, Krüge und so was, gefunden, aber es war nur ein einziges und das ist streng bewacht.“-„Also hat unser Täter sie nachgemacht. Sind sie eigentlich aus echtem Gold?“ wollte Josh von dem Doc wissen. „Ja das sind sie. Er muss sich vorher eine Form geschmiedet haben oder lassen und hat sie dann gegossen.“-„ Dann müssten wir ja nur alle Schmieden in New York abklappern und fragen, ob eine solche Form bei ihnen in Auftrag gegeben wurde.“sagte Gillian. „Das heißt, wir sollen die Nadel im Heuhaufen suchen.“ seufzte Cody. „ Hast du eine bessere Idee?“ fragte ihn Gillian. „Nein. Du hast ja recht. Es ist eine Spur. Unsere einzige Spur.“-„Aber vergessen sie das private Umfeld unseres Opfers nicht! Es könnte trotzdem möglich sein, dass sich der Täter im näheren Umfeld des Opfers befindet.“ erinnerte sie der Lieutenant. „Wir hören uns in der Nachbarschaft um und ihr fangt schon mal mit den Schmieden an!“ schlug Alex vor. „ Na klar! Wir dürfen wieder die Idioten spielen!“ maulte Josh. „ Aber wir opfern uns ja gerne zum wohl aller anderen, weil wir so selbstlos sind!“ fügte Cody hinzu und versuchte möglichst theatralisch zu schauen was ihm jedoch nicht so gut gelang. „ Oh! Ihr seid unsere Helden!“ sagte Gillian sarkastisch, dann lief sie schnell mit Alex aus dem Büro und zog die Tür hinter ihnen zu, eine Sekunde bevor Cody's Notizblock sie getroffen hätte.
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„ Es ist furchtbar, was mit ihr passiert ist! Dabei war sie doch so ein lieber Mensch!“ Endlich hatten sie und Alex jemanden gefunden, der ihre Tote näher kannte. Die ebenfalls junge Frau wohnte schräg gegenüber von Mary West. Wieso musste es eigentlich immer die letzte Tür sein, hinter der jemand wohnte, der irgendetwas wusste? Fragte sich Gillian, als sie nach zwei Stunden sinnloser Befragungen endlich vor der Tür von Ms Nora Yates standen. „Miss Yates, ist ihnen an Mary in letzter Zeit etwas aufgefallen? War sie anders als sonst?“ „Nein, nein eigentlich nicht. Oder... doch! Vor zwei Tagen habe ich sie getroffen, als sie gerade ihren Briefkasten geleert hatte und einen braunen Umschlag öffnete. Ich hab sie begrüßt, aber sie hat mich gar nicht wahrgenommen, sondern hat nur auf etwas in ihrer Hand gestarrt.“ „ Konnten sie sehen was es war?“ „ Nur kurz. Etwas aus Gold oder so. Auf jeden Fall sah es so aus wie Gold und es war rund. Aber als ich ihr auf die Schulter getippt habe, hat sie sich blitzschnell umgedreht und das Ding in ihre Tasche gesteckt.“ „Wissen sie, ob Mary Familie hatte? Geschwister oder so?“ „ Ja, sie hat einen Bruder. Der wohnt in Florida.“ „Kennen sie seinen Namen?“ „Max. Sein Name ist Max. Max West.“ „Vielen Dank Ms Yates. Sie haben uns sehr geholfen.“ Als Nora Yates die Tür schloss, sagte Gillian zu Alex: „Das bedeutet ja, dass unsere Opfer das Amulett schon vorher erhalten haben und es ihnen nicht erst nach ihrem Tod beigelegt wurde.“-„Du hast recht! Rufen wir mal Cody an, wie weit sie schon mit den Schmieden gekommen sind und dann helfen wir ihnen. Aber vorher müssen wir unbedingt noch irgendwo etwas zu Essen kaufen. Ich hab riesigen Hunger!“-„ In Ordnung! Wir wollen ja nicht, dass du am Ende noch verhungerst!“ entgegnete Gillian lachend.
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Eineinhalb Stunden, zwei Cheeseburger und eine Portion Pommes später standen Alex und Gillian in der ungefähr elften Schmiede auf ihrer Liste und hatten bisher nichts brauchbares erfahren. „Bitte lass uns diesmal endlich Glück haben.“ murmelte Alex vor sich hin, als sie die Schmiede betraten. Und tatsächlich: Der Schmied, ein Schrank von einem Menschen, hatte tatsächlich einen Hinweis für sie: „Ja, in der Tat. Die Vorderseite habe ich gemacht. Die Rückseite habe ich aber noch nie gesehen.“ „Wissen sie noch, Mr Jones, wie der Mann aussah, der ihnen dies in Auftrag gegeben hat?“ fragte Gillian. „Ja... das heißt...nein. Er hatte sich ein Basecap tief in die Stirn gezogen, ich habe sein Gesicht nicht gesehen. Es ist hier in der Schmiede aber auch nicht gerade hell.“ antwortete der Schmied etwas verlegen. „Was hatte der Mann an? Stand irgendein Schriftzug auf seiner Kappe?“ wollte Alex wissen. „ Eigentlich war er ganz normal. Er trug Jeans und eine schwarze Lederjacke, also vielleicht war sie auch braun, auf jeden Fall dunkel. Das Basecap war auch dunkel, ich glaube es waren drei Buchstaben aufgedruckt: NYU.“ sagte Mr Jones. „Vielen Dank für ihre Hilfe! Auf Wiedersehen!“ Gillian und Alex verließen die Schmiede und gingen zurück zu Alex's Ford focus. „Shit!“ fluchte er und zerriss den Strafzettel, der unter seinem Scheibenwischer klemmte. Gillian konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, hielt sich aber vorsichtshalber ihren Handrücken etwas vor den Mund. „Hör auf zu lachen und steig ein! Nächstes Mal fahren wir mit deinem Auto!“ schimpfte Alex weiter vor sich hin, aber es schien, als wäre er gar nicht mehr wütend. „ Ich lach ja gar nicht!“ sagte Gillian immer noch grinsend und stieg in den Wagen. „Wohin jetzt?“ fragte Alex als er den Motor angelassen hatte. „Nochmal in die Wohnung der Toten. Vielleicht haben wir irgendwas übersehen.“meinte Gillian. „Ok. Und ruf Cody an und frag, was die in der Zwischenzeit herausbekommen haben.“ sagte Alex und fuhr los. „Fitzgerald.“ meldete sich Cody mit vollem Mund. „ Hey, Ich bin's. Ein Schmied auf unserer Liste hat die Vorderseite von dem Amulett geschmiedet, konnte aber den Auftraggeber nicht beschreiben.“- „Hä? Wie ist denn das möglich?“ unterbrach Cody sie. „ Wenn du mich ausreden lassen würdest, wüsstest du es! Er hatte sich ein Basecap ins Gesicht gezogen, auf dem NYU stand.“-„Er hat nur die Vorderseite von der Form gemacht? Und die Rückseite?“- „Unser Täter ist offenbar schlauer als wir dachten. Garantiert hat er die Rückseite bei einem anderen Schmied in Auftrag gegeben. Ihm musste klar sein, dass wir die Schmieden besuchen. Wir fahren nochmal in die Wohnung des Opfers und schauen sie uns genauer an. Ihr sucht weiter nach der Rückseite der Gussform!“ „Sir, yes Sir!“ witzelte Cody und Josh prustete im Hintergrund los. Gillian verdrehte entnervt die Augen und legte auf. Als sie Alex fragenden Blick sah, schüttelte sie den Kopf und sagte: „ Frag lieber nicht! Die haben auch nichts brauchbares.“
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In der Wohnung angekommen, stellten die beiden Partner fest, dass sich die Crime Scene Unit noch in dem Apartment befand, aber auch nichts verdächtiges gefunden hatte. Während sich Alex im Schlafzimmer und im Bad umschaute, durchsuchte Gillian das Wohnzimmer und die Küche. In der letzteren fand sie nichts außergewöhnliches, mal abgesehen von ungefähr 2 Kilo Kamillentee in dem Vorratsschrank. Im Wohnzimmer jedoch wurde sie fündig. „Alex?“- „Ja! Was ist los?“-„Sieh dir das an!“ Gillian zeigte auf eine kleine Skulptur, die in einem Bücherregal stand. Es war eine Frau mit verbundenen Augen, die eine Waage in der Hand hielt. „Das kenn sogar ich! Ist das nicht Justitia, die Gerechtigkeit?“ fragte Alex. „Ja das ist sie. Aber die meinte ich nicht. Wenn du sie hochhebst, ist auf dem Fleck, wo sie stand etwas Staub.“ sagte Gillian. „Ja und?“-„Hier! Der Pokal, der neben der Figur steht.“ Sie hob nun auch den Pokal hoch und darunter befand sich... „Nichts! Kein Staub. Das kann nur bedeuten, dass jemand die Skulptur hochgehoben hat, um etwas, was darunter versteckt war, zu holen und sie erst später dahin zurückgestellt wurde.“ erklärte Gillian. „ Aber was? Einen Schlüssel, einen Zettel...was?“ fragte Alex. „Ich weiß es nicht.“ gab Gillian zu, „aber es muss immerhin so wichtig gewesen sein, dass unser Opfer es versteckt hat und der Mörder vielleicht davon wusste.“
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Am nächsten Tag war ein sogenanntes Gruppenmeeting & Brainstorming von ihrem Boss einberufen worden. Völliger Schwachsinn, dachte Gillian. Wieso konnte man das nicht einfach 'Besprechung' nennen? Aber gut, Coleman war der Chef. Also saßen um Punkt acht Uhr alle in der Kaffeeküche. Alle bis auf den Lieutenant. Josh bemühte sich gerade, einen Cappuccino zu machen und dabei nicht die sündhaft teure Espresso-Maschine zu zerstören. „So ein Mistding!“ schimpfte er vor sich hin, als die Maschine ein Prusten von sich gab und beschloss, sich erst noch einmal selbst zu reinigen und das heisse Reinigungswasser selbstverständlich in Josh's Tasse zu gießen. Die übrigen Anwesenden versuchten, möglichst unschuldig über irgendwelche belanglosen Themen zu reden. Doch als Josh gerade das Wasser von der Selbstreinigung aus seiner Tasse in das Waschbecken neben der Kaffeemaschine kippte und die Maschine in dem Moment als die Tasse nicht mehr unter dem Ausguss stand ihren Inhalt, da keine Tasse mehr vorhanden war, direkt auf die Theke und von da aus auf Josh's neue Schuhe kippte, konnten sie sich ein Kichern nicht verkneifen. Josh hatte nun endgültig die Nase voll, eilte fluchend aus dem Raum und als er verschwunden war, um sich neue Socken und Schuhe aus seinem Spind zu holen, kam der Lieutenant mit einem Tablett und fünf Pappbechern herein. „Was ist den mit Scott los? Er ist gerade an mir vorbei gestürmt. Dabei war ich doch nur in dem Starbucks gegenüber, um uns allen einen Kaffee zu holen, weil die Maschine gestern einen Kurzschluss hatte und seitdem nicht richtig funktioniert.“ Da hielten es die drei anderen nicht mehr aus. Sie mussten einfach lachen. Cody fiel fast vom Stuhl und als Alex dem Boss erklärt hatte, was geschehen war, konnte auch dieser ein Grinsen nicht unterdrücken. Als sie sich alle wieder gefangen hatten fing Gillian an zu erzählen: „ Alex und ich haben gestern in der Wohnung der zweiten Toten bemerkt, dass diese etwas unter einer Skulptur von Justitia versteckt hatte, haben aber nicht herausgefunden, was es war. Entweder hat sie es woanders versteckt oder der Mörder hat es an sich genommen. Vermutlich war es ein Schlüssel oder ein kleiner Zettel.“-„Und was haben sie heraus- gefunden, Cody?“ wollte Coleman wissen. „ Ich und Mr Espresso-Maschine haben einen Schmied gefunden, der die Rückseite des Amuletts angefertigt hat. Offenbar war unser Täter so schlau, zwei verschiedene Schmiede mit dem Medallion zu beauftragen. Keine Personenbeschreibung. Der Schmied kann sich, wie in Gill's und Alex's Fall, nur an ein Basecap mit den Buchstaben NYU darauf erinnern, mehr haben wir nicht.“ gab Cody kleinlaut zu. „NYU das ist doch...“-„ New York University.“ unterbrach Gillian ihren Vorgesetzten. „Das hilft uns aber im Moment auch nicht weiter. Wer würde schon zur Uni fahren, fragen wer solche Kappen hat und dann jeden, der im Besitz von so einem Ding ist, nach seinem Alibi für die Mordnächte fragen!“ entgegnete Cody. Gillian und Alex sahen ihn an. „Nein! Nein, nein, nein!“, wehrte Cody ab, als er den Blick der beiden bemerkte, „Vergesst es!“ Gillian legte ihren Kopf schief und lächelte ihn an wie ein kleines Mädchen, das unbedingt ein ganz bestimmtes Spielzeug von ihrem Daddy zu Weihnachten haben wollte. Cody hielt es nicht aus: „Nein! Nicht das Sweet-little-girl- Lächeln! Also gut! Ich schnapp mir Josh und dann machen wir uns auf den Weg.“ Gillian begann zu grinsen, „Dankeschön!“ Als Cody aus dem Zimmer war fragte Alex: „ Wie kriegst du das nur immer wieder hin?“-„Keine Ahnung“, gab Gillian zu, „ aber es funktioniert jedes Mal!“- „Und was werden sie jetzt tun?“ wollte der Lieutenant wissen. „Wir fahren in die Gärtnerei, wo Mary West gearbeitet hat.“ antwortete ihm Gillian.„Aber heute nehmen wir dein Auto!“ sagte Alex, doch als sie ihren Kopf erneut schief legte und zu lächeln begann, seufzte er und meinte: „Na gut. Dann nehmen wir heute ausnahms- weise mal wieder mein Auto.“
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Aufgrund eines Staus brauchten sie über eineinhalb Stunden bis zur Gärtnerei im West End. Endlich dort angekommen, stellten sie fest, dass Alex offenbar gegen Orchideen allergisch war. Er nieste die ganze Zeit und Gillian fragte einen Verkäufer, wo denn sein Chef zu finden sei. Er brachte die beiden Polizisten in ein Büro hinter dem Verkaufsraum. „Detectives Myles und Spade, NYPD. Wir müssten ihnen einige Fragen zu einer ihrer Mitarbeiterinnen stellen, Mary West.“ sagte Gillian, als sie in das Büro eintraten. „Mary? Was ist mit ihr? Ihr ist doch nichts passiert, oder?“ fragte der Geschäftsführer. „Leider doch, Mr Jacobs. Sie wurde gestern Nacht ermordet.“ antwortete Alex. „Nein! Oh, Gott. Das ist ja schrecklich!“ Mr Jacobs ließ sich auf seinen Drehstuhl fallen, der hinter seinem Schreibtisch stand. „Wie...ich meine wer...?“ „Das wissen wir noch nicht. Wann haben sie sie denn zuletzt gesehen?“ „Gestern, so gegen acht. Hier in der Gärtnerei. Sie kam immer als Erste und ging als Letzte.“ „Kam sie ihnen in der letzten Zeit verändert vor?“ „ Nein, nicht das ich wüsste. Vorige Woche hat sie sich am Telefon mit ihrem Bruder gestritten. Aber ich weiß nicht, worum es dabei ging.“ „Danke, Mister Jacobs. Wenn ihnen noch etwas einfällt, melden sie sich bitte bei uns.“
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„Oh, Mann! Und dafür sind wir eineinhalb Stunden im Stau gestanden und ich hasse Orchideen!“ fluchte Alex, als sie wieder im Büro waren. „Immerhin hat dein Auto eine Klimaanlage.“ sagte Cody und warf Josh einen vernichtenden Blick zu. Dieser hatte nämlich eine Vorliebe für alte, klapprige Autos. Zurzeit fuhr er einen dunkelroten, leicht verrosteten Golf, an dem die Beifahrertür klemmte ( eigentlich klemmte sie nicht, sondern es brach immer der Griff ab) und man deshalb immer auf der Fahrerseite einsteigen und dann auf den Beifahrersitz hinüberklettern musste, was für den langen Cody gar nicht so einfach war. „Wann kommt denn der Bruder unseres zweiten Opfers?“ fragte Gillian. Dankbar für diesen Themenwechsel sagte Josh: „Er müsste bald hier sein, sein Flieger ist schon gelandet.“-„Gut! Wer redet mit ihm?“ fragte sie weiter. „Das darfst du übernehmen! Du kannst doch immer so gut mit den Angehörigen umgehen.“ meinte Cody und sah Gillian an. „Na schön. Aber Alex kommt auch mit.“ gab sie sich geschlagen und nahm sich einen Erdbeerjoghurt aus dem Kühlschrank. Sie hatte ihm schon zur Hälfte gegessen, als Max West durch die Tür trat und sich suchend umblickte. Gillian und Alex standen auf und gingen zu ihm hinüber. „Mr West?“ „Ja?“ „Detectives Myles und Spade. Vielen Dank, dass sie so schnell kommen konnten.“ „Ist doch Selbstverständlich.“ „Es tut uns sehr leid, was mit ihrer Schwester passiert ist. Kommen sie bitte mit.“ „Danke.“ Sie gingen ins Besprechungszimmer und als alle saßen, fragte Gillian: „Wann haben sie denn ihre Schwester zuletzt gesehen oder gesprochen?“ „Ich glaube das war im Mai, da hatte ich Geburtstag.“ „Und seitdem hatten sie keinen Kontakt?“ „Nein.“„ Warum lügen sie uns an, Mr West? Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass sie letzte Woche mit ihr telefoniert haben. Ein Zeuge sagt, sie hätten gestritten.“ „Ja, ich hab mit ihr telefoniert. Ich war vor vier Tagen in der Stadt und wollte sie besuchen, aber sie war nicht zu Hause. Ich hatte jedoch einen Schlüssel zu ihrer Wohnung, also bin ich rein. Ich habe Geld gebraucht und wusste, sie hatte ein Schließfach in der Bank, aber ich wusste nicht, wo der Schlüssel dafür war. Ich habe die Wohnung durchsucht und ihn schließlich unter einer Statue gefunden. Sie hat bemerkt, dass der Schlüssel nicht da war und mich angerufen. Das muss ihr Zeuge gehört haben. Aber ich wollte ihr das Geld zurückzahlen, ehrlich!“ „Warum wollten sie uns diese Geschichte verschweigen?“ „Es war mir peinlich und es hat doch sowieso nichts mit dem Mord an ihr zu tun, dachte ich.“ „Und wo waren sie in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag?“ „Bei meiner Freundin in Florida.“ „Danke. Das wäre vorerst alles.“
*
„Glaubst du ihm?“ fragte Alex Gillian später. „Ja, das tu ich.“ antwortete sie. Da kamen Cody und Josh zurück. „Sein Alibi ist wasserdicht. Es hat zwar etwas länger gedauert, aber wir haben die Freundin gefunden und sie hat seine Aussage bestätigt.“ informierte Cody die beiden. „Das Problem ist, wir können nochmal von vorne anfangen. Wir haben keine Verdächtigen, keine Zeugen...“ Gillian sah aus dem Fenster. Es war bereits dunkel geworden. Sie ging hinüber zum murder board und schrieb darauf: HADES. Dann verband sie den Namen mit den beiden Opfern. „Gehen wir mal davon aus, es ist ein Serientäter. Er muss seine Opfer entweder persönlich gekannt haben oder er hat sie beobachtet. Gibt es irgendjemanden, den beide gekannt haben könnten?“ fragte Gillian. „Nein, nicht soviel wir wissen.“ sagte Josh. Da klingelte das Telefon und Alex nahm ab: „ Det. Spade.“ Gillian starrte das Board noch immer stirnrunzelnd an, als könne sie den Täter finden, wenn sie einfach nur lange genug das Brett fixierte, als Alex rief: „Gill! Telefon für dich!“-„Wer ist es denn?“-„ Ein Mr Shead!“ Gillian überlegte. Sie kannte niemanden mit diesem Namen. Shead….. head...... had....... HADES!!! „ ER ist es!“flüsterte Gillian. „Wer er? unser Mörder?“-„ Ja. Es ist ein Anagramm. Wenn du die Buchstaben umdrehst heißt er Hades.“ redete Gillian weiter und schrieb die Buchstaben an das Board. „Verdammt!“ fluchte Cody und an Gillian gewandt fügte er hinzu: „ Scrabble-Freak!“ Also wurde eilends der Boss herbeigeholt, alle nahmen einen Telefonhörer in die Hand, Coleman gab ein Zeichen und Gillian hob ab: „Detective Myles.“-„ Ich nehme an sie haben mich bereits erkannt.“ Seine Stimme war so tief und rau als käme sie wirklich aus der Unterwelt und lies mehr als drei der Anwesenden eine Gänsehaut über den Rücken laufen. „ Woraus schließen sie das?“ fragte Gillian. Ein freudloses Lachen schepperte durch den Lautsprecher. „ Ganz einfach: Wenn sie es nicht herausgefunden hätten wären sie zweifellos schneller ans Telefon gegangen und es würden nicht alle ihre Kollegen zuhören.“ Gillian drehte sich schnell einmal um sich selbst und blickte suchend aus dem Fenster. „Wo sind sie?“ Wieder dieses eiskalte Lachen. „ Ich bin überall und nirgendwo, aber keine Sorge, ich habe immer alles im Blick.“ „ Was wollen sie?“ „ Was ich will? Nun da gibt es vieles. Das werde ich ihnen jedoch nicht sagen. Noch nicht.“ Alex tippte unterdessen auf seinem Rechner herum und bedeutete Gillian weiterzureden, damit sie den Anrufer vielleicht orten konnten, oder wenigstens ein Gebiet eingrenzen könnten. Also redete Gillian weiter. „Weshalb haben sie dann angerufen?“ „ Um ihnen klar zu machen, dass sie mich niemals finden können. Es ist also auch zwecklos mich orten zu wollen, Detective Spade.“ Alex und Gillian sahen sich erschrocken an. Er zuckte ratlos die Schultern. Gillian schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln, dann fragte sie weiter: „ Warum haben sie die beiden Frauen umgebracht?“ „ Sie hatten es nicht anders verdient. Und es werden noch mehr folgen. Ich werde den Olymp reinwaschen von diesen Kreaturen und ich werde nicht ruhen bis ich es geschafft habe. Ich werde mich bald wieder melden. Und denken sie daran Detectives: Dem Jäger entkommt niemand, egal wie schnell er weglaufen kann.“ dann legte er auf. Hades schaute noch einmal über die Schreibtische hinüber zu ihr, dann drehte er sich um und lief die Treppe hinunter. Im Laufen zog er sich die Polizeimütze vom Kopf und dachte, was es für eine gute Idee gewesen war, in die Spinde vom 62th Revier einzubrechen und sich eine Polizeiuniform, sagen wir mal, 'auszuleihen'. Seine Aufgabe hatte er schon fast zur Hälfte geschafft, aber das Beste wollte er sich für den Schluss aufheben. „ Bald.“ flüsterte er, „Schon sehr bald.“ Dann trat er hinaus in die Nacht und verschmolz mit der Dunkelheit.
Als Gillian am nächsten Morgen ins Büro kam, war Alex noch nicht da. Kein Wunder, dachte sie, schließlich ist er zwanzig Minuten eher gefahren als Gillian selbst, denn er wollte sich zu Hause noch schnell umziehen. Gerade wollte sie sich einen Kaffee holen, da kam Josh eilig auf sie zu: „Gut das du da bist! Gerade wollte ich dich anrufen. Stell dir vor, heute Morgen ist Andrew Miller aufgewacht und wollte Frühstück machen, Pancakes, Omlett,Müsli...“-„Komm zur Sache, Josh, okay?“ unterbrach ihn Gillian. Josh schaute etwas beleidigt drein, fuhr dann aber fort: „Auf jeden Fall wollte er gerade die Zeitung holen, aber als er die Tür aufgemacht hat, lag dort keine Zeitung, sondern ein Brief.“- „Und was geht uns das an?“ wollte Gillian wissen. „Hier ist der Brief, lies ihn einfach.“ mit diesen Worten gab Josh ihr einen in eine Glassichthülle gesteckten Zettel. In blutroten Buchstaben stand dort: Ich schreibe mit dem Blut von July Miller. Ich soll sie von ihr grüßen. Und nun zur eigentlichen Botschaft: ?δης hat ?θ?νη entführt und wird sie töten, wenn Leukophryne es nicht verhindert. Gezeichnet: Πλο?των „O Gott!“ flüsterte Gillian. „Ja, Mr Miller hat ihn uns vor einer Viertelstunde gebracht. Das Blut wird gerade mit der DNA von July Miller verglichen, ihr Mann hat uns ihre Haarbürste mitgebracht. Unser Graphologe hat mir gerade bestätigt, dass die Handschrift dieselbe ist wie an der Wand von Mary West. Aber wir wissen noch nicht, was die griechischen Symbole bedeuten und wer oder was dieses Leukofrü-dings ist.“ informierte Josh sie. „Aber ich weiss es.“ sagte Gillian, immer noch flüsternd, „ Das erste griechische Wort heißt 'Hades' das andere 'Athene' und die Unterschrift bedeutet 'Pluton' ein anderes Wort für Hades. Mit Athene ist wahrscheinlich July gemeint. Was arbeitet sie eigentlich?“-„Sie ist Lehrerin an der Bronx International High School. Sie Unterrichtet da Geschichte. Und was oder wer ist jetzt dieses Leuko- ding?“ fragte Josh. Gillian holte tief Luft und antwortete: „ 'Leukophryne' ist der Beiname der Artemis, der Göttin der Jagd. Damit bin ich gemeint.“
*
„Hey Leute, kommt mal runter! Wir wissen doch gar nicht, ob mit dieser Leu...leuk..“- „Leukophryne.“ kam ihm Gillian zur Hilfe. „Ja, genau. Wir wissen ja nicht, ob wirklich Gill damit gemeint ist!“ sagte Cody. „Doch, das glaube ich schon. Wieso sollte er sonst wollen, dass der Brief zur Polizei gebracht wird und wieso hat er dann überhaupt einen geschrieben?“ fragte Alex. Gillian lief nervös hin und her und kaute an ihrer Unterlippe. „Auf jeden Fall müssen wir sie finden!“ sagte sie. „Am besten fangen wir bei ihrem Mann an.“ meinte Alex. Coleman kam dazu und sagte: „ Alex, sie und Gillian befragen den Ehemann und ihr seht zu, was ihr über den Brief herausbekommen könnt. Das Beste wird sein, wir erledigen das ohne die Feds, die bringen nur alles durcheinander und wir kommen nicht weiter. Also: In einer Stunde will ich Ergebnisse sehen.“ Er drehte sich um und ging zurück in sein Büro. Gilliam war froh, ohne das FBI ermitteln zu dürfen, sie hatte damit einige schlechte Erfahrungen gemacht, aber das tat hier nichts zur Sache. Mr Miller hatte sich geweigert wieder nach Hause zu fahren und so saß er nun im Besucherraum, als Alex und Gillian zu ihm gingen. „ Mr Miller? Mein Name ist Gillian Myles, das ist mein Partner Alex Spade. Können wir ihnen ein paar Fragen stellen?“ „Selbstverständlich, nur finden sie meine Frau!“ „Wir tun alles in unserer Macht stehende, um sie zu finden. Wann haben sie July denn zum letzten Mal gesehen?“ „Das war gestern Morgen, aber wir haben abends noch kurz telefoniert, so gegen halb neun. Sie hat länger gearbeitet und wollte sich danach noch mit einer Kollegin treffen, um irgendetwas zu besprechen. Also habe ich gestern auch länger gearbeitet und als ich heimkam und July nicht da war, habe ich mir keine Sorgen gemacht. Bei ihr wurde es hin und wieder mal später. Ich war erschöpft und bin gleich ins Bett. Am Morgen habe ich festgestellt, dass July immer noch nicht da war und habe mir dann schon Sorgen gemacht, aber ich habe nicht gedacht, dass ihr etwas passiert war, bis ich den Brief gefunden habe.“ „Wie hieß die Kollegin mit der July sich getroffen hat?“ „ Anne Newman. Auch Geschichtslehrerin an der Bronx.“ „Vielen Dank, Mr Miller.“
*
„ Ich habe mit Anne Newman telefoniert. Sie sagt, July und sie haben sich gegen neun vor der Schule verabredet, sind dann Essen gewesen und July ist kurz vor Mitternacht wieder weggegangen.“ sagte Alex. „Dann muss er ihr -wie unserem ersten Opfer, Tina- vor dem Lokal aufgelauert haben. Sie ist jetzt schon elf Stunden in seiner Gewalt. Wir müssen uns beeilen. Was habt ihr über den Brief heraus-bekommen?“ fragte Gillian. „Er ist aus Papyrus. Und er hat wirklich mit July's Blut geschrieben, allerdings vermischt mit roter Tinte. Aber das bringt uns auch nicht wirklich weiter.“ meinte Cody. „Aber er hat sie doch bestimmt ebenfalls mit Chloroform betäubt, also muss sie in einem Umkreis von 20 Minuten vom Lokal entfernt sein. Und das bedeutet, dass Eric genau gewusst hat, wann er sie sich schnappt und hat dann ein passendes Versteck ausgewählt. Was wiederum bedeutet, dass er vorher wusste, wohin sie geht. Also muss er sie beobachtet haben und das über einen längeren Zeitraum.“ sagte Gillian. „Was willst du damit andeuten?“ wollte Josh wissen. Sie fuhr fort: „Na ja, er kann doch kaum vier Frauen gleichzeitig beschatten und die Morde sind immer mit einem Tag Abstand passiert. Er kann sich unmöglich erst in der Früh an die Fersen einer Frau heften, die er dann am selben Tag noch tötet. Also hat er entweder einen Komplizen- aber das glaube ich nicht, Serientäter arbeiten meistens allein- oder er hat einen Weg gefunden an allen Orten gleichzeitig zu sein. Das bedeutet...“-„Er hat Kameras aufgestellt oder die Wohnungen verwanzt!“ rief Alex. Gillian nickte, erleichtert, dass wenigstens einer kapiert hatte worauf sie hinauswollte. „Genau.“ Doch Cody schüttelte den Kopf: „Und wie bringt uns das zu July?“- „Wenn er Kameras oder Wanzen installiert hat, müssen diese doch mit einem Computer vernetzt sein und den kannst du finden, wenn wir die Kameras gefunden haben, oder nicht?“ Cody nickte und sie fuhr fort: „Und so können wir vielleicht rauskriegen, wo er gerade steckt.“ erklärte ihm Gillian. „ Dann los! Gill und ich übernehmen die Apartments von Mary West und Tina Jefferson, ihr nehmt die von July Miller und Emma Swan.“ teilte Alex ein, „Dann treffen wir uns so schnell wie möglich wieder hier.“
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„Vielleicht hat er alles wieder mitgenommen.“ meinte Alex. In der Wohnung von Mary West hatten sie erfolglos gesucht und in der Wohnung von Tina hatten sie bis jetzt auch nichts gefunden. „Oder auch nicht!“ sagte Gillian triumphierend, als sie gerade ein Regal absuchte. „Die hier war auf den Globus da oben geklebt.“ Gillian stieg von dem Stuhl, auf dem sie gestanden hatte hielt eine winzig kleine Kamera zwischen zwei Fingern. „Schnell Cody und Josh anrufen und zurück ins Präsidium damit!“ meinte Alex.
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„Aber wieso haben wir in den anderen Wohnungen keine Kameras gefunden?“ fragte Josh. „Ich kann mir das nur so erklären: Eric hat die Kameras irgendwann in den Wohnungen deponiert und nachdem er sie nicht mehr brauchte hat er sie irgendwann später wieder mitgenommen. Bei Mary war das auch gar kein Problem. Sie hat ja ohnehin allein gelebt, da konnte ihn niemand bemerken. Und auch bei Emma und July war es so. Ihre Männer leben zwar noch da, aber die sind auch irgendwann in der Arbeit oder sitzen immer noch bei uns im Revier. Nur bei Tina ging es anscheinend nicht. Ihre Kinder gehen zur Zeit nicht in die Schule und ihr Mann hat sich freigenommen, um auf sie aufzupassen. Da hatte er wahrscheinlich keine Möglichkeit, sich die Kamera unbemerkt zurück zu holen.“ sagte Gillian. Cody unterbrach sie: „ Die Kamera sendet ein Signal aus, deshalb konnte ich es ja überhaupt nu zurückverfolgen. Wenn es eine mit Band oder Chip gewesen wäre, hätten wir Pech gehabt. Ich konnte das Signal auf ein paar Blocks in unserem 20 Minuten -Radius eingrenzen, mehr geht nicht. Das ist aber viel zu weit, um alle Häuser abzusuchen.“ Da kam der Lieutenant und an seinem Gesichtsausdruck konnte man sehen, auch wenn man kein Cal Lightman war, das etwas schlimmes passiert sein musste. „Detectives, wir haben eine E-Mail geschickt bekommen, von Eric.“ Cody drehte sich sofort zu seinem Computer und rief das E-Mail Programm auf. „Hier ist sie“ sagte er und alle versammelten sich hinter ihm, um auf den Bildschirm sehen zu können. Es war ein Video. Cody zögerte kurz, sein Finger schwebte über der Maus dann drückte er auf Play. Der Raum war spärlich beleuchtet und an den Wänden bröckelte der Putz ab. Es gab dem Anschein nach nur ein Fenster und das musste auf der Seite des Raumes liegen, den die Kamera nicht erfasste. Eine Frau mit langen blonden Haaren war auf eine Trage gefesselt, die fast senkrecht gekippt im Raum stand. Die Frau war mit Ketten gefesselt und ihr Mund war zugeklebt. Sie sah nicht gut aus. Ihr eines Auge war zu- geschwollen und ihre Haare standen ihr wirr von Kopf ab. Gillian erkannte sie trotz der Verletzungen sofort: Es war July Miller. Ihr Mann hatte ihnen ja ein Foto von ihr überlassen. Dann trat ein Mann ins Bild. Eric, kein Zweifel. Er hielt ein ca 45cm langes Schwert in der Hand und ging damit auf July zu. Eric hielt ihr die Klinge an die Kehle und sagte: „Artemis, du und deine kleinen Freunde müssen sich beeilen, wenn ihr Athene noch einmal lebend wiedersehen wollt.“ dann ging er zur Kamera, es rauschte kurz, dann wurde es schwarz. Ein paar Sekunden lang sagte niemand etwas. Dann entfuhr Josh ein leises „Shit!“
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„Wir haben nicht die leiseste Ahnung, wo und wann das aufgenommen wurde.“ stellte der Lieutenant fest. „Lass mal das Video bis zu dem Punkt laufen, wo Eric von July weggeht und die Kamera ausschalten will. Halt da an.“ wies Gillian Cody an. An der betreffenden Stelle angekommen fuhr sie fort: „Und jetzt zoom mal auf das Schwert. Da, seht ihr! Man kann darin das Fenster sehen.“ Cody zoomte noch weiter und stellte dann das Bild frei, sodass man nur noch das in der Klinge gespiegelte Fenster sah. „Was ist das?“ fragte Alex und deutete auf einen Fleck im Fenster. „Ich vergleich mal die Silhouette mit den Bauwerken aus unserer Datenbank, vielleicht gibt es ja eine Übereinstimmung und wir wissen, wo wir suchen müssen.... Bingo! Das ist ein Teil des Empire State Buildings.“sagte Cody. „Spiel mal das Video noch mal ab, aber ohne die Stimmen.“ bat ihn Josh. Cody tat, wie ihm geheißen und man hörte ein leises, dann immer deutlicher hörbarer werdendes Rattern. „Ist das eine U-Bahn?“ fragte Gillian. Cody checkte den U-Bahn- Plan von New York. „Es gibt nur eine U-Bahn-Station in Big Apple, die in Frage kommen könnte. Der Rest passt nicht, weil dann der Blickwinkel aus dem Fenster ein anderer wäre.“- „Und? Welche Station ist es nun?“ unterbrach Gillian ihn. „Die Lexington Avenue.“- „Aber das reicht nicht. Wir müssen das irgendwie noch näher ein- grenzen.“ meinte der Boss. Cody tippte auf seiner Tastatur herum und verkündete schließlich: „Wie wäre es mit einem gerade renovierten Gebäude in der 62nd?“- „ Kann man denn von der 62nd bis zum Empire State Building sehen?“ warf Alex ein. „Doch, bei einigermaßen klaren Himmel ist das durchaus möglich. Was ist? Fahren wir?“ erwiderte Cody. „Dann los!“ sagte Gillian und an den Lieutenant gewandt, fügte sie hinzu: „Schicken sie uns bitte ein SWAT-Team nach, Boss?“ Er nickte und die vier Detectives machten sich unverzüglich auf den Weg.
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Vor dem Gebäude angekommen, ging Gillian noch einmal den Plan durch, während sie sich ihre Schutzweste anzog und Alex ihr einen Ohrlautsprecher reichte, mit dem sie und die anderen Kontakt halten konnten. Das SWAT-Team war auch schon angekommen. „Josh, du und Cody geht durch den Hintereingang in das Haus, Alex und ich nehmen die Vorderseite. Wir nehmen jeweils die Hälfte des Sondereinsatzkommandos mit.“ Sie zog ihre Waffe. „Los geht’s!“ Alle liefen los. Als Cody und Josh um die Ecke gebogen waren, trat Gillian die alte Eingangstür auf. Im Haus war alles dunkel. Gillian knipste ihre Taschenlampe an und hielt sie unter ihrer Waffe. Vor ihr schlich Alex durch die Dunkelheit, die nun von ein paar Taschenlampen erhellt wurde. Das Erdgeschoss war schnell gesichert. Am Fuß einer alten Treppe trafen sie auf Cody und Josh. Gillian bedeutete ihnen, im ersten Stock zu suchen und Alex und sie nahmen den Keller. Sie ging vor und er würde ihr Rückendeckung geben. Unten angekommen standen sie vor einer schweren Eisentür. Beide horchten. Nichts. Kein Laut von drinnen. Alex hielt drei Finger hoch. Bei drei, formte er lautlos mit den Lippen. Gillian nickte. Drei...zwei...eins! Sie riss die Tür auf und Alex stürmte zuerst hinein, Gillian folgte ihm. Ihr Blick fiel auf etwas und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Auf einem Metalltisch lag ein regloser Körper. Langes blondes Haar hing an einer Seite herunter. Unter dem Tisch hatte sich eine Blutlache gebildet. Von Eric war keine Spur zu sehen. Alex ging zu July hinüber und legte zwei Finger an ihren Hals, dann schüttelte er den Kopf: „Nichts. Sie ist tot.“ Gillian stand immer noch reglos da, unfähig sich zu bewegen. Am Rand bekam sie mit, wie ein Mitglied vom SWAT-Team „Gesichert!“ brüllte und Alex über seinen Ohrlautsprecher Cody und Josh verständigte. Gillian steckte wie in Trance ihre Waffe ein und ging aus dem Haus und in den Vorgarten. Sie sah hoch in den Himmel, aber sie sah weder die Sterne noch den Mond. In ihrem Kopf kreiste immer nur der eine Gedanke: Ich habe sie nicht retten können, ich habe versagt, schon wieder.
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Alex bemerkte, wie Gillian den Raum verließ. Er sagte nichts. Als er sich in dem Raum umsah, entdeckte er auf dem Hals der Toten wieder griechische Buchstaben: ?θ?νη. Er hatte keine Ahnung, was sie bedeuteten, aber er vermutete, dass es 'Athene' hieß. Da kamen Cody und Josh mit Dr Gordon im Schlepptau, der schon auf Abruf bereitgestanden hatte. Cody fragte: „Wo ist denn Gill?“-„Der geht es nicht gut. Ich glaube das hat ihr sehr zu schaffen gemacht.“ sagte Alex trocken. „Wir kriegen das hier schon allein hin. Geh du und sieh nach ihr.“ meinte Josh. Alex nickte dankbar und lief, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf.
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„Hey.“ sagte Alex und stellte sich neben sie, „Alles in Ordnung?“ Gillian drehte ihren Kopf und sah Alex mit großen, unendlich traurigen Augen an. „Ich bin schuld, Alex. Ich hab sie nicht retten können.“ flüsterte sie. Alex legte ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter und schüttelte sanft den Kopf: „Nein, Gill, das bist du nicht. Du kannst nichts dafür.“ „Doch. Ich hätte schneller sein müssen, ich hätte...“ sie brach ab und schluckte. Alex redete weiter mit beruhigender Stimme auf sie ein: „ Gordon sagt, sie sei schon seit mindestens sechs Stunden tot. Sie war wahrscheinlich schon tot, als er uns das Video geschickt hat. Eric wollte dich fertig machen. Er wollte, dass du dich für ihren Tod verantwortlich fühlst, so wie jetzt. Du hättest sie niemals retten können, egal wie schnell du gewesen wärst.“-„Dann musste July aber trotzdem meinetwegen sterben und die anderen vielleicht auch.“ erwiderte sie. „Sie alle sind einem kranken Serienkiller zum Opfer gefallen. Eric hat sie getötet, nicht du. Du konntest nichts dagegen tun, aber wir können ihren Mörder finden und das werden wir auch. Da hat Eric sich mit den Falschen angelegt, wenn er denkt, er könnte ungestraft davonkommen.“ sagte er eindringlich. Gillian nickte und brachte sogar ein kleines Lächeln zustande. „ So, und jetzt fahren wir zurück ins Büro. Na komm!"
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Als sie im Büro ankamen, ging es Gillian wieder besser. Der Boss wartete schon auf sie. Die Detectives hatten ihn schon vorher telefonisch informiert. „ Ich habe den Ehemann noch nicht in Kenntnis gesetzt... Ich dachte, dass würden sie vielleicht gerne übernehmen.“ meinte der Lieutenant. Gillian nickte und ging nach nebenan in das Besucherzimmer. Alex und der Boss verfolgten alles durch die Glasscheibe. „Sie kann wirklich gut mit Menschen umgehen.“ sagte Coleman. „Ja, allerdings, das kann sie.“ bestätigte Alex. Beide standen noch eine Weile vor der Glasscheibe und beobachteten die Geschehnisse. Dann kam Gillian zu ihnen hinaus und Coleman sagte: „ Heute Nacht werden sie sowieso nicht mehr viel ausrichten können. Am Besten, sie fahren nach Hause, beide. Und Gillian: Ich habe trotzdem noch zwei Polizisten zu ihnen nach Hause geschickt, sicherheitshalber. Bis Morgen!“-„Bis Morgen!“ antworteten beide, wie aus einem Mund und als Gillian Alex's Blick sah, fragte sie: „Du hast nicht vor, nach Hause zu fahren, oder?“ Er grinste: „Nein. Aber du wirst das. Schließlich bist du seine Zielscheibe. Cody, Josh und ich werden noch auf erste Ergebnisse der Autopsie warten.“-„Na dann viel Spaß! Und ich darf wieder das brave Mädchen spielen und nach Hause fahren. Gute Nacht!“ sagte sie. „Gute Nacht und pass schön auf dich auf!“ erwiderte Alex.
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Gillian war tief in Gedanken versunken, als sie über den dunklen Parkplatz zu ihrem Auto ging.Vielleicht hatte Alex ja recht und es war überhaupt nicht ihre Schuld. Vielleicht konnte sie nichts dafür, dass July gestorben war, aber bei Kathryn war es schon ihre Schuld gewesen. Bei ihrem Auto angekommen wollte sie gerade den Schlüssel aus der Tasche holen, da packte sie jemand von hinten und presste ihr ein Tuch vor Mund und Nase. Gillian roch es sofort: Chloroform. Sie hielt die Luft an, wand und schlug um sich, jedoch ohne Erfolg. Ihre Lunge brannte und verlangte nach Sauerstoff. Sterne flackerten vor ihren Augen und das letzte was sie sah bevor sie ohnmächtig wurde war Erics immer breiter werdendes, hämisches Grinsen.
Gillian wachte auf und hatte fürchterliche Kopfschmerzen. Blinzelnd öffnete sie die Augen und sah sich um, bemüht, sich so wenig wie möglich zu bewegen, damit Eric, wo immer er auch sein mochte, nicht sofort sah, dass sie wach war und sie somit ein paar Sekunden Zeit hatte, um sich zu orientieren. Eine flackernde Neonröhre erhellte das Zimmer, wenn auch nicht besonders gut. Der ganze Raum war grau und kalt, an der Decke liefen einige Rohre entlang und er besaß keine Fenster. Gillian spürte, dass sie auf einen Stuhl gefesselt war und dieser Stuhl stand in der Mitte des Raumes. Sie drehte ihren Kopf ein wenig und jetzt sah sie auch Eric, der an der Wand stand, ihr den Rücken zuwandte und fast zärtlich mit den Fingern der linken Hand über einen Metalltisch strich. In seiner rechten Hand hielt er eine Pistole und etwas baumelte rechts an seinem Gürtel: eine Schwertscheide! Allmählich wurde auch das Piepen in ihren Ohren leiser und sie hörte ein Auto vorbeifahren. Gillian überlegte: Sie war mit großer Wahrscheinlichkeit in deinem Keller eines unbewohnten Hauses in der Nähe einer Straße. Sie konnten höchstens 20 Minuten vom Polizeipräsidium entfernt sein, weil danach die Wirkung von Chloroform nachlässt. Aber in der Nacht konnte man in 20 Minuten sehr weit kommen. Was wusste sie über Eric? Seine Mutter war gestorben als er noch ein Kind war. Das hatte sie in seiner Akte gelesen. Vielleicht befand sie sich ja in dem Haus, wo er seine Kindheit verbracht hatte. Aber ihre Überlegungen wurden jäh unterbrochen. „Ah, Detective Myles! Wie schön, dass sie schon wach sind!“ Seine Stimme klang honigsüß. Gillian's Schädel pochte noch immer, aber sie riss sich zusammen. „Was wollen sie von mir?“ fragte sie ihn. Da anscheinend noch Reste des Betäubungsmittels in ihrem Kreislauf zirkulierten, hatte sie noch keine Angst. „Nach meiner Erinnerung hatten wir diese Frage ja schon einmal, aber nun kann ich es ihnen ja erzählen.“ Er machte eine bedeutungsvolle Pause und Gillian hätte ihm schon mindestens eine Ohrfeige verpasst, wenn ihre Hände nicht hinter ihrem Rücken festgebunden gewesen wären. Immer noch mit dieser honigsüßen Stimme fuhr er fort: „Ich will sie töten. Ganz einfach.“ Langsam ging er auf Gillian zu und als er sah, wie ihr ganzer Körper sich anspannte, lächelte er. „Aber vorher...“ Eric legte seine Hand auf Gillian's Oberarm. Als er weitersprach klang seine Stimme nicht mehr so honigsüß, im Gegenteil: Sie war erfüllt von Hass. Abgrundtiefem Hass. „Will ich, dass sie ein bisschen schreien, bevor sie sterben.“ Bei diesen Worten packte er Gillian's Arme und drückte sie nach unten, sodass sich die Stuhllehne in ihren Rücken bohrte und er ihr fast die Arme brach. Gillian's Gesicht verzerrte sich vor Schmerzen und sie biss sich auf die Lippen, aber sie schrie nicht, gab keinen Laut von sich. Als sie dachte ihre Arme würden brechen, ließ er ganz plötzlich los. „Aber zuerst erzählen sie mir etwas!“ sagte er gefährlich leise. „Und was bitteschön?“ Langsam bekam sie aber nun doch Angst, besonders weil sie schon eine Vermutung hatte, was er hören wollte. Eric grinste. Wie ein Hai, kam es Gillian in den Sinn, ein menschenfressender, weißer Hai. „Erzählen sie mir doch von ihrer Schwester. Wie hieß sie noch gleich, Kathryn, nicht wahr?“ Dabei umkreiste er sie, wie ein Raubtier seine Beute. „Vergessen sie's!“ sagte Gillian mutiger als sie sich fühlte. Eric blieb direkt vor ihr stehen. „Würden sie das noch einmal wiederholen?“ Gillian schluckte. Sie konnte nicht, sie konnte es einfach nicht. „Niemals.“ erwiderte sie und sah ihm fest in die Augen. „Ich werde es ihnen niemals erzählen.“ Da holte Eric aus und schlug Gillian ins Gesicht. Es brannte auf ihrer Haut und sie schmeckte Blut, weil sie sich in die Zunge gebissen hatte, aber sie schüttelte weiterhin den Kopf. Jetzt wurde er richtig wütend und schlug noch zweimal auf sie ein. Ihre Lippe platzte auf und warmes Blut lief ihr in einem Rinnsal übers Kinn. Sie blickte ihn erneut an und Gillian wusste, er würde sie töten. Ohne mit der Wimper zu zucken. Aber das würde Eric solange nicht, wie sie ihm die Geschichte ihrer Schwester nicht erzählt hatte.
*
„Sie geht nicht ran. Sie geht einfach nicht an das verdammte Telefon.“ wütend warf Alex sein Handy auf den Schreibtisch. Er, Josh und Cody waren, wie gesagt, noch im Präsidium geblieben. Gerade hatten sie von Dr Gordon erste Ergebnisse bekommen und Alex wollte Gillian informieren. „ Haben sie es auch bei ihr zu Hause versucht?“ fragte der Lieutenant. „ Ja, hab' ich. Da geht auch keiner ans Telefon und die beiden Polizisten, die ihr Haus bewachen, habe ich auch schon angerufen, aber die sagen, dass Gill noch gar nicht daheim angekommen ist!“ fuhr Alex fort. „Denkst du, dass Eric sie.....“ fragte Josh vorsichtig. „Was soll ihr sonst passiert sein? Normalerweise geht sie IMMER an ihr Handy!“ fluchte er. „Wenn dem so ist, müssen wir schnellstens herausfinden, wo er die Frauen hingebracht hat. Und wenn sie eines seiner Opfer ist, bleiben uns noch zweieinhalb Stunden.“ sagte Coleman. Alex nahm einen roten Edding von seinem Schreibtisch und ging zur Tafel mit der Stadtkarte hinüber. „Also, wenn wir davon ausgehen, dass er sie so ziemlich vor dem Präsidium abgefangen hat, heißt das er muss irgendwo in diesem Bereich sein, wenn er sich an das Tempolimit gehalten hat.“ Alex maß mit einem Lineal die Karte ab und zeichne-te dann einen Kreis hinein. „ Ja, aber nur, wenn er sie mit Chloroform betäubt hat.“ fügte Cody hinzu. „ Sie ist eines seiner Opfer, natürlich hat er sie auch mit Chloroform betäubt, vermutlich als sie in ihren Wagen steigen wollte.“ fuhr Alex ihn an. „Bitte entschuldige! Ich...“ Er begann zu stottern. „Schon okay. Ich will auch nicht, dass ihr etwas passiert.“ sagte Cody. „Wo ist denn ihr Auto überhaupt?“ schaltete sich Josh ein. „ Weißt du wo sie ihn heute geparkt hat?“ fragte er Alex. „Ja, auf dem Parkplatz, bei diesem komischen Baum mit den fächerartigen, gelben Blättern.“ antwortete er. „ Du meinst vor dem Ginkgo?“Alex nickte. „ Gut. Ich besorg mir die Aufzeichnungen von der Kamera. Zum Glück gibt es eine auf dem Parkplatz.“sagte Cody. „Und ich fahre mal zu Gordon. Vielleicht hat er bei unserem letzten Opfer doch noch was gefunden!“ schlug Josh vor und beide liefen los. Alex sagte: „Ich sehe mich auf dem Parkplatz um. Möglicherweise finde ich ja dort etwas.“ gerade wollte auch er losrennen, als der Boss ihn am Arm festhielt. „Es ist nicht ihre Schuld!“ sagte er eindringlich zu Alex. Doch der schüttelte verzweifelt den Kopf: „Ich hätte sie begleiten müssen, Boss. Sie nicht alleine lassen. Wir müssen sie unbedingt fin-den!“- „Und das werden wir auch! Ganz bestimmt! Aber sie haben keine Schuld.“ Der Lieutenant ließ ihn los und Alex lief eilig zum Parkplatz. Dort angekom-men zog er eine Taschenlampe aus der Jackentasche und suchte den Boden rund um den Ginkgo ab. Nichts. Als er sich gerade wieder umdrehen wollte, sah er im Lichtkegel der Taschenlampe etwas glitzerndes auf dem Asphalt liegen. Er bückte sich und hob es auf. Alex erkannte sofort, was es war: Gillian's Goldkettchen, das sie immer trug. Schnell steckte er es ein und lief wieder hoch in sein Büro. „Es muss ihr abgerissen sein, vermutlich als er versucht hat sie in das Auto zu zerren.“ sagte Alex trocken. Er, Coleman und Cody saßen im Büro des Lieutenant. Josh's Anruf hatten sie auf Konferenzschaltung gestellt, da es zu lange gedauert hätte zu warten, bis er wieder im Präsidium einträfe. „Fehlanzeige bei der Über-wachungskamera. Die ist zufälligerweise ausgefal-len.“ ergänzte Cody. „Ja, bei mir auch. Der Doc hat nichts, aber auch gar nichts gefunden.“ fügte Josh hinzu. „Verdammt! Nur noch zwei Stunden und wir haben nichts!“fluchte Alex. „Denken wir doch einmal nach: Wo könnte er sie hingebracht haben?“ fragte Coleman. „Bestimmt in ein leerstehendes Haus. Und es dürfe keine Nachbaren geben und das Haus müsste über eine Garage oder einen Eingang verfügen, den er direkt mit dem Auto erreichen kann. Er kann die Frauen doch unmöglich allein so weit tragen, ohne dass es jemandem auffällt.“ überlegte Alex. „ Also in irgendein schlechteres Viertel, die kann man nicht alle absuchen. Uns fehlen für so was die Leute.“ murrte der Boss. „Vielleicht müssen wir nicht alle absuchen! Ich habe eine Idee!“ meinte Alex und grinste, trotz der ernsten Lage.
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„Erzählen sie es mir endlich! Erzählen! Sie! Es! Mir!“ rief Eric. Jedes Wort wurde von einem harten Schlag in Gillian's Gesicht begleitet. „Nein.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Gerade wollte Eric erneut ausholen, da klingelte Gillian's Handy. Eric ließ von ihr ab und ging hinüber zu dem Metalltisch, auf dem ihre Waffe, ihre Schlüssel und ihr Handy lagen. Er sah auf das Display. „Oh, ist das nicht süß? 'Alex ruft an'!“ Dann klappte er das Handy auf. „Guten Abend, Detective Spade. Wie nett, dass sie anrufen.“ Im Polizeirevier verdrehte Alex genervt die Augen. „Wo ist Gill?“fragte er, während Cody an seinem Computer tippte, um sie zu orten. „Gill? Oh, die ist hier. Wir wollten uns gerade ein bisschen unter-halten.“-„Was wollen sie von ihr, Eric?“-„ Sie ist die letzte auf meiner Liste. Sie ist Artemis, die Jägerin.“ antwortete Eric, der wieder zu Gillian hinüber-gegangen war. „Ich will mit ihr sprechen!“ forderte Alex. „Sie hätten bei ihr bleiben müssen, Alex, sie beschützen müssen.“ erwiderte er. „Wenn sie sie anrühren, dann bring ich sie um, Eric!“ drohte Alex. Eric strich Gillian mit dem Lauf seiner Pistole eine Haarsträhne aus dem Gesicht und flüsterte: „Zu spät!“ dann legte er auf.
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„Verdammt! Dieses Arschloch!“ fluchte Alex und knallte sein Handy auf den Tisch. „Haben wir ihn wenigstens orten können?“ fragte er dann. „Na ja, nicht so ganz. Aber wir konnten den Bereich eingrenzen,“ sagte Cody, „auf ungefähr 3 Blocks. Die liegen hier.“ Er zeichnete mit blauer Farbe einen Kreis etwas außerhalb des großen roten. „Aber das ist ja nicht in unserem 20 Minuten-Radius!“ meinte Alex. „Schon, aber bei dem bisschen Verkehr hat er bestimmt weniger als 20 Minuten gebraucht.“ erwiderte Cody. „Oder er hat uns gelinkt.“ das war Josh, der mittlerweile wieder im Revier angekommen war. „Das glaube ich nicht. Er dachte ja, wir wüssten bis vorhin nichts von ihrer Entführung, sonst wäre er doch nicht ans Telefon gegangen.“ erklärte Alex. „Und wo sind sie dann?“fragte Cody. „Gib mir mal seine Akte. Möglicherweise hat er mal in der Nähe gewohnt. Irgendetwas muss er mit dem Ort verbinden, sonst hätte er sie zu einen anderen gebracht.“ vermutete Alex. „Und was ist, wenn dem nicht so ist? Wenn er zu dem Ort keinerlei Bezug hat?“ Josh klang ein wenig ängstlich, als er diese Frage stellte. „Es MUSS einfach eine Verbindung geben. Es ist unsere einzige Chance.“ entgegnete ihm Alex.
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Gillian hatte Angst. Natürlich hatte sie Angst. Ein Massenmörder hatte sie entführt und wollte auch sie umbringen. Aber das war es nicht, was ihr am meisten Angst machte. Eric zog das Schwert aus seiner Hülle und stellte sich hinter sie. Gillian spürte, wie die Klinge an ihrem rechten Handgelenk kratzte, dann war sie frei. Eric hatte ihr die Fesseln durchgeschnitten. Doch noch bevor sie sich bewegen konnte, schubste er den Stuhl um, sodass sie auf den Boden fiel, dann steckte er das Schwert zurück in die Scheide. Gillian wollte gerade aufstehen, als Eric's Fußtritt sie wieder umwarf. Er gab ihr keine Zeit, sich wieder aufzurichten, sondern trat immer weiter auf sie ein. „Erzähl's mir!“, brüllte er immer wieder, „Erzähl!“ Eric packte sie an den Haaren und zog sie daran hoch, dann schleuderte er sie gegen die Wand. Gillian schaffte es zwar noch, ihre Hände auszu-strecken, um den Aufprall zu mildern, aber dafür brach sie sich das linke Handgelenk und der Schmerz durchzuckte wie ein Blitz ihren Arm. Sie sank zu Boden. Eric stand nun genau über ihr und sagte: „Erzähl mir jetzt endlich von deiner Schwester, oder, ich schwöre bei Zeus, ich töte dich!“ Und Gillian glaubte ihm. Was war schlimmer? Der Tod oder zu erzählen, was ihrer Schwester geschehen war? Alex suchte sie schon, dessen war sie sich sicher. Sie musste auf Zeit spielen, um dafür zu sorgen, dass Alex sie noch rechtzeitig finden würde. Also begann Gillian zu erzählen.
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„Ich weiß, wo sie ist!“ rief Alex triumphierend aus. „Hier steht, dass Eric als er klein war mit seinen Eltern in unserem Viertel gewohnt hatte. Einen Monat später wurde seine Mutter von seinem Vater ermordet und Eric kam in ein Heim. Es ist das einzige zu Hause, dass er jemals hatte.“ fügte er hinzu. „Und wo ist dieses Haus?“ wollte Cody wissen. „ Haley Street 289.“- „ Fahren sie los!“ ordnete der Lieutenant an, „Ich schicke ihnen ein SWAT-Team nach!“
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„Ich war damals fünfzehn. Meine Familie und ich machten Urlaub in Florida, ich glaube, es war unser einziger gemeinsamer Urlaub überhaupt. Eines Nachts, es tobte gerade ein fürchterlicher Sturm, stritten meine Mom und mein Dad sich wiedereinmal schrecklich. Ich bin in mein und Kathryn's Zimmer gegangen und habe ganz laut Walkman gehört. Meine Schwester war fünf Jahre alt und meine Eltern haben gedacht, sie würde von den Streitereien nichts mitbekommen. Aber dem war nicht so. Nach einer Viertelstunde habe ich gemerkt, dass Kathryn nicht mehr da war. Dann habe ich gesehen, dass ihr geliebter Teddy und ihr kleines aufblasbare Kanu fehlten. Ich wollte es meinen Eltern sagen, aber mein Vater schrie mich an und hörte mir gar nicht zu. Also bin ich durch die ganze Ferienanlage gerannt, ohne sie zu finden. Es hat fürchterlich geregnet und irgendwann bin ich dann zum Strand gelaufen und da habe ich sie schreien gehört. Sie strampelte im Wasser und die hohen Wellen verschluckten sie fast. Sie muss anscheinend weggelaufen sein und wollte mit dem Kanu zum gegenüberliegenden Ufer fahren, weil sie noch nicht schwimmen konnte, aber anscheinend hatte das Kanu ein Loch oder so, es ist untergegangen. Ich bin ins Meer gesprungen und wollte zu ihr schwimmen, aber die verdammten Wellen trieben mich immer wieder zum Strand zurück. Ich bin zu spät gekommen. Sie ging unter bevor ich sie erreichen konnte.“ Gillian schluckte. Tränen liefen ihr übers Gesicht und vermischten sich mit dem Blut, dass ihr aus einer Platzwunde an der Stirn rann. Aber das war ihr jetzt egal.
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Alex erreichte das Haus noch vor Cody und Josh. In der Einfahrt sah er ihren Wagen stehen. Er konnte nicht auf seine Kollegen warten. Gill war dort drinnen und er musste ihr helfen! Er zog seine Pistole und schlich sich langsam näher heran. Er öffnete die Eingangstür, die zum Glück nicht verschlossen war. Leise ging er weiter den Flur entlang. Wo waren sie, verdammt noch mal! Auf einmal hörte er einen Schrei. Es kam aus dem Keller! Er lief die Stufen hinunter, da hörte er einen Schuss.
*
Im ersten Moment spürte Gillian nichts. Dann eine Kälte, die sich in ihrem Körper ausbreitete, wie ein Virus. Eric hatte auf sie geschossen. Er hatte sie geschlagen und Gillian hatte geschrien, aber nicht mit ihrer Stimme, sondern mit der Stimme ihrer Schwester. Dann hatte er abgedrückt. Sie spürte einen stechenden Schmerz an ihrer linken Seite und sie spürte das Blut, das ihre Bluse durchtränkte, ihr Blut. Eric wollte gerade ein zweites mal schiessen, als die Tür aufgestossen wurde. Alex riss die Kellertür auf und stürmte mit gezogener Waffe hinein. Eric reagierte blitzschnell. Er zog Gillian an sich und hielt ihr seine Pistole an die Schläfe. „Legen sie die Waffe weg, Eric!“ rief Alex, „Das Spiel ist vorbei!“-„ Das kann ich nicht tun und das wissen sie genau, Detective.“ Eric sagte noch etwas, aber Alex hörte gar nicht hin. Er sah zu Gillian. Oh, Gott! Was hat er nur mit ihr gemacht? Ihr Gesicht und ihre Arme waren übersät von blauen Flecken und Blut lief von der Stirn über ihr wunderhübsches Gesicht. Dann sah er auch den Blutfleck an ihrer Seite. Leuchtend rot hob er sich von ihrer weißen Bluse ab und Gillian sah ihn mit leerem Blick an. Ihr war jetzt alles egal. Sollte er sie doch töten, dann wäre alles vorbei. Doch dann sah sie zu Alex und ihr Überlebenswille kehrte zu ihr zurück. Sie würde nicht aufgeben, wie ihre kleine Schwester es getan hatte! Nein! Sie war stark! Ihre Augen blitzten auf. Da sah sie das Schwert an Eric's Gürtel hängen. Sie packte den Schwertknauf und zog es aus seiner Hülle. Blitzschnell stieß sie es Eric in den Bauch und duckte sich unter ihm weg. Er ließ die Waffe fallen, sah beide einen Augenblick entgeistert an, kippte dann nach hinten um und rührte sich nicht mehr. Alex ging auf Gillian zu und als er sie erreicht hatte, lächelte sie ihn erschöpft an und fiel ihm bewusstlos in die Arme. Cody und Josh kamen im selben Moment, als Eric tot umfiel. Cody rief einen Krankenwagen und Josh kümmerte sich um Eric, aber da war ja ohnehin nicht mehr viel zu machen. Die ganze Zeit über hielt Alex Gillian im Arm. „Gill, hörst du mich? Bleib bei mir, bitte bleib bei mir!“ flüsterte er immer und immer wieder. Endlich kam der Krankenwagen.
Wochen später ging Gillian wieder am Meer spazieren. Der Sommer hatte sich verabschiedet und die Wolken hingen nun schwer am Himmel. Bald wird es ein Gewitter geben, dachte sie. Gillian hasste das Meer nicht mehr, sie mochte es zwar nicht aber sie hatte, wie man so schön sagt, ihren Frieden gefunden. Sie dachte an das was geschehen war: Alex war mit ihr ins Krankenhaus gefahren. Eineinhalb Wochen später hatte sie sich daraus selbst wieder entlassen. Eric war tot und sie hatte ihn umgebracht. Aus Notwehr. Aber sie konnte das widerliche schmatzende Geräusch das das Schwert machte, als es aus Eric's Körper glitt einfach nicht vergessen. Morgen hatte sie einen Termin beim Polizeipsychologen. Die Geschehnisse verarbeiten, ihr Innerstes nach außen krempeln, über Gefühle reden. Ihr Innerstes nach Außen krempeln...scheußlich. Gillian schüttelte sich. Alex hingegen hatte nie gefragt, was geschehen war, als er sie im Krankenhaus und später zu Hause besucht hatte. Dafür war sie ihm sehr dankbar. Irgendwann später würde Gillian ihm alles erzählen. Wenn sie bereit dazu war. Sie trat auf den Bootssteg hinaus und sah in das blau-graue Wasser. Plötzlich war ihr, als blicke ihr aus dem Wasser ein Gesicht entgegen, das Gesicht ihrer kleinen Schwester. Sie hörte Kathryn's Stimme in ihrem Kopf: Du bist nicht schuld, Gill. Du hättest es nicht verhindern können. Kathryn lächelte sie an und Gillian lächelte zurück. Es donnerte und ein Regentropfen fiel ins Wasser, es bildeten sich kleine Wirbel und das Gesicht ver-schwand. Obwohl es bereits stark regnete, schaute Gillian noch eine Weile auf das Wasser hinaus, dann kehrte sie dem Meer den Rücken zu und ging nach Hause um sich umzuziehen. Schließlich fing bald ihre erste Schicht seit Wochen an. Endlich!
EagleWriter So habs jetzt halb durch gelesen und bisher gefällt mir der Text immer noch richtig gut. Und ich muss einfach fragen ( bitte nicht beantworten) was lag den nun unter der Justitia-Statue ? |
Artemis13 Re: - Zitat: (Original von EagleWriter am 22.04.2012 - 21:45 Uhr) Habe die ersten paar Seiten gelesen und w ar gleich begeistert. 100 Seiten sind mir für Heute allerdings doch etwas viel. Werde morgen noch weiterlesen. Vielen Dank! Ich freue mich, wenn es dir gefällt. Ich hoffe, du hältst bis zum Ende durch :-) |
EagleWriter Habe die ersten paar Seiten gelesen und w ar gleich begeistert. 100 Seiten sind mir für Heute allerdings doch etwas viel. Werde morgen noch weiterlesen. |