Prolog
„Der Gefangene darf seine Zelle nicht verlassen!“, rief der Indianer aus.
„Es ist schon klar, dass er nicht freikommen darf, aber wenn er in eine Zelle in einem unserer Gefängnisse kommt, ist er wesentlich sicherer verwahrt“, entgegnete der Polizist, „Und nach amerikanischem Recht muss er verhört und dann verurteilt werden.“
„Sein Urteil wurde gefällt, lange, bevor wir geboren wurden“, meinte der Indianer. Der Polizist seufzte. Einen Tag zuvor hatte er den Hinweis bekommen, dass sich der Indianer komisch verhielt und auf alle Fragen, was er mache mit „Ich muss den Gefangenen hüten“ antworte.
„Hören sie, sie oder ihre Väter haben und hatten nie das Recht, jemanden gefangen zu nehmen. Das ist Aufgabe des Staates. Ich darf sie deshalb verhaften.“
„Aber das wirst du nicht tun, des Gefangenen Willen wegen.“ Der Polizist war mit seinen Nerven langsam am Ende: „Und ich weis genau, dass sie ihre ‚Arbeit’ nicht vernachlässigen können. Also sagen wir einfach, sie führen mich zu ihm, damit ich ihn befragen kann. Wäre das was?“ Der Indianer sah erschrocken aus: „Selbst mein Großvater wusste von niemanden, der mit ihm gesprochen hat. Wir wissen nur, dass er gefährlich ist.“
„Soll das etwa heißen, sie wissen noch nicht einmal, was er getan hat?!“
„Für seine Strafe muss es etwas schreckliches gewesen sein. Aber wenn du darauf beharrst, ihn zu sprechen, werde ich dich zu ihm führen.“ ‚Endlich’ dachte der Polizist. Er war sehr tolerant, aber das hatte ihn auf die Probe gestellt.
Nach einer Weile waren die Beiden an ein paar Felsen angekommen.
„Dort müssen wir rein“, sagte der Indianer – er hatte inzwischen erzählt, dass er Ewiger Hüter hieß – und deutete auf einen Spalt zwischen zwei Felsen. Der Polizist – er hieß Schuhmacher – nickte, nahm seine Taschenlampe und ging auf den Spalt zu.
„Warte!“, rief Ewiger Hüter, „Da unten ist ein Labyrinth, um zu verhindern, dass er ausbricht! Ich sollte vorgehen.“
„Bitte, nur zu“, meinte Schuhmacher und machte eine ausladende Armbewegung. Ewiger Hüter ging los und Schuhmacher ging hinterher, wobei er die Taschenlampe an machte. Er ging hinein und wenige Meter hinter dem Eingang war es bereits so dunkel, dass er froh war, die Taschenlampe dabei zu haben. Nach zwei Biegungenbemerkte er ein leuchten, worauf seine Taschenlampe plötzlich ausging.
„Was zum… Warum ist die ausgegangen?“
„Technische Sachen funktionieren hier unten nicht. Ich weis nicht, warum.“
„Na großartig. Wenigstens gibt es hier Licht.“ Sie gingen die letzten Stufen runter, und Schuhmacher traute seinen Augen nicht. Da waren Leuchtstreifen! In die Decke nahtlos eingearbeitet! Und jetzt fielen ihm auch andere Sachen auf – alles war glatt, nicht die geringste Unebenheit, und dass es in einem makellosem Weiß erstrahlte.
„Das gibt es nicht! Wer hat das gebaut? Es hätte in den Zeitungen stehen müssen, dass so etwas gebaut wird!“, rief Schuhmacher und hörte seine Stimme aus den Gängen widerhallen.
„Niemand weis, wann und wie, nur, dass es gebaut wurde. Komm jetzt, sonst sich wir tagelang hier. Und bleibe dicht bei mir, sonst verläufst du dich“, sagte Ewiger Hüter halb im Scherz, halb ernst.
„Hier ist die Tür“, sagte Ewiger Hüter zu Schuhmacher. Sie standen vor einer zwei Meter hohen und einen Meter breiten Stahltür, die garnicht in das restliche Bild passte. Ewiger Hüter presste seine Hand auf sie, und sie schwang lautlos auf.
„Wie lange war niemand hier?“, fragte Schuhmacher leise.
„Seitdem sich mein Großvater errinnern konnte“, antwortete Ewiger Hüter.
„Das ist lang.“ Nun war die Tür vollends offen, und eine zweite, ebenso große Stahltür versperrte den Weg. Wieder drückte Ewiger Hüter seine hand auf die Tür und sie schwang auf.
„Ist die dick“, kommentierte Schuhmacher die fünfzig Zentimeter dicke Tür.
„Dann ist also etwas passiert…“, kam eine Stimme aus dem – dunklen – Raum dahinter, „Ah, nichts ist passiert… Nur ein paar Fragen zu ihrem Verbrechen… Berührt auf keinen Fall die Wände!“, befahl die Stimme, als Schuhmacher eine der Wände berühren wollte, um sich selbst zu beweisen… „…dass es kein Traum ist… Nein, Schuhmacher, du bist in keinem Traum… zumindest nicht in einem, den man sich wünscht“, ertönte wieder die Stimme. Nun war die zweite Tür offen und Schuhmacher trat in den Raum.