Sonstiges
Deine Unschuld

Dein Herz - Meine Gier

Du hast Dir die Kehle aufgeschlitzt in dem Versuch mich zu küssen. Natürlich ist dies nur eine Metapher, aber sie beschreibt, weswegen Du nicht länger zu Atem kommst, wenn ich neben Dir liege, so nah, dass unsere Rippen sich unter der Haut berühren. Deine Hand ruht verkrampft in der meinen, beinahe bricht Du mir die Finger, in jedem Fall aber brechen die Spitzen meiner Wimpern ab und bedecken Deine schweißnasse Haut mit dunklen Federn. Du spuckst Blut, bis sich ein roter Film über meine bleiche Haut ergießt und bedeckt, was Du lüstern zu betrachten suchst.

Ich habe mir die Augen ausgestochen in dem Versuch, Dich anzusehen. Du wirkst ebenmäßig wie ein glatt polierter Stein, aber Deine Kanten sind spitz und meine Unachtsamkeit lässt mich nun büßen. "Die Augen haben kaum Schmerznerven" hast Du mir einmal gesagt. Der Zusammenhang rollt sich wie ein Teppich zusammen, aber es bleibt das beruhigende Wissen, dass Du im Recht warst. Wie schon so oft. Blind taste ich mich über Deine Brust nach oben, lege die Hand auf den pulsierenden Schnitt und versuche die Blutung zu stoppen, die Dein Herz mir entgegenstellt. Dein Leben rinnt mir durch die Finger.

Wir haben uns die Knochen gebrochen, in dem Versuch einander loszulassen. Nun ragen ihre Spitzen durch die aufgeplatzte Haut, als Nistplatz für die Gedankenvögel, die ihre wirren Elipsen um uns ziehen. Dein Ellbogen ruht unterhalb meines zerstörten Schulterblattes, aber ich spüre den Schmerz nicht länger. Selbst unsere Gesicher sind derart eng umschlungen, dass sich Deine von Künstlerhand gemalten Brauen in den meinen verfangen haben. Dein Lachen flechtest Du in die Strähnen meiner Haare, die Dir vor die Lippen fallen. Ich spüre, wie sich Deine Zunge gegen meine Kopfhaut drängt und lasse es wissentlich geschehen.

Als Du von mir lässt, legt sich mein Kopf in Deinen Nacken. Als hätte er schon immer dorthin gehört, gibt es nun schlicht keine Alternative mehr. Du streichelst meine angezogenen Knie, bis ich sie von mir strecke, weil ich Deine Berührungen nicht mehr ertrage. Meiner Finger drehen die feinen Löckchen Deines Oberkörpers nach. "Es ist ein Spiel" höre ich mich sagen. "Es ist mein Leben, mit dem Du spielst." antwortest Du schwach. "Ich weiß." Du beißt mir auf die Zunge bei meinen Worten und ich genieße den Schmerz. Meine Lippe zerplatzt, als Du sie mit sehnsuchtsvernarbten Fingern nachzeichnest. Die Vögel singen ihr schillerndes Traumlied, wieder und wieder die selben Verse:

"Du schuldest mir noch meine Unschuld

Sie zerbrach mir, als ich mit Dir sprach

Es vergeht meine Sehnsucht vor Ungeduld

Und nichts bleibt, als am Ende die Schmach"

Ich höre Ihnen zu, bis mir die Trommelfelle unter Deinem Atmen reißen, das schneller und schneller dagegen dröhnt.

Erst jetzt begreife ich, wie sehr ich Dich begehre. Und mit dem letzten Aufschrei, zerre ich Dein noch schlagendes Herz aus Deiner Brust, um es mir zwischen die Lippen zu schieben.